Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 10.03.2016


BGH 10.03.2016 - I ZR 180/15

Wettbewerbsverstoß in der Internetwerbung für ein Nahrungsergänzungsmittel: Gesundheitsbezogene Angaben i.S.d. Health-Claims-Verordnung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
10.03.2016
Aktenzeichen:
I ZR 180/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:100316BIZR180.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 10. Juli 2015, Az: 5 U 154/14, Urteilvorgehend LG Berlin, 10. November 2014, Az: 101 O 2/14, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 5 EGV 1924/2006
Art 6 EGV 1924/2006
Art 10 Abs 1 EGV 1924/2006
Art 10 Abs 3 EGV 1924/2006
Art 13 Abs 1 EGV 1924/2006
Art 13 Abs 3 EGV 1924/2006
Art 14 Abs 1 EGV 1924/2006

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Juli 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Streitwert: 38.460 €

Gründe

1

I. Die Beklagte hat die von ihr vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel "N.    V.    M.   " (im Weiteren: "M.   ") und "N.    V.    H.   " (im Weiteren: "H.    ") am 28. September 2013 auf dem TV-Verkaufssender QVC mit den streitgegenständlichen Werbeaussagen beworben. Der Kläger hält diese Aussagen für wettbewerbswidrig, weil sie gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel enthielten und nicht die Voraussetzungen für ihre Zulässigkeit nach den Art. 5 und 6 dieser Verordnung erfüllten. Das Landgericht hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben (LG Berlin, MD 2015, 121). Die Berufung der Beklagten hatte lediglich einen ganz geringen Erfolg (KG, MD 2015, 1015). Mit der auf ihre Beschwerde hin zuzulassenden Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage mit den Anträgen zu 1.1 bis 1.4, 1.7, 1.8 und 1.10 sowie zu 2.1 bis 2.4.

2

II. Die Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

3

1. Die Beschwerde macht zunächst im Hinblick auf die Aussagen zum Produkt "M.    " gemäß LGU 2 bis 4 unter 1.1 bis 1.4, 1.7, 1.8 und 1.10 Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und nicht als unspezifische Verweise im Sinne von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung angesehen habe, seinem Urteil den von der Senatsrechtsprechung abweichenden Obersatz zugrunde gelegt, dass alle Aussagen, die auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Funktionen Bezug nähmen, selbst dann Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten, wenn sie allgemein und unspezifisch formuliert seien. Hinsichtlich der Aussagen 1.1 und 1.4 sei schon fraglich, ob sie sich überhaupt mit dem gesundheitlichen Wohlbefinden befassten und nicht eher mit sozialen Kompetenzen. Jedenfalls fehle jegliche Bezugnahme auf eine durch das Mittel zu fördernde Körperfunktion. Soweit es in Ziffer 1.7 und 1.8 darum gehe, den Körper beim Lernen und beim Konzentrieren zu unterstützen, sei nicht ersichtlich, dass sich die Aussagen etwa auf das Gehirn oder auf andere Körperorgane bezögen. Die Obersatzabweichung sei auch entscheidungserheblich, weil die in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 angesprochenen Listen nach Art. 13 und 14 dieser Verordnung noch nicht abschließend erstellt seien.

4

Mit diesem Vorbringen hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die in den Aussagen 1.1 und 1.4 angesprochene Leistungsfähigkeit des Gehirns kann ausweislich der Regelung in Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang "DHA trägt zur Erhaltung einer normalen Gehirnfunktion bei" der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein. Dasselbe gilt für die in den Aussagen 1.7, 1.8 und 1.10 angesprochene Lern bzw. Konzentrationsfähigkeit. Die Aufnahme entsprechender gesundheitsbezogener Angaben in eine Liste zulässiger Angaben gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist jeweils - nur - mit der Begründung abgelehnt worden, ein kausaler Zusammenhang zwischen der Einnahme des entsprechenden Mittels und der angegebenen Wirkung sei nicht festzustellen gewesen (vgl. Erwägungsgründe 49 f. der Verordnung [EG] Nr. 983/2009; Erwägungsgründe 39 f. der Verordnung [EG] Nr. 1024/2009; Erwägungsgründe 9 f. der Verordnung [EU] Nr. 402/2015).

5

2. Bei der danach gebotenen Anwendung des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf alle vom Kläger beanstandeten gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung der Beklagten wären diese Angaben nur dann als zulässig anzusehen, wenn sie - erstens - den allgemeinen Anforderungen im Kapitel II (Art. 3 bis 6) und - zweitens - den speziellen Anforderungen im Kapitel IV (Art. 10 bis 19) dieser Verordnung entsprächen sowie - drittens - gemäß der Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen wären. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf beide Mittel der Beklagten die Erfüllung sowohl der ersten als auch der dritten dieser Voraussetzungen verneint. Es hat die Unzulässigkeit der vom Beklagten beanstandeten Werbung damit bei beiden Mitteln und in Bezug auf alle vom Kläger beanstandeten Aussagen jeweils aus zwei selbständig tragenden Gründen bejaht.

6

Die Beschwerde hätte daher auch jeweils beide Begründungen angreifen müssen. Sie hat allerdings gemeint, im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 komme es (nur) darauf an, ob die streitgegenständlichen Aussagen in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 dieser Verordnung aufgenommen seien oder den allgemeinen Bedingungen nach den Art. 5 und 5  gemeint war wohl: Art. 5 und 6  dieser Verordnung entsprächen. Im Weiteren hat die Beschwerde dann  insoweit konsequent  auch allein die Ausführungen im Berufungsurteil angegriffen, mit denen das Berufungsgericht zu den beiden Mitteln dargestellt hat, dass die vom Kläger beanstandeten Aussagen nicht in der nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erlassenen Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthalten sind. Die Beschwerde hat es danach versäumt darzulegen, dass die von ihr geltend gemachten Rechtsfehler und Zulassungsgründe auch entscheidungserheblich sind, weil das mit der Revision anzufechtende Urteil nicht bereits aus den vom Berufungsgericht gestützt auf Art. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 weiterhin angenommenen, selbständig tragenden Gründen Bestand hat.

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III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                        Schaffert                            Koch

                  Löffler                          Schwonke