Entscheidungsdatum: 28.10.2010
Änderung der Voreinstellung III
Anbieter von Telefondienstleistungen, die nicht über ein eigenes Netz verfügen und die sich daher hinsichtlich der von ihnen angebotenen Leistung bei Netzbetreibern eindecken müssen (sog. Reseller), handeln im Verhältnis zu Endkunden nicht als Beauftragte der Netzbetreiber, die ihnen die benötigten Netzdienstleistungen als Vorprodukt zur Verfügung stellen .
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Oktober 2008 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 11. Kammer für Handelssachen - vom 17. August 2007 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte betreibt ein Telekommunikationsnetz. Sie stellt Telekommunikationsunternehmen Netzdienstleistungen als Vorprodukt zur Verfügung, damit diese Unternehmen als sogenannte Reseller ihren Endkunden Telefondienstleistungen anbieten können. Dazu wird der von der Deutschen Telekom AG (im Weiteren: Telekom) eingerichtete Telefonanschluss des Endkunden im Wege der sogenannten Preselection auf die von der Beklagten genutzte Verbindungsnetzbetreiberkennzahl „01028“ voreingestellt und dadurch bedingt der Telefonverkehr des Endkunden über das Telekommunikationsnetz der Beklagten abgewickelt. Der Endkunde steht lediglich in vertraglichen Beziehungen zum Reseller, der seine Telekommunikationsdienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringt.
Die als Reseller tätige S. Telekommunikation OHG (im Weiteren: S.) hat bei einer Endkundin die Preselection des Telefonanschlusses über die Beklagte herbeigeführt, obwohl die Kundin ihren der S. am 12. Dezember 2005 insoweit erteilten Auftrag bereits zuvor widerrufen hatte. Nach Ansicht der Klägerin, der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, liegt darin insbesondere eine gezielte Mitbewerberbehinderung; die Beklagte müsse sich das wettbewerbswidrige Verhalten der S. zurechnen lassen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im Wettbewerb handelnd die Telefonanschlüsse von Verbrauchern auf die von der Beklagten genutzte Verbindungsnetzbetreiberkennzahl umzustellen/oder umstellen zu lassen und/oder eine solche Umstellung zu beauftragen und/oder beauftragen zu lassen, wenn die Inhaber des von der Umstellung betroffenen Telefonanschlusses einen solchen Auftrag nicht erteilt oder ihr Einverständnis zu einer solchen Umstellung - sei es ausdrücklich oder konkludent - nicht erklärt haben.
Des Weiteren hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 189 € nebst Zinsen verlangt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Frankfurt a.M., WRP 2007, 1513). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt a.M., WRP 2009, 348). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts folgt der Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 3, 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1, 2 und 3 Nr. 2 UWG. Die Weiterleitung der Auftragsdaten durch S. stelle trotz des von der Kundin bereits zuvor wirksam erklärten Widerrufs ihres Auftrags zur Voreinstellung ihres Anschlusses auf die von der Beklagten genutzte Verbindungsnetzbetreiberkennzahl eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (2004) dar, weil diese Weiterleitung dem Ziel dient, den Absatz sowohl des Resellers als auch der Beklagten zu fördern. Die S. treffe der Vorwurf, über die Beklagte angebliche Wechselkunden für sich zu beanspruchen, die das Vertragsverhältnis mit der Telekom überhaupt nicht beenden wollten. Hierin liege eine unlautere Mitbewerberbehinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG, weil die Telekom unter Vorspiegelung unwahrer Tatsachen dazu bewegt werden solle, Vertragsbeziehungen zu Kunden zu beenden, die tatsächlich weiterhin ihre Kunden bleiben wollten. Die Beklagte müsse sich dieses wettbewerbswidrige Verhalten des Resellers gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen, weil sie sich des Resellers bediene, um ihre Dienstleistungen gegenüber dem Endkunden zu erbringen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung weder mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung noch im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung eines durch das Verhalten der S. möglicherweise gemäß § 3 UWG 2004/§ 3 Abs. 1 UWG 2008, § 4 Nr. 10, § 8 Abs. 1 UWG begründeten Unterlassungsanspruchs berechtigt ist (unten unter II 1). Soweit die Klägerin weitere Wettbewerbsverstöße geltend gemacht hat, ist die Klage insbesondere deshalb unbegründet, weil die Beklagte für von der S. etwa begangene Wettbewerbsverstöße nicht gemäß § 8 Abs. 2 UWG haftet (unten unter II 2 und 3).
1. Der Klägerin ist, soweit sie eine gezielte Mitbewerberbehinderung geltend macht, nicht anspruchsberechtigt. Grundsätzlich muss es den einzelnen Mitbewerbern, die von einer möglichen Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG betroffen werden, überlassen bleiben, ob sie die Behinderung hinnehmen wollen oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - I ZR 48/06, GRUR 2009, 416 Rn. 22 = WRP 2009, 432 - Küchentiefstpreis-Garantie). Es spielt dabei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Rolle, ob die Interessen eines einzelnen oder mehrerer behinderter Unternehmen betroffen sind. Eine Anspruchsberechtigung der Klägerin käme in einem solchen Fall nur dann in Betracht, wenn das fragliche Verhalten (auch) weitere wettbewerbsrechtliche Tatbestände wie etwa den der unangemessenen unsachlichen Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit gemäß § 4 Nr. 1 UWG oder den der Irreführung gemäß §§ 5, 5a UWG erfüllt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 8 Rn. 3.6).
2. In der mündlichen Revisionsverhandlung hat die Klägerin im Wege der Gegenrüge darauf verwiesen, dass die Beklagte selbst die Telekom oder Kunden der S. im Sinne von § 5 UWG irregeführt habe. Diese Rüge hat indessen weder in den Feststellungen, die das Berufungsgericht - teilweise unter Bezugnahme auf die landgerichtlichen Feststellungen - getroffen hat, noch im Klagevorbringen eine Grundlage. Nach der von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Darstellung der Beklagten wurde gegenüber den Endkunden nicht die Beklagte, sondern wurden allein die Reseller tätig, denen die Beklagte ihre Netzdienstleistungen als Vorprodukt zur Verfügung gestellt hat. Auch der mit der Gegenrüge geltend gemachte Hinweis darauf, dass die Endkunden der Reseller (auch) von diesen oder von der Beklagten im Sinne von § 7 UWG unzumutbar belästigt worden seien, hat im Prozessstoff keine Grundlage.
3. Danach könnte allenfalls noch ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte in Betracht zu ziehen sein, der sich auf irreführende Angaben bezieht, die die S. oder andere Reseller gegenüber Kunden gemacht haben. Ein solcher Anspruch scheitert jedoch schon daran, dass S. oder andere Reseller insofern nicht als Beauftragte der Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG gehandelt hätten.
a) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung allerdings im rechtlichen Ansatz zutreffend von der zu § 13 Abs. 4 UWG aF und § 14 Abs. 7 MarkenG ergangenen, auch hier zugrunde zu legenden Rechtsprechung ausgegangen, wonach Beauftragter im Sinne dieser Bestimmungen auch ein selbständiges Unternehmen sein kann, das in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit dem Betriebsinhaber zugute kommt und dieser auf das Unternehmen einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2005 - I ZR 221/02, GRUR 2005, 864, 865 = WRP 2005, 1268 - Meissner Dekor II; Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 Rn. 21 = WRP 2009, 1520 - Partnerprogramm, jeweils mwN). Ob der Betriebsinhaber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, diesen Einfluss auszuüben, spielt dabei keine Rolle.
b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die S. sei danach als Beauftragte der Beklagten anzusehen, weil Reseller nach den mit der Beklagten geschlossenen Verträgen deren Vertriebsorganisation seien und deren Dienstleistungen ähnlich wie Vertragshändler nur so lange gegenüber den Endkunden anbieten dürften, wie die Beklagte dies ihnen erlaube.
aa) Die Erfolgshaftung des Betriebsinhabers für Wettbewerbshandlungen Dritter setzt voraus, dass dieser den Risikobereich in einem gewissen Umfang beherrscht und ihm ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf diejenige Tätigkeit eingeräumt ist, in deren Bereich das fragliche Verhalten fällt (BGH, Urteil vom 8. November 1963 - Ib ZR 25/62, GRUR 1964, 263, 267 - Unterkunde; Urteil vom 5. April 1995 - I ZR 133/93, GRUR 1995, 605, 607 = WRP 1995, 696 - Franchise-Nehmer). Erforderlich ist daher, dass sich - anders als bei den üblichen Lieferbeziehungen zwischen dem Großhandel und dem Einzelhandel - die Einflussmöglichkeiten des Betriebsinhabers auf alle das Vertriebssystem des Vertragspartners kennzeichnenden wesentlichen Vorgänge erstrecken und dass auch die von den Kunden zu treffenden Maßnahmen zwangsläufig vom Willen des Betriebsinhabers abhängen (BGH, GRUR 1964, 263, 267 - Unterkunde).
bb) Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Die wirtschaftliche Funktion eines Resellers als selbständiger Absatzmittler ist dadurch gekennzeichnet, dass er Endkunden Telekommunikationsdienstleistungen anbieten, die er in Ermangelung eines dafür erforderlichen Netzes nicht selbst erbringen kann. Vielmehr muss er sich selbst hinsichtlich dieser Leistung bei Netzbetreibern wie der Beklagten eindecken. Ist der Reseller berechtigt, das vom Diensteanbieter bezogene Produkt den Endkunden auf der nachgelagerten Wirtschaftsstufe entgeltlich anzubieten, wird er im eigenen Namen tätig und ist in der Gestaltung seines Vertriebskonzeptes sowie der Konditionen, zu denen er anbietet, grundsätzlich frei (vgl. Dienstbühl, CR 2009, 568, 571 mwN). Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vorbringen der Parteien ist für den Streitfall nichts anderes zu entnehmen. Damit ist davon auszugehen, dass sich das Vertragsverhältnis zwischen der S. als Reseller und der Beklagten als Netzbetreiberin auf den Leistungsaustausch von Telekommunikationsleistungen gegen Zahlung eines Entgelts beschränkt. Hieran ändert nichts, dass die Beklagte den Resellern - worauf das Landgericht zur Begründung einer Beauftragtenstellung des Resellers hingewiesen hat - in ihren Nutzungsbedingungen bestimmte Vorgaben für die der Datenübermittlung dienende Schnittstelle macht, mit denen sichergestellt werden soll, dass der Reseller nur dann Auftragsdaten übermittelt, wenn tatsächlich ein entsprechender Auftrag vorliegt. Denn hierbei handelt es sich um Modalitäten des Leistungsaustauschs, die dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Beteiligten im Interesse der Wirtschaftlichkeit für ein automatisiertes Verfahren entschieden haben, in dem das abwerbende Unternehmen dem früheren Netzbetreiber die Willenserklärung des wechselwilligen Kunden übermittelt. Diesem Umstand ist es auch geschuldet, dass die Beklagte sich gegenüber S. vorbehalten hat, das Vorliegen eines Auftrags stichprobenartig zu kontrollieren.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann den Feststellungen auch nicht entnommen werden, dass die Rolle der S. der eines Vertragshändlers vergleichbar wäre. Dabei kann offenbleiben, ob Vertragshändler - wie dies teilweise der Senatsentscheidung „Branchenverzeichnis“ (Urteil vom 25. September 1970 - I ZR 47/69, GRUR 1971, 119, 120 = WRP 1971, 67) entnommen wird - stets als Beauftragte des Herstellers im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG anzusehen sind. Entscheidend ist, dass der Vertragshändler derart in die Vertriebsorganisation des Herstellers eingegliedert ist, dass sein Erfolg dem Hersteller zugutekommt und dass dem Hersteller - unangeachtet der rechtlichen Selbständigkeit des Vertragshändlers - ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist oder doch ohne weiteres hätte eingeräumt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 Rn. 21 = WRP 2009, 1520 - Partnerprogramm, mwN). Für die danach erforderliche Beherrschung des Risikobereichs bedarf es besonderer Anhaltspunkte, wenn eine selbständige Absatzmittlertätigkeit in Rede steht, bei der - wie im Streitfall - der Reseller eine Leistung, mit der er sich bei einem Netzbetreiber wie der Beklagten eindeckt, eigenständig an Endkunden weitervertreibt. Solche Anhaltspunkte lassen sich dem festgestellten Sachverhalt sowie dem Parteivorbringen nicht entnehmen.
III. Nach allem erweist sich die Klage als unbegründet. Dementsprechend ist das Urteil des Berufungsgerichts auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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