Entscheidungsdatum: 21.06.2016
Der Prospekt eines geschlossenen Immobilienfonds informiert den Anlageinteressenten zutreffend über den Anteil der Kosten, die nicht in das Fondsgrundstück fließen (sog. Weichkosten), wenn der Interessent den im Prospekt angegebenen Anteil dieser Kosten an den Gesamtkosten mittels eines einfachen Rechenschritts in den Anteil an der Anlagesumme umrechnen kann.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger beteiligte sich im Jahr 2000 mit einer Beteiligungssumme von 100.000 DM nebst 5 % Agio als Treugeberkommanditist an der D. KG (im Folgenden: Fonds). Er macht gegen die Beklagten zu 1 und 3 als Gründungskomplementäre und gegen die Beklagte zu 2 als Gründungskommanditistin Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend und beruft sich dazu auf mehrere angebliche Aufklärungsmängel im Verkaufsprospekt.
Gegenstand der Investitionen des Fonds waren Immobilien in München, Berlin-Spandau, Stuttgart-Vaihingen, Nürnberg und Köln-Gremberghoven. Der Beteiligung lag ein Verkaufsprospekt mit Stand April 2000 zugrunde.
In diesem Prospekt werden auf Seite 28 unter der Überschrift „Investition/Mittelverwendung“ die Kosten für Dienstleistungen und Garantien mit 41.655.000 DM angesetzt und als Anteil an der Gesamtinvestition in Höhe von 11,2 % ausgewiesen. Unter der Überschrift „Finanzierung/Mittelherkunft“ wird das Kapital der Fondszeichner mit 146.000.000 DM, gleich 39,3 % der Gesamtinvestition, aufgeführt. Die Fremdfinanzierungsmittel werden mit 207.800.000 DM, gleich 55,9 % der Gesamtinvestition, angegeben.
Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung der Beteiligung und Feststellung einer Freistellungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich zukünftiger Inanspruchnahmen - jeweils Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligung - sowie auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen weiterer Schäden aus der Beteiligung gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagten zur Zahlung von 44.704,88 € verurteilt und die Freistellungsverpflichtung sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftigen Schadens aus der Beteiligung festgestellt. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Steuervorteile, seines entgangenen Gewinns und seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat es die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagten verfolgen mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zu Lasten der Beklagten entschieden worden ist.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Prospektangaben seien hinsichtlich der Darstellung der Kosten der Kapitalvermittlung („Weichkosten“) zwar nicht falsch, aber irreführend und verschleierten damit einem potentiellen Anleger die tatsächliche Werthaltigkeit seiner Beteiligung.
Die Darstellung in dem auf Seite 28 des Prospekts enthaltenen Finanzierungsplan schlüssle die Kosten für die Kapitalbeschaffung nicht gesondert auf; stattdessen werde insoweit nur ein Posten „Dienstleistungen und Garantien“ gebildet. Dieser werde relativ niedrig und damit werbend mit 11,2 % bezogen auf die Gesamtinvestition angegeben. Auch wenn die Prozentrechnung mathematisch richtig sei, werde dem Anleger vorenthalten, dass bezogen auf seinen selbst geleisteten Anteil die Provisionen wesentlich höher seien, nämlich 28,53 % ausmachten. Dies werde durch die Art der Darstellung verschleiert. Ein Anleger könne die für ihn maßgebliche Prozentzahl nur erkennen, wenn er die Zusammenhänge richtig erfasse und anschließend eine eigene mathematische Rechnung anstelle. Dies sei aber nicht Sinn und Zweck des Prospekts, der den Anleger zutreffend zu unterrichten habe.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt den zuerkannten Anspruch des Klägers aus Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagten als sogenannte Gründungsgesellschafter des Fonds aus Verschulden bei Vertragsschluss (Prospekthaftung im weiteren Sinne) gegenüber Kapitalanlegern haften, die wie der Kläger dem Fonds beigetreten und dabei über die Risiken der Anlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sind. Diese Haftung gilt auch zugunsten eines Treugeberkommanditisten, sofern er - wie hier der Kläger - durch den Gesellschafts- und den Treuhandvertrag im Innenverhältnis einem Kommanditisten gleichgestellt ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2015 - II ZR 444/13, ZIP 2015, 630 Rn. 8).
Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (ständige Rechtsprechung, siehe etwa BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 26 sowie BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342, Rn. 9). Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, gewisse Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231, Rn. 23). Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342, Rn. 9). Bei einer Publikumsgesellschaft - wie hier - ist eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nur insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten sind und auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen und -abschlüsse erkennbar keinerlei Einfluss haben (BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 28).
2. Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden muss; das heißt, er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufgeklärt werden. Dazu gehört auch eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können (siehe etwa BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 33).
3. Das Berufungsgericht hat jedoch die Anforderungen an diese Aufklärungspflicht überspannt, indem es in der fehlenden Wiedergabe der „maßgeblichen Prozentzahl“ einen Aufklärungsmangel gesehen und deshalb die Prospektangaben zu den Weichkosten als irreführend angesehen hat. Die streitgegenständlichen Prospektangaben genügen im Hinblick auf die Weichkosten den Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung der Anleger.
Der Senat kann die Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2012 - II ZR 294/11, ZIP 2013, 315 Rn. 11 mwN).
a) Ein Prospekt ist fehlerhaft, wenn der Anleger dem Prospekt den für seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstand, in welchem Umfang seine Beteiligung nicht in das Anlageobjekt fließt, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird, nicht ohne weiteres entnehmen kann. Mit den Anforderungen an einen wahrheitsgemäßen, vollständigen und verständlichen Prospekt ist es nicht zu vereinbaren, wenn der Anleger zur Ermittlung des Anteils der Weichkosten erst verschiedene Prospektangaben abgleichen und anschließend eine Reihe von Rechengängen durchführen muss (BGH, Urteil vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 Rn. 9). Nicht erforderlich ist andererseits, dass der Anteil der Weichkosten im Prospekt mit einer Prozentzahl vom Anlagebetrag angegeben wird. Vielmehr genügt es, wenn der Anleger diesen Anteil mittels eines einfachen Rechenschritts feststellen kann (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - III ZR 404/12, ZIP 2014, 381 Rn. 14 ff.; Beschluss vom 23. September 2014 - II ZR 319/13, juris Rn. 37 ff.).
b) Eine solche Berechnung ist hier ohne Schwierigkeiten schon allein anhand der im Berufungsurteil wiedergegebenen Angaben auf Seite 28 des Prospekts möglich. Dort werden sowohl die Kosten für Dienstleistungen und Garantien als auch das Kapital der Fondszeichner und die Höhe der Fremdfinanzierung in absoluten Zahlen zutreffend wiedergegeben. Ein Anleger kann mit diesen Angaben mittels eines einfachen Rechenschritts die Höhe des Anteils der Weichkosten am Anlagebetrag unschwer und ohne Abgleich unterschiedlicher Prospektangaben feststellen.
c) Die Darstellung der Weichkosten wird nicht dadurch irreführend, dass der Prospekt den Posten „Dienstleistungen und Garantien“ zur Gesamtinvestition in Bezug setzt und dieses Verhältnis als Prozentzahl wiedergibt. Bei den angegebenen 11,2 % handelt es sich um den Anteil der Weichkosten an den geplanten Gesamtausgaben, welche nicht nur aus den Einlagen, sondern auch aus dem geplanten erheblichen Fremdkapital bestritten werden. Auch dies lässt sich den Angaben auf Seite 28 unmittelbar entnehmen.
aa) Soweit das Berufungsgericht meint, diese Angaben seien geeignet, den für die Anlageentscheidung maßgeblichen Anteil der Weichkosten an den Einlagen der Kommanditisten zu verschleiern, beruht das auf einer fehlerhaften Beurteilung des maßgeblichen Anlegerhorizonts.
Von einem Anleger kann eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts verlangt werden (BGH, Urteil vom 5. März 2013 - II ZR 252/11, ZIP 2013, 773 Rn. 14 mwN). Die alleinige Angabe des prozentualen Anteils der Weichkosten an den Gesamtausgaben, die - wie hier - zutreffend wiedergegeben ist und sich auf derselben Seite des Prospektes befindet, die zugleich die Angaben enthält, mit denen ein potentieller Anleger mittels eines einfachen Rechenschritts den Anteil der Weichkosten am Eigenkapital des Fonds feststellen kann, ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, für die Anlageentscheidung maßgebliche Informationen zu verschleiern.
bb) Auch das von der Revisionserwiderung behauptete mögliche Fehlverständnis eines Anlegers, dass sich die angegebene Prozentzahl von 11,2 % auf den Anteil der Weichkosten an den Einlagen der Kommanditisten beziehen könnte und damit wiedergibt, welcher Anteil der eigenen Beteiligung nicht in das Anlageobjekt fließt, ist bei einer sorgfältigen und eingehenden Lektüre der Prospektangaben fernliegend.
III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen zu den weiteren von dem Kläger behaupteten Aufklärungsmängeln und zu deren behaupteter Kausalität für die Anlageentscheidung getroffen. Das wird es in der neu eröffneten Verhandlung nachzuholen haben.
IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Strohn Caliebe Wöstmann
Drescher Sunder