Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 11.10.2012


BGH 11.10.2012 - VII ZR 10/11

Unwirksame Zeithonorarvereinbarung wegen Überschreitung der Höchstsätze der HOAI: Verjährung des Rückforderungsanspruchs; grob fahrlässige Unkenntnis der den Rückforderungsanspruch begründenden Tatsachen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
11.10.2012
Aktenzeichen:
VII ZR 10/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 8. Dezember 2010, Az: 3 U 56/10vorgehend LG Frankfurt, 29. Januar 2010, Az: 2-12 O 231/09nachgehend BGH, 23. Januar 2014, Az: VII ZR 177/13, Urteilnachgehend OLG Frankfurt, 5. Juni 2013, Az: 3 U 56/10, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 4 Abs 1 AIHonO 1996

Leitsätze

Dem im Honorarrecht für Architekten unerfahrenen Auftraggeber, der nach Stundenaufwand abgerechnetes und gezahltes Architektenhonorar teilweise zurückverlangt, weil die zugrunde liegende Zeithonorarvereinbarung wegen Höchstsatzüberschreitung unwirksam ist, kann grob fahrlässige Unkenntnis der den Rückforderungsanspruch begründenden Tatsachen nicht angelastet werden, wenn er bei Bezahlung der Zeithonorarrechnungen keine Ermittlungen zur zulässigen Höhe des Honorars anstellt, weil er keine konkreten Hinweise dafür hatte, dass das abgerechnete Honorar das nach der HOAI zulässige Honorar überschreitet.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Rückzahlung angeblich überzahlten Architektenhonorars.

2

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Rückzahlungsansprüche der Klägerin seien verjährt oder verwirkt. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

3

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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1. Das Berufungsurteil genügt nicht den Anforderungen des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

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Danach bedarf dieses zwar keines Tatbestandes. An dessen Stelle muss es jedoch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthalten (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Mangelt es daran, fehlt dem Berufungsurteil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - IX ZR 181/05, NJW-RR 2007, 781 Rn. 6). In einem solchen Fall ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03, NJW-RR 2004, 494 m.w.N.). Gleiches gilt, wenn das Berufungsurteil die Berufungsanträge nicht wiedergibt (BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, BGHZ 154, 99, 100 f.). Von der Aufhebung und Zurückverweisung kann in solchen Fällen ausnahmsweise dann abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung hinreichend deutlich aus den Gründen des Berufungsurteils ergeben (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - IX ZR 181/05, aaO Rn. 6 m.w.N.) und dieses wenigstens sinngemäß erkennen lässt, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urteil vom 16. März 2005 - VIII ZR 130/04, DAR 2006, 143).

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Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Aus den zwei Seiten umfassenden Gründen des Berufungsurteils lässt sich kein ausreichendes Bild von dem Sach- und Streitstand gewinnen. Soweit das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils ausgeführt hat, das Landgericht habe die Klage mit Recht abgewiesen, beinhalten diese Rechtsausführungen entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht zugleich eine hinreichende Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils. Im Übrigen wird in den Gründen des Berufungsurteils von der Darstellung des Sachverhalts ausdrücklich abgesehen. Außerdem ist auch der Berufungsantrag der Klägerin aus den Gründen des Berufungsurteils nicht hinreichend erkennbar. Zwar ist diesen Gründen zu entnehmen, dass die Klägerin in erster und zweiter Instanz eine Rückforderung angeblich überzahlten Honorars geltend gemacht hat. Den Gründen des Berufungsurteils lässt sich jedoch nicht entnehmen, in welcher Höhe die Klägerin Rückzahlung begehrt und ob die Klägerin in der Berufungsinstanz ihr Rückzahlungsbegehren gegenüber der ersten Instanz ermäßigt oder erhöht oder unverändert weiterverfolgt hat.

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Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO genügende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2005 - VIII ZR 130/04, aaO). Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

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a) Auf das Rechtsverhältnis der Parteien findet die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in der bis zum 17. August 2009 gültigen Fassung Anwendung.

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b) Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung dafür, dass Rückzahlungsansprüche bezüglich bis zum 31. Dezember 2005 bezahlter, als Abschlagsrechnungen bezeichneter Rechnungen verjährt seien, ist in mehrfacher Hinsicht nicht tragfähig.

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aa) Soweit das Berufungsgericht als Abschlagsrechnungen bezeichnete Rechnungen als Teilhonorarrechnungen qualifiziert hat, wird diese Würdigung nicht von hinreichenden Feststellungen getragen. Eine Teilschlussrechnung kommt im Anwendungsbereich der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nur in Betracht, wenn die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 195/94, BauR 1996, 138, 139 = ZfBR 1996, 37). Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

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bb) Sollte eine solche Vereinbarung getroffen worden sein, kann die Annahme der Verjährung des möglicherweise bereits mit der Überzahlung entstandenen Anspruchs auf Rückzahlung nicht mit der gegebenen Begründung aufrecht erhalten bleiben. Denn es fehlen jegliche Feststellungen zur Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen.

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(1) Bei § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auf die Kenntnis solcher anspruchsbegründenden Umstände abzustellen, die notwendig ist, um eine Klage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, erheben zu können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - VII ZR 213/07, BauR 2010, 618 Rn. 13 = NZBau 2010, 236 = ZfBR 2010, 353 m.w.N.). Erforderlich ist für die Klägerin die Kenntnis der Tatsachen, die eine Überzahlung begründen. Die Überzahlung ist regelmäßig durch einen Vergleich des Zeithonorars mit dem Honorar zu ermitteln, das sich aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ergibt. Dazu ist im Regelfall jedenfalls die Kenntnis der für die Honorarberechnung notwendigen Parameter: anrechenbare Kosten, § 10 Abs. 2 HOAI, Honorarzone, § 11 HOAI, und Leistungsumfang, § 15 HOAI, notwendig. Feststellungen zu einer entsprechenden Kenntnis der Klägerin liegen nicht vor.

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Der Hinweis des Berufungsgerichts, der Verjährungsbeginn werde durch einen Rechtsirrtum nicht gehindert, ist zwar grundsätzlich richtig (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 26), jedoch unbehelflich, soweit es um die den Anspruch begründenden Tatsachen geht. Es kann deshalb dahinstehen, ob und inwieweit die Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB angenommen werden kann, wenn ein Zahlungsanspruch sich darauf gründet, dass die mit einem Architekten getroffene Honorarvereinbarung unwirksam ist und die Unwirksamkeit aus einer komplexen, nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Rechtslage hergeleitet wird (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 199 Rn. 27 m.w.N.).

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(2) Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist und der Gläubiger auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - VII ZR 213/07, aaO Rn. 17 m.w.N.). Inwieweit der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Unterlassen einer solchen Ermittlung ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, NJW-RR 2010, 681 Rn. 16). Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein, so dass er aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären, soweit sie ihm nicht ohnehin bekannt sind. Nach diesen Grundsätzen kann eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Klägerin oder der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft bei Prüfung der Stundenabrechnungen nicht erkannt haben, dass das Zeithonorar die Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure übersteigt. Solange die - wovon in der Revision auszugehen ist - im Honorarrecht unerfahrene Klägerin oder ihr Verwalter keinen konkreten Hinweis darauf hatten, dass das nach der Honorarordnung zu berechnende Honorar geringer ist als die geleisteten Zahlungen, fällt ihnen keine grob fahrlässige Unkenntnis zur Last, wenn sie insoweit keine Ermittlungen anstellten. Eine grob fahrlässige Unkenntnis kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Baukosten Gegenstand eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung waren. Allein die Kenntnis der Baukosten versetzte die Klägerin nicht in die Lage, das gesetzliche Honorar zu ermitteln.

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cc) Sind die bis Ende 2005 bezahlten Rechnungen Abschlagsrechnungen, so handelt es sich bei dem Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung überzahlten Architektenhonorars nicht um einen Bereicherungsanspruch, sondern um einen vertraglichen Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - VII ZR 130/06, BauR 2008, 540 Rn. 16 = NZBau 2008, 256 = ZfBR 2008, 266). Der Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Architektenhonorars verjährt, vorbehaltlich § 199 Abs. 4 BGB, in der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB (vgl. Leitzke in Thode/Wirth/Kuffer, Praxishandbuch Architektenrecht, § 29 Rn. 37). Diese dreijährige Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen.

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Grundsätzlich kann ein vertraglicher Anspruch aus Überzahlung eines Bau- oder Architektenvertrages nicht vor dem Zeitpunkt fällig werden, zu dem der Vertrag beendet wird, so dass er mit einer Schlussrechnung abgerechnet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 373; Urteil vom 19. März 2002 - X ZR 125/00, BauR 2002, 1257 = NZBau 2002, 390 = ZfBR 2002, 558; Urteil vom 30. September 2004 - VII ZR 187/03, BauR 2004, 1940 = NZBau 2005, 41 = ZfBR 2005, 63; Urteil vom 22. November 2007 - VII ZR 130/06, BauR 2008, 540 = NZBau 2008, 256 = ZfBR 2008, 266; Urteil vom 23. Mai 2012 - VIII ZR 210/11, NJW 2012, 2647 Rn. 10). Die Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben keine davon abweichende Beurteilung. Selbst wenn der Anspruch bereits vor dem Jahr 2006 fällig geworden sein sollte, fehlten Feststellungen zur Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der die Überzahlung begründenden Tatsachen.

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c) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ferner eine Verwirkung der Rückzahlungsansprüche bezüglich der im Jahr 2006 bezahlten Rechnungen nicht angenommen werden.

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Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteil vom 14. November 2002 - VII ZR 23/02, BauR 2003, 379, 380 = NZBau 2003, 213 = ZfBR 2003, 147 m.w.N.). Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, Urteil vom 18. Januar 2001 - VII ZR 416/99, BauR 2001, 784, 785 = NZBau 2001, 314 = ZfBR 2001, 313 m.w.N.). Unterliegt ein Rückforderungsanspruch der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren, kann eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 22).

21

Unabhängig davon, ob die verstrichene Zeit für die Annahme einer Verwirkung überhaupt ausreichend sein könnte, hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Umstände festgestellt, die die Würdigung tragen, dass sich die Beklagte darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, die Klägerin werde gezahltes Honorar nicht zurückverlangen.

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