Entscheidungsdatum: 17.07.2013
Einkaufswagen III
1. Hat der Tatrichter im Rahmen der Feststellung der Verkehrsauffassung auf Anlagen, Produkte oder Modelle Bezug genommen, müssen diese zur Akte genommen oder das Ergebnis des Augenscheins muss protokolliert werden, damit das Revisionsgericht die Beurteilung des Berufungsgerichts nachprüfen kann.
2. Trotz einer nahezu identischen Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale eines Originalprodukts kann eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (hier: Einkaufswagen für den Einzelhandel) ausgeschlossen sein, wenn wegen eines Ersatz- oder Erweiterungsbedarfs der Abnehmer ein Interesse an optisch kompatiblen Produkten besteht.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Januar 2012 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, die die weltweit größte Herstellerin von Einkaufswagen ist, vertreibt seit mehr als dreißig Jahren in Deutschland den nachfolgend abgebildeten Einkaufswagen mit der Modellbezeichnung "EL" in unterschiedlichen Größen:
Die Beklagte vertreibt den im Klageantrag abgebildeten Einkaufswagen unter der Modellbezeichnung "GE S". Die von den Parteien angebotenen Einkaufswagen können ineinandergeschoben und dadurch platzsparend aufgereiht werden.
Die Klägerin hält den Einkaufswagen der Beklagten für eine unzulässige Nachahmung ihres Originalprodukts. Sie hat geltend gemacht, infolge der nahezu identischen Übernahme der Ausführung ihres Einkaufswagens durch die Beklagte bestehe die Gefahr von Verwechslungen. Die Beklagte nutze die Wertschätzung ihres Originalprodukts aus. Zudem werde sie in ihren Absatzbemühungen durch die Beklagte unlauter behindert.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs Einkaufswagen gemäß nachfolgender Abbildung anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen:
Die Klägerin hat zudem einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte geltend gemacht und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sowie Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Abmahnkosten nebst Zinsen begehrt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte bis auf einen Teil des Zinsanspruchs hinsichtlich der Abmahnkosten antragsgemäß verurteilt (OLG Köln, Urteil vom 13. Januar 2012 - 6 U 122/11, juris). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz sowie Erstattung der Abmahnkosten nach § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 9, 3 Abs. 1, § 4 Nr. 9 Buchst. b, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, § 242 BGB wegen Rufausbeutung zu. Der Einkaufswagen der Klägerin verfüge über wettbewerbliche Eigenart, die durch den erheblichen Markterfolg im Inland gesteigert sei. Der beanstandete Einkaufswagen der Beklagten sei eine nahezu identische Nachahmung des Modells der Klägerin. Die Unterschiede zwischen den beiden Einkaufswagen fielen nicht auf. Sie seien nur wahrnehmbar, wenn der Betrachter auf sie ausdrücklich hingewiesen werde. Dennoch lägen die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG nicht vor. Die mit dem Angebot und Kauf von Einkaufswagen ausschließlich befassten Einkäufer großer Handelsketten nähmen nicht an, die beanstandeten Produkte stammten von der Klägerin. Die Beklagte nutze jedoch mit ihrem Einkaufswagen die Wertschätzung des Produkts der Klägerin unangemessen aus. Sie nehme konkret auf den beanstandeten Einkaufswagen der Klägerin Bezug und spiegle eine Gleichwertigkeit der Produkte vor. Die Beklagte müsse für ihr Modell einen größeren optischen Abstand zu dem Originalprodukt der Klägerin einhalten.
Die Klägerin könne von der Beklagten auch Ersatz der Abmahnkosten beanspruchen. Die Klägerin habe in der Abmahnung ihre Ansprüche zwar nur auf eine vermeidbare Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG und eine Irreführung nach § 5 UWG gestützt. Die unlautere Rufausbeutung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG stelle jedoch keinen anderen Streitgegen-stand dar.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Klage ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.
1. Auf die von der Klägerin vorsorglich erklärte Reihenfolge von Ansprüchen aus § 4 Nr. 9 Buchst. a und b und § 5 Abs. 2 UWG kommt es nicht an. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsantrag auf einen Streitgegenstand gestützt. Die verschiedenen Unlauterkeitstatbestände, aus denen die Klägerin die Unzulässigkeit des Verhaltens der Beklagten ableitet, stellen nur unterschiedliche rechtliche Gesichtspunkte und keine verschiedenen Streitgegenstände dar. Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage die konkrete Verletzungsform grundsätzlich den Streitgegenstand bildet, wenn mit der Klage ein entsprechendes Unterlassungsbegehren verfolgt wird (BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 24 - Biomineralwasser). Der Unterlassungsantrag ist gegen das Angebot und Inverkehrbringen des Einkaufswagens "GE S" der Beklagten und damit gegen die konkrete Verletzungsform gerichtet.
2. Der Klageantrag ist nicht deshalb unbestimmt, weil in ihm keine verbale Beschreibung der vom nachgeahmten Produkt übernommenen Merkmale angeführt ist. Richtet sich das vom Kläger begehrte Verbot gegen eine ganz konkrete Verletzungsform, so ist eine verbale Beschreibung der wettbewerblich eigenartigen Merkmale, die das Produkt des Beklagten übernimmt, nicht erforderlich. Eine bildliche Darstellung genügt, wenn sich unter Heranziehung der Klagegründe eindeutig ergibt, in welchen Merkmalen des angegriffenen Erzeugnisses die Grundlage und der Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes und damit des Unterlassungsgebots liegen soll (BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 88 = WRP 2001, 1294 - Laubhefter). Ebenso genügt auch die Bezugnahme auf bildliche Darstellungen im gerichtlichen Verbot, wenn sich für den Beklagten anhand der Urteilsgründe feststellen lässt, welche übernommenen Merkmale, denen das Gericht wettbewerbliche Eigenart beigemessen hat, Grundlage des Verbots sind. Das ist vorliegend der Fall, weil sich aus dem Klagevorbringen und den Gründen des Berufungsurteils ergibt, aufgrund welcher charakteristischen Merkmale des abgebildeten Einkaufswagens dessen Angebot und Vertrieb unlauter sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 136/11 Rn. 12 - Regalsystem).
II. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung der Abmahnkosten bejaht hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Wer eine Ware anbietet, die eine Nachahmung der Erzeugnisse eines Mitbewerbers darstellt, handelt nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG unlauter, wenn er die Wertschätzung der nachgeahmten Ware unangemessen ausnutzt. Durch die Bestimmung des § 4 Nr. 9 UWG ist der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz lediglich gesetzlich geregelt, nicht aber inhaltlich geändert worden, so dass die von der Rechtsprechung zu § 1 UWG aF entwickelten Grundsätze weiterhin gelten (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - I ZR 326/01, GRUR 2005, 166, 167 = WRP 2005, 88 - Puppenausstattungen; Urteil vom 9. Oktober 2008 - I ZR 126/06, GRUR 2009, 79 Rn. 25 = WRP 2009, 76 - Gebäckpresse).
Danach kann der Vertrieb einer Nachahmung wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je größer der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - I ZR 170/05, GRUR 2008, 1115 Rn. 18 = WRP 2008, 1510 - ICON; Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, BGHZ 185, 11 Rn. 48 - Modulgerüst II; Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 Rn. 42 - Seilzirkus).
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Einkaufswagen der Klägerin über wettbewerbliche Eigenart verfügt (dazu B II 2) und dass der von der Beklagten vertriebene Einkaufswagen eine fast identische Nachahmung des Originalprodukts der Klägerin darstellt (dazu B II 3). Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Wertschätzung des nachgeahmten Produkts unangemessen ausgenutzt wird (dazu B II 4).
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Klägerin angebotene Einkaufswagen verfüge über eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart.
a) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Das gilt auch für Erzeugnisse, die technisch bedingte Merkmale aufweisen (vgl. nur BGH, Urteil vom 15. April 2010 - I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 21 = WRP 2010, 1465 - Femur-Teil). Allerdings können technisch notwendige Merkmale aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Technisch notwendige Merkmale sind solche, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1999 - I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 = WRP 2000, 493 - Modulgerüst I). Die Übernahme solcher nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Handelt es sich dagegen nicht um technisch zwingend notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet (BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 22 - Femur-Teil).
Daneben kann auch eine Kombination einzelner technischer Gestaltungsmerkmale wettbewerbliche Eigenart begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 Rn. 34 = WRP 2010, 94 - LIKEaBIKE; Urteil vom 22. März 2012 - I ZR 21/11, GRUR 2012, 1155 Rn. 31 = WRP 2012, 1379 - Sandmalkasten). Entsprechendes gilt für ästhetische Merkmale der Formgestaltung, die allein oder in Kombination mit technisch bedingten Merkmalen geeignet sein können, als Herkunftshinweis zu dienen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 - I ZR 128/82, GRUR 1985, 876, 877 = WRP 1985, 397 - Tchibo/Rolex I; Urteil vom 15. September 2005 - I ZR 151/02, GRUR 2006, 79 Rn. 24 = WRP 2006, 75 - Jeans I).
Auch unter dem Gesichtspunkt, den freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht keine Veranlassung, beliebig kombinier- und austauschbaren Merkmalen eine herkunftshinweisende Eignung von vorneherein abzusprechen.
b) Von diesen Maßstäben ist auch das Landgericht ausgegangen, dessen Ausführungen zur wettbewerblichen Eigenart sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts weisen zwar der Einkaufskorb mit dem eingebauten Kindersitz und die Griffstange keine Gestaltungsmerkmale auf, die auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinweisen. Auch der Umstand, dass die Einkaufswagen ineinander geschoben werden können, stellt kein die wettbewerbliche Eigenart begründendes Merkmal dar. Das Landgericht hat vielmehr zutreffend angenommen, das Gesamtdesign des Untergestells hebe das Produkt der Klägerin deutlich von anderen Einkaufswagen ab. Das Untergestell des Einkaufswagens bestehe aus der abgeflachten und abgerundeten Form der in einem charakteristischen Winkel gebogenen Unterrohre. Sie bildeten die Verbindung für die vorderen und hinteren Laufräder, wobei der Korb an dem charakteristisch abgerundeten Winkel aufgesetzt sei. Charakteristisch seien auch die Führung der Rohre, die von hinten nach vorne leicht zusammenliefen, und die Verbindung der Rahmenrohre durch eine vordere Querverbindung.
Das Landgericht hat weiter angenommen, die wettbewerbliche Eigenart des Modells der Klägerin sei durch dessen Bekanntheit gesteigert. Die Klägerin, die Weltmarktführer sei, vertreibe das Produkt seit mehr als dreißig Jahren. Auch diese Ausführungen des Landgerichts hat das Berufungsgericht gebilligt.
c) Die Annahme durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart aufgrund der Gestaltungsmerkmale des Originalprodukts durch das Berufungsgericht nimmt die Revision hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Die Revision wendet sich aber dagegen, dass das Berufungsgericht eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart aufgrund der Bekanntheit des Originalprodukts angenommen hat. Mit diesem Angriff dringt die Revision nicht durch.
Auch wenn das Vorliegen einer wettbewerblichen Eigenart eine Bekanntheit des Erzeugnisses nicht voraussetzt, kann doch der Grad der wettbewerblichen Eigenart eines Produkts durch seine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2000 - I ZR 90/98, GRUR 2001, 251, 253 = WRP 2001, 153 - Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 24 - Femur-Teil).
Von einer entsprechenden Steigerung der wettbewerblichen Eigenart durch Bekanntheit sind die Vorinstanzen aufgrund der jahrzehntelangen Marktpräsenz und der Stellung der Klägerin als Marktführerin in Deutschland zu Recht ausgegangen. Die Revision zeigt auch keinen Vortrag der Beklagten auf, der dieser Annahme entgegensteht. Vielmehr hat die Beklagte selbst eingeräumt, dass die Klägerin den Einkaufswagen seit mehr als dreißig Jahren erfolgreich vertreibt.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision weiter gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der von der Beklagten angebotene Einkaufswagen "GE S" sei eine fast identische Nachahmung des Einkaufswagens der Klägerin.
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die von der Beklagten aufgelisteten Unterschiede zwischen den fraglichen Einkaufswagen fielen bei der Gesamtbetrachtung nicht auf. Der Senat habe in der Berufungsverhandlung feststellen können, dass selbst bei einer unmittelbaren Gegenüberstellung die Unterschiede zwischen den Einkaufswagen nur dann wahrnehmbar seien, wenn der Betrachter auf sie ausdrücklich hingewiesen werde.
b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe mangels Zugehörigkeit zu den Fachkreisen die Auffälligkeit der Unterschiede zwischen den Einkaufswagen der Parteien nicht beurteilen können.
aa) Der Richter, der das Verständnis des Verkehrs ohne sachverständige Hilfe ermittelt, geht davon aus, dass er aufgrund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt. Dementsprechend ist die Frage, ob diese Annahme zutrifft, grundsätzlich nach denselben Regeln zu beurteilen, die auch ansonsten für die Beantwortung der Frage gelten, ob ein Gericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichten und stattdessen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden kann (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254 - Marktführerschaft). Die Beurteilung, ob die Feststellung der Verkehrsauffassung kraft eigener richterlicher Sachkunde möglich ist oder eine Beweisaufnahme erfordert, ist dabei vorrangig tatrichterlicher Natur. Sie ist daher in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter den Prozessstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft und seine Beurteilung zur Verkehrsauffassung frei von Widersprüchen zu den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 527 - Elternbriefe; Urteil vom 29. Juni 2006 - I ZR 110/03, GRUR 2006, 937 Rn. 27 = WRP 2006, 1133 - Ichthyol II). Diese Maßstäbe gelten auch, wenn der Richter die Verkehrsauffassung von Fachkreisen zu ermitteln hat. Häufig wird nicht ersichtlich sein, dass sich die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der Fachkreise auf die Beurteilung - etwa einer Werbung - auswirken; häufig werden auch die Gerichte, die ständig mit Wettbewerbssachen befasst sind, aufgrund ihrer besonderen Erfahrung die erforderliche Sachkunde erworben haben, um die Verkehrsauffassung der Fachkreise zu beurteilen (BGHZ 156, 250, 255 - Marktführerschaft). In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich erforderlich, dass der Tatrichter die Feststellungen zur Verkehrsauffassung in einer Weise darlegt, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung ermöglicht.
bb) Diese Anforderungen sind im Streitfall erfüllt.
(1) Das Berufungsurteil enthält eine Bezugnahme auf die von den Parteien vertriebenen Produkte. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, bei einer unmittelbaren Gegenüberstellung der Einkaufswagen seien die Unterschiede im Gesamteindruck nur wahrnehmbar, wenn der Betrachter auf sie ausdrücklich hingewiesen werde. Diese Ausführungen sind dahin zu verstehen, dass die Klägerin - wie schon in erster Instanz - jeweils ein Modell der Einkaufswagen, die die Parteien vertreiben, dem Berufungsgericht vorgeführt hat. Dieses hat die Originalmodelle allerdings nicht zu den Akten genommen und das Ergebnis des Augenscheins entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO auch nicht protokolliert. Dies stellt an sich einen von Amts wegen zu beachtenden Mangel im Tatbestand dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führt, weil das Revisionsgericht die von der Revision beanstandete Beurteilung des Berufungsgerichts in einem solchen Fall regelmäßig nicht nachprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1981 - I ZR 67/79, BGHZ 80, 64, 68; Urteil vom 11. Januar 2007 - I ZR 198/04, GRUR 2007, 795 Rn. 23 = WRP 2007, 1076 - Handtaschen; Urteil vom 15. Juli 2010 - I ZR 57/08, GRUR 2011, 148 Rn. 16 = WRP 2011, 230 - Goldhase II).
Im Streitfall wirkt sich der Mangel des Berufungsverfahrens jedoch nicht aus. Die Klägerin hat die Modelle der Einkaufswagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgeführt und zu den Akten gegeben; die Beklagte hat unstreitig gestellt, dass es sich dabei um Einkaufswagen aus den in Rede stehenden Modellserien der Parteien handelt. Dadurch kann der Senat die Beurteilung des Berufungsgerichts, es liege eine nahezu identische Nachahmung vor, in rechtlicher Hinsicht nachprüfen.
(2) Die Annahme des Berufungsgerichts, es liege eine fast identische Nachahmung vor, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat seiner Prüfung, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Unterschiede zwischen den Modellen der Einkaufswagen der Parteien wahrnehmen, die von der Beklagten vorgelegte Auflistung der unterschiedlichen Merkmale zugrunde gelegt. Das beanstandet die Revision auch nicht.
Das Berufungsgericht konnte weiter die Auffälligkeiten der Unterschiede zwischen den sich gegenüberstehenden Modellen ohne sachverständige Hilfe beurteilen, auch wenn seine Mitglieder nicht zu den angesprochenen Fachkreisen gehören. Sind die Unterschiede zwischen den fraglichen Einkaufswagen so gering, dass sie den Mitgliedern des ständig mit Fragen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes befassten Mitgliedern des Berufungsgerichts bei einer unmittelbaren Gegenüberstellung der Produkte nur auffielen, wenn sie auf die Abweichungen aufmerksam gemacht wurden, ist der Schluss gerechtfertigt, dass auch aus Sicht der Fachkreise eine nahezu identische Nachahmung vorliegt. Für dieses Ergebnis spricht ferner der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, dass die Beklagte ihr Modell des Einkaufswagens auch in optischer Hinsicht mit demjenigen der Klägerin kompatibel gestaltet, um in den Geschäften ein einheitliches Erscheinungsbild bei einem Nebeneinander der Produkte der Parteien zu erzielen.
4. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des Produkts der Klägerin bejaht hat.
a) Eine unlautere Rufausnutzung folgt nicht schon aus einer Täuschung der Fachkreise über die Herkunft des von der Beklagten vertriebenen Einkaufswagens. Zwar liegt eine unlautere Rufausnutzung vor, wenn die Eigenart und die Besonderheiten des Originalerzeugnisses zu Qualitätserwartungen führen, die diesem Produkt zugeschrieben werden und der Nachahmung deshalb zugutekommen, weil der Verkehr sie mit dem Original verwechselt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - I ZR 240/93, GRUR 1996, 210, 212 = WRP 1996, 279 - Vakuumpumpen; BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 41 - Femur-Teil). Die Gefahr einer Herkunftstäuschung hat das Berufungsgericht aber zu Recht im Rahmen der Prüfung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG verneint, weil die aus den Einkäufern großer Handelsketten bestehenden Fachkreise anhand der Herstellerangaben an den Einkaufswagen und in der Werbung nicht annehmen, die Einkaufswagen der Beklagten stammten aus dem Unternehmen der Klägerin oder es bestünden Lizenzverbindungen zwischen den Parteien.
b) Eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG unlautere Rufausnutzung kann allerdings auch ohne Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. b Fall 1 UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist jeweils im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen. Allerdings reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2004 - I ZR 30/02, BGHZ 161, 204, 214 f. - Klemmbausteine III). Dasselbe gilt, wenn der Nachahmende nach Ablauf eines Patentschutzes des Originalherstellers beim Eindringen in dessen Markt die angesprochenen Verkehrskreise durch eine gegenüber dem Original unterscheidbare Kennzeichnung unmissverständlich darüber informiert, dass es sich um ein anderes Erzeugnis als das Originalprodukt handelt (vgl. BGHZ 161, 204, 215 - Klemmbausteine III; BGH, GRUR 2010, 1125 Rn. 42 Femur-Teil).
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, im Streitfall seien im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zugunsten der Klägerin die Bekanntheit und der Erfolg des Modells "EL" sowie der hohe Grad der Übernahme zu berücksichtigen. Die Klägerin habe auch ein schützenswertes Interesse, das in jahrzehntelanger Markttätigkeit gewonnene Ansehen ihres Produkts wirtschaftlich auszunutzen. Dies schließe einen Wettbewerb zwar nicht aus, soweit die Beklagte sich auf eine eigene Leistung stütze. Der Nachahmer dürfe dem Verkehr aber nicht die Gleichwertigkeit der Produkte vorspiegeln. Er müsse deutlich machen, dass sein Produkt nicht notwendigerweise gleichwertig sei. Die Nachahmung sei nur in dem Maße gerechtfertigt, in dem sie zur Erreichung eines effektiven Marktzutritts erforderlich sei. Damit sei die nahezu vollständige Übernahme aller frei wählbaren Gestaltungselemente nicht gerechtfertigt. Die Beklagte könne zwar nicht darauf verwiesen werden, optisch auffällig abweichende Modelle anzubieten. Sie müsse aber mit ihrem Produkt einen größeren Abstand zum Modell der Klägerin einhalten. Dass dies technisch möglich sei, zeigten die nach der Berufungsverhandlung vorgelegten Vorschläge der Beklagten zur Abänderung ihres Einkaufswagens.
bb) Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
(1) Das Berufungsgericht hat bei der notwendigen Gesamtabwägung rechtsfehlerhaft einem Interesse der Beklagten an einer optischen Kompatibilität mit dem Einkaufswagen der Klägerin kein ausreichendes Gewicht beigemessen. Der Senat hat - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden, dass ein zu berücksichtigendes Kompatibilitätsinteresse auch in Fällen bestehen kann, in denen auf Seiten der Abnehmer ein anerkennenswertes Interesse an der Übereinstimmung der Produkte in äußeren, nicht mehr unter Sonderschutz stehenden Gestaltungsmerkmalen mit dem Originalerzeugnis besteht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 136/11 Rn. 39 bis 41 - Regalsystem).
Allerdings liegt in der Regel kein sachlich gerechtfertigter Grund zu einer (fast) identischen Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale vor, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1968 - I ZR 130/66, GRUR 1969, 292, 293 - Buntstreifensatin II). Anders liegt der Fall jedoch dann, wenn die Abnehmer wegen eines Ersatz- oder Erweiterungsbedarfs ein Interesse an der Verfügbarkeit auch in der äußeren Gestaltung kompatibler Konkurrenzprodukte haben. Aus dem Interesse der Wettbewerber, diesen Ersatz- und Erweiterungsbedarf durch Elemente, die mit der Produktreihe des Originalherstellers kompatibel sind, zu befriedigen und von dem nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Formenschatz Gebrauch zu machen, folgt, dass die Wettbewerber nicht auf Produktgestaltungen verwiesen werden dürfen, die die Verkäuflichkeit ihrer Produkte im Hinblick auf den bestehenden Ersatz- und Erweiterungsbedarf beim Originalprodukt einschränken. In einem solchen Fall sind selbst Herkunftsverwechslungen, die auf der übereinstimmenden Formgestaltung beruhen, hinzunehmen, sofern der Nachahmende ihnen durch andere geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen so weit wie möglich entgegenwirkt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 136/11 Rn. 40 - Regalsystem). Im Streitfall ist dagegen die Gefahr von Herkunftsverwechslungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausgeschlossen.
(2) Dem Berufungsgericht kann auch nicht in seiner Annahme gefolgt werden, die Beklagte spiegle dem Verkehr eine Gleichwertigkeit ihres Modells "GE S" mit dem Produkt der Klägerin vor. Zu Recht rügt die Revision, die Beklagte habe eine entsprechende Gleichwertigkeitsbehauptung nicht aufgestellt. Das Berufungsgericht zeigt nicht auf, welchen Umständen die angesprochenen Fachkreise eine Gleichwertigkeitsbehauptung der Produkte durch die Klägerin in Anbetracht der unterschiedlichen Herstellerkennzeichen entnehmen sollen.
(3) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne mit ihrem Produkt auch ohne weiteres einen größeren Abstand zu dem Modell der Klägerin einhalten, ohne die Effektivität des Marktzutritts mit ihrem Produkt einzuschränken, hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht hat insoweit entscheidend auf die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsvorschläge zur Abänderung ihres Einkaufswagens abgestellt. Diese Vorschläge der Beklagten umfassen Merkmale, die sich auf den Einkaufskorb beziehen. Bei der Frage, ob die Beklagte ohne Einschränkung des Marktzutritts eine optisch abweichende Gestaltung wählen kann, kann aber nur auf diejenigen Merkmale abgestellt werden, die die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Klägerin begründen. Die Beklagte ist nicht gehalten, Abweichungen vom Produkt der Klägerin bei Merkmalen zu wählen, die dessen wettbewerbliche Eigenart nicht ausmachen, weil nur Übereinstimmungen in den die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmalen des nachgeahmten Produkts wettbewerbsrechtlich unzulässig sein können.
C. Da sich das angegriffene Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, ist es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst entscheiden, weil die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug zu prüfen haben, ob nicht schon bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung eine unlautere Rufausbeutung deshalb ausscheidet, weil keine Gefahr von Herkunftsverwechslungen besteht. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangen, wird das Berufungsgericht weiter zu beurteilen haben, ob einer unlautere Rufausbeutung im Streitfall nicht ein anerkennenswertes Interesse der Beklagten an einer optischen Kompatibilität entgegensteht, weil ihr der Marktzutritt ansonsten unzumutbar erschwert wird.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Koch