Entscheidungsdatum: 19.06.2013
1. NV: Bei dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG steuerpflichtigen Erwerb eines Grundstücks durch Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren gehört gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch der Betrag zur Bemessungsgrundlage, in dessen Höhe ein anderer als der Ersteher des Grundstücks aufgrund der Befriedigungsfiktion des § 114a Satz 1 ZVG seine schuldrechtliche Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner verliert.
2. NV: Die Rechtsfolgen von § 114a Satz 1 ZVG treten auch ein, wenn der Inhaber der Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner zwar nicht Gläubiger, aber Treugeber der Grundschuld ist und ein von ihm abhängiges Unternehmen im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistgebot unterhalb der 7/10-Grenze abgibt und daraufhin den Zuschlag erhält.
3. NV: Ein Steuerbescheid darf gemäß § 173 Abs. 1 AO zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen nicht geändert werden, wenn das Finanzamt trotz Kenntnis der entscheidungserheblichen Tatsachen schon zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Entscheidung gelangt wäre. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Finanzamt die dem Sachverhalt entsprechende (zutreffende) Entscheidung getroffen hätte, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass das Finanzamt bei Kenntnis der Tatsache eine andere rechtliche Würdigung vorgenommen hätte.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) blieb am 24. September 2007 im Versteigerungstermin über ein inländisches Grundstück mit einem Gebot von 150.000 € Meistbietende. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) wurde ihr das Grundstück zugeschlagen. In dem Zwangsversteigerungsverfahren hatte das AG den Verkehrswert des Grundstücks auf 228.000 € festgesetzt.
Das versteigerte Grundstück war mit einer brieflosen Grundschuld in Höhe von 904.986,63 € zunächst zu Gunsten der E-AG belastet. Diese trat die Grundschuld an die R-GmbH, eine Schwestergesellschaft der Klägerin, ab. Die mit der Grundschuld besicherte Darlehensforderung hatte die an der R-GmbH und der Klägerin jeweils zu 100 % beteiligte Muttergesellschaft D-LLC zuvor von der E-AG erworben. Die D-LLC hatte mit ihrer Tochtergesellschaft R-GmbH vereinbart, dass diese die Grundschuld für sie treuhänderisch halten solle.
Die R-GmbH hatte wegen ihrer dinglichen Ansprüche aus der Grundschuld die Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieben und sich nach der Versteigerung in Höhe ihrer Ansprüche aus dem Versteigerungserlös für befriedigt erklärt. Auf Ersuchen des Vollstreckungsgerichts wurde daraufhin ihre Grundschuld gelöscht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), dem die Abtretung der Darlehensforderung an die D-LLC sowie die Treuhandvereinbarung zwischen der R-GmbH und der D-LLC hinsichtlich der Grundschuld nicht bekannt waren, setzte zunächst durch Bescheid vom 27. September 2007 nach einer Bemessungsgrundlage von 150.000 € Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin in Höhe von 5.250 € fest.
Nach Bekanntwerden der Abtretung und Treuhandvereinbarung erließ das FA am 20. Mai 2009 gegenüber der Klägerin einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid, mit dem es die Bemessungsgrundlage um 9.600 € auf 159.600 € (Verkehrswert 228.000 €, davon 7/10 = 159.600 €) und daher die Grunderwerbsteuer auf 5.586 € erhöhte.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, dass sich die Bemessungsgrundlage für den Grundstückserwerb der Klägerin nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) um 9.600 € erhöhe, da die D-LLC nach § 114a des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG) in Höhe dieses Betrags zivilrechtlich als befriedigt gelte. Die D-LLC habe diesen Betrag als "Dritte" dem Zwangsvollstreckungsschuldner als "Grundstücksveräußerer" dafür gewährt, dass dieser der Klägerin das Grundstück überlasse. Die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien erfüllt. Dass die D-LLC die mit der Grundschuld besicherte Darlehensforderung von der E-AG erworben habe, während die Grundschuld treuhänderisch von der R-GmbH für die D-LLC verwaltet worden sei, seien neue, dem FA nachträglich bekannt gewordene Tatsachen. Diese seien auch rechtserheblich.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin in formeller Hinsicht die Verletzung von § 76 Abs. 1 Satz 1 und § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie in materieller Hinsicht die Verletzung von § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG und § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Befriedigungsfiktion nach § 114a ZVG sei bei der D-LLC kraft Gesetzes eingetreten. Diese habe nicht willentlich und zweckgerichtet eine Leistung an den Zwangsvollstreckungsschuldner für die Überlassung des Grundstücks an die Klägerin erbracht. Für eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO fehle es an der Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 20. Mai 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2009 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zwar zu Recht angenommen, dass die D-LLC in Höhe der Befriedigungsfiktion gemäß § 114a Satz 1 ZVG ihre schuldrechtliche Forderung wirtschaftlich verloren hat und dies gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage für den Erwerb der Klägerin erhöht. Dem Senat ist jedoch eine abschließende Entscheidung über die Revision nicht möglich, weil das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, in welcher Höhe der Forderungsverlust bei der D-LLC eingetreten und bei der grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage für den Erwerb der Klägerin zu berücksichtigen ist.
1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG steuerbaren Erwerb eines Grundstücks durch Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren gehört gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch der Betrag zur Gegenleistung, den ein anderer als der Ersteher des Grundstücks dadurch an den Zwangsvollstreckungsschuldner leistet, dass er aufgrund der Befriedigungsfiktion des § 114a Satz 1 ZVG seine schuldrechtliche Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner verliert.
a) Gemäß § 114a Satz 1 ZVG gilt der zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigte, dem der Zuschlag zu einem Gebot er-teilt wird, welches hinter 7/10 des Grundstückswerts zurück-bleibt, auch insoweit als aus dem Grundstück befriedigt, als sein Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot zum Betrag der 7/10-Grenze gedeckt sein würde.
aa) § 114a Satz 1 ZVG bewirkt, dass die Forderung des zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigten Gläubigers gegenüber dem Zwangsvollstreckungsschuldner auch insoweit erlischt, als sein bares Meistgebot (ohne Meistgebotszinsen nach § 49 Abs. 2 ZVG) zuzüglich bestehen bleibender Rechte hinter 7/10 des Grundstückswerts zurückbleibt (Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2012, § 114a Rz 3.2). Der berechtigte Gläubiger und der Vollstreckungsschuldner werden rechtlich so gestellt, als ob der Gläubiger ein Gebot abgegeben hätte, das 7/10 des Grundstückswerts erreicht; soweit durch ein solches Gebot sein Anspruch gedeckt ist, ihm also der Erlös im Verteilungsverfahren zuzuteilen gewesen wäre, gilt er mit dem Zuschlag als befriedigt. In Höhe des fiktiven Befriedigungsbetrags tritt beim Zwangsvollstreckungsschuldner zwangsläufig kraft Gesetzes eine Schuldbefreiung ein (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Oktober 1985 II R 99/85, BFHE 145, 95, BStBl II 1986, 148, und vom 15. November 1989 II R 71/88, BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228).
Die Regelung soll verhindern, dass ein zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigter, der nur an die untere Grenze seines weit höheren dinglichen Rechts bietet, wegen diesen Rechts von anderen nicht überboten wird und bei der Erlösverteilung ganz oder zum Teil ausfällt, seine persönliche Forderung aber dennoch behält, obwohl ihm das Grundstück weit unter Wert zugeschlagen wurde (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13. November 1986 IX ZR 26/86, BGHZ 99, 110; BFH-Urteile in BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228, und vom 13. Dezember 2007 II R 28/07, BFHE 220, 537, BStBl II 2008, 487; BFH-Beschluss vom 25. August 2010 II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 9 Rz 43; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 9 Rz 126).
bb) Die Regelung des § 114a Satz 1 ZVG kommt über ihren Wortlaut hinaus auch zur Anwendung, wenn der schuldrechtliche Gläubiger des Zwangsvollstreckungsschuldners, der zugleich Gläubiger einer hierfür sicherungshalber bestellten Grundschuld an dem Grundstück ist, nicht selbst das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren abgibt und den Zuschlag erhält, sondern wenn eine von ihm abhängige Gesellschaft das Grundstück zu einem Betrag unterhalb der 7/10-Grenze ersteigert. § 114a Satz 1 ZVG knüpft an den wirtschaftlichen Wertzuwachs in der Person des durch das Meistgebot begünstigten Gläubigers an. Da dieser sich den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks auch dann zuführt, wenn ein von ihm abhängiges Unternehmen das Grundstück ersteigert, muss er ebenso wie beim unmittelbaren Erwerb den zivilrechtlichen Eintritt der Befriedigungsfiktion nach § 114a Satz 1 ZVG gegen sich gelten lassen (BGH-Urteil vom 9. Januar 1992 IX ZR 165/91, BGHZ 117, 8).
Hierbei beurteilt sich das Vorliegen eines abhängigen Unter-nehmens in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) danach, ob der Gläubiger auf das Unternehmen, welches das Meistgebot abgibt und den Zuschlag erhält, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, ohne dass es im konkreten Einzelfall darauf ankommt, dass tatsächlich Weisungen an die Geschäftsführung des abhängigen Unternehmens erteilt wurden. Von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist (§ 17 Abs. 2 AktG; vgl. BGH-Urteil in BGHZ 117, 8). Die Regelung des § 17 AktG wird nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch zur Feststellung von Abhängigkeiten bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und bei Personengesellschaften entsprechend angewendet (BGH-Urteil in BGHZ 117, 8, m.w.N.).
cc) Gleichermaßen treten die Rechtsfolgen von § 114a Satz 1 ZVG ein, wenn der Inhaber der schuldrechtlichen Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner zwar nicht Gläubiger, aber Treugeber der Grundschuld ist und ein von ihm abhängiges Unternehmen im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistgebot unterhalb der 7/10-Grenze abgibt und daraufhin den Zuschlag erhält.
Bei wirtschaftlicher Betrachtung führt sich der schuldrechtliche Gläubiger auch in dieser Konstellation mit dem Erwerb des Grundstücks durch ein von ihm abhängiges Unternehmen den Wert des Grundstücks zu. Folglich muss auch bei ihm in Höhe des fiktiven Befriedigungsbetrags nach § 114a Satz 1 ZVG der Verlust seiner Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner eintreten. Hierbei kann offen bleiben, ob der Forderungsverlust unmittelbar in Folge des Eintritts der Befriedigungsfiktion beim Gläubiger der schuldrechtlichen Forderung eintritt oder ob die Rechtsfolgen von § 114a Satz 1 ZVG bezogen auf das dingliche Recht nur bei dem durch die Vereinbarungstreuhand gebundenen Grundschuldgläubiger eintreten. Im letzteren Fall bewirkt die bestehende Sicherungsabrede, dass die schuldrechtliche Forderung in der Hand des schuldrechtlichen Gläubigers ebenso wie das dingliche Recht aus der Grundschuld im Umfang der Rechtsfolgen des § 114a Satz 1 ZVG erlischt oder zumindest dauerhaft mit einer Einrede behaftet ist (BGH-Urteil in BGHZ 99, 110; Eickmann in Steiner/Eickmann/Hagemann/Storz/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, Kommentar, 9. Aufl. 1986, § 114a Rz 12). In beiden Fällen tritt in diesem Umfang bei dem schuldrechtlichen Gläubiger wirtschaftlich der Verlust der Forderung ein.
b) Grunderwerbsteuerrechtlich stellt der Betrag, in dessen Höhe der Gläubiger seine schuldrechtliche Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner aufgrund der Befriedigungsfiktion nach § 114a Satz 1 ZVG verliert, die Leistung eines Dritten für die Überlassung des Grundstücks dar (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG).
aa) Die nach § 114a Satz 1 ZVG kraft Gesetzes eintretende Schuldbefreiung ist eine Leistung des zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigten Gläubigers, die er gegenüber dem Zwangsvollstreckungsschuldner dafür erbringt, dass dieser das Grundstück dem abhängigen Unternehmen als Ersteher überlässt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228).
Für den grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriff macht es keinen Unterschied, ob die Gegenleistung privatrechtlich vereinbart wurde oder aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift erbracht werden muss. In beiden Fällen erbringt der Dritte die Leistung dafür, dass der Erwerber das Grundstück erhält. Der Leistungserfolg tritt zudem unabhängig von seiner Rechtsgrundlage ein (BFH-Urteile in BFHE 145, 95, BStBl II 1986, 148, und in BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228).
Auch der finale Bezug der Drittleistung zur Überlassung des Grundstücks an den Erwerber, der sich aus Sicht des leistenden Dritten beurteilt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2003 II B 158/02, BFH/NV 2004, 228; Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz 219), ist gegeben. Der Eintritt der Befriedigungsfiktion ist eine unmittelbare Folge aus dem Gesetz. Ersteigert ein von dem schuldrechtlichen Gläubiger abhängiges Unternehmen ein Grundstück und kommt es aufgrund der Rechtsfolgen von § 114a Satz 1 ZVG zum Verlust der schuldrechtlichen Forderung, liegt aus Sicht des Gläubigers eine Leistung an den Zwangsvollstreckungsschuldner vor, damit das abhängige Unternehmen das Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren erwerben kann. So wie sich der Gläubiger der schuldrechtlichen Forderung bei der Abgabe eines eigenen Meistgebots unterhalb der 7/10-Wertgrenze daran festhalten lassen muss, dass es zivilrechtlich bei ihm zum Eintritt der Befriedigungsfiktion nach § 114a Satz 1 ZVG kommt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 145, 95, BStBl II 1986, 148, und in BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228), sind ihm die Rechtsfolgen von § 114a Satz 1 ZVG als willentliche Leistung an den Zwangsvollstreckungsschuldner zuzurechnen, wenn ein von ihm abhängiges Unternehmen das Meistgebot unterhalb der 7/10-Wertgrenze abgibt und daraufhin den Zuschlag für das Grundstück erhält.
bb) Einer Leistung des schuldrechtlichen Gläubigers an den Zwangsvollstreckungsschuldner i.S. von § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG steht nicht entgegen, dass die dadurch bewirkte Erhöhung der grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage regelmäßig den Interessen des abhängigen Unternehmens als Erwerber des ersteigerten Grundstücks zuwider laufen wird. Das Interesse, das im Falle des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG der Dritte mit seiner auf Überlassung des Grundstücks an den Erwerber gerichteten Leistung verfolgt, muss nach der Rechtsprechung des BFH nicht in der Förderung gleichgerichteter Interessen des Erwerbers bestehen, sondern kann ausschließlich auf die eigene Person bezogen sein (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 228; Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 9 Rz 582).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zu Recht angenommen, dass sich die Bemessungsgrundlage der Steuer durch Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG um den Betrag erhöht, in dessen Höhe die D-LLC ihre Darlehensforderung aufgrund des Eintritts der Befriedigungsfiktion nach § 114a Satz 1 ZVG wirtschaftlich betrachtet verloren hat. Die Klägerin hat als hundertprozentige Tochtergesellschaft der D-LLC den Zuschlag für das Grundstück erhalten, wobei das Meistgebot der Klägerin um 9.600 € niedriger als 7/10 des vom AG festgesetzten Verkehrswerts des Grundstücks lag. Die D-LLC war Inhaberin einer Darlehensforderung, für die sicherungshalber eine Grundschuld bestand. Die Grundschuld wurde von der R-GmbH treuhänderisch für die D-LLC gehalten.
3. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe der Forderungsverlust bei der D-LLC eingetreten ist. Daher ist die Entscheidung aufzuheben.
Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, in welchem Umfang sich die Bemessungsgrundlage gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG erhöht. Hierzu ist festzustellen, ob die durch die Grundschuld gesicherte Darlehensforderung der D-LLC gegen den Vollstreckungsschuldner im Zeitpunkt der Zwangsversteigerung höher als das Meistgebot von 150.000 € war. Ist dies der Fall, erhöht sich die Bemessungsgrundlage der Steuer um den 150.000 € übersteigenden Betrag, höchstens aber um 9.600 €.
4. Sind die oben genannten materiellen Voraussetzungen für die Erhöhung der Bemessungsgrundlage gegeben, war das FA auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Änderung des ursprünglichen Bescheids befugt.
a) Ein Steuerbescheid ist gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Ein Steuerbescheid darf weder zugunsten noch zuungunsten des Steuerpflichtigen wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen aufgehoben oder geändert werden, wenn die Tatsachen nicht rechtserheblich sind. Die Rechtserheblichkeit ist zu verneinen, wenn das Finanzamt trotz Kenntnis der entscheidungserheblichen Tatsachen schon zum Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerfestsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Entscheidung gelangt wäre (BFH-Urteile vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293; vom 13. Mai 1998 II R 67/96, BFH/NV 1999, 1, und vom 22. April 2010 VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl II 2010, 951). Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Finanzamt die dem Sachverhalt entsprechende (zutreffende) Entscheidung getroffen hätte (BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 1; vom 15. Dezember 1999 XI R 22/99, BFH/NV 2000, 818, und vom 8. September 2011 II R 47/09, BFH/NV 2012, 67). Dies gilt dann nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Finanzamt bei Kenntnis der Tatsache aus rechtlichen Erwägungen eine andere Würdigung vorgenommen hätte.
b) Im Streitfall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das FA bei früherer Kenntnis der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen die Bemessungsgrundlage nicht um den Betrag der Befriedigungsfiktion erhöht hätte. Das FA war im Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerfestsetzung nämlich dahingehend weder durch die Rechtsprechung noch durch eine gefestigte Rechtsauffassung festgelegt. Auch aus den im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung geltenden Erlassen (vgl. den Erlass des Ministeriums für Finanzen und Energie des Landes Schleswig-Holstein vom 17. August 1995, der die vorherigen Erlasse inhaltlich zusammenfasst) folgt nichts anderes. Zum einen ist darin der hier zu entscheidende Fall, in dem die Rechte aus dem Meistgebot nicht abgetreten wurden, nicht erfasst. Zum anderen wird darin ausdrücklich festgehalten, dass beim Grundstückserwerb in der Zwangsversteigerung auch der Betrag zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung gehört, in dessen Höhe der erwerbende Grundpfandgläubiger gemäß § 114a ZVG aus dem Grundstück als befriedigt gilt.
5. Da das Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen wird, ist über die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensrügen nicht mehr zu entscheiden.