Entscheidungsdatum: 22.11.2016
Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 20.000 € und für das Revisionsverfahren auf 30.984,60 € festgesetzt. Dabei entfallen auf den Klageantrag zu II insgesamt 30.000 € und auf den Klageantrag zu III 984,60 €.
I. Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale Hamburg. Die Beklagte bietet kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen an.
Die Beklagte änderte im Jahr 2013 in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Verträge über kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen die Klausel zum Thema "Abschlusskosten". Sie wählte dazu das Klauselersetzungsverfahren gemäß § 164 VVG. Die Beklagte übersandte den betroffenen Versicherungsnehmern die Ersatzklauseln sowie in einem Schreiben begleitende Hinweise. Die Klägerin hat Teile der neuen Klauseln unter anderem als intransparent im Sinne von § 307 BGB und zwei im Begleitschreiben gemachte Angaben unter anderem als irreführend im Sinne von § 5 UWG beanstandet.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Bezug auf die Klauseln (Antrag zu I 1) und auf zwei Behauptungen im Begleitschreiben (Antrag zu I 2), auf Auskunft über die Empfänger der Klauseln im Klauselersetzungsverfahren (Antrag zu II 1 a i) und die Empfänger des Begleitschreibens (Antrag zu II 1 a ii), auf Berichtigung durch Versendung eines Berichtigungsschreibens (Antrag zu II 2) und den Nachweis seiner Versendung (Antrag zu II 3) sowie auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.973,90 € (Antrag zu III) in Anspruch genommen.
Die Klage hatte vor dem Landgericht teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage nur im Hinblick auf den Antrag zu I 1 für begründet gehalten und sie im Übrigen abgewiesen (OLG Stuttgart, ZIP 2016, 927). Es hat die Revision zugelassen, soweit es die Klageanträge zu II bezogen auf den zugesprochenen Unterlassungsanspruch gemäß dem Klageantrag zu I 1 zurückgewiesen hat.
Die Klägerin hat im Umfang der Zulassung Revision und im Übrigen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zugelassen, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrages zu III zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags zu I 2 zum Nachteil der Klägerin erkannt hat, hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
II. Der Streitwert für den vom Senat zurückgewiesenen Teil des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beträgt 20.000 €.
1. Der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, soweit das Berufungsgericht den Klageantrag zu I 2 (Unterlassung von zwei als irreführend beanstandeten Behauptungen im Begleitschreiben) abgewiesen hat.
2. Das Berufungsgericht hat insoweit für jede der zwei im Antrag zu I 2 als irreführend beanstandeten Behauptungen einen Streitwert von 10.000 € angenommen und sich damit der landgerichtlichen Beurteilung angeschlossen. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Wertfestsetzung ausgeführt, bei Unterlassungsansprüchen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wegen irreführender Äußerungen bestimme sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen. Dabei komme es der Klägerin als Verbraucherverband gerade auf die den Verbrauchern drohenden Nachteile an. Aufgrund der Vielzahl der von den irreführenden Äußerungen betroffenen Kunden der Beklagten erscheine die Annahme eines Streitwerts von 10.000 € für jede beanstandete Äußerung angemessen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Ohne Erfolg macht die Beschwerdeerwiderung geltend, eine Wertfestsetzung von 10.000 € für jede angegriffene Behauptung sei überhöht, weil es im Streitfall nur um eine Auseinandersetzung über die Wirksamkeit einer Klauselersetzung gehe, die einer bereits zuvor erfolgten höchstrichterlichen Klärung lediglich nachfolge. Diese Rüge berücksichtigt nicht, dass es im Antrag zu I 2 nicht um die Unterlassung der Verwendung von Klauseln, sondern um das Verbot von irreführenden Angaben geht.
III. Der Streitwert für das Revisionsverfahren beträgt 30.984,60 €, wobei auf die Klageanträge zu II insgesamt 30.000 € und auf den Klageantrag zu III 984,60 € entfallen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die Klageanträge zu II insgesamt. Soweit das Berufungsgericht die Revision im Hinblick auf die Klageanträge zu II nur eingeschränkt - allein bezogen auf den zugesprochenen Unterlassungsanspruch gemäß dem Klageantrag zu I 1 - zugelassen hat, ist die Beschränkung der Revision unwirksam, weil insoweit die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zum anderen aufgrund der Zulassung der Revision durch den Senat der auf die Erstattung von vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Antrag zu III.
2. Das Berufungsgericht hat den Streitwert für die Klageanträge zu II zutreffend auf 30.000 € festgesetzt.
a) Das Berufungsgericht hat den Streitwert für den Klageantrag zu II auf insgesamt 30.000 € festgesetzt. Es ist davon ausgegangen, dass auf den Antrag zu II 1 (Auskunft) ein Wert von 5.000 €, auf den Antrag zu II 2 (Berichtigung) ein Wert von 20.000 € und auf den Antrag zu II 3 (Nachweis der Berichtigung) ein Wert von 5.000 € entfällt. Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene landgerichtliche Urteil hat zur Begründung dieser Wertfestsetzung ausgeführt, die Klägerin habe dargelegt, dass ihr Interesse an einer Folgenbeseitigung sehr hoch sei, der Streitwert für den Beseitigungsanspruch allerdings in der Regel geringer sei als das auf Unterlassung gerichtete Interesse. Den Wert des insoweit in Bezug genommenen Unterlassungsantrags haben das Landgericht und das Berufungsgericht übereinstimmend mit 40.000 € angenommen. Sie sind dabei für jede als unwirksam beanstandete Klausel und jede als irreführend angegriffene Angabe im Begleitschreiben von einem Streitwert in Höhe von 10.000 € ausgegangen.
b) Auch diese Beurteilung ist rechtsfehlerfrei. Die Revisionserwiderung macht vergeblich geltend, ein Streitwert von 10.000 € pro angegriffener Klausel sei übersetzt. Bei Klagen von Verbraucherschutzverbänden sei nicht auf die wirtschaftliche Bedeutung des Klauselverbots, sondern allein auf das Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klausel abzustellen.
aa) Allerdings wird der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbots, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer und des Streitwerts in der Regel keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, wenn Gegenstand des Rechtsstreits - wie hier - die Verbandsklage eines Verbraucherschutzverbandes ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, ZIP 2014, 96 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, juris Rn. 5; Beschluss vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, juris Rn. 5; Beschluss vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, juris Rn. 6; Beschluss vom 29. Juli 2015 - IV ZR 45/15, VersR 2016, 140; Beschluss vom 15. September 2016 - I ZR 24/16, juris Rn. 10). Gleiches gilt, wenn die Verbandsklage - wie im Streitfall - im Hinblick auf eine Verbraucherschutzgesetzen widersprechende Praxis im Sinne des § 2 UKlaG erhoben worden ist (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, juris Rn. 6). Diese Grundsätze schließen es jedoch nicht aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel oder einer Praxis für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel oder die Zulässigkeit einer bestimmten Praxis für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (vgl. BGH, ZIP 2014, 96 Rn. 6 f.; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, juris Rn. 6; Beschluss vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, juris Rn. 6; Beschluss vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, juris Rn. 7).
bb) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze seiner Wertfestsetzung zugrunde gelegt. Es hat angenommen, den angegriffenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Verträge über kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen zum Thema "Abschlusskosten" komme eine deutlich über den Normalfall hinausreichende Bedeutung zu. Im vom Berufungsgericht ergänzend in Bezug genommenen landgerichtlichen Urteil ist zudem ausgeführt, es sei zum einen zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Kunden von den Klauseln betroffen sei. Zum anderen müsse berücksichtigt werden, dass der Klageantrag zu I 1 mindestens genauso schwer wiege wie der auf das Verbot von irreführenden Angaben im Begleitschreiben gerichtete und mit 20.000 € zu bewertende Klageantrag zu I 2.
cc) Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit die Beschwerdeerwiderung auch in diesem Zusammenhang geltend macht, eine Wertfestsetzung von 10.000 € pro angegriffener Klausel sei überhöht, weil es im Streitfall lediglich um eine Auseinandersetzung über die Wirksamkeit einer Klauselersetzung gehe, die einer bereits zuvor erfolgten höchstrichterlichen Klärung nur nachfolge, versucht sie lediglich, ihre eigene Sicht der Dinge an die Stelle der rechtsfehlerfrei vorgenommenen tatrichterlichen Würdigung zu setzen.
3. Für den Klageantrag zu III ist ein Streitwert von 984,60 € festzusetzen.
Allerdings betrifft der Antrag zu III die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten, die grundsätzlich als Nebenforderung gemäß § 4 Abs. 1 ZPO für den Streitwert und den Wert der Rechtsmittelbeschwer nicht berücksichtigungsfähig sind (BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - I ZR 9/13, juris Rn. 1 mwN). Dies gilt jedoch nur, soweit und solange ein Abhängigkeitsverhältnis der Abmahnkosten zur Hauptforderung besteht (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2013 - I ZR 107/12, juris Rn. 4 mwN). Bezieht sich ein Teil der eingeklagten Abmahnkosten dagegen auf einen nicht verfahrensgegenständlichen Anspruch, sind sie streitwerterhöhend zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2013 - I ZR 107/12, juris Rn. 5). Nach diesen Grundsätzen sind die Abmahnkosten berücksichtigungsfähig, die auf den vom Berufungsgericht rechtskräftig zugesprochenen Unterlassungsantrag zu I 1 entfallen. Diese betragen - ausgehend von dem vom Berufungsgericht zutreffend angenommenen Gegenstandswert von 20.000 € - 984,60 € (vgl. §§ 2, 13 RVG in Verbindung mit den zum Zeitpunkt der Abmahnung geltenden Nr. 2300 und Nr. 7002 VV-RVG).
IV. Das Berufungsgericht ist außerdem mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrem auf § 12 Abs. 4 UWG gestützten Antrag erfolglos bleibt, den Streitwert insgesamt auf 1 Mio. € festzusetzen und gleichzeitig anzuordnen, dass sich die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Prozesskosten lediglich nach einem Teilstreitwert in Höhe von 100.000 € bemisst.
Das Berufungsgericht hat angenommen, mit dem Antrag versuche die Klägerin, in die Streitwertfestsetzung sachfremde Erwägungen einzuführen. Die Klägerin versuche, über einen allein für die Beklagte geltenden hohen Streitwert und das daraus folgende Kostenrisiko Druck auf die Beklagte ausüben, um sie so zu einem bestimmten Verhalten zu bringen. Der Antrag ziele darauf ab, die Beklagte dazu zu bewegen, von jeglicher Umlegung von Abschluss- und Vermittlungskosten auf Versicherungsnehmer abzusehen. Zudem habe die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen einer Streitwertermäßigung nach § 12 Abs. 4 UWG nicht vorgetragen.
Im Hinblick auf diese Beurteilung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt, hat die Klägerin keine konkreten Rügen erhoben, sondern lediglich pauschal auf die Begründung des Antrags gemäß § 12 Abs. 4 UWG Bezug genommen.
Büscher Koch Löffler
Schwonke Feddersen