Entscheidungsdatum: 09.11.2016
Der Erwerb von Haubergsanteilen unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 22. Januar 2015 8 K 3618/12 GrE wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14. Juni 2012 ein unbebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 6.000 € sowie acht Pfennige eines Haubergkomplexes (Haubergspfennige) zu einem Kaufpreis von 8.000 €. Bewirtschaftet und verwaltet wird der Haubergkomplex durch eine Waldgenossenschaft nach dem Gemeinschaftswaldgesetz im Land Nordrhein-Westfalen --GWaldG NW-- (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen --GVBl NW-- 1975, 304; zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2007, GVBl NW 2007, 662). Die Waldgenossenschaft war unter der Bezeichnung "Hauberggenossenschaft ..." als Eigentümer verschiedener Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Der Kläger wurde sodann unter Nennung seines Namens als Eigentümer der Haubergspfennige (Haubergsanteile) im Anteilgrundbuch eingetragen.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2012 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) Grunderwerbsteuer in Höhe von 700 € fest und legte dabei den gesamten gezahlten Kaufpreis in Höhe von 14.000 € als Gegenleistung zu Grunde.
Der Einspruch, der sich gegen die Einbeziehung des Kaufpreises für die Haubergspfennige in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer richtete, wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, der Kaufpreis für die Haubergspfennige sei nicht in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Haubergspfennige seien keine Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 756 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG. Bei den Anteilen an dem Haubergkomplex handle es sich um Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Erwerb von Haubergsanteilen nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind unter Grundstücken i.S. des GrEStG Grundstücke i.S. des bürgerlichen Rechts zu verstehen.
2. Der Erwerb von Haubergsanteilen ist kein steuerbarer Erwerbsvorgang. Haubergsanteile sind --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- keine Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
a) Die Rechtsverhältnisse der Hauberggenossenschaften waren ursprünglich in der Haubergordnung für den Kreis Siegen vom 17. März 1879 (Gesetz-Sammlung für die königlichen Preußischen Staaten 1879, 228) --Haubergordnung-- geregelt. Nunmehr findet das GWaldG NW auf die ehemaligen Hauberggenossenschaften Anwendung (§ 1 Nr. 2 GWaldG NW). Ziel und Zweck des Haubergkomplexes ist die Erhaltung des Waldes in seinem Bestand (vgl. § 21 Satz 2 GWaldG NW). Der Haubergkomplex ist eine auf Dauer angelegte Vereinigung von Anteilberechtigten zur Förderung und Erreichung dieses Ziels. Er ist daher mit einer Personengesellschaft vergleichbar, bei der ebenfalls zwischen den Gesellschaftern eine vereinbarte gegenseitige Verpflichtung besteht, "die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern" (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- für die GbR).
Die Haubergsanteile vermitteln eine Berechtigung mit mitgliedschaftlichem und sachenrechtlichem Einschlag. Der Anteilberechtigte ist Mitglied der zur Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens gebildeten Waldgenossenschaft (§ 9 GWaldG NW) und als Gesamthänder am Gemeinschaftsvermögen (§ 2 Abs. 1 GWaldG NW) beteiligt.
b) Zum gesamthänderisch gebundenen Gemeinschaftsvermögen nach § 2 Abs. 1 GWaldG NW gehören auch die Grundstücke des Haubergkomplexes (Hauberggrundstücke).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GWaldG NW steht das Gemeinschaftsvermögen den Anteilberechtigten zur gesamten Hand zu (Gesamthandsgemeinschaft). Anteilberechtigte sind die Inhaber von Anteilen an dem Gemeinschaftsvermögen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GWaldG NW).
Das Gemeinschaftsvermögen bildet das für Gesamthandsgemeinschaften typische, von dem Vermögen der Anteilberechtigten abzugrenzende zweckgebundene und organisierte Sondervermögen (vgl. § 718 Abs. 1 BGB für die GbR; § 105 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs --HGB-- i.V.m. § 718 Abs. 1 BGB für die OHG; § 161 Abs. 1 HGB i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 718 Abs. 1 BGB für die KG; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 7. Aufl., Vor § 705 Rz 15). Es ist ein dinglich gebundenes ungequoteltes Sondervermögen der Anteilberechtigten, d.h. deren unmittelbares Eigentum in gesamthänderischer Verbundenheit. Jeder einzelne Gegenstand des Gesamthandsvermögens gehört dem einzelnen Anteilberechtigten ganz, beschränkt durch das gleiche dingliche Recht des anderen (vgl. Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl., § 903 Rz 3).
Das gilt auch hinsichtlich der Hauberggrundstücke. Die Hauberggrundstücke stehen nicht im Bruchteilseigentum der Anteilberechtigten (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 5. Februar 1957 V BLw 25/56, BGHZ 23, 241, unter II.B.1., zu Grundstücken nach der Haubergordnung; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Dezember 1962 III 321/60 S, BFHE 76, 558, BStBl III 1963, 204, unter II.5., zu Jahnschaften nach dem Olper Forstgesetz vom 3. August 1897).
c) Wegen der gesamthänderischen Bindung des Gemeinschaftsvermögens sind die Haubergsanteile keine Miteigentumsanteile i.S. von §§ 741 ff., 1008 ff. BGB an den Haubergsgrundstücken. Die Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1976 II R 139/71, BFHE 119, 510, BStBl II 1976, 693), nach der Miteigentumsanteile als Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG zu behandeln sind, findet insoweit keine Anwendung. Allein aus § 3 Abs. 2 Satz 1 GWaldG NW, der --ähnlich wie § 747 Satz 1 BGB-- eine Übertragung der Anteile durch Rechtsgeschäft zulässt, kann nicht --entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 GWaldG NW-- der Schluss gezogen werden, dass Haubergsanteile den Miteigentumsanteilen an Grundstücken vergleichbar sind.
d) Die Haubergsanteile sind auch nicht deshalb als Grundstücke i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG anzusehen, weil § 3 Abs. 3 GWaldG NW anordnet, dass für die Anteile die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des BGB gelten, nach § 42 Abs. 2 GWaldG NW für jede Anteilberechtigung von Amts wegen ein besonderes Grundbuchblatt --Anteilgrundbuch-- angelegt wird und der BGH deshalb in seinem Beschluss in BGHZ 23, 241, unter II.B.1., ausgeführt hat, die Haubergsanteile gälten als Grundstücke i.S. des BGB. Denn Rechte, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, unterliegen als grundstücksgleiche Rechte --mit Ausnahme der in § 2 Abs. 2 GrEStG abschließend aufgezählten Rechte-- nicht der Grunderwerbsteuer (vgl. Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 18. Aufl., § 2 Rz 142).
e) Entgegen der Auffassung des FA unterliegt der Erwerb von Haubergsanteilen nicht deshalb der Grunderwerbsteuer, weil bei einer Erbengemeinschaft nach §§ 2032 ff. BGB als besonderer Form der Gesamthandsgemeinschaft der Erwerb eines Miterbenanteils bei einem zum Nachlass gehörenden Grundstück der Grunderwerbsteuer unterliegt (BFH-Urteile vom 17. Juli 1975 II R 141/74, BFHE 117, 270, BStBl II 1976, 159, und vom 9. Juli 2014 II R 50/12, BFHE 246, 222, BStBl II 2015, 399). Die rechtliche Ausgestaltung von Erbengemeinschaften und Haubergkomplexen unterscheidet sich in mehreren entscheidungserheblichen Punkten.
aa) Die Erbengemeinschaft entsteht allein dadurch, dass den Erben gesamthänderisch gebundenes Vermögen anfällt (§§ 2021, 2033 Abs. 2 BGB). Die Miterben verwalten den Nachlass gemeinschaftlich (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Gesamthand ist nicht --wie z.B. bei der Personengesellschaft-- verfestigt, sondern auf Auseinandersetzung nach den allgemeinen Regeln angelegt (§ 2042 BGB). Das Gesamthandsverhältnis der Erben ist nur durch die Gesamthandsbindung des Vermögens bestimmt (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 166). Der Miterbe hat eine ideelle quotale Berechtigung am Gesamthandsvermögen, über die er nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB verfügen kann (vgl. Palandt/ Weidlich, a.a.O., § 2033 Rz 1). Die vermögensrechtliche Beteiligung an dem Nachlass ist nicht an die Erbenstellung gebunden (Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 166, m.w.N.).
bb) Der Haubergkomplex ist --im Gegensatz zur Erbengemeinschaft-- auf Dauer angelegt. Die Mitglieder des Haubergkomplexes sind bereits aufgrund dieser Stellung am verfestigten Gemeinschaftsvermögen berechtigt. Sie sind Anteilberechtigte am Gemeinschaftsvermögen (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 GWaldG NW). Die Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens stehen nicht den Anteilberechtigten gemeinschaftlich zu. Diese bilden vielmehr zu diesem Zweck eine Waldgenossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 9 GWaldG NW). Die Waldgenossenschaft hat Betriebspläne (vgl. § 22 GWaldG NW) und Wirtschaftspläne (vgl. § 23 GWaldG NW) aufzustellen und den Wald zur Erreichung des gemeinsamen Ziels seiner Bestandserhaltung nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewirtschaften und pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten (vgl. § 21 GWaldG NW). Die Waldgenossenschaft gibt sich eine Satzung, die u.a. die Rechte und Pflichten der Mitglieder unter Berücksichtigung der Anteilberechtigung regelt (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 2 GWaldG NW). Sie hat als Organe eine Genossenschaftsversammlung und einen Vorstand (vgl. § 11 GWaldG NW). Die Aufgaben der Genossenschaftsversammlung sind in § 12 GWaldG NW geregelt.
cc) Die Besonderheiten der Erbengemeinschaft (Anlegung auf Auseinandersetzung, ideelle quotale Berechtigung am Gesamthandsvermögen durch den einzelnen Miterben, keine Vermittlung eines mitgliedschaftsähnlichen Rechts an der Erbengemeinschaft durch die Miterbenstellung) rechtfertigen sachlich ihre gegenüber anderen Gesamthandsgemeinschaften abweichende grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Februar 2004 II B 147/02, BFH/NV 2004, 813).
3. Nach diesen Grundsätzen durfte das FA den Kaufpreis für die Übertragung der Haubergspfennige nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer miteinbeziehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.