Entscheidungsdatum: 07.04.2016
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Teilurteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 80.000 € festgesetzt.
I. Die Klägerin hat die Beklagte - soweit noch von Bedeutung - im Wege der Stufenklage auf deren erster Stufe auf Auskunftserteilung über sämtliche von der Beklagten zwischen dem 16. Mai 2008 und dem 31. Dezember 2009 erteilten Aufträge in Anspruch genommen. Das Berufungsgericht hat diesen Klageantrag mit rechtskräftig gewordenem Teilurteil vom 24. April 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Auskunftserteilung sei - soweit er ursprünglich bestanden habe - von der Beklagten jedenfalls in der Zwischenzeit erfüllt worden.
Die Klägerin hat sodann auf der zweiten Stufe ihrer Stufenklage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer in den Schriftsätzen vom 23. November 2011 und 24. Februar 2012 erteilten Auskunft über die ihr in der Zeit vom 15. Mai 2008 bis zum 31. Dezember 2009 erteilten Umzugs- und Transportaufträge an Eides Statt zu versichern. Sie hat geltend gemacht, es bestehe begründeter Anlass zu der Sorge, dass die Auskunft nicht mit der nötigen Sorgfalt erteilt worden sei.
Das Berufungsgericht hat die Verhandlung am 1. Juni 2015 geschlossen und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 16. Juli 2015 um 11.00 Uhr bestimmt. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2015 die Wiedereröffnung der Verhandlung beantragt. Der Schriftsatz ist am 16. Juli 2015 um 6.17 Uhr per Fax beim Berufungsgericht eingegangen.
Das Berufungsgericht hat den auf der zweiten Stufe der Stufenklage gestellten Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mit seinem am 16. Juli 2015 verkündeten Teilurteil abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Den Streitwert für die zweite Stufe der Stufenklage hat das Berufungsgericht auf 80.000 € festgesetzt.
Die berichterstattende Richterin des Berufungsgerichts hat in einem Aktenvermerk festgehalten, sie habe den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Juli 2015 erst nach der Verkündung des Teilurteils in ihrem Fach vorgefunden.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 10. August 2015 gegen das Teilurteil Anhörungsrüge erhoben. Sie hat geltend gemacht, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es die Verhandlung nicht aufgrund ihres Schriftsatzes vom 15. Juli 2015 wiedereröffnet habe, um ihren neuen Sachvortrag zum Verdacht der Falschauskunft bei seiner Entscheidung mitverwerten zu können.
Das Berufungsgericht hat die Anhörungsrüge durch Beschluss vom 17. August 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin sei jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil der neue Sachvortrag der Klägerin, auch wenn er den Senat noch rechtzeitig vor dem Verkündungstermin erreicht hätte, in der Sache keine andere Entscheidung gerechtfertigt hätte.
Die Klägerin möchte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision erreichen. Sie macht geltend, das Berufungsgericht habe mit der Abweisung des Antrags auf Abgabe einer Versicherung an Eides statt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Nach Zulassung der Revision will die Klägerin ihren abgewiesenen Klageantrag weiterverfolgen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es den zeitlich vor der Verkündung des Teilurteils am 16. Juli 2015 bei ihm eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 15. Juli 2015 nicht vor der Verkündung seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen und geprüft hat, ob Gründe für eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO vorliegen. Das Berufungsgericht konnte die von ihm versäumte Prüfung nicht im Verfahren der Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO nachholen und die Gehörsverletzung damit heilen. Die von der Klägerin gegen das Teilurteil erhobene Anhörungsrüge war im Hinblick auf die gegen dieses Urteil eröffnete Nichtzulassungsbeschwerde nach § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO unstatthaft und hätte daher ohne sachliche Prüfung verworfen werden müssen.
2. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht die Verhandlung wiedereröffnet und unter Berücksichtigung des neuen Sachvortrags der Klägerin letztlich eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn es den Antrag der Klägerin auf Wiedereröffnung der Verhandlung vor der Verkündung seines Teilurteils zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte.
a) Es kann offenbleiben, ob - wie die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht - aufgrund des Vortrags der Klägerin im Schriftsatz vom 15. Juli 2015 eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zwingend geboten war. Das Berufungsgericht hätte jedenfalls prüfen müssen, ob es im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in diesem Schriftsatz von der ihm durch § 156 Abs. 1 ZPO eröffneten Möglichkeit zur Wiedereröffnung der Verhandlung Gebrauch macht (Smid in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 156 Rn. 14a). Es hätte daher, da kein Fall des § 296 Abs. 1 ZPO vorlag, anhand des konkreten Falls nach pflichtgemäßem Ermessen abwägen müssen, welche Gründe für eine weitere Sachverhaltsaufklärung und welche Gründe für den sofortigen Abschluss des Rechtsstreits sprechen (MünchKomm.ZPO/Wagner, 4. Aufl., § 156 Rn. 11). Die danach vom Berufungsgericht nicht getroffene und in dem Beschluss vom 17. August 2015 nicht nachzuholende Ermessensentscheidung kann vom Senat nicht nachgeholt werden. Damit ist zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass das Berufungsgericht die Verhandlung bei pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens wiedereröffnet hätte.
b) Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO wäre allerdings nicht in Betracht gekommen, wenn das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 15. Juli 2015 nicht entscheidungserheblich gewesen wäre. Mit der Begründung, die das Berufungsgericht in seinem die Anhörungsrüge der Klägerin zurückweisenden Beschluss vom 17. August 2015 gegeben hat, kann die Entscheidungserheblichkeit ihres Vorbringens aber nicht verneint werden. Es ist daher für die rechtliche Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren zugunsten der Klägerin von der Entscheidungserheblichkeit ihres Vorbringens auszugehen.
aa) Das Berufungsgericht hat in dem Beschluss vom 17. August 2015 ausgeführt, der in dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 15. Juli 2015 enthaltene neue Sachvortrag hätte in der Sache keine andere Entscheidung gerechtfertigt, weil die dort in das Wissen des Zeugen Nu. gestellte pauschale Behauptung, allein im Zeitraum 2008/2009 seien mit der Firma N. 2.750.000 € Umsatz erzielt worden, im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten umfangreichen Unterlagen jeder Substanz entbehrt habe.
bb) Mit dieser Begründung kann dem Vorbringen der Klägerin nicht die Entscheidungserheblichkeit abgesprochen werden. Das Berufungsgericht hat an die Substantiierung des Vorbringens der Klägerin bei dem Beweisantritt gemäß § 373 ZPO im Schriftsatz vom 15. Juli 2015 zu hohe Anforderungen gestellt.
(1) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast bei einem Beweisantritt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des Tatsachenvortrags der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Wenn das Parteivorbringen diesen Anforderungen genügt, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Vielmehr muss der Tatrichter dann in die Beweisaufnahme eintreten, um dort gegebenenfalls weitere Einzelheiten zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. September 2015 - I ZR 212/13, TranspR 2015, 433 Rn. 39 mwN).
(2) Nach diesen Maßstäben konnte im Streitfall von einem unzulässigen Ausforschungsbeweisantritt oder Beweisermittlungsantrag (vgl. dazu Ahrens in Wieczorek/Schütze aaO § 373 Rn. 13 bis 15) keine Rede sein. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in das Wissen des Zeugen Nu. gestellte Behauptung habe im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten umfangreichen Unterlagen jeder Substanz entbehrt, stellte eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung dar; zumindest aber hätte das Berufungsgericht im Einzelnen darlegen müssen, dass sich der Beweisantritt der Klägerin im Hinblick auf diese Unterlagen als aus der Luft gegriffen und damit als rechtsmissbräuchlich darstellte (vgl. Ahrens aaO Rn. 14 mwN).
III. Danach ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO das Teilurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Koch Schaffert Löffler
Schwonke Feddersen