Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 15.05.2018


BGH 15.05.2018 - II ZB 10/17

Anforderungen an Berufungsbegründung bei mehreren selbständigen Erwägungen der angegriffenen Entscheidung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
15.05.2018
Aktenzeichen:
II ZB 10/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:150518BIIZB10.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 5. Januar 2017, Az: 5 U 2505/16vorgehend LG München I, 20. Mai 2016, Az: 27 O 25709/10
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Januar 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: bis zu 187.000 €

Gründe

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I. Die Klägerin trat mit Erklärung vom 8. Dezember 2003 mit einer Beteiligungssumme von 500.000 € zzgl. 8.400 € Agio mittelbar als Treugeberin der M.        Beteiligungs GmbH & Co. KG bei. Grundlage der Beteiligung war der Verkaufsprospekt aus dem August 2003. Unternehmensgegenstand der Fondsgesellschaft war der Erwerb und das Halten von direkten und indirekten Beteiligungen an Gesellschaften, die mit der Entwicklung, Herstellung, Vermarktung und Verwertung/Lizenzierung von internationalen Filmprojekten befasst waren. Die Beklagte zu 1 war Treuhand- und Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft. Sie verwaltete zudem die Beteiligungen der Direktkommanditisten. Die Beklagte zu 2 war Initiatorin des Fonds und Prospektherausgeberin. Die Beklagte zu 3 war Schuldübernehmerin für die kreditfinanzierende Bank. Bei dem streitgegenständlichen Medienfonds handelte es sich um einen sog. unternehmerischen Filmbeteiligungsfonds. Nach dem Fondskonzept erfolgte die Filmproduktion als unechte Auftragsproduktion durch den Produktionsdienstleister. Vom Lizenznehmer vereinnahmte die Fondsgesellschaft mittelbar über eine Tochter-Holding-Gesellschaft fest vereinbarte sowie vom wirtschaftlichen Verwertungserfolg der produzierten Filme abhängige variable Lizenzeinnahmen. Die Beklagte zu 3 sicherte dabei durch einen Schuldbeitritt die Zahlung der festen Lizenzeinnahmen.

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Auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 17. Dezember 2003 wurden von sechs konkret angebotenen Filmprojekten die Filme "The Interpreter" und "The Bourne Supremacy" als diejenigen ausgewählt, die mit den Fondsmitteln produziert werden sollten. Diese Filme wurden in der Folgezeit produziert. Die Klägerin hat behauptet, die Fondsgelder seien teilweise nicht für die Filmproduktion verwendet worden. Die Beklagten hätten im Wege eines nicht prospektierten Geldkreislaufs die Fondsgelder an die Beklagte zu 3 als schuldübernehmende Bank weitergeleitet. Die damit zusammenhängenden steuerrechtlichen Fragen seien den Anlegern nicht hinreichend erklärt worden. Die Beklagte zu 3 habe Kick-back-Zahlungen aus dem Agio erhalten.

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Die Klägerin hat im Wesentlichen beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 54.638,58 € nebst Zinsen zu verurteilen, sie von Ansprüchen der Beklagten zu 3 aus dem bei dieser zur Finanzierung der Beteiligungen aufgenommenen Darlehen freizustellen sowie festzustellen, dass der Beklagten zu 3 gegen sie keine Ansprüche mehr zustünden und dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, sie von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die unmittelbar oder mittelbar aus der von der Klägerin gezeichneten Beteiligung entstanden sein könnten.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Prospektfehler nicht vorlägen. Zudem seien sämtliche Prospektfehler, deren Vorliegen unterstellt werde, für die Anlageentscheidung der Klägerin nicht ursächlich gewesen. Das Landgericht hat die Anhörung der Klägerin in einem Parallelverfahren im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Es ist davon ausgegangen, dass die zugunsten der Klägerin wirkende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens widerlegt sei. Dazu hat es ausgeführt, dass die Klägerin im Parallelverfahren angeführt habe, eine steuerliche Möglichkeit gesucht zu haben, Gewinne, die sie in einer anderen Firma erzielte, steuersparend in die Zukunft zu verlagern. Dabei habe sie eine möglichst sichere Anlage gesucht. Für die Details des Fonds habe sie sich nicht interessiert. Hinsichtlich des dort streitgegenständlichen Fonds hätte sie die Befürchtung gehabt, dass durch die Beteiligung ein großer steuerlicher Schaden entstehen könnte. Auf weitere Nachfragen habe die Klägerin angegeben, dass sie über die dortige Beklagte fünf Medienfonds mitgezeichnet habe. Bei vier der Fonds sei eine Klage erfolgt. Soweit sie sich erinnern könne, habe es bei dem fünften Fonds keine Probleme mit dem Finanzamt und deshalb keine Klage auf Schadensersatz gegen die beteiligten Firmen gegeben. Aufgrund dessen sei der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München im Parallelverfahren überzeugt gewesen, dass sich etwaige Prospektfehler nicht ursächlich ausgewirkt hätten, da die Klägerin bei ähnlich strukturierten Medienfonds nicht in allen Fällen unverzüglich die Rückabwicklung auch solcher für sie vorteilhafter Verträge geltend gemacht habe. Dies hat das Landgericht auch im vorliegenden Fall für überzeugend gehalten.

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Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt.

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Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sie sich mit der Rechtsbeschwerde.

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II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

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Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Es sind auch keine Verfahrensgrundrechte der Klägerin verletzt worden und insbesondere nicht das nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG gewährte Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz. Das Berufungsgericht hat den Zugang zur Berufungsinstanz nicht in unzumutbarer Weise erschwert.

9

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin ihre Berufung nicht gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hinreichend begründet habe. Habe das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, müsse die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen. Das Landgericht habe die Klage auch deshalb abgewiesen, weil etwaige - unterstellte - Prospektfehler für die Anlageentscheidung der Klägerin nicht ursächlich gewesen seien. Unabhängig davon, ob diese Überlegung tragfähig sei oder nicht, verneine das Landgericht die Kausalität nicht mit der Begründung, die Klägerin habe nur wegen des Steuervorteils gezeichnet, sondern weil für die Klägerin der Inhalt des Prospekts nicht entscheidend gewesen sei, sondern die Frage, ob sie Probleme mit dem Finanzamt bekomme oder nicht. Damit setze sich die Berufungsbegründung mit keinem Wort auseinander. Sie stelle vielmehr dar, dass das Landgericht unter unzutreffenden Überlegungen Prospektfehler trotz des fehlenden steuerlichen Effekts verneint habe.

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2. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht als unzulässig verworfen. Der rechtlichen Nachprüfung stand hält die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügt.

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a) Die Anforderungen an eine Berufungsbegründung sind geklärt. Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht eines Berufungsklägers die Rechtsverletzungen und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, in welchen bestimmten Punkten der Berufungskläger das angefochtene Urteil bekämpft und welche tatsächlichen und rechtlichen Gründe er im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Dabei muss die Berufung die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen; die Berufung muss also - ihre Richtigkeit unterstellt - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Entsprechendes gilt für die Bezeichnung der konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3; st. Rspr. zuletzt BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 - IX ZB 88/15, NJW-RR 2016, 1267 Rn. 5 mwN). Wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen stützt, muss der Berufungskläger in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht tragen; andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 12).

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b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe genügt die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, 3 ZPO.

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Zutreffend ist das Berufungsgericht hier davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung die eigenständig tragende Abweisung der Klage durch das Landgericht wegen der Annahme mangelnder Kausalität nicht angegriffen hat. Die Berufungsbegründung greift das Urteil vielmehr allein in den Punkten an, in denen die fehlerhafte Beratung infolge angeblicher Prospektfehler nach Auffassung der Klägerin vom Landgericht zu Unrecht verneint worden ist. Mit der Feststellung des Landgerichts, dass sich die Klägerin für den Inhalt der Prospekte gar nicht interessiert habe und deshalb unabhängig von weiteren Ausführungen im Prospekt zu weiteren Risiken nicht von der Zeichnung abgehalten worden wäre, setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander.

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Ohne Erfolg rügt die Klägerin in diesem Zusammenhang, dass in der Berufungsbegründung Urteile des Berufungsgerichts zitiert seien, in denen die Kausalität für die Anlageentscheidung bejaht worden sei. Erforderlich ist eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche und weshalb die Berufungskläger bestimmte Punkte des angefochtenen Urteils bekämpft. Eine schlichte Bezugnahme ohne weitere konkrete Ausführungen ist nicht ausreichend (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2015 - VI ZB 18/15, NJW-RR 2015, 1532 Rn. 8 zur Bezugnahme auf Sachvortrag erster Instanz).

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Alleine aus dem Umstand, dass für die Auffassung zum Prospektfehler auf Urteile Bezug genommen wird, in denen unter anderen Gesichtspunkten die Kausalität der dortigen Anlageentscheidung für die Klägerin bejaht worden ist, reicht nicht aus, um die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zur Kausalität anzugreifen.

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Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, sie habe die Kausalitätserwägungen des Landgerichts angegriffen, indem sie ausgeführt habe, dass das Risiko bestanden habe, dass die steuerliche Anerkennung des Fonds versagt werde, wenn ein Großteil der Anlagegelder nicht unmittelbar in die Filmproduktion fließen würde und es deshalb unerheblich sei, ob die steuerliche Anerkennung letztlich ausgesprochen worden sei. Für die Anlageentscheidung des einzelnen Anlegers könne es nur darauf ankommen, ob es aufgrund der vom Prospekt abweichenden Zahlungen zu Schwierigkeiten bei der steuerlichen Behandlung des Fonds kommen könnte.

17

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist damit nicht die tatsächliche Feststellung des Landgerichts zur Kausalität angegriffen. Dieses hat insoweit ausdrücklich darauf abgestellt, dass für die Anlageentscheidung der Klägerin der Inhalt des Prospekts nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung gewesen ist. Dementsprechend kann in dem Vortrag dazu, dass im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts ein Prospektfehler hinsichtlich der Darstellung der steuerlichen Risiken angenommen werden müsse, nicht ein Angriff dahingehend erblickt werden, dass der Inhalt des Prospekts gleichwohl für die Klägerin von entscheidungserheblicher Bedeutung gewesen wäre. Im Übrigen werden an der konkreten Stelle in der Berufungsbegründung (Seite 9 des Schriftsatzes vom 26. August 2016) seitens der Klägerin lediglich Ausführungen gemacht zur Kenntnis der Beklagten von nach ihrer Auffassung bestehenden, im Prospekt nach ihrer Auffassung zu erläuternden Risiken.

Drescher     

        

Wöstmann     

        

Sunder

        

Bernau     

        

B. Grüneberg