Entscheidungsdatum: 04.12.2012
Die Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers können vom übernehmenden Rechtsträger einen dem Umtauschverhältnis entsprechenden Teil der vom übernehmenden Rechtsträger an seine Aktionäre ausgeschütteten Dividende für ein Geschäftsjahr nicht verlangen, für das sie aufgrund der Vereinbarung eines variablen Zeitpunkts der Gewinnberechtigung im Verschmelzungsvertrag nicht gewinnbezugsberechtigt sind, weil sich die Eintragung der Verschmelzung verzögert hat.
Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1) 2/3, die Klägerin zu 2) 1/3.
Von Rechts wegen
Die Kläger waren Aktionäre der T. O. I. AG (im Folgenden: TOI). Die Hauptversammlung der TOI beschloss am 29. April 2005 die Zustimmung zu einer Verschmelzung auf die beklagte Aktiengesellschaft, die damals mehr als 75% der Aktien der TOI hielt. In § 2 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags war vorgesehen, dass die von der Beklagten als Ausgleich zu gewährenden neuen Aktien ab 1. Januar 2005 gewinnbezugsberechtigt sein sollten. Abweichend von § 2 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags sollten nach § 10 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags die neuen Aktien der Beklagten erst ab dem 1. Januar 2006 gewinnberechtigt sein, falls die Verschmelzung erst nach der ordentlichen Hauptversammlung der TOI im Jahre 2006, die über die Gewinnverwendung für das Geschäftsjahr 2005 beschließt, in das Handelsregister der Beklagten eingetragen wird. Bei einer weiteren Verzögerung der Eintragung über die ordentliche Hauptversammlung der TOI eines Folgejahres hinaus sollte sich der Beginn der Gewinnberechtigung jeweils entsprechend der vorstehenden Regelung um ein Jahr verschieben.
Verschmelzungsstichtag war der 1. Januar 2005. In § 10 Abs. 1 des Verschmelzungsvertrags war der Verschmelzungsstichtag auf den 1. Januar 2006 bestimmt, falls die Verschmelzung nicht bis zum Ablauf des 31. Januar 2006 in das Handelsregister der Beklagten eingetragen worden ist. Bei einer weiteren Verzögerung über den 31. Januar eines Folgejahres hinaus sollte sich der Verschmelzungsstichtag entsprechend dieser Regelung um ein Jahr verschieben.
Nach dem im Verschmelzungsvertrag festgelegten Umtauschverhältnis sollten die Aktionäre der TOI für jeweils 25 Aktien der TOI 13 Aktien der Beklagten erhalten. Das diesem Umtauschverhältnis zugrunde gelegte Wertverhältnis der Unternehmenswerte der beteiligten Rechtsträger (Verschmelzungswertrelation) beruhte auf Wertgutachten, die die Werte der beiden Gesellschaften nach der Ertragswertmethode ermittelt hatten.
Die Verschmelzung wurde am 6. Juni 2006 in das Handelsregister der Beklagten eingetragen, nachdem eine Rechtsbeschwerde gegen den Freigabebeschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 8. Februar 2006 als unstatthaft zurückgewiesen worden war (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2006 - II ZB 5/06, BGHZ 168, 48).
Vor der Eintragung war für das Jahr 2005 eine Dividende in Höhe von 0,72 € pro Aktie an die Aktionäre der Beklagten und eine solche in Höhe von 0,04 € pro Aktie an die Aktionäre der TOI ausgeschüttet worden. Im Spruchverfahren machten die Aktionäre unter anderem geltend, dass wegen dieser ungleichen Dividendenausschüttung eine Korrektur der Unternehmenswerte zu ihren Gunsten hätte erfolgen müssen. Dies lehnte das Oberlandesgericht Frankfurt in seiner Entscheidung vom 3. September 2010 (AG 2010, 751) ab. Da für die Bewertung der beiden Gesellschaften statt der nach der Ertragswertmethode ermittelten Werte die Börsenwerte zugrunde gelegt wurden und sich dadurch eine andere Verschmelzungswertrelation ergab, wurde eine Zuzahlung von 1,15 € je übernommener Aktie bestimmt.
Mit der Klage verlangen die Kläger, so behandelt zu werden, als wenn sie im Zeitpunkt der Ausschüttung der Dividende für 2005 schon Aktionäre der Beklagten gewesen wären. Sie nehmen dazu entsprechend dem im Verschmelzungsvertrag vorgesehenen Umtauschverhältnis 13/25 von 0,72 € je Aktie (0,374 €) und ziehen davon die Dividende der TOI (0,04 €) ab, so dass sich 0,334 € je Aktie ergeben.
Das Landgericht hat die auf Zahlung des Differenzbetrags gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Dagegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Kläger, mit der sie ihre Zahlungsansprüche weiter verfolgen.
Die Revisionen haben keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ergebe sich nicht aus dem Verschmelzungsvertrag und lasse sich auch nicht aus § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG ableiten. Dass der Verschmelzungsvertrag keine Regelung enthalte, der eine Wertverschiebung der beiden Gesellschaften zu Lasten der Aktionäre durch unterschiedliche Ausschüttungen verhindere, sei keine Nachteilszufügung im Sinn des § 317 AktG. Eine praktische Möglichkeit, Wertverschiebungen im Zeitraum von Bewertungsstichtag und Eintragung der Verschmelzung auszuschließen, bestehe nicht.
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung eines Teils der Dividende für das Jahr 2005 zu. Die Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers können vom übernehmenden Rechtsträger einen dem Umtauschverhältnis entsprechenden Teil der Dividende für ein Geschäftsjahr nicht verlangen, für das sie aufgrund der Vereinbarung eines variablen Zeitpunkts der Gewinnberechtigung im Verschmelzungsvertrag nicht gewinnbezugsberechtigt sind, weil sich die Eintragung der Verschmelzung verzögert hat.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Dividende der Beklagten für das Geschäftsjahr 2005 aufgrund des Verschmelzungsvertrags.
a) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung der Dividende der Beklagten als deren Aktionäre. Der Anspruch der Aktionäre der Beklagten auf Zahlung einer Dividende für das Geschäftsjahr 2005 entstand mit dem Wirksamwerden des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung der Beklagten im Jahr 2006 (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2011 - II ZR 237/09, BGHZ 189, 261 Rn. 13; Urteil vom 12. Januar 1998 - II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 381). Zu diesem Zeitpunkt waren die Kläger aber noch nicht Aktionäre der Beklagten.
b) Die Kläger müssen auch nicht aufgrund des Verschmelzungsvertrags so gestellt werden, als hätten sie für das Geschäftsjahr 2005 einen Anspruch auf die Dividende gehabt. Der Verschmelzungsvertrag gibt ihnen - unabhängig davon, ob es sich um einen Vertrag auch zugunsten der Anteilsinhaber handelt - keinen Anspruch auf eine Beteiligung am Gewinn der Beklagten für das Geschäftsjahr 2005. In § 2 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags war zwar vorgesehen, dass die von der Beklagten den Aktionären der TOI als Ausgleich zu gewährenden neuen Aktien ab 1. Januar 2005 gewinnbezugsberechtigt sein sollten. Abweichend von § 2 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags sollten nach § 10 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags aber die neuen Aktien der Beklagten erst ab dem 1. Januar 2006 gewinnberechtigt sein, falls die Verschmelzung erst nach der ordentlichen Hauptversammlung der TOI im Jahre 2006, die über die Gewinnverwendung für das Geschäftsjahr 2005 beschließt, in das Handelsregister der Beklagten eingetragen wird. Da die Verschmelzung infolge der Verzögerung durch die Anfechtungsklagen gegen den Verschmelzungsbeschluss bei der TOI und das Freigabeverfahren erst nach der Hauptversammlung der TOI im Jahr 2006, die über die Gewinnverwendung für das Geschäftsjahr 2005 beschloss, eingetragen wurde, waren die neuen Aktien, die die Kläger erhielten, für 2005 nicht mehr gewinnbezugsberechtigt.
c) Die Kläger können einen Anspruch auch nicht aus § 2 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags wegen einer Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der variablen Gewinnbezugsregelung in § 10 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags herleiten.
aa) Eine variable Gewinnbezugsregelung verstößt nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 UmwG ist der Zeitpunkt, von dem an die neuen Anteile am übernehmenden Rechtsträger einen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn gewähren, frei wählbar. Das schließt auch die Wahl eines von der Eintragung der Verschmelzung abhängigen Zeitpunkts ein.
bb) Die Vereinbarung eines variablen Beginns der Gewinnbezugsberechtigung im Verschmelzungsvertrag ist bei abzusehenden Verzögerungen der Eintragung und damit der Wirksamkeit der Verschmelzung keine Regelung, die die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers unangemessen benachteiligt und aus diesem Grund bedenklich ist.
Die Vereinbarung eines fixen Termins für die Gewinnbezugsberechtigung benachteiligt die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers, wenn sie die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers am Gewinn ihrer Gesellschaft beteiligen müssen, ohne dass ihnen der Wert und der Bilanzgewinn des übertragenden Rechtsträgers zugutekommen. Sie benachteiligt sie darüber hinaus, wenn die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ihrerseits noch eine Gewinnausschüttung beschließen.
Die Benachteiligung der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers kann zwar dadurch vermieden werden, dass auch der Verschmelzungsstichtag fest und nicht variabel bestimmt wird, weil von diesem Zeitpunkt an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG). Damit würden aber wiederum die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers benachteiligt. Sie können keine Ausschüttung mehr beim übertragenden Rechtsträger erhalten, aber auch nicht mehr an einem Bilanzgewinn des übernehmenden Rechtsträgers, der dann auch auf einem Gewinn des übertragenden Rechtsträgers beruht, beteiligt werden, wenn dort ein Gewinnverwendungsbeschluss über eine Ausschüttung gefasst wird, bevor die Verschmelzung eingetragen wird und die neuen Aktien, die die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers erhalten, entstehen. Nach einem Gewinnverwendungsbeschluss entstehende neue Aktien sind nicht mehr gewinnberechtigt (vgl. KK-UmwG/Simon, § 5 Rn. 66; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 4. Aufl., § 5 Rn. 28; Schröer in Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl., § 5 Rn. 45). Die Hauptversammlung, die über die Gewinnverwendung für das Jahr beschließen muss, in dem dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt wird, kann nicht aufgeschoben werden, bis die Verschmelzung eingetragen ist. Sie hat in den ersten acht Monaten des folgenden Geschäftsjahrs stattzufinden (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG).
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Schütz/Fett, DB 2002, 2696, 2698) kann dieser drohenden Benachteiligung der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers jedenfalls bei einer Aktiengesellschaft als übernehmendem Rechtsträger nicht mit der Verpflichtung beider Rechtsträger zu einem Ausschüttungsverbot und einem Schadensersatzanspruch bei Verletzung dieser Pflicht begegnet werden. Ein solches Ausschüttungsverbot kann im Verschmelzungsvertrag nicht rechtlich bindend vereinbart werden. Eine Verteilung des Bilanzgewinns an die Aktionäre kann allenfalls auf der Grundlage einer entsprechenden Satzungsbestimmung vollständig ausgeschlossen werden (§ 58 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4, § 254 Abs. 1 AktG). Durch die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag kann keine Ermessensbindung der Hauptversammlung eintreten, bis zur Eintragung der Verschmelzung keine Gewinne unter die Aktionäre zu verteilen, weil neu hinzukommende Aktionäre ohne Regelung in der Satzung nicht gebunden sind. Abgesehen davon käme es durch ein Ausschüttungsverbot zu einer Vorwirkung der Verschmelzung, obwohl die Wirksamkeit des Verschmelzungsvertrags und seine Vollziehung wegen der gegen den Verschmelzungsbeschluss erhobenen Anfechtungsklagen noch ungewiss sind.
Aus diesen Gründen wird empfohlen, bereits im Verschmelzungsvertrag - wie hier geschehen - den Beginn der Gewinnbezugsberechtigung variabel auf die entsprechenden Zeitpunkte der Folgejahre festzulegen, um eine andernfalls notwendige Anpassung des Verschmelzungsvertrags zu vermeiden (Lutter/Drygala, UmwG, 4. Aufl., § 5 Rn. 44; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 4. Aufl., § 5 Rn. 29 mwN).
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen musste nicht sichergestellt werden, dass ein Gewinnbezugsrecht in dem Jahr des Bewertungsstichtags entsteht, um die Verschmelzungswertrelation zu wahren. Auch die verfassungsrechtlich gebotene wirtschaftlich volle Entschädigung für den Verlust des Anteils an dem übertragenden Rechtsträger (vgl. BVerfG, ZIP 2012, 1656, 1657 mwN) verlangt nicht, dessen Anteilsinhaber so zu stellen, als seien sie bereits ab dem Bewertungsstichtag beim übernehmenden Rechtsträger gewinnbezugsberechtigt. Erst recht müssen sie an einer Dividende vor Eintragung der Verschmelzung nicht beteiligt werden.
aa) Dass durch die Ausschüttungen bei den beiden an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgern die Verschmelzungswertrelation nach dem Verschmelzungsbeschluss und dem Bewertungsstichtag verändert wurde, steht nicht fest. Das Berufungsgericht konnte eine Änderung der Verschmelzungswertrelation nicht feststellen, aber auch nicht ausschließen. Aus den von den Klägern vorgetragenen Tatsachen folgt sie nicht.
Allerdings kann sich infolge der Verzögerung der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister durch Anfechtungsklagen das einem angemessenen Umtauschverhältnis (§ 12 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG) zugrunde gelegte Wertverhältnis der Unternehmenswerte der beteiligten Rechtsträger ändern. Entgegen der Auffassung der Revisionen führt es aber nicht in jedem Fall zu einer Veränderung der Verschmelzungswertrelation, wenn eine Dividendenzahlung bei den an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgern nicht dem Umtauschverhältnis oder der Verschmelzungswertrelation entspricht. Die Verschmelzungswertrelation berücksichtigt die künftig zu erwartenden Ausschüttungen, wenn die Unternehmenswerte bei beiden Rechtsträgern nach der Ertragswertmethode ermittelt werden, beruht aber nicht ausschließlich auf dem Verhältnis der erwarteten Dividenden.
Der mit der Ausschüttung verbundene Mittelabfluss muss weder den Unternehmenswert noch die Verschmelzungswertrelation verändern. Soweit sich die Ausschüttungen im Rahmen dessen halten, was der Unternehmensbewertung als ausschüttungsfähiger Gewinn zugrunde gelegt ist, führt der mit der Dividendenzahlung einhergehende Mittelabfluss nicht zu einer Verminderung des Unternehmenswerts. Der Mittelabfluss durch eine Ausschüttung ist regelmäßig bei der Bestimmung des Unternehmenswertes und damit der Verschmelzungswertrelation durch die Ertragswertmethode berücksichtigt. Auch bei einer gegenüber der Prognose höheren Ausschüttung kann der Mittelabfluss durch einen höher als erwartet ausgefallenen Gewinn und seine Thesaurierung ausgeglichen sein. Erst recht kann damit einer bei beiden Rechtsträgern unterschiedlichen Dividendenzahlung keine Veränderung der Verschmelzungswertrelation entnommen werden.
Hier kommt hinzu, dass das Umtauschverhältnis im Spruchverfahren nicht nach der Ertragswertmethode, sondern nach dem Börsenwert bestimmt worden ist, für den zwar ebenfalls künftig erwartete Ausschüttungen eine Rolle spielen, aber nicht allein ausschlaggebend sind. Im Verhältnis der Börsenwerte zueinander müssen sich die erwarteten Ausschüttungen ebenfalls nicht rechnerisch genau abbilden.
bb) Eine Veränderung der rechnerisch der Verschmelzungswertrelation zugrundeliegenden Hilfsgrößen der Unternehmensbewertung zwischen dem Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung und der Eintragung der Verschmelzung bedeutet auch nicht, dass das vereinbarte Umtauschverhältnis keine volle wirtschaftliche Entschädigung für den Verlust des Anteils mehr ist.
Der Wertermittlung für beide beteiligten Rechtsträger muss ein Bewertungsstichtag zugrunde gelegt werden. Da die Verschmelzung nach dem gesetzlichen Normalfall jedenfalls nach Ablauf der Anfechtungsfrist für den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung eingetragen werden kann, bietet es sich an, wie hier als Bewertungsstichtag den Tag der Hauptversammlung über die Zustimmung zur Verschmelzung zu bestimmen und die Wertermittlung nicht mit der Prognose über den Eintragungszeitpunkt zu belasten. Ein variabler Bewertungsstichtag für den Fall einer Verzögerung der Eintragung der Verschmelzung kann nicht vereinbart werden, weil das Umtauschverhältnis im Verschmelzungsvertrag bestimmt sein muss (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG).
Wenn einzelne, bei der Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode zugrunde gelegte Hilfsgrößen nicht wie prognostiziert eintreten, macht das die Unternehmensbewertung nicht unrichtig und stellt das angemessene Umtauschverhältnis, mit dem die volle wirtschaftliche Entschädigung gewährleistet werden soll, nicht in Frage. Der Bestimmung des angemessenen Umtauschverhältnisses nach dem Wert der beteiligten Rechtsträger durch eine Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode liegen Prognosen zugrunde. Jede in die Zukunft gerichtete Prognose, insbesondere die der Ertragswertmethode eigene Beurteilung künftiger Erträge, ist ihrer Natur nach mit Unsicherheiten behaftet. Zumindest auf Grundlage der Ertragswertmethode ist es nicht möglich, stichtagsbezogen einen exakten, einzig richtigen Wert eines Unternehmens zu bestimmen (BVerfG, ZIP 2012, 1656, 1658). Durch eine abweichende tatsächliche Entwicklung der zugrunde gelegten Erträge wird die Bewertung nicht nachträglich als falsch entlarvt und unrichtig. Der Aktionär hat keinen Anspruch darauf, dass die prognostizierte Entwicklung eintritt. Dass der Wert des Anteils am übertragenden oder übernehmenden Rechtsträger bzw. Unternehmensteil stets, auch nach der Eintragung der Verschmelzung unverändert bleibt, kann er ohnehin nicht verlangen.
Dass sich die Verschmelzungswertrelation in einem solchen Ausmaß verändert hat, dass das Umtauschverhältnis nicht mehr angemessen ist und die Anteile an der Beklagten zuzüglich der Zuzahlung keine volle Entschädigung mehr darstellen, ist nicht festgestellt und ergibt sich aus der Dividendenzahlung bei der Beklagten für das Geschäftsjahr 2005 nicht, die von den Klägern dafür herangezogen wird.
cc) Die von den Revisionen begehrte Festlegung des Zeitpunktes für das Gewinnbezugsrecht auf den Bewertungsstichtag auch für den Fall einer Hinauszögerung der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister könnte auch nicht zu einem Anspruch auf eine Dividende unabhängig vom Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verschmelzung führen und brächte Nachteile für die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (oben c bb). Zudem müsste in einer angemessenen vertraglichen Regelung auch berücksichtigt werden, wenn sich die Verschmelzungswertrelation zugunsten der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers verändert. Eine „Zuzahlung“ der Anteilsinhaber oder eine Kürzung ihrer Dividende beim übertragenden Rechtsträger kann aber nicht vereinbart werden. Ob eine nachträgliche Veränderung der Verschmelzungswertrelation vor Eintragung der Verschmelzung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Kündigung des Verschmelzungsvertrags führen kann (KK-UmwG/Simon, § 5 Rn. 45; Lutter/Drygala, UmwG, 4. Aufl., § 4 Rn. 31 mwN), kann hier dahinstehen, weil das die Bindung an den Verschmelzungsvertrag zwischen den Rechtsträgern betrifft und sich daraus kein Zahlungsanspruch der Anteilsinhaber ergibt.
2. Die Kläger haben auch keinen Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG auf eine anteilige Dividende. Nach § 317 Abs. 1 Satz 2 AktG ist ein herrschendes Unternehmen den Aktionären der abhängigen Gesellschaft zum Ersatz des ihnen durch eine nachteilige Maßnahme für die abhängige Gesellschaft entstandenen Schadens verpflichtet, soweit sie abgesehen von dem Schaden, der ihnen durch die Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, selbst geschädigt worden sind. Entgegen der Auffassung der Revisionen ist der Abschluss des Verschmelzungsvertrags weder eine für die TOI als abhängiges Unternehmen nachteilige Maßnahme noch ist den Klägern als deren Anteilsinhabern dadurch ein Schaden entstanden. Die TOI handelte beim Abschluss des Verschmelzungsvertrags nicht außerhalb ihres unternehmerischen Ermessens (§ 317 Abs. 2 AktG).
a) Eine nachteilige Maßnahme ist die Vereinbarung der Verschiebung des Gewinnanspruchs in § 10 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags nicht. Nachteil im Sinn von § 317 Abs. 1 Satz 2, § 311 AktG ist jede Minderung oder konkrete Gefährdung der Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft, soweit sie als Abhängigkeitsfolge eintritt (BGH, Urteil vom 31. Mai 2011 - II ZR 141/09, BGHZ 190, 7 Rn. 37 - Dritter Börsengang; Urteil vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 8 - MPS; Urteil vom 1. März 1999 - II ZR 312/97, BGHZ 141, 79, 84). Die Regelung über die Verschiebung des Gewinnbezugsrechts der Aktionäre der TOI bei der Beklagten mindert die Vermögens- oder Ertragslage der TOI nicht und gefährdet sie auch nicht. Auch das Unterlassen vertraglicher Vereinbarungen, wonach Ausschüttungen abgestimmt werden oder nur entsprechend der Umtauschrelation vorgenommen werden - die rechtlich nicht bindend sind , ist kein Nachteil der Gesellschaft.
b) Den Klägern ist als Aktionären der TOI auch kein Schaden entstanden. Als Schädigung der Aktionäre kommt zwar in Betracht, dass aufgrund einer nachteiligen Veranlassung des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft die Dividende der Aktionäre der abhängigen Aktiengesellschaft verkürzt wird (BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 - II ZR 178/90, ZIP 1992, 1464, 1471). Dass die Dividende der Kläger bei TOI verkürzt wurde, behaupten sie aber nicht. Dass sie nicht an der Dividende der Beklagten beteiligt waren, ist keine Verkürzung ihrer Dividende bei der TOI.
c) Eine Ersatzpflicht wegen der in § 10 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags getroffenen Regelung wäre außerdem nach § 317 Abs. 2 AktG ausgeschlossen. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte. Die Verschiebung des Gewinnbezugsrechts bei einer Verzögerung der Eintragung der Verschmelzung hätten auch Organe einer nicht abhängigen Gesellschaft vereinbart, weil sie allgemein empfohlen wird und ein fester Zeitpunkt für das Gewinnbezugsrecht zu einem Nachteil der Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers führen kann, wenn sich die Eintragung der Verschmelzung bis nach dem Beschluss über die Gewinnverwendung beim übernehmenden Rechtsträger verzögert. Dass eine Vereinbarung über eine abgestimmte Ausschüttungspolitik zur Wahrung des Umtauschverhältnisses nicht getroffen wurde, wie sie teilweise vorgeschlagen wird (Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 4. Aufl., § 5 Rn. 30; Schröer in Semler/Stengel, UmwG, 3. Aufl., § 5 Rn. 48), kann den Organen der TOI schon deshalb nicht zur Last gelegt werden, weil sie keinerlei Bindungswirkung hätte und den vermeintlichen Nachteil auch nicht beseitigt hätte.
Bergmann Reichart Drescher
Born Sunder