Entscheidungsdatum: 12.06.2018
Unterliegt ein die Berufung zurückweisender Beschluss der Anfechtung, muss er, ebenso wie ein Berufungsurteil, erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat.
Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Juni 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren wird angeordnet.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. S. GmbH (nachstehend Schuldnerin), das am 20. Oktober 2014 eröffnet wurde. Er nimmt die Beklagte zu 1, eine GmbH, als Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin auf erneute Einzahlung der Stammeinlage und den Beklagten zu 2, den ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin und Geschäftsführer der Beklagten zu 1, auf Ersatz einer Zahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen in Anspruch.
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 24.750 € nebst Zinsen verurteilt. Die Beklagte zu 1 habe ihre Einlagepflicht nicht erfüllt, weil die Bareinlage in einem engen zeitlichen Zusammenhang wieder zurückgezahlt worden sei. Der Beklagte zu 2 schulde den Betrag gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten unter Bezugnahme auf einen zuvor erteilten Hinweis durch Beschluss zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Entscheidung des Berufungsgerichts lässt nicht erkennen, was die Beklagten mit ihrem Rechtsmittel erstrebt haben.
1. Ein die Berufung zurückweisender Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO enthalten sind. Unterliegt der Zurückweisungsbeschluss der Anfechtung, hat er nach § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO, ebenso wie das Berufungsurteil nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten; auch im Übrigen gelten dieselben Inhaltsanforderungen an einen Zurückweisungsbeschluss wie bei einem Berufungsurteil (BGH, Urteil vom 21. September 2016 - VIII ZR 188/15, NJW 2016, 3787 Rn. 6). Der Beschluss muss daher, unter Umständen gemeinsam mit den Ausführungen in dem Hinweisbeschluss, zumindest sinngemäß erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 10/11, NJW 2012, 3569 Rn. 6; Urteil vom 11. Mai 2016 - VIII ZR 209/15, NJW 2016, 2254 Rn. 14; Urteil vom 21. September 2016 - VIII ZR 188/15, NJW 2016, 3787 Rn. 6; Hk-ZPO/Wöstmann, 7. Aufl., § 540 Rn. 3).
2. Diesen Anforderungen genügt der die Berufung der Beklagten zurückweisende Beschluss des Berufungsgerichts nicht. Dessen Gründe erschöpfen sich in einer Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 9. Juni 2016. Diese für sich genommen zulässige Bezugnahme war im vorliegenden Fall aber nicht ausreichend. Der Hinweisbeschluss teilt weder die Anträge im Berufungsverfahren mit noch lässt er auf andere Weise erkennen, welches Ziel die Beklagten mit ihrem Rechtsmittel angestrebt haben. Es kann nur vermutet werden, dass die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen wollten. Mit der Verurteilung des Beklagten zu 2 setzt sich das Berufungsgericht inhaltlich nicht auseinander. Nach der Begründung könnte auch lediglich die Beklagte zu 1 Berufung eingelegt haben.
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist danach ohne Sachprüfung aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die vom Berufungsgericht geteilten rechtlichen Erwägungen des Landgerichts die Verurteilung der Beklagten nicht tragen.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt die für die Erfüllung der Einlageschuld (§ 19 Abs. 1 GmbHG) erforderliche Leistung zur freien Verfügung des Geschäftsführers (§ 8 Abs. 2 GmbHG) nicht vor, wenn der eingezahlte Einlagebetrag absprachegemäß umgehend an den Inferenten zurückfließt (BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 120/07, BGHZ 180, 38 Rn. 15 - Qivive; Urteil vom 20. Juli 2009 - II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 Rn. 11 - Cash-Pool II). Aus den Erwägungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht auf einen Rückfluss der Einlage an die Beklagte zu 1 als Inferentin schließen.
Die Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln setzt zwar keine personelle Identität zwischen Inferent und Auszahlungsempfänger voraus. Ausreichend, aber auch erforderlich ist bei der Weiterleitung der Einlagemittel an einen Dritten, dass der Inferent dadurch in gleicher Weise begünstigt wird wie durch eine unmittelbare Leistung an ihn selbst. Mittelbar zugute kommt dem Inferenten die Leistung insbesondere, wenn die Zahlung an ein von ihm beherrschtes Unternehmen weitergeleitet wird (BGH, Urteil vom 20. Juli 2009 - II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 Rn. 32 - Cash-Pool II mwN).
Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 2 vom Konto der Schuldnerin, auf welches die Beklagte zu 1 am 1. August 2013 die von ihr übernommene Einlage eingezahlt hatte, am 6. und am 8. August 2013 insgesamt 25.000 € abgehoben hat, wirkt sich weder unmittelbar noch mittelbar begünstigend auf das Vermögen der Beklagten zu 1 aus. Das Landgericht hat offengelassen, ob, wie vom Kläger behauptet, die Beklagte zu 1 die Mittel zurückerhalten hat. Das Berufungsgericht führt aus, durch die gesellschaftlichen und privaten Verpflichtungen sei eine Identität von Zahlendem und Zahlungsempfänger anzunehmen. Das ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts nicht nachvollziehbar. Rechtsfehlerhaft rechnet das Landgericht die Abhebungen des Beklagten zu 2 deshalb der Beklagten zu 1 zu, weil der Beklagte zu 2 zugleich Geschäftsführer der Schuldnerin und der Beklagten zu 1 war. Für die Würdigung, dass die Beklagte zu 1 in gleicher Weise begünstigt wurde, wie durch eine unmittelbare Leistung an sie selbst, bedarf es aber der Feststellung über den Verbleib des Geldes. Insoweit deutet das Landgericht verschiedene Möglichkeiten an, ohne sich jedoch festzulegen.
2. Sollte das Vermögen der Schuldnerin - wie der Kläger behauptet - bereits im Juli 2013, mithin vor der Eintragung der Schuldnerin in das Handelsregister am 5. September 2013, aufgezehrt gewesen sein, wird das Berufungsgericht einer Einstandspflicht der Beklagten zu 1 unter dem Gesichtspunkt der Unterbilanzhaftung nachzugehen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1997 - II ZR 123/94, BGHZ 134, 333, 338 f.).
3. Schließlich wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der Eintragung der Schuldnerin im Handelsregister am 5. September 2013 einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2 nicht auf § 43 Abs. 3 GmbHG stützen können, weil von einer der Bestimmung des § 30 GmbHG zuwider geleisteten Zahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen erst nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister die Rede sein kann. Vor diesem Zeitpunkt entfalten die Regeln des GmbHG zur Kapitalerhaltung keine Wirkung (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rn. 49 - ADCOCOM; Wicke, GmbHG, 3. Aufl., § 30 Rn. 3; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 30 Rn. 3; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 30 Rn. 14 Kuntz in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 3. Aufl., § 30 Rn. 4; MHLS/Heidinger, GmbHG, 3. Aufl., § 30 Rn. 22; Verse in Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 30 Rn. 12; MünchKommGmbHG/Ekkenga, 3. Aufl., § 30 Rn. 60 f.; Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 30 Rn. 17, 27).
III. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Born |
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Bernau |
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B. Grüneberg |
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V. Sander |
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