Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 07.03.2012


BFH 07.03.2012 - II B 90/11

Grunderwerbsteuer bei Verschmelzung durch Aufnahme und mehreren aufeinanderfolgenden Erwerbsvorgängen; Darlegung von Gründen für die Zulassung der Revision


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
07.03.2012
Aktenzeichen:
II B 90/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. August 2011, Az: 11 K 2112/06 C, Urteil
Zitierte Gesetze
EWGRL 335/69
EWGRL 303/85

Leitsätze

1. NV: Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG erfüllt, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ein inländisches Grundstück gehört und das Eigentum an diesem Grundstück nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht.

2. NV: Mehrere Erwerbsvorgänge, die je für sich einen der in § 1 GrEStG geregelten Steuertatbestände erfüllen, unterliegen auch dann jeweils der Grunderwerbsteuer, wenn die beteiligten Gesellschaften durch eine Organschaft verbunden sind oder ohne Bestehen einer Organschaft zu einem Konzern gehören und die Erwerbsvorgänge unmittelbar aufeinanderfolgen.

3. NV: Um ordnungsgemäß darzulegen, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts zuzulassen sei, muss sich der Beschwerdeführer u.a. mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum zu der von ihm aufgeworfenen Frage auseinandersetzen.

4. NV: Zur Darlegung eines Verfahrensmangels muss der Beschwerdeführer von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG ausgehen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.

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1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen sei.

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a) Die ordnungsgemäße Darlegung dieser Gründe für die Zulassung der Revision verlangt von --vorliegend nicht gegebener-- Offenkundigkeit abgesehen substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (BFH-Beschlüsse vom 28. April 2010 II B 178/09, BFH/NV 2011, 262; vom 29. Juni 2011 II B 127/10, BFH/NV 2011, 1726, und vom 16. August 2011 III B 155/10, BFH/NV 2012, 48, je m.w.N.). Es sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2011, 262; in BFH/NV 2011, 1726; vom 7. September 2011 X B 113/10, BFH/NV 2011, 2102; in BFH/NV 2012, 48, und vom 23. November 2011 IV B 107/10, BFH/NV 2012, 414, je m.w.N.).

4

Hat der BFH die vom Beschwerdeführer herausgestellte Rechtsfrage bereits entschieden, muss in der Beschwerdebegründung eingehend dargelegt werden, weshalb trotzdem weiterhin Klärungsbedarf bestehe. Insbesondere ist darzustellen, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und/oder in der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden seien (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1726, m.w.N.).

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b) Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat sich mit der im Folgenden dargestellten Rechtsprechung des BFH zu den von ihr aufgeworfenen Fragen nicht auseinandergesetzt und nicht dargelegt, dass in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung oder der Literatur andere Auffassungen vertreten würden.

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aa) Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. April 2008 II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526, m.w.N.) die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) erfüllt, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ein inländisches Grundstück gehört und das Eigentum an diesem Grundstück nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes kraft Gesetzes auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Die Grunderwerbsteuer erfasst auch solche Rechtsträgerwechsel, die nicht Teil eines Leistungsaustausches "Grundstück gegen Entgelt" sind. Zu diesen bloßen Rechtsträgerwechseln zählten schon in vorkonstitutioneller Zeit auch Grundstücksübergänge infolge von Umwandlungen (BFH-Beschlüsse vom 29. August 2007 II B 108/06, BFH/NV 2007, 2350, und vom 7. September 2007 II B 5/07, BFH/NV 2007, 2351). Die Beteiligungsverhältnisse an den an einem Umwandlungsvorgang beteiligten Kapitalgesellschaften spielen für die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG keine Rolle. Der Tatbestand dieser Vorschrift knüpft ausschließlich an die zivilrechtliche (sachenrechtliche) Änderung an, die durch eine grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung weder negativ ausgeschlossen noch positiv bewirkt werden kann. Die zivilrechtliche Selbständigkeit der beteiligten Kapitalgesellschaften ist auch grunderwerbsteuerrechtlich zu beachten (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2351, m.w.N.).

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bb) Wie der BFH mit Urteil vom 15. Dezember 2010 II R 45/08 (BFHE 232, 218, m.w.N.) entschieden hat, unterliegen mehrere Erwerbsvorgänge, die je für sich einen der in § 1 GrEStG geregelten Steuertatbestände erfüllen, auch dann jeweils der Grunderwerbsteuer, wenn die beteiligten Gesellschaften durch eine Organschaft verbunden sind oder ohne Bestehen einer Organschaft zu einem Konzern gehören und die Erwerbsvorgänge unmittelbar aufeinanderfolgen. Mehrere Gesellschaften bilden auch in solchen Fällen keine grunderwerbsteuerrechtliche Einheit. Grunderwerbsteuerrechtlich maßgebend ist die zivilrechtliche Selbständigkeit von Beteiligungsgesellschaften, nicht aber, ob die mehreren Erwerbsvorgänge Bestandteil einer Umstrukturierung in einem Konzern sind. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise etwa dergestalt, dass die Umstrukturierung eines Konzerns eine Einheit bilde und daher unabhängig von der rechtlichen Gestaltung nur einmal Grunderwerbsteuer auslösen könne, ist mit dem Charakter der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer nicht vereinbar, der zu einer gesonderten steuerrechtlichen Beurteilung eines jeden für sich genommen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgangs führt.

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cc) Die Grunderwerbsteuer verstößt nach den BFH-Urteilen vom 19. Dezember 2007 II R 65/06 (BFHE 220, 542, BStBl II 2008, 489) und vom 2. April 2008 II R 53/06 (BFHE 220, 550, BStBl II 2009, 544, unter II.2.d bb) nicht gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 249, S. 25), die im Streitjahr (2002) i.d.F. der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABlEG L 156, S. 23) galt.

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2. Die Klägerin hat das Vorliegen eines nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmangels ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

10

a) Die Revision ist nach dieser Vorschrift zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhen kann. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Mangel gestützt, so bedarf es hierfür eines genauen Vortrags der Tatsachen, die den Mangel schlüssig ergeben. Zudem muss außer bei den absoluten Revisionsgründen gemäß § 119 FGO dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung --ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne, sie also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501; vom 24. Juli 2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817; vom 20. September 2010 V B 105/09, BFH/NV 2011, 53; vom 4. Oktober 2010 III B 82/10, BFH/NV 2011, 38, und vom 5. September 2011 X B 144/10, BFH/NV 2012, 3).

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b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin legt nicht substantiiert dar, inwiefern die Tatsachen, die das FG nach ihrer Ansicht zusätzlich hätte berücksichtigen müssen, auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können.

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3. Mit der Rüge, die Vorentscheidung sei fehlerhaft, wird kein Grund für die Zulassung der Revision geltend gemacht.

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a) Die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschluss vom 10. Februar 2011 II S 39/10 (PKH), BFHE 232, 310, BStBl II 2011, 657, m.w.N.). Die Revision ist vielmehr nur dann nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen besonders schwerwiegender Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts zuzulassen, wenn das Urteil des FG objektiv willkürlich ist oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, also greifbar gesetzwidrig und somit geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Mai 2011 IX B 121/10, BFH/NV 2011, 1391; vom 10. August 2011 X B 100/10, BFH/NV 2011, 2098; in BFH/NV 2012, 48; vom 17. August 2011 X B 225/10, BFH/NV 2011, 2083, und in BFH/NV 2012, 3). Dies gilt auch hinsichtlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG (BFH-Beschluss vom 9. November 2011 II B 105/10, BFH/NV 2012, 254, m.w.N.).

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b) Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergeben sich aus der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte. Die Klägerin macht zu Recht nicht geltend, dass die Vorentscheidung grobe Fehler der genannten Art aufweise. Sie verkennt, dass der angefochtene Feststellungsbescheid vom 25. Juli 2005 lediglich die Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG feststellt, jedoch ausdrücklich nicht die Grundbesitzwerte (§ 17 Abs. 3a GrEStG), die gesondert festgestellt wurden.