Entscheidungsdatum: 09.10.2013
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 3. Zivilsenat - vom 5. April 2012 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auch mit dem Klageantrag zu I 1 (Umpacken von "Micardis") abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten über die markenrechtliche Zulässigkeit des Umpackens parallelimportierter Arzneimittel.
Die Klägerin ist ein forschendes Pharmaunternehmen. Sie ist Inhaberin der für pharmazeutische Erzeugnisse registrierten Gemeinschaftswortmarken Nr. 2 409 225 "Micardis" und Nr. 1 707 835 "MicardisPlus" sowie der Gemeinschaftswortmarke Nr. 1 072 602 "Sifrol", die für pharmazeutische Erzeugnisse zur Behandlung von Erkrankungen des zentralen Nervensystems geschützt ist.
Das Arzneimittel "Sifrol" in der Wirkstoffstärke 0,18 mg (Base) wird sowohl in Frankreich als auch in Deutschland in Packungsgrößen zu 30 und zu 100 Tabletten vertrieben. Allerdings werden in Frankreich aufgrund der dortigen Verschreibungsgewohnheiten - anders als in Deutschland - zu 80% Packungen mit 30 Tabletten und nur zu 20% Packungen mit 100 Tabletten abgesetzt. Das Arzneimittel "Micardis" ist in Italien und das Mittel "MicardisPlus" in Großbritannien und Rumänien in der Packungsgröße 28 Tabletten erhältlich. In diesen Staaten werden die auf dem deutschen Markt neben dieser Packungsgröße weit überwiegend angebotenen Packungsgrößen von 56 ("Micardis") bzw. 98 Tabletten ("MicardisPlus") nicht vertrieben.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige, das Präparat "Sifrol" in Packungen von 30 Tabletten (drei Blister à zehn Tabletten) der Wirkstoffstärke 0,18 mg (Base) aus Frankreich zu importieren und in einer Packungsgröße von 100 Tabletten (zehn Blister à zehn Tabletten) in Deutschland in Verkehr zu bringen. Unter dem 17. März 2008 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über ihre Absicht, das Arzneimittel "MicardisPlus" in Packungen von 28 Tabletten (vier Blister à sieben Tabletten) mit der Wirkstoffstärke 80 mg/12,5 mg aus Rumänien zu importieren und in einer eigenen Umverpackung mit 98 Tabletten (14 Blister à sieben Tabletten) in Deutschland zu vertreiben. Eine entsprechende Mitteilung der Beklagten an die Klägerin erfolgte für aus Großbritannien importierte Arzneimittel "MicardisPlus" in der Wirkstoffstärke 80 mg/25 mg mit Schreiben vom 17. Dezember 2008. Unter dem 21. April 2009 teilte die Beklagte der Klägerin ihre Absicht mit, das Arzneimittel "Micardis" in der Wirkstoffstärke 40 mg und der Packungsgröße 28 Tabletten aus Italien zu importieren und nicht mehr - wie bisher - in etikettierten Auffüllpackungen mit insgesamt 56 Tabletten, sondern in einer eigenen Umverpackung mit 56 Tabletten in Deutschland zu vertreiben.
Die vorgenannten, von der Beklagten im jeweiligen Ausfuhrmitgliedstaat aufgekauften Packungsgrößen der Präparate der Klägerin sind in Deutschland aufgrund der im zentralisierten Verfahren durch die europäische Zulassungsbehörde erteilten Zulassungen verkehrsfähig. Mit dieser Begründung widersprach die Klägerin jeweils dem beabsichtigten Umpacken.
Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, wie in den Schreiben vom 27. Februar, 17. März und 17. Dezember 2008 sowie 21. April 2009 angekündigt, Arzneimittel nach Deutschland zu importieren, umzupacken und in Deutschland anzubieten und/ oder in Verkehr zu bringen.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Umpackens von "Sifrol" in die Packungsgröße 100 Tabletten (Unterlassungsantrag zu I 4) stattgegeben, weil die Beklagte sich 100er-Packungen dieses Arzneimittels in Frankreich beschaffen könne. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Hamburg, PharmR 2012, 455).
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen Anträge weiter.
A. Das Berufungsgericht hat die Markenrechte der Klägerin an den von der Beklagten importierten Arzneimitteln als erschöpft angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Art. 13 Abs. 2 GMV stehe dem weiteren Vertrieb der mit der jeweiligen Klagemarke gekennzeichneten umgepackten Arzneimittel nicht entgegen. Die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten fünf Erschöpfungsvoraussetzungen seien erfüllt. Für die ersten vier Voraussetzungen sei dies unstreitig. Es liege aber auch eine künstliche Marktabschottung vor. Die Versagung des Umpackens der importierten Präparate "Micardis" und "MicardisPlus" in eigene Umverpackungen der Beklagten in den Packungsgrößen 56 Tabletten ("Micardis") und 98 Tabletten ("MicardisPlus") schließe die importierte Ware jeweils von diesen Teilmärkten in Deutschland aus. Die damit verbundene künstliche Marktabschottung habe zur Folge, dass die Klägerin sich dem weiteren Vertrieb der umgepackten Arzneimittel nicht widersetzen könne. Für das Arzneimittel "Sifrol" führe es zu keinem abweichenden Ergebnis, dass es im Ausfuhrmitgliedstaat (Frankreich) in der Packungsgröße 100 Tabletten in ausreichenden Mengen verfügbar sei. Denn die Beklagte könne nicht darauf verwiesen werden, die Teilmärkte des Einfuhrmitgliedstaats durch Ankauf passender Packungsgrößen in den Ausfuhrmitgliedstaaten zu bedienen. Die Klägerin dürfe sich daher dem Umpacken des in der Packungsgröße 30 Tabletten importierten Präparats "Sifrol" in eigene Umverpackungen der Beklagten mit der Packungsgröße N3 (100 Tabletten) nicht widersetzen.
B. Die Revision der Klägerin hat hinsichtlich der Importe von "MicardisPlus" aus Großbritannien und Rumänien sowie von "Sifrol" aus Frankreich (Klageanträge zu I 2 bis I 4) keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist insoweit rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Markenrechte der Klägerin erschöpft sind und dem Umpacken der Arzneimittel in größere eigene Verpackungen durch die Beklagte nicht entgegenstehen (unten I). Hingegen reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, um für das Mittel "Micardis" die Erforderlichkeit des Umpackens der aus Italien eingeführten Packungen mit 28 Tabletten in eigene Packungen der Beklagten mit 56 Tabletten zu bejahen (unten II).
I. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Markenrechte der Klägerin seien erschöpft, hält hinsichtlich des Umpackens der Arzneimittel "MicardisPlus" und "Sifrol" rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel nach Art. 13 Abs. 2 GMV ist jedoch nicht zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. April 2007 - C-348/04, Slg. 2007, I-3391 = GRUR 2007, 586 Rn. 15 f. - Boehringer Ingelheim/Swingward II). Eine solche verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und der Parallelimporteur das Umpacken unter Beachtung der berechtigten Interessen des Markeninhabers vornimmt. Der Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels, das der Importeur umgepackt und wieder mit der Marke versehen hat, nach Art. 7 Abs. 2 MarkenRL nicht widersetzen, wenn die fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten Erschöpfungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996, C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Slg. 1996, I-3545 = GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 79 - Bristol-Myers Squibb; EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 21 - Boehringer Ingelheim/Swingward II; BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 172/09, GRUR 2011, 817 Rn. 16 = WRP 2011, 1164 - RENNIE).
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, von diesen Voraussetzungen stehe zwischen den Parteien allein in Streit, ob der Widerspruch der Klägerin gegen das Umpacken durch die Beklagte zu einer künstlichen Marktabschottung führe. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände. Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall auch die Erschöpfungsvoraussetzung der künstlichen Marktabschottung erfüllt ist.
Von einer künstlichen Marktabschottung ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv zu einem Umpacken des Arzneimittels zwingen, um die betreffende Ware im Einfuhrmitgliedstaat in Verkehr bringen zu können. Ein Fall der künstlichen Marktabschottung liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch dann vor, wenn der Parallelimporteur nur von einem Teilmarkt im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen wird. Das ist auch dann anzunehmen, wenn im Ausfuhrmitgliedstaat nur eine Packungsgröße eines Arzneimittels in Verkehr gebracht worden ist, während im Einfuhrmitgliedstaat neben dieser Packungsgröße eine weitere Packungsgröße vom Markeninhaber vertrieben wird. Dadurch wird der Parallelimporteur vom Vertrieb der weiteren Packungsgröße im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen. Dies begründet eine Zwangslage des Parallelimporteurs, die ein Umpacken rechtfertigt (vgl. EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 52 bis 54 - Bristol-Myers Squibb; EuGH, Urteil vom 23. April 2002 - C-443/99, Slg. 2002, I-3703 = GRUR Int. 2002, 745 Rn. 26 f. - Merck, Sharp & Dohme; BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - I ZR 208/05, GRUR 2008, 1089 Rn. 34 = WRP 2008, 1554 - KLACID PRO; BGH, GRUR 2011, 817 Rn. 16 - RENNIE).
3. In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die Beklagte ohne ein Umpacken vom Teilmarkt der im Inland bei "MicardisPlus" weit überwiegend nachgefragten Packungsgröße zu 98 Tabletten tatsächlich ausgeschlossen wird (vgl. BGH, GRUR 2011, 817 Rn. 17 - RENNIE). Die von der Revision gegen diese Beurteilung erhobenen Einwände greifen nicht durch.
a) Vergeblich macht die Revision geltend, der freie Handel zwischen den Mitgliedstaaten werde durch eine Untersagung des Umpackens nicht beschränkt, wenn eine im Ausfuhrmitgliedstaat verkehrsfähige Arzneimittelpackung im Einfuhrmitgliedstaat ebenso verkehrsfähig sei. Der Bundesgerichtshof hat in Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Grundsätze bereits entschieden, dass der Ausschluss eines eingeführten Arzneimittels von den durch weitere Packungsgrößen im Einfuhrmitgliedstaat gebildeten Teilmärkten eine künstliche Marktabschottung darstellt, ohne dass es auf die Möglichkeit ankommt, das eingeführte Arzneimittel in unveränderter Form auch im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können (BGH, GRUR 2008, 1089 Rn. 34 - KLACID PRO).
Im Streitfall liegt hinsichtlich des Arzneimittels "MicardisPlus" der vom Gerichtshof der Europäischen Union als Beispiel einer künstlichen Marktabschottung angeführte Fall vor. In den Ausfuhrmitgliedstaaten Großbritannien und Rumänien ist jeweils nur die Packungsgröße 28 Tabletten in Verkehr gebracht worden, während im Einfuhrmitgliedstaat Deutschland neben dieser Packungsgröße weit überwiegend die Packungsgröße 98 Tabletten vom Markeninhaber vertrieben wird (BGH, GRUR 2008, 1089 Rn. 34 - KLACID PRO, unter Hinweis auf EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 52 bis 54 - Bristol-Myers Squibb; GRUR Int. 2002, 745 Rn. 26 f. - Merck, Sharp & Dohme).
b) Um einen Teilmarkt handelt es sich danach nicht nur bei einem regional abgrenzbaren Markt, sondern auch dann, wenn ein Präparat im Einfuhrmitgliedstaat in einer anderen Packungsgröße angeboten wird (EuGH, GRUR Int. 1996, 1144, Rn. 54 - Bristol-Myers Squibb; GRUR Int. 2002, 745 Rn. 26 f. - Merck, Sharp & Dohme). Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob ein solcher Teil des Marktes nach dem im Kartellrecht maßgeblichen Bedarfsmarktkonzept einen eigenständigen Produktmarkt darstellt.
c) Die Revision wendet ferner vergeblich ein, Art. 34 AEUV könne nicht dazu herangezogen werden, einem Parallelimporteur etwas zu erlauben, was ihm in einem tatsächlich voll integrierten Markt versagt wäre. Eine Beschränkung der Markenrechte durch Zulassung des Umpackens kommt in einem tatsächlich voll integrierten Markt von vornherein nicht in Betracht, weil es dort keine künstliche Marktabschottung durch regional unterschiedlich verwendete Packungsgrößen geben kann. Im Binnenmarkt der Europäischen Union, in dem es nach wie vor und insbesondere auch bei Arzneimitteln nationale Absatzmärkte gibt, verhält es sich anders. Parallelimporte sind dementsprechend wirtschaftlich auch nur so lange interessant, wie es an einem voll integrierten Binnenmarkt fehlt.
d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte bezwecke mit der Neuverpackung der importierten Packungen des Arzneimittels "Micardis-Plus" mit 28 Tabletten allein wirtschaftliche Vorteile, was keine die Neuverpackung rechtfertigende Zwangslage darstellen könne.
Für eine tatsächliche Behinderung des Marktzugangs reicht es aus, wenn das Hindernis für eine der vom Markeninhaber im Einfuhrmitgliedstaat verwendeten Packungen besteht. Diesem Fall, in dem das Umpacken berechtigt ist, steht der Fall gegenüber, dass es dem Parallelimporteur ausschließlich darum geht, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, was das Umpacken nicht rechtfertigt (vgl. EuGH, GRUR Int. 2002, 745 Rn. 26 f. - Merck, Sharp & Dohme). Aus dieser vom Gerichtshof der Europäischen Union gewählten Gegenüberstellung des berechtigten Umpackens zur Beseitigung eines Hindernisses für den Marktzugang einerseits und einem allein zum wirtschaftlichen Vorteil des Parallelimporteurs erfolgenden Umpacken andererseits folgt, dass ein Umpacken, das erforderlich ist, um den Vertrieb in einer im Einfuhrmitgliedstaat gängigen Packungsgröße zu ermöglichen, nicht als ein ausschließlich zum wirtschaftlichen Vorteil des Parallelimporteurs erfolgendes Umpacken angesehen werden kann. Aus den von der Revision angeführten Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich nichts Abweichendes (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Oktober 1999 - C-379/97, Slg. 1999, I-6927 = GRUR Int. 2000, 159 Rn. 44 - Upjohn; EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 37 - Boehringer Ingelheim/Swingward II).
Der Einwand der Revision, bei diesem Verständnis verbliebe für den Ausschluss bloß wirtschaftlicher Vorteile kein Anwendungsbereich, greift nicht durch. Können etwa durch das Anbringen neuer Etiketten vertriebsfähige Verpackungen geschaffen werden, begründen rein wirtschaftliche Vorteile, die sich der Parallelimporteur beispielsweise durch eine werbewirksamere und absatzfördernde Gestaltung der Verpackung verspricht, keine zur Verwendung neuer Kartons nötigende Zwangslage (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 219/99, GRUR 2002, 1059, 1062 = WRP 2002, 1163 - Zantac/Zantic, unter Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 12. Juli 2001 in den Rechtssachen C-443/99 - Merck, Sharp & Dohme und - C-143/00 - Boehringer Ingelheim/Swingward I, Slg. 2002, I-3703 Rn. 106 und 115). Dasselbe gilt, wenn der Parallelimporteur die vom Markeninhaber im Ausfuhrmitgliedstaat benutzte Marke durch eine wirksamere und absatzfördernde Marke ersetzen will (vgl. BGH, GRUR 2008, 1089 Rn. 30 - KLACID PRO).
e) Auf die Frage, ob gesetzliche Bestimmungen in Deutschland bei "Micardis" der Abgabe von zwei Packungen mit 28 Tabletten anstelle einer verschriebenen Packung mit 56 Tabletten entgegenstehen, kommt es nicht an. Für eine künstliche Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten genügt die tatsächliche Behinderung des Zugangs der eingeführten Erzeugnisse zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats. Solche tatsächlichen Hindernisse können sich etwa aus nationalen Praktiken in Bezug auf die Verpackung oder aus festen ärztlichen Verschreibungsgewohnheiten ergeben (EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 53 - Bristol-Myers Squibb; GRUR Int. 2002, 745 Rn. 25 f. - Merck, Sharp & Dohme). Dementsprechend kann das Umpacken von Arzneimitteln erforderlich sein, wenn in Deutschland nicht die eingeführten Originalpackungen, sondern Packungen abweichender Größe verschreibungsüblich sind (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 173/04, GRUR 2007, 1075 Rn. 25 f. = WRP 2007, 1472 - STILNOX; BGH, GRUR 2011, 817 Rn. 17 - RENNIE). Auf die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen zur Zulässigkeit eines Absatzes kleinerer anstelle größerer Packungen kommt es daher nicht an.
f) Allerdings darf die Befugnis des Inhabers einer in einem Mitgliedstaat geschützten Marke, sich dem Vertrieb umgepackter Waren unter dieser Marke zu widersetzen, nur insoweit beschränkt werden, als das Umpacken durch den Importeur erforderlich ist, um die Ware im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können. Der Markeninhaber darf dem Umpacken der Ware in eine neue äußere Verpackung daher entgegentreten, wenn der Importeur eine im Einfuhrmitgliedstaat vertriebsfähige Packung schaffen kann, indem er zum Beispiel auf der äußeren und inneren Originalverpackung neue Etiketten in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats anbringt, neue Beipack- oder Informationszettel in der Sprache des Einfuhrmitgliedstaats beilegt oder einen zusätzlichen Artikel, der im Einfuhrmitgliedstaat nicht zugelassen werden kann, gegen einen vergleichbaren zugelassenen Artikel austauscht (EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 55 f. - Bristol-Myers Squibb). Eine Neuverpackung ist danach auch nicht notwendig, wenn die eingeführten Packungen ohne weiteres durch zusätzliche Blisterstreifen auf die im Inland angebotene Packungsgröße aufgestockt werden können (vgl. BGH, GRUR 2011, 817 Rn. 20, 22 - RENNIE).
Ein solcher Fall liegt hier hinsichtlich des Arzneimittels "MicardisPlus" indes nicht vor. Die Revision zeigt nicht auf, wie die aus Großbritannien und Rumänien eingeführten Packungen "MicardisPlus" in der Packungsgröße von 28 Tabletten ohne Verwendung einer eigenen Umverpackung der Beklagten in einer Packungsgröße mit 98 Tabletten vertrieben werden könnten. Eine Bündelung mehrerer Packungen mit 28 Tabletten kommt dafür nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 198/99, juris Rn. 32). Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, die aus Italien eingeführten Packungen könnten durch Hinzufügung von zehn weiteren Blistern mit je sieben Tabletten von 28 auf 98 Tabletten aufgestockt werden (vgl. BGH, GRUR 2011, 817 Rn. 20 - RENNIE).
g) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ist nicht geboten. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass der Ausschluss des Parallelimporteurs von einem Teilmarkt eine künstliche Marktabschottung begründen kann. Ob die Voraussetzungen einer künstlichen Marktabschottung eines Teilmarkts im Streitfall vorliegen, ist dagegen eine Tatfrage, deren Beantwortung den nationalen Gerichten obliegt (vgl. EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 46 - Boehringer Ingelheim/Swingward II; BGH, GRUR 2008, 1089 Rn. 35 - KLACID PRO).
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Klageantrag I 4 ("Sifrol") auf die Anschlussberufung der Beklagten abgewiesen.
Der maßgebliche Sachverhalt bei diesem Arzneimittel unterscheidet sich von dem zuvor behandelten Fall der Einfuhr von "MicardisPlus" allein dadurch, dass die in Deutschland weit überwiegend nachgefragte Packungsgröße mit 100 Tabletten auch in Frankreich verkehrsfähig und in für Zwecke des Parallelimports ausreichenden Mengen zu beschaffen ist. Für die Frage der Erforderlichkeit des Umpackens ist aber nur auf das konkrete im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebrachte Warenexemplar abzustellen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 148/04, BGHZ 173, 230 Rn. 33 - CORDARONE unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 1. Juli 1999 - C-173/98, Slg. 1999, I-4103 = GRUR Int. 1999, 870 Rn. 19 f. - Sebago). Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ist ein Umpacken dann zulässig, wenn die konkret importierte Ware andernfalls vom Vertrieb auf einem Teilmarkt des Einfuhrmitgliedstaats ausgeschlossen wäre. Dementsprechend darf der Parallelimporteur nicht darauf verwiesen werden, die (auch) durch die Packungsgröße bestimmten Teilmärkte des Einfuhrmitgliedstaats durch den Ankauf passender Packungen in den Ausfuhrmitgliedstaaten zu bedienen.
Folglich steht der Klägerin auch kein Unterlassungsanspruch gegen das Umpacken aus Frankreich eingeführter "Sifrol"-Tabletten der Packungsgröße 30 Tabletten in die Packungsgröße 100 Tabletten für den deutschen Markt zu.
II. Hinsichtlich der Einfuhr des Arzneimittels "Micardis" hat das Berufungsgericht die Erforderlichkeit des Umpackens in eigene Verpackungen der Beklagten indes nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
1. Das Umpacken in neu hergestellte Packungen ist objektiv nicht erforderlich, um einen Zugang des Parallelimporteurs zum Markt zu gewährleisten, wenn dieser mit neuen Etiketten überklebte Originalkartons verwenden kann, in die weitere Blisterstreifen gefüllt werden (BGH, GRUR 2011, 817 Rn. 20 - RENNIE). Ob das der Fall ist, hat das Berufungsgericht für das Mittel "Micardis" nicht geprüft. Dazu hätte Anlass bestanden, weil die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts "Micardis" in Deutschland zuvor in etikettierten Auffüllpackungen mit insgesamt 56 Tabletten vertrieben hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht verweist, war und ist das Aufstocken von Packungen mit 28 Tabletten auf 56 Tabletten aufgrund des Füllvolumens der importierten Packungen möglich. Auch in ihrer Mitteilung vom 21. April 2009, mit der die Beklagte die Klägerin darüber informiert hat, dass sie in Zukunft "Micardis" in neu erstellten Umverpackungen in Verkehr bringen werde, gibt die Beklagte keinen Grund an, warum sie an der bisherigen Praxis, "Micardis" in Auffüllpackungen zu vertreiben, nicht festhält.
Unter diesen Umständen hatte die - insoweit darlegungs- und beweisbelastete - Beklagte nicht dargelegt, dass eine Neuverpackung auch bei "Micardis" erforderlich ist.
2. Dennoch kann der Klage beim derzeitigen Verfahrensstand auch hinsichtlich des Umpackens von "Micardis" (Klageantrag zu I 1) nicht stattgegeben werden. Das Landgericht hatte die Klage insoweit abgewiesen, obwohl es festgestellt hatte, dass ein Auffüllen der importierten Packungen auf 56 Tabletten möglich war. Die Klägerin hatte diesen Umstand zwar mit der Klage vorgetragen, sich darauf aber bei ihren Rechtsausführungen zu keinem Zeitpunkt gestützt. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte ihre bisherige Auffüllpraxis erkennbar für unerheblich gehalten.
Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht dem Klageantrag zu I 1 nicht stattgeben dürfen, ohne der Beklagten durch einen Hinweis Gelegenheit zu geben, zur Frage der Erforderlichkeit der Neuverpackung bei "Micardis" ergänzend vorzutragen (§ 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dementsprechend ist hier im Hinblick auf den Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren von einer Verurteilung der Beklagten nach dem Antrag zu I 1 in der Revisionsinstanz abzusehen. Der Beklagten ist im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.
III. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob sich eine Neuverpackung bei dem Arzneimittel "Micardis" als nicht erforderlich erweist, weil zwei aus Italien importierte Packungen mit 28 Tabletten durch eine entsprechend gekennzeichnete Banderole zu einer Verkaufseinheit mit 56 Tabletten verbunden werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 198/99, juris Rn. 32).
Bornkamm |
Schaffert |
Kirchhoff |
||
RiBGH Dr. Löffler ist in Urlaub und |
||||
Grabinski |
Bornkamm |