Entscheidungsdatum: 22.03.2011
Nimmt ein Dritter in einem Rechtsstreit die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus ihrer persönlichen Haftung für eine Gesellschaftsschuld in Anspruch, entfaltet die Rechtskraft eines in diesem Prozess ergangenen Urteils keine Wirkung in einem weiteren Prozess, in dem er nunmehr den Anspruch gegen die Gesellschaft verfolgt. Dies gilt auch dann, wenn alle Gesellschafter am Vorprozess beteiligt waren .
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. September 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und ihre vier Gesellschafter unterbreiteten der Klägerin mit notarieller Urkunde vom 21. Oktober 2003 ein Angebot zum Kauf einer noch zu vermessenden Grundstücksteilfläche von 3.350 qm zum Preis von 335.000 €. Das Angebot war befristet bis 31. Dezember 2006 und wurde von der Klägerin im Oktober 2005 angenommen. Schon im März 2005 hatte die Beklagte das Kaufobjekt an die Stadtentwicklungsgesellschaft W. mbH veräußert, die als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass ihr durch die Nichterfüllung des Grundstückskaufvertrags ein Gewinn in Höhe von 221.753,62 € entgangen sei, den sie durch den Weiterverkauf des Grundstücks hätte erzielen können. In einem ersten Rechtsstreit hat sie die vier Gesellschafter der Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in entsprechender Höhe in Anspruch genommen. Ihre in erster Instanz erfolgreiche Klage ist in der Berufungsinstanz rechtskräftig abgewiesen worden. Nunmehr verfolgt die Klägerin den Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet, das Berufungsgericht hat sie als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Über denselben Streitgegenstand sei bereits im Vorprozess zu Lasten der Klägerin entschieden worden. Zwar richte sich die nunmehr gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhobene Klage gegen ein anderes Rechtssubjekt als im ersten Prozess, an dem als Beklagte ihre Gesellschafter beteiligt gewesen seien. Die Rechtskraft des im Prozess gegen sämtliche Gesellschafter ergangenen Urteils erstrecke sich aber auf die Gesellschaft. Die einheitliche Abweisung der Klage gegen alle Gesellschafter könne nur darauf beruhen, dass ein Anspruch gegen die Gesellschaft verneint werde.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Klage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig. Nimmt ein Dritter in einem Rechtsstreit die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus ihrer persönlichen Haftung für eine Gesellschaftsschuld in Anspruch, entfaltet die Rechtskraft eines in diesem Prozess ergangenen Urteils keine Wirkung in einem weiteren Prozess, in dem er nunmehr den Anspruch gegen die Gesellschaft verfolgt. Dies gilt auch dann, wenn alle Gesellschafter am Vorprozess beteiligt waren.
1. Die Rechtskraft eines im Prozess gegen die Gesellschafter ergangenen Urteils erstreckt sich nach § 325 ZPO nicht auf die Gesellschaft. Nach dieser Vorschrift wirkt die Rechtskraft eines Urteils grundsätzlich nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits, in dem das Urteil ergangen ist. Die beklagte Gesellschaft bürgerlichen Rechts war am Vorprozess nicht beteiligt. Parteien des Vorprozesses waren vielmehr ihre vier Gesellschafter. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihren Gesellschaftern handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) - wie das Berufungsgericht im Ansatz richtig sieht - um verschiedene Rechtssubjekte. Richtet sich eine Klage ausschließlich gegen die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sind nur diese und nicht auch die Gesellschaft am Verfahren beteiligt.
2. Allerdings kann sich die Rechtskraft eines Urteils ausnahmsweise auch auf einen nicht am Verfahren beteiligten Dritten erstrecken. Dies ist allerdings nicht schon dann der Fall, wenn es einem Dritten zumutbar ist, die rechtskräftige Entscheidung über ein vorgreifliches Rechtsverhältnis gegen sich gelten zu lassen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1995 - V ZR 263/94, WM 1996, 184, 186; Urteil vom 8. November 2004 - II ZR 362/02, ZIP 2005, 121). Eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass ein Dritter an ein ohne seine Mitwirkung zustande gekommenes gerichtliches Erkenntnis grundsätzlich nicht gebunden sein soll, kommt nur in Betracht, wenn dies im Einzelfall vom Gesetz ausdrücklich angeordnet oder zumindest nach dem Sinn einer Gesetzesvorschrift geboten ist (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1995 - V ZR 263/94, WM 1996, 184, 186). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Weder § 129 Abs. 1 HGB noch § 736 ZPO kann entnommen werden, dass ein in einem Rechtsstreit mit einem Dritten gegen sämtliche Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergangenes Urteil über deren persönliche Haftung für eine Gesellschaftsschuld für und gegen die nicht am Prozess beteiligte Gesellschaft Wirkung entfaltet, wenn der Anspruch nunmehr gegen die Gesellschaft verfolgt wird.
a) § 129 Abs. 1 HGB gilt sinngemäß für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358; Urteil vom 3. April 2006 - II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 15). Die Vorschrift befasst sich jedoch nicht mit der hier zu entscheidenden Frage, ob ein rechtskräftiges Urteil gegen alle Gesellschafter Wirkung für und gegen die Gesellschaft entfaltet. Vielmehr regelt sie umgekehrt Inhalt und Umfang der Bindungswirkung eines gegen die Gesellschaft ergangenen rechtskräftigen Urteils für und gegen die Gesellschafter. Ein solches Urteil wirkt nach § 129 Abs. 1 HGB auch gegen die Gesellschafter, indem es ihnen die Einwendungen nimmt, die schon der Gesellschaft abgesprochen wurden (BGH, Urteil vom 3. April 2006 - II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 15). Ob man § 129 Abs. 1 HGB als Rechtskrafterstreckung (so z.B. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 325 Rn. 35; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 129 Rn. 7; § 128 Rn. 43) oder als Einwendungsausschluss ähnlich wie § 767 Abs. 2 ZPO versteht (Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 129 Rn. 11; offen gelassen von BGH, Urteil vom 3. April 2006 - II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 15), ist ohne Bedeutung. Jedenfalls kann aus dieser Vorschrift nicht die Bindungswirkung eines im Prozess gegen alle Gesellschafter ergangenen rechtskräftigen Urteils für und gegen die Gesellschaft hergeleitet werden. § 129 Abs. 1 HGB ist Ausdruck und Folge der in § 128 Abs. 1 HGB geregelten akzessorischen Haftung der Gesellschafter für die Schuld der Gesellschaft. Die Gesellschaft haftet aber für die Schuld der Gesellschafter nicht akzessorisch. Aus diesem Grund bedarf es einer § 129 Abs. 1 HGB entsprechenden, die Bindungswirkung eines gegen alle Gesellschafter ergangenen Urteils gegenüber der Gesellschaft regelnden Bestimmung nicht.
b) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung lässt sich die Rechtskraftwirkung eines Urteils gegen alle Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für und gegen die Gesellschaft nicht auf § 736 ZPO stützen.
aa) § 736 ZPO ordnet keine Rechtskrafterstreckung an, sondern bestimmt, dass zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist. Zwar kann eine über § 325 ZPO hinausgehende Erstreckung der Rechtskraft auf Dritte auch dann anzunehmen sein, wenn sie nicht ausdrücklich angeordnet ist; vielmehr genügt es, wenn sie nach dem Sinn einer Vorschrift geboten ist (BGH, Urteil vom20. Oktober 1995 - V ZR 263/94, WM 1996, 184, 186). Auch dies trifft für § 736 ZPO jedoch nicht zu. Die Vorschrift ist mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts nicht überflüssig geworden; sie ist so zu verstehen, dass - anders als bei der OHG (§ 124 Abs. 2 HGB) - zur Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nicht zwingend ein Titel gegen die Gesellschaft erforderlich ist, sondern auch mit einem Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter, der im Hinblick auf ihre persönliche Mithaftung ergangen ist, in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann (BGH, Urteil vom29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 356; BGH, Urteil vom25. Januar 2008 - V ZR 63/07, ZIP 2008, 501 Rn. 10; Beschluss vom 16. Juli 2004 - IXa ZB 288/03, ZIP 2004, 1775, 1777).
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung folgt hieraus aber nicht, dass die Rechtskraft eines gegen alle Gesellschafter ergangenen Urteils zugleich für und gegen die Gesellschaft wirkt. Lässt man unter Berufung auf § 736 ZPO aus dem gegen die einzelnen Gesellschafter ergangenen Titel die Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft zu, wird damit nach der Anerkennung der Parteifähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts zwar der Grundsatz durchbrochen, dass die Vollstreckung in das Vermögen eines eigenständigen Rechtssubjekts grundsätzlich einen Titel voraussetzt, dessen Gegenstand eine nach materiellem Recht bestehende Verpflichtung dieses Schuldners ist und ein Titel nur die Vollstreckung in das Vermögen des im Titel bezeichneten Schuldners eröffnen kann. Dies ist aber hinnehmbar, wenn Gegenstand der titulierten Verpflichtung eine Verbindlichkeit der Gesellschaft ist, für die die in Anspruch genommenen Gesellschafter haften, und alle Gesellschafter dem Vollstreckungszugriff unterworfen sind (BGH, Urteil vom25. Januar 2008 - V ZR 63/07, ZIP 2008, 501 Rn. 10).
Anders als die Revisionserwiderung meint, besteht für eine Erstreckung der Rechtskraft auf die Gesellschaft nicht deshalb ein unabweisbares Bedürfnis, weil ein Gläubiger wegen des gestörten Gleichlaufs zwischen materieller Rechtskraft und Vollstreckbarkeit zum einen aus dem gegen alle Gesellschafter ergangenen stattgebenden Urteil in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann und ein zweites Mal aus einem ihm günstigen Urteil gegen die Gesellschaft. Die Interessen der Gesellschaft werden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn wegen derselben Gesellschaftsschuld unterschiedliche Titel ergehen können. Der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Gesellschaftsvermögens kann ohne weiteres dadurch begegnet werden, dass die Gesellschaft den Erfüllungseinwand in dem gegen sie geführten Prozess erhebt oder mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend macht.
bb) Gegen das von der Revisionserwiderung befürwortete Verständnis des § 736 ZPO als Norm, die die Rechtskrafterstreckung eines gegen alle Gesellschafter ergangenen Urteils auf die parteifähige Außengesellschaft bürgerlichen Rechts gebietet, spricht zudem, dass die Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft entgegen dem Wortlaut des § 736 ZPO keinen in einem einheitlichen Verfahren gegen alle Gesellschafter erstrittenen Titel voraussetzt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 356;Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 736 Rn. 3; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 718 Rn. 55 m.w.N.). Genügen nach § 736 ZPO mehrere in getrennten Verfahren erwirkte Titel gegen alle Gesellschafter für eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen, lässt sich eine Erstreckung der Rechtskraft auf die nicht am Prozess beteiligte Gesellschaft nicht mit der Begründung rechtfertigen, im Gesellschafterprozess sei eine das Verfahren (Art. 103 GG) und die Rechtskraft legitimierende Repräsentation der Gesellschaft durch ihre Gesellschafter gewährleistet. Selbst wenn die Klage - wie hier - gegen alle Gesellschafter gerichtet ist, werden die Interessen der Gesellschaft nicht in jedem Fall notwendigerweise durch ihre Gesellschafter wahrgenommen, weil die Interessen der Gesellschafter oder einzelner von ihnen durchaus auch gegenläufig sein können.
cc) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Erstreckung der Rechtskraft eines die Klage gegen alle Gesellschafter abweisenden Urteils auf die Gesellschaft nicht deshalb geboten, weil andernfalls ein der Klage stattgebendes Urteil in einem weiteren Prozess gegen die Gesellschaft nach § 129 Abs. 1 HGB analog wiederum gegen die einzelnen Gesellschafter wirken würde. Dies trifft nicht zu. Einer erneuten Inanspruchnahme der einzelnen Gesellschafter aus ihrer Mithaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft steht die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils in dem gegen sie geführten Vorprozess entgegen. Dass das Bestehen der Verbindlichkeit der Gesellschaft im Gesellschafts- und Gesellschafterprozess möglicherweise unterschiedlich beurteilt wird, ist - ebenso wie bei der OHG und der KG - hinzunehmen, wenn in getrennten Prozessen zuerst die Gesellschafter und dann die Gesellschaft verklagt werden.
c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Rechtskraft eines Urteils nur zwischen den Parteien des rechtskräftig entschiedenen Prozesses wirkt, ist auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. Zwar ist anerkannt, dass ein im Gesellschafterprozess ergangenes Urteil jedenfalls für die Gesellschaft bindend ist, wenn über die Grundlagen der Gesellschaft entschieden wurde (BGH, Urteil vom 5. Juni 1967 - II ZR 128/65, BGHZ 48, 175, 176 f. für die OHG). Ein solcher Sonderfall liegt hier aber nicht vor.
III. Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Allerdings wäre der Senat nicht daran gehindert, eine die Klage als unbegründet abweisende Sachentscheidung zu treffen, wenn das Berufungsgericht einen Sachverhalt festgestellt hätte, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare Tatsachengrundlage böte, und wenn bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erschiene (BGH, Urteil vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95, NJW 1997, 2176, 2177; Urteil vom 25. November 1966 - V ZR 30/64, BGHZ 46, 281, 284). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Das Landgericht hat - ebenso wie das Berufungsgericht im Vorprozess gegen die Gesellschafter - die Klage wegen fehlender Bestimmbarkeit der verkauften Grundstücksfläche abgewiesen. Die Klägerin ist dieser Beurteilung mit der Berufung unter Bezugnahme auf die Stellungnahme eines Vermessungsingenieurs und weiterem Beweisantritt (Sachverständigengutachten, sachverständiger Zeuge) entgegengetreten. Das Berufungsgericht hat sich - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - mit diesem Einwand nicht befasst, so dass es insoweit an den erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen fehlt.
Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auch dem Vortrag der Klägerin nachzugehen haben, dass sie die verkaufte Fläche ungeachtet der Verlautbarung der Stadt, dass die Ausweisung der Fläche als Bauland nur in Betracht komme, wenn sie zumindest in der Verfügungsgewalt der Stadt stehe, zu einem höheren Kaufpreis hätte weiter verkaufen können.
Bergmann Strohn Reichart
Drescher Born