Entscheidungsdatum: 15.10.2013
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Die Parteien schlossen am 5. Dezember 1997 über den Betrieb der N. -Apotheke in G. einen Vertrag, der der Beklagten, einer approbierten Apothekerin, die Stellung der Unternehmerin zuwies, während sich die klagende GmbH verpflichtete, einen als partiarisches Darlehen bezeichneten Geldbetrag in Höhe von 200.000 DM zur Verfügung zu stellen sowie Beratungs- und Marketingleistungen zu erbringen. Der Klägerin wurden eine Gewinnbeteiligung sowie Vertretungs-, Informations- und Kontrollrechte eingeräumt. Bei Vertragsende sollte die Klägerin das Recht haben, die Apotheke zu übernehmen; die Abfindung der Beklagten sollte sich auf die Übernahme der betrieblichen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen durch die Klägerin beschränken. Im Oktober 2005 kündigte die Beklagte den Vertrag.
Die Klägerin hat die Räumung und Herausgabe der Apothekenräume begehrt. Mit ihrer Widerklage beansprucht die Beklagte, die den Vertrag vom 5. Dezember 1997 wegen Verstoßes gegen das Apothekengesetz für nichtig hält, in Höhe von 420.000 € die teilweise Rückzahlung von Entnahmen der Klägerin in der Zeit von 1998 bis 2005 sowie die Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 703,80 € wegen der außergerichtlichen Abwehr einer Mietforderung der Klägerin. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. In zweiter Instanz haben die Parteien den Klageanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt.
Im Berufungsverfahren fand der letzte Verhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht am 19. Januar 2011 statt. Im Protokoll steht:
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass heute Richter am Landgericht J. mitwirkt, der im vergangenen Termin an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auf die der Beweisbeschluss ergangen ist. Nach den Mitwirkungsgrundsätzen, die sich aufgrund personeller Veränderungen im Senat zum 01.01.2011 geändert haben, wäre Herr J. nicht zum Beisitzer berufen.
Die Prozessbevollmächtigten beider Seiten erklären: Wir sind mit der Mitwirkung von Richter am Landgericht J. einverstanden. Eine Besetzungsrüge wird nicht erhoben.
Diktiert und genehmigt
Das Berufungsgericht hat unter Mitwirkung des Richters am Landgericht J. die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Widerklageforderung sei verjährt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht war bei seiner Entscheidung wie die Beklagte zutreffend rügt nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO).
Nach dem im Verhandlungstermin vom 19. Januar 2011 zu Protokoll genommenen Hinweis war Richter am Landgericht J. gemäß den ab 1. Januar 2011 geltenden Mitwirkungsgrundsätzen des zuständigen Zivilsenats nicht zur Beteiligung an der Urteilsfindung berufen. Die Maßnahme, ihn wegen seiner Teilnahme an einem früheren Verhandlungstermin gleichwohl hinzuzuziehen, wurde nicht aufgrund einer fehlerhaften Auslegung der für die Geschäftsverteilung maßgebenden Regelungen, sondern trotz der Erkenntnis getroffen, dass sie den Mitwirkungsgrundsätzen des Senats widersprach. Hierdurch wurde den Parteien der gesetzliche Richter entzogen. Der darin liegende Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 547 Nr. 1 ZPO).
Das im Verhandlungstermin erklärte Einverständnis der Parteien mit der Mitwirkung des Richters am Landgericht J. und ihr Verzicht auf eine "Besetzungsrüge" ändern an dieser Beurteilung nichts. Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist unverzichtbar, da die Einhaltung der Besetzungsvorschriften im öffentlichen Interesse liegt (BGH, Beschluss vom 21. April 1993 - BLw 40/92, WM 1993, 1656, 1658; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 547 Rn. 6); die Vorschrift des § 295 ZPO findet bei einem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keine Anwendung (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 183/06, ZIP 2009, 91 Rn. 13; MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 295 Rn. 22, jew. mwN). Etwas anderes lässt sich daher - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - auch nicht aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens ableiten. Die Unverzichtbarkeit des gesetzlichen Richters kann durch einen Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht unterlaufen werden.
II. Das Berufungsurteil ist danach ohne Sachprüfung aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat in der Sache zu Recht angenommen, dass der Vertrag vom 5. Dezember 1997, der der Sache nach auf die Gründung einer (atypischen) stillen Gesellschaft gerichtet ist, gegen § 8 Satz 2 Apothekengesetz verstößt und deshalb nichtig ist (§ 12 ApoG, § 134 BGB). Gleichfalls zutreffend ist die im Revisionsverfahren unbeanstandet gebliebene Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft hier keine Anwendung finden, weil schon der vereinbarte Zweck der Gesellschaft gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, und dass deshalb die wechselseitigen Leistungen nach Bereicherungsrecht abzuwickeln sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1979 - II ZR 95/78, BGHZ 75, 214, 217 f.).
Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Parteien wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die Ansprüche der Beklagten auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen bei Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist verjährt wären, wird es gegebenenfalls zu erwägen haben, ob die Voraussetzungen des § 852 Satz 1 BGB erfüllt sind, wonach der Ersatzpflichtige auch nach dem Eintritt der (regelmäßigen) Verjährung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zur Herausgabe dessen verpflichtet ist, was er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Die Beklagte hat ihre Forderung sowohl auf ungerechtfertigte Bereicherung als auch auf unerlaubte Handlung gestützt.
Schließlich wird sich das Berufungsgericht auch mit dem - im Berufungsurteil nicht erörterten - Anspruch der Beklagten auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten zu befassen haben.
III. Die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Revisionsverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Sunder