Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.03.2011


BGH 22.03.2011 - II ZR 206/09

BGB-Gesellschaft: Rechnungslegungspflicht des die Liquidation betreibenden BGB-Gesellschafters


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
22.03.2011
Aktenzeichen:
II ZR 206/09
Dokumenttyp:
Versäumnisurteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 17. Juli 2009, Az: I-17 U 63/08, Urteilvorgehend LG Duisburg, 16. April 2008, Az: 3 O 299/05
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der an der Liquidation nicht beteiligte und auch sonst über den Vermögensstand der Gesellschaft nicht unterrichtete Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat gegen den die Abwicklung betreibenden Mitgesellschafter einen Anspruch auf Rechnungsabschluss, der den Anspruch auf Rechnungslegung in sich trägt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 14. Juli 1960, II ZR 188/58, WM 1960, 1121; Urteil vom 18. März 1965, II ZR 179/63, WM 1965, 709) .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die erstmals in zweiter Instanz von der Klägerin hilfsweise erhobene Stufenklage als unzulässig abgewiesen wurde.

Die Beklagte wird verurteilt, über die Auseinandersetzung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Patio" Rechnung zu legen, insbesondere darüber,

- welche Positionen der Inventarliste aus Juni 2004 der Erblasser T. S. veräußert hat,

- welche Positionen der Inventarliste aus Juni 2004 durch Diebstahl verloren gegangen sein sollen,

- welche Positionen der Inventarliste aus Juni 2004 die Beklagte an sich genommen hat,

- welche Positionen der Inventarliste aus Juni 2004 die Beklagte zu jeweils welchem Preis veräußert hat,

- welche Verbindlichkeiten die Gesellschaft in Liquidation zu zahlen hatte,

und die Richtigkeit ihrer Angaben durch Vorlage von Unterlagen zu belegen.

Hinsichtlich des weiteren Verfahrens im Rahmen der Stufenklage wird die Sache zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Klägerin ist die Alleinerbin des am 12. Februar 2005 verstorbenen T. S. Dieser betrieb mit der Beklagten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Handel mit Antiquitäten, Interieur und Schmuck. Die Gesellschafter kamen im August 2004 überein, die Gesellschaft zu liquidieren. Der Erblasser führte deswegen im November und Dezember 2004 Rabattaktionen durch. Nach dessen Tod setzte die Beklagte die Veräußerung des Inventars fort und gab im September 2005 die gemieteten Geschäftsräume auf.

2

Die Klägerin hat mit der Klage zunächst - unter Berufung auf § 6 des Gesellschaftsvertrages, nach dem im Fall des Todes eines Gesellschafters der überlebende Gesellschafter die Gesellschaft fortsetzen und die Erben den ihrer Beteiligung entsprechenden Anteil am Gesellschaftsvermögen erhalten sollten - die Hälfte des sich aus einer Abfindungsbilanz zum Todestag des Erblassers ergebenden Wertes des Gesellschaftsvermögens verlangt.

3

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Beklagte mit Teilurteil zur Zahlung von 20.467,46 € verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insoweit als unbegründet abgewiesen; die in zweiter Instanz hilfsweise erhobene Stufenklage auf Rechnungslegung über die durchgeführte Liquidation und Auskehrung der Hälfte des Liquidationsüberschusses hat das Berufungsgericht als in der Berufungsinstanz unzulässige Klageänderung abgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Klage mit den erstmals in zweiter Instanz gestellten Hilfsanträgen weiter.

Entscheidungsgründe

4

Über die Revision der Klägerin ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern einer sachlichen Prüfung des Antrags (BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).

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Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die in zweiter Instanz hilfsweise erhobene Stufenklage ohne Erfolg geblieben ist.

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I. Das Berufungsgericht hat einen Zahlungsanspruch auf der Grundlage einer Abfindungsbilanz verneint, weil dieser nach dem Gesellschaftsvertrag eine werbende Gesellschaft voraussetze. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers habe sich die Gesellschaft jedoch bereits in der Abwicklung befunden. Es bestehe allerdings ein Anspruch der Klägerin auf Auskehrung der Hälfte des Liquidationserlöses. Bei der diesen Anspruch verfolgenden, im Berufungsverfahren hilfsweise erhobenen Stufenklage handele es sich indes um eine Klageänderung. Diese sei nach § 533 Nr. 2 ZPO nicht zulässig, da sie nicht auf Tatsachen gestützt werden könne, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen habe. Das Gericht des ersten Rechtszugs habe keine Tatsachen festgestellt, die für die Erstellung und Beurteilung einer Liquidationsbilanz grundlegend sein könnten. Wesentliche Positionen der Liquidationsbilanz seien streitig und bislang unzureichend belegt.

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II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die erstmals in zweiter Instanz hilfsweise erhobene Stufenklage ist zulässig und auf der ersten Stufe entscheidungsreif.

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1. Die Klageänderung ist gemäß § 533 ZPO zulässig.

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a) Die Beklagte hat in die Klageänderung eingewilligt (§ 533 Nr. 1 Alt. 1, §§ 525, 267 ZPO). Das Berufungsgericht hat in einem rechtlichen Hinweis die Auffassung des Landgerichts, der Klägerin stünden Ansprüche aus § 6 des Gesellschaftsvertrags zu, als rechtsirrig dargestellt und weiter ausgeführt, dass die Klägerin Anspruch auf Auskehrung der Hälfte des Betrages habe, der nach "Versilberung" aller Werte übrig geblieben sei. Der Beklagten wurde aufgegeben, zur Liquidation vorzutragen. Der Klägerin wurde anheim gestellt, ihre Anträge den Auflagen an die Beklagte anzupassen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 die Hilfsanträge auf Rechnungslegung über die durchgeführte Liquidation und Auskehrung der Hälfte des Liquidationsüberschusses angekündigt. In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2009 hat das Berufungsgericht vor Antragstellung darauf hingewiesen, es neige dazu, in der hilfsweise erhobenen Stufenklage eine in der Berufungsinstanz unzulässige Klageänderung zu sehen. Daraufhin haben die Parteien die angekündigten Anträge gestellt und dazu verhandelt, ohne dass die Beklagte die neuen Anträge der Klägerin beanstandet hat. Ihre Einwilligung in die Klageänderung wird daher unwiderleglich vermutet (§ 267 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2004 - II ZR 394/02, ZIP 2005, 567, 568).

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b) Die Klageänderung kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Nr. 2 ZPO).

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Seine gegenteilige Auffassung begründet das Berufungsgericht damit, dass bestimmte Positionen wie Umfang und Wert des Warenbestandes, Höhe des Liquidationserlöses, Umfang der Verbindlichkeiten der Liquidationsgesellschaft oder Angemessenheit der Verwertung streitig und bislang unbelegt seien.

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Hierbei übersieht das Berufungsgericht, dass die von ihm als streitig angesehenen Positionen die zweite Stufe der Klage betreffen. Innerhalb der Stufenklage (§ 254 ZPO) sind die stufenweise erhobenen Ansprüche auf Rechnungslegung und Zahlung aber prozessual selbständige Teile eines einheitlichen Verfahrens (BGH, Urteil vom 5. Mai 1994 - III ZR 98/93, NJW 1994, 2895). Die prozessuale Selbständigkeit der Ansprüche und ihre Verbindung zu einer Stufenklage haben zur Folge, dass zunächst nur über den Anspruch auf Rechnungslegung zu befinden ist (BGH, Urteil vom 27. März 1996 - XII ZR 83/95, NJW-RR 1996, 833 f.; Urteil vom 28. November 2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042, 1044). Für den zuerst zu prüfenden Rechnungslegungsanspruch greifen die Erwägungen des Berufungsgerichts indes nicht. Dieser ist bereits nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entscheidungsreif.

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2. Der auf der ersten Stufe geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch ist auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts begründet, weshalb der erkennende Senat in der Sache selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klägerin als Alleinerbin des Mitgesellschafters der Beklagten an dessen Stelle in die Liquidationsgesellschaft eingetreten ist, hat sie - so das Berufungsgericht zu Recht - Anspruch auf Auskehrung der Hälfte des Betrages, der sich aus dem Überschuss der Liquidation ergibt (§§ 734, 1922 BGB). Deshalb hat sie einen Anspruch auf Rechnungslegung gegen die Beklagte.

14

a) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts befand sich zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers am 12. Februar 2005 in der Abwicklung. Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kamen der Erblasser und die Beklagte im August 2004 überein, die Gesellschaft zu liquidieren. Durch diesen einstimmigen Beschluss wurde die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst. Nachdem zunächst der Erblasser im November und Dezember 2004 durch Rabattaktionen die Liquidation betrieben hatte, setzte die Beklagte nach dessen Tod die Veräußerung des Inventars fort und gab im September 2005 die gemieteten Geschäftsräume auf. Der Klägerin steht daher ein Anspruch auf die Hälfte des Liquidationsüberschusses zu.

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b) Die an der Liquidation nicht beteiligte und auch sonst über den Vermögensstand der Gesellschaft nicht unterrichtete Klägerin hat gegen die die Abwicklung betreibende Beklagte gemäß § 721 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rechnungsabschluss, der den Anspruch auf Rechnungslegung in sich trägt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1960 - II ZR 188/58, WM 1960, 1121, 1122; Urteil vom 18. März 1965 - II ZR 179/63, WM 1965, 709, 710; Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 713 Rn. 7, 721 Rn. 3).

16

3. Im Übrigen - hinsichtlich der weiteren Stufen der Klage - ist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass neue Angriffs- und Verteidigungsmittel der Klägerin zur Höhe des Anspruchs auf die Hälfte des Liquidationsüberschusses bereits deshalb zuzulassen sind, weil sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszugs für unerheblich gehalten worden ist (§ 533 Nr. 2, § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO; BGH, Beschluss vom 3. November 2008 - II ZR 236/07, ZIP 2009, 223 Rn. 8; Urteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 148/07, NJW-RR 2010, 1508 Rn. 22 f.; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 531 Rn. 27).

Bergmann                                Strohn                                   Reichart

                        Drescher                                  Born