Entscheidungsdatum: 24.07.2018
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Oktober 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 30. September 2014 bezüglich der Beklagten zu 2 zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger begehrt im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung seiner 2004 in Höhe von 100.000 € und 30.000 € gezeichneten Beteiligungen an zwei geschlossenen Schiffsfonds, deren Gründungskommanditistin die Beklagte zu 2 ist. Diese bediente sich zum Vertrieb der Beteiligungen der Beklagten zu 1. Kontakte fanden im Vorfeld der Beitrittserklärungen ausschließlich schriftlich sowie telefonisch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1 statt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat hinsichtlich der Klageabweisung bezüglich der Beklagten zu 2 zugelassene Revision des Klägers.
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der Beklagten zu 2 zurückgewiesen worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Eine Haftung der Beklagten zu 2 als Gründungskommanditistin für ein Aufklärungsverschulden der Beklagten zu 1, derer sie sich für den Vertrieb der Beteiligungen bedient habe, komme nicht in Betracht, da eine ihr gemäß § 278 BGB zurechenbare Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 nicht feststehe. Auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2 für eigenes Aufklärungsverschulden bestehe nicht. Dem Kläger habe es dafür oblegen, eine unterlassene oder falsche Risikoaufklärung darzulegen und zu beweisen. Dazu hätte er entweder die Prospekte vor seinen Anlageentscheidungen selbst gelesen oder diese der Beklagten zu 1, derer sich die Beklagte zu 2 für den Vertrieb ihrer Anlagen bedient habe, als Grundlage für die Gespräche vor den Beitrittserklärungen gedient haben müssen. Letzteres habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt, ersteres habe er nicht behauptet, da er die Prospekte vor den Anlageentscheidungen nicht erhalten haben wolle.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers kann nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden.
1. Die Beklagte zu 2 schuldete als Gründungskommanditistin dem Kläger vor seinem jeweiligen Beitritt zu den Schiffsfonds eine sachlich richtige und vollständige Aufklärung über die Nachteile und Risiken der Beteiligung.
Demjenigen, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, obliegen Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet, § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon zuvor beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteil vom 17. April 2018 - II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 17; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 8 mwN; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 344/15, ZIP 2017, 1267 Rn. 15, jeweils mwN).
Den Altgesellschafter trifft danach die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 9 mwN; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 344/15, ZIP 2017, 1267 Rn. 17 mwN). Es ist dabei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass es als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Anlageinteressenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 9; Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118 Rn. 24; Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, WM 2005, 833, 837, jeweils mwN). Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist dies allerdings selbstverständlich kein Freibrief für den Berater oder Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidung des Anlegers mindert (BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 23; Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118 Rn. 24, jeweils mwN). Der aufklärungspflichtige Altgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines von der Komplementärin der Fondsgesellschaft eingeschalteten Vertriebs bedient und daher diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die von ihm geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet dabei über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen (BGH, Urteil vom 17. April 2018 - II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 30; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 10 mwN; Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 37; Urteil vom 14. Mai 2012 - II ZR 69/12, ZIP 2012, 1289 Rn. 11).
2. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Kläger habe eine unterlassene oder falsche Risikoaufklärung durch die Beklagte zu 2 nicht dargelegt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, dafür die Darlegungs- und Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten beziehungsweise aufgeklärt worden sein soll, und dem Anspruchsteller sodann der Nachweis obliegt, dass diese Darstellung nicht zutrifft. Diese Grundsätze gelten auch für behauptete Aufklärungs- und Beratungsmängel im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage (st. Rspr., BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 - III ZR 565/16, ZIP 2017, 2304 Rn. 21 f.; Urteil vom 5. Mai 2011 - III ZR 84/10, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56 Rn. 15, jeweils mwN).
b) Der Kläger hat vorgetragen, er sei durch die Beklagte zu 1 nicht über die Risiken und die Funktionsweise der Beteiligungen aufgeklärt worden, was sich die Beklagte zu 2 zurechnen lassen müsse. Damit hat er seiner Darlegungslast genügt und es oblag der eine fehlerhafte Aufklärung des Klägers durch die Beklagte zu 1 bestreitenden Beklagten zu 2, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast konkret darzulegen, wie sie als Gründungskommanditistin den Kläger über die Nachteile und Risiken der jeweiligen Beteiligung aufgeklärt hat.
aa) Eine Aufklärung des Klägers durch die Übergabe des jeweiligen Emissionsprospekts vor seinem entsprechenden Beitritt ist nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Kläger die Prospekte nicht vor der Zeichnung der Beteiligungen erhalten habe, was der Kläger als für sich günstig hinnimmt.
bb) Auch eine mündliche Aufklärung des Klägers über die Nachteile und Risiken der Beteiligungen durch den Geschäftsführer der Beklagten zu 1 in den Telefonaten vor dem jeweiligen Beitritt hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, der Kläger habe nicht schlüssig vorgetragen, im Vorfeld seiner jeweiligen Anlageentscheidung zumindest mittelbar in den Telefonaten mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1 mit dem Inhalt der Emissionsprospekte in Berührung gekommen zu seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet ein Prospekt auch dann Verwendung, wenn er entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern oder -beratern als Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche verwendet wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - III ZR 70/12, juris Rn. 11 mwN; Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 16 mwN). Daran fehlt es aber, wenn der Anleger vor seinem Beitritt nicht aufgeklärt worden ist, wovon hier mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist. Wenn ein Prospekt nicht übergeben worden ist, kommt es erst, wenn auf seiner Grundlage ein Beratungsgespräch stattgefunden hat, auf den Prospektinhalt an.
3. Der angefochtene Beschluss stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger auf eine Aufklärung über die Nachteile und Risiken der jeweiligen Beteiligung wirksam verzichtet hat. Die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Verzicht hat die aufklärungspflichtige Beklagte zu 2 (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 - I ZR 147/14, BGHZ 209, 256 Rn. 37).
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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