Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.05.2012


BGH 14.05.2012 - II ZR 130/10

Haftung des Geschäftsführers einer Bau-GmbH wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht: Umfang ersatzfähiger Schäden eines Neugläubigers


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
14.05.2012
Aktenzeichen:
II ZR 130/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Koblenz, 2. Juni 2010, Az: 6 U 1441/09, Urteilvorgehend LG Koblenz, 6. November 2009, Az: 8 O 48/09
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der Schutzbereich der Insolvenzantragspflicht umfasst auch solche Schäden des Neugläubigers, die durch eine fehlerhafte Bauleistung der insolvenzreifen Gesellschaft am Bauwerk verursacht werden und von dieser wegen fehlender Mittel nicht mehr beseitigt werden können.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. Juni 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Am 1. September 2004 schlossen die Kläger mit der A.          -W.            GmbH (im Folgenden: AIW) einen Werkvertrag über Fassadenarbeiten an ihrem Haus. Der Beklagte war Geschäftsführer der AIW. Bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die AIW überschuldet. Nach Durchführung der Arbeiten beglichen die Kläger die Schlussrechnung der AIW vom 13. Oktober 2004. Unter Berücksichtigung eines bereits geleisteten Abschlags zahlten sie insgesamt 10.739,35 €.

2

Etwa ein Jahr später machten die Kläger Mängel geltend. Der Streit hierüber mündete in einen Prozess. Mit Urteil vom 19. Dezember 2008 gab das Landgericht Koblenz der Klage gegen die AIW auf Ersatz der Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 44.671,99 € statt. Mitverklagt hatten die Kläger den Beklagten persönlich auf Zahlung von 32.368 €. Sie warfen ihm vor, sie, die Kläger, durch den vorsätzlichen Einbau systemfremder Teile getäuscht zu haben. Insoweit wurde die Klage abgewiesen, da kein Vorsatz feststellbar war.

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Am 20. Februar 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AIW eröffnet.

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Die Kläger verlangen vom Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht in Höhe des gegen die AIW titulierten Betrages von 44.671,99 €. Weiter verlangen sie Ersatz der Kosten des Gerichtsverfahrens gegen die AIW einschließlich der Kosten eines Beweissicherungsverfahrens in Höhe von 9.388,81 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.878,30 €. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten führte zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstreben.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Der Beklagte schuldet zwar nicht Ersatz des von den Klägern geltend gemachten positiven Interesses. Er hat den Klägern aber den Vertrauensschaden zu ersetzen.

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I. Das Berufungsgericht (OLG Koblenz, GmbHR 2011, 249) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Klage stünde nicht die materielle Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess entgegen, da dieses einen anderen Streitgegenstand betroffen habe. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF stünde den Klägern aber nicht zu. Die AIW sei zwar im Zeitpunkt des Vertragsschlusses insolvenzreif gewesen. Deshalb hätten Neugläubiger - wie die Kläger - Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Der geltend gemachte Schaden falle indes nicht in den Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG aF. Es fehle die innere Verbindung mit der Insolvenzverschleppung. Der Kläger habe der AIW keinen Kredit oder sonst irgendeine Vorleistung gewährt. Die Erfüllung des Werkvertrags wäre unabhängig von der Insolvenz(reife) reibungslos verlaufen, wenn die AIW mangelfrei gearbeitet hätte. Die Kläger hätten die Schlussrechnung nur im Vertrauen auf die Mangelfreiheit des Werks, nicht dagegen im Vertrauen auf die Solvenz der AIW bezahlt.

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II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Der Beklagte, der seine Insolvenzantragspflicht verletzt hat, haftet den Klägern bereits deshalb nicht auf Schadensersatz statt der Leistung aus dem Werkvertrag mit der insolvenzreifen Gesellschaft, weil er nicht das positive, sondern das negative Interesse zu ersetzen hat. Die Kläger sind so zu stellen, wie sie stehen würden, wenn sie nicht auf die Solvenz der AIW vertraut hätten.

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1. Der Beklagte haftet - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - den Klägern wegen Verletzung seiner Insolvenzantragspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG in der bis zum 31. Oktober 2008 geltenden Fassung.

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a) Wird eine GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet, hat der Geschäftsführer nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 InsO, § 64 Abs. 1 GmbHG aF ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen. Diese Vorschriften sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 190). Ihr Schutzzweck erfasst nicht nur Alt-, sondern auch Neugläubiger, die in Unkenntnis der Insolvenzreife der Gesellschaft noch in Rechtsbeziehungen zu ihr getreten sind (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1958 - VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100, 104; Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 13).

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Der Beklagte hat den objektiven Tatbestand des Schutzgesetzes erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die AIW im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den Klägern am 1. September 2004 bereits überschuldet (§ 19 InsO, § 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG aF). Der Beklagte als damaliger Geschäftsführer hat keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.

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b) Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Für den subjektiven Tatbestand der Insolvenzverschleppung genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei die Erkennbarkeit vermutet wird (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 15; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 38 beide m.w.N.). Diese Vermutung hat der Kläger aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht widerlegt.

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2. Der von den Klägern geltend gemachte Schaden fällt aber nicht unter das von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF geschützte Interesse.

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a) Die Neugläubiger haben bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen die Geschäftsführer auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 198; Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 13; Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 15). Das Verbot der Insolvenzverschleppung dient nicht nur der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, sondern hat auch den Zweck, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 194; Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 60). Soweit § 64 Abs. 1 GmbHG aF potenzielle Neugläubiger vor der Eingehung solcher Geschäftsbeziehungen mit einer insolvenzreifen GmbH schützen soll, geschieht dies zu dem Zweck, sie davor zu bewahren, einer solchen Gesellschaft noch Geld- oder Sachkredit zu gewähren und dadurch einen Schaden zu erleiden. Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 60; Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 13; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 40). Ersatzfähig sind danach nur Schäden, die durch die Insolvenzreife der Gesellschaft verursacht worden sind.

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Bei der Frage nach den Rechtsfolgen der Insolvenzverschleppungshaftung ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich um einen deliktsrechtlichen Anspruch handelt (BGH, Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 14 f.). Schadensersatzansprüche aus einer unerlaubten Handlung richten sich selbst dann in der Regel nur auf Ersatz des negativen oder Erhaltungsinteresses, wenn zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger vertragliche Beziehungen bestanden haben (BGH, Urteil vom 25. November 1997 - VI ZR 402/96, NJW 1998, 983, 984; Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669, 2670; Urteil vom 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8 f.). Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des positiven oder Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Anspruchsinhaber verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Da die deliktische Haftung nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft, richtet sich der deliktische Schadensersatzanspruch allein auf das Erhaltungsinteresse (BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, Vor §§ 249 ff. Rn. 48, § 249 Rn. 195).

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Der Neugläubiger ist von dem wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht deliktisch haftenden Geschäftsführer so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Geschäftsleiter seiner Insolvenzantragspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre. In diesem Fall hätte der Neugläubiger nicht mehr in vertragliche Beziehungen zur Gesellschaft treten können. Der zu ersetzende Schaden besteht deshalb nicht in dem wegen Insolvenz der Gesellschaft „entwerteten“ Erfüllungsanspruch. Auszugleichen ist vielmehr lediglich das negative Interesse, z.B. in Form von Waren- und Lohnkosten, die der Neugläubiger wegen des Vertragsschlusses mit der Schuldnerin erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 201; Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 60; Urteil vom 8. März 1999 - II ZR 159/98, ZIP 1999, 967; Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 21; Urteil vom 12. März 2007 - II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060 Rn. 23; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 20, 40), und das nur ausnahmsweise auch einen entgangenen Gewinn umfassen kann (BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 15).

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b) Die Kläger machen keinen Anspruch auf Ausgleich eines negativen Interesses geltend. Sie begehren vom Beklagten mit der Klageforderung von 44.671,99 € vielmehr den Betrag, der ihnen als Schadensersatz statt der Leistung zum Ausgleich ihres Interesses auf ordnungsgemäße Erfüllung des Werkvertrags mit der AIW zugesprochen wurde.

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Nach dem Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2008 (8 O 151/07) lag dem Rechtsstreit des Vorprozesses folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Kläger hatten sich entschlossen, ein von ihnen in Holzrahmenbauweise errichtetes Haus mit einem Inthermo-Wärmedämm-Verbundsystem auszustatten. Die AIW verpflichtete sich, bauseits vorhandene Holzfaserdämmplatten zu montieren und den Oberputz aufzubringen. Die Beklagten zahlten hierfür insgesamt 10.739,35 € an die AIW. Entgegen dem Angebot der AIW wurde eine Putzbewehrung verwendet, die nicht Teil des Inthermo-Systems ist. Das verwendete Produkt ist für dieses System nicht zugelassen. Das Landgericht verurteilte die AIW zur Leistung von Schadensersatz aus den §§ 633, 634 Nr. 4, §§ 636, 280 f., 249 BGB. Zur Begründung führte es aus, das errichtete Werk sei mangelhaft, weil nicht aufeinander abgestimmte Produkte verwendet worden seien, was unter anderem dazu führe, dass Gewährleistungsansprüche gegen Inthermo entfielen; hierauf seien die Kläger nicht hingewiesen worden; die Kosten der Mangelbeseitigung entsprächen dem zuerkannten Betrag.

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Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. B.     , auf das sich das Landgericht zur Begründung der Höhe des zuerkannten Betrags gestützt hat, ergaben sich folgende Schadenspositionen: 14.300 € netto für die Entfernung der verlegten Inthermoplatten und deren Entsorgung, 12.900 € netto für die Lieferung und Montage neuer Fassadenplatten, 10.339,49 € netto für das Aufbringen eines neuen Außenputzes einschließlich des Anstrichs, zusammen also 37.539,49 € netto oder 44.671,99 € brutto.

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Mit diesem Gesamtbetrag, den die Kläger auch im vorliegenden Verfahren eingeklagt haben, begehren sie Ausgleich ihres positiven Interesses. Sie möchten im Ergebnis so gestellt werden, als hätte die AIW den Werkvertrag ordnungsgemäß erfüllt. Ein solcher Anspruch steht ihnen - wie oben dargelegt - gegen den Beklagten nicht zu.

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III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit die Kläger Gelegenheit erhalten, ihren Vertrauensschaden darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2877; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 42). Die Kläger sind nicht aus prozessualen Gründen gehindert, ihren Klageantrag auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschadens zu stützen. Im Wechsel von dem positiven Interesse auf den Vertrauensschaden liegt keine Klageänderung (BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - III ZR 63/01, BGHReport 2002, 397).

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Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:

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Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nach § 823 Abs. 2 BGB, § 64 Abs. 1 GmbHG aF, § 15a InsO nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. Es muss sich um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Notwendig ist ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflicht- oder Normverletzung und dem Schaden, nicht nur eine mehr oder weniger zufällige äußere Verbindung. Da der Schutzzweck der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht - wie oben ausgeführt - unter anderem darin besteht, insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden, sind nur solche Schäden ersatzfähig, die mit der Insolvenzreife der Gesellschaft in einem inneren Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 60).

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Dieser Schutzbereich ist im Streitfall entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts betroffen. Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung des geleisteten Werklohns, für den sie keine Gegenleistung erhalten haben. Da der Beklagte nicht rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt hat, haben die Kläger mit der AIW einen Vertrag geschlossen und an die unerkannt insolvenzreife Gesellschaft den Werklohn bezahlt. Eine werthaltige Gegenleistung haben sie nach den in der Revisionsinstanz zu Grunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts Koblenz in dem Verfahren 8 O 151/07 hierfür nicht erhalten. Die AIW hat den Vertrag danach nicht ordnungsgemäß erfüllt. Nach § 633 Abs. 1 BGB hat der Unternehmer dem Besteller das Werk frei von Sachmängeln zu verschaffen. Die mangelhafte Herstellung des Werks ist ein Unterfall der Nichterfüllung (MünchKommBGB/Busche, 5. Aufl., § 633 Rn. 4; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 633 Rn. 1 und 3 und Vorb. v § 633 Rn. 1). Zur Erfüllung beziehungsweise zu einer diese substituierenden Schadensersatzleistung ist die AIW infolge ihrer Insolvenz nicht in der Lage.

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Die Kläger haben weiter Anspruch auf Ersatz des ihnen durch die fehlerhafte Bauleistung entstandenen Schadens. Die AIW hat bei den Fassadenarbeiten nicht aufeinander abgestimmte Produkte verwendet. Dadurch sind nach den Feststellungen des Landgerichts Koblenz in dem Verfahren 8 O 151/07 die bauseits gestellten und von der AIW montierten Fassadenplatten unbrauchbar geworden. Dieser Schaden wäre den Klägern bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung nicht entstanden, weil sie mit der AIW dann keinen Werkvertrag geschlossen hätten. Das geschützte und durch die Verletzung der Insolvenzantragspflicht beeinträchtigte negative Interesse der Kläger ist darauf gerichtet, den Zustand wiederherzustellen, der bestand, bevor sie mit der insolvenzreifen Gesellschaft einen Werkvertrag geschlossen haben. Das Landgericht Koblenz ist davon ausgegangen, dass hierfür Fassadenplatten demontiert und entsorgt werden müssen. Zudem können die Kläger die Lieferung neuer Fassadenplatten verlangen. Dieser Schaden beruht bei der gebotenen wertenden Betrachtung auf der Insolvenzverschleppung und ist auch vom Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG aF umfasst. Der eingetretene Schaden steht mit der Insolvenzreife der Gesellschaft in einem inneren Zusammenhang. Darin, dass ein insolvenzreifes Bauunternehmen von ihm am Bauwerk verursachte Schäden aufgrund fehlender Mittel nicht mehr beseitigen kann, verwirklicht sich eine typischerweise mit dem Vertragsschluss zwischen Neugläubiger und unerkannt insolvenzreifer Gesellschaft einhergehende Gefahr. Der Schutzzweck der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht, insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden, will die Verwirklichung solcher Gefahren gerade vermeiden.

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Die Kläger haben dagegen keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages für die Montage neuer Fassadenplatten und das Aufbringen eines neuen Außenputzes einschließlich des Anstrichs. Denn dieser Anspruch wäre auf den Ersatz des positiven Interesses gerichtet.

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Der Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG aF umfasst auch den Ersatz solcher Kosten, die dem Neugläubiger wegen der Verfolgung seiner Zahlungsansprüche gegen die insolvenzreife Gesellschaft entstanden sind (BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 19). Die Insolvenzantragspflicht soll den Vertragspartner einer GmbH auch davor schützen, dass er sich durch die Prozessführung mit der unerkannt insolvenzreifen Gesellschaft mit Kosten belastet, die er bei der Gesellschaft als Kostenschuldnerin nicht mehr realisieren kann.

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Gegebenenfalls ist der Beklagte zur Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die Insolvenzmasse der AIW zu verurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2007 - II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 20; Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 21).

Strohn                                                Reichart                                             Drescher

                             Born                                                   Sunder