Entscheidungsdatum: 19.05.2011
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte und Widerklägerin 69% und die Klägerin und Widerbeklagte 31% zu tragen.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens und des Berufungsverfahrens - insofern in Abänderung der Streitwertfestsetzung im Berufungsurteil - wird auf 176.549,95 € festgesetzt.
I. Die Klägerin, die staatliche Lotteriegesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, hat der Beklagten vorgeworfen, als gewerbliche Spielvermittlerin gegen Verhaltenspflichten nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 Lotteriestaatsvertrag (LottStV) bzw. § 3 Abs. 6 Nr. 2 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) zu verstoßen.
Die Beklagte ist im Rahmen eines Geschäftsmodells tätig, bei dem die auf Zypern ansässige "D. Ltd." fortlaufend zusammen mit einer dritten Person BGB-Gesellschaften gründet. Zweck dieser Gesellschaften, die auf eine Dauer von höchstens einem Monat angelegt sind, ist der Erwerb von Lottoscheinen einer Gesellschaft des Deutschen Toto- und Lottoblocks. Nach Erwerb der Lottoscheine veräußert die "D. Ltd." die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an Spielinteressierte. Mit der Vermittlung der Anteilskäufe hat sie die Beklagte beauftragt.
Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - der Sache nach beantragt, der Beklagten zu verbieten, die Teilnahme an Lotterieveranstaltungen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder zu vermitteln, ohne dass die Anforderungen an eine gewerbliche Spielvermittlung (bis 31. Dezember 2007 § 14 Abs. 2 Nr. 3 und 5 LottStV, seit 1. Januar 2008 gleichlautend § 19 Nr. 1 und 3 GlüStV) eingehalten werden (Klageanträge zu 1.1 bis 1.5). Außerdem hat sie Auskunft (Klageantrag zu 2) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (Klageantrag zu 3) sowie Erstattung von Abmahnkosten (Klageantrag 4) begehrt.
Die Beklagte hat im Wege der Widerklage beantragt,
der Klägerin zu verbieten, Minderjährigen durch den Verkauf von Spielscheinen die Teilnahme an Glücksspielen zu ermöglichen.
Außerdem hat sie ebenfalls Abmahnkosten geltend gemacht.
Die Beklagte stützt sich dabei auf Testkäufe, die ihr Prozessbevollmächtigter in der Instanz am 28. März 2007 durch die am 12. Mai 1990 geborene Zeugin V. A. in acht Kölner Annahmestellen der Klägerin durchführen ließ. Während in vier Annahmestellen der Verkauf der Spielscheine an die Zeugin unter Hinweis auf einen fehlenden Nachweis der Volljährigkeit abgelehnt worden war, hatten die Verkäufer sich in vier anderen Annahmestellen mit der Angabe der Testkäuferin begnügt, dass sie 18 Jahre alt sei, den vorgelegten Spielschein registriert, den Einsatz kassiert und die Spielquittung ausgehändigt.
Das Landgericht hat der Klage - hinsichtlich der Abmahnkosten allerdings lediglich in Höhe von 850,05 € statt beantragter 1.050,25 € - und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen.
Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen haben die Parteien ihre Anträge weiterverfolgt. Sie haben jeweils beantragt, die gegnerische Revision zurückzuweisen. Nachdem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgewiesen worden ist, haben die Parteien übereinstimmend Klage und Widerklage in der Hauptsache für erledigt erklärt.
II. Der Senat hat nach § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. Maßgeblich ist danach, ob und in welchem Umfang die Revisionen beider Parteien voraussichtlich Erfolg gehabt hätten. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht einen weiteren Unterlassungsantrag (Klageantrag zu 1.6), die darauf rückbezogenen Teile des Auskunfts- und des Feststellungsantrags (Klageanträge zu 2 und 3) sowie einen Teil der von der Klägerin beanspruchten Abmahnkosten (Klageantrag zu 4) rechtskräftig abgewiesen hat. Danach ergibt sich für die erste Instanz ein Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens von 62% zu 38% und für die Berufungs- und Revisionsinstanz ein Verhältnis von 71% zu 29%, jeweils zugunsten der Klägerin. Unter Berücksichtigung der in den Instanzen angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten errechnet sich hieraus eine Kostenlast der Klägerin in Höhe von 31% und eine Kostenlast der Beklagten in Höhe von 69%.
1. Die Revision der Klägerin hätte voraussichtlich Erfolg gehabt. Die Beklagte ist als gewerbliche Spielvermittlerin im Sinne des Lotterierechts anzusehen und unterliegt deshalb den entsprechenden Verhaltensanforderungen. Es ist davon auszugehen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 LottStV bzw. § 19 GlüStV, § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG zusteht.
a) Die lotterierechtlichen Vorschriften für die Tätigkeit gewerblicher Spielvermittler sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hält sich die Beklagte bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht an diese Vorschriften.
b) Die Beklagte ist gewerbliche Spielvermittlerin im lotterierechtlichen Sinn.
Nach § 14 Abs. 1 des bis 31. Dezember 2007 geltenden Lotteriestaatsvertrags betreibt gewerbliche Spielvermittlung, wer im Auftrag des Spielinteressenten
1. einzelne Spielverträge an einen Veranstalter vermittelt oder
2. Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelt,
sofern dies jeweils in der Absicht geschieht, durch diese Tätigkeit nachhaltig Gewinn zu erzielen.
§ 3 Abs. 6 GlüStV enthält eine gleichlautende Regelung mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Wörter "im Auftrag der Spielinteressenten" die Wörter "ohne Annahmestelle oder Lotterieeinnehmer zu sein" getreten sind.
Es steht außer Frage, dass die Beklagte mit ihrer Tätigkeit nachhaltig Gewinn erzielen will. Die Beklagte ist auch nicht in die Vertriebsorganisation einer Lottogesellschaft als Annahmestelle oder Lotterieeinnehmer eingegliedert, sondern vermittelt ihren Kunden ausweislich ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Inhalt vom Berufungsgericht festgestellt worden ist, Anteile an Gesellschaften bürgerlichen Rechts, deren Geschäftszweck in der Teilnahme am Samstagslotto des Deutschen Toto- und Lottoblocks liegt. Sie handelt dabei - jedenfalls auch - im Auftrag der Spielinteressierten, für die sie eine Vermittlungsdienstleistung erbringt.
Alle Spielinteressierten, die aufgrund der Vermittlung der Beklagten Anteile an einer bestimmten BGB-Gesellschaft erwerben, bilden miteinander eine Spielgemeinschaft. Sie sind gemeinschaftlich an den Gewinnchancen der von der BGB-Gesellschaft erworbenen Lottoscheine beteiligt. Indem die Beklagte mehreren Spielinteressenten Gesellschaftsanteile an einer bestimmten von der D. Ltd. gegründeten BGB-Gesellschaft vermittelt, führt sie selbst die Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammen. Sie, nicht die D. Ltd., beeinflusst die tatsächliche Zusammensetzung des jeweiligen Gesellschafterkreises und damit der Spielgemeinschaft.
Die Spielbeteiligung der Spielgemeinschaft wird der Lottogesellschaft als Veranstalter über den von der D. Ltd. veranlassten Erwerb der Teilnahmescheine durch die BGB-Gesellschaften - und damit über Dritte - vermittelt.
Damit erfüllt die Beklagte alle Tatbestandsmerkmale, die das Lotterierecht für eine gewerbliche Spielvermittlung vorsieht.
Die Beklagte ist auch ohne weiteres in der Lage, die lotterierechtlichen Verhaltenspflichten gewerblicher Spielvermittler entweder selbst zu erfüllen oder jedenfalls für ihre Erfüllung durch die D. Ltd. und die von dieser gegründeten BGB-Gesellschaften durch entsprechende Vertragsgestaltung Sorge zu tragen.
Im Übrigen wäre es mit dem verbraucherschützenden Zweck der für die gewerbliche Spielvermittlung geltenden Vorschriften unvereinbar, wenn sie - wie das Berufungsgericht angenommen hat - durch Einschaltung eines "Maklers", der Spielinteressenten für BGB-Gesellschaften akquiriert, ohne weiteres umgangen werden könnten. Dem verbraucherschützenden Zweck wird es auch nicht gerecht, die Kunden für die Einhaltung dieser Pflichten an die D. Ltd. oder die BGB-Gesellschaften zu verweisen.
Die Klägerin hätte danach auch Auskunft und Schadensersatz sowie Zahlung von Abmahnkosten in der vom Landgericht zugesprochenen Höhe beanspruchen können.
2. Die Widerklage der Beklagten hätte ebenfalls voraussichtlich Erfolg gehabt.
Als gewerbliche Spielvermittlerin steht die Beklagte mit den Annahmestellen der Klägerin, die in deren Auftrag Spielteilnahmen ermöglichen, in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Nach § 8 Abs. 2 UWG haftet die Klägerin für Wettbewerbsverstöße ihrer Annahmestellen ohne Entlastungsmöglichkeit. Deshalb ist unerheblich, ob sie alles ihr Mögliche getan hat, um den Vertrieb von Glücksspielen an Jugendliche zu verhindern.
Die Widerklage hätte voraussichtlich auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden können. Testkäufe sind grundsätzlich zulässig. Sie können allenfalls bei Vorliegen besonderer Umstände ihrerseits lauterkeitsrechtlich bedenklich sein - so etwa, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen bereits begangenen oder bevorstehenden Wettbewerbsverstoß fehlen und mit ihnen lediglich die Absicht verfolgt wird, den Mitbewerber "hereinzulegen", um ihn mit einem Wettbewerbsprozess überziehen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 1999 - I ZR 204/96, GRUR 1999, 1017, 1019 = WRP 1999, 1035 - Kontrollnummernbeseitigung, mwN; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 11 Rn. 2.41; MünchKomm.UWG/Fritzsche, § 11 Rn. 287). Nach diesen Grundsätzen hätte im Streitfall nach summarischer Prüfung keine Rechtsmissbräuchlichkeit der Testkäufe angenommen werden können. Dass der damalige Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Erhebung der Widerklage davon abhängig gemacht hatte, dass - entgegen der in seinen Schriftsätzen vertretenen Rechtsauffassung - das Landgericht in der mündlichen Verhandlung ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien annehmen würde, entsprach anwaltlicher Sorgfalt, da er sonst mit der Abweisung der Widerklage mangels Aktivlegitimation hätte rechnen müssen. Auch der Umstand, dass die Testkäufe erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens veranlasst und nicht nur solche Annahmestellen einbezogen worden sind, die bereits im Hinblick auf Verstöße gegen glücksspielrechtliche Jugendschutzbestimmungen aufgefallen waren, spricht nicht notwendig für eine Missbräuchlichkeit. Dafür, dass der damalige Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Widerklage ausschließlich erhoben hat, um Gebühren zu erzielen, ist ebenfalls nichts ersichtlich.
Nachdem das mit der Widerklage verfolgte Unterlassungsbegehren voraussichtlich zulässig und begründet gewesen wäre, hätte die Beklagte auch Ersatz der Abmahnkosten verlangen können.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Kirchhoff Löffler