Entscheidungsdatum: 18.11.2010
Lotterien und Kasinospiele
1. Vor dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276) war es auch nicht wettbewerbswidrig, andere Wetten als Sportwetten (hier: Lotterien und Kasinospiele) ohne behördliche Erlaubnis anzubieten .
2. Während der Übergangszeit im Zeitraum nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 war das private Angebot von Sportwetten und anderen Wetten (hier: Lotterien und Kasinospielen) ohne behördliche Erlaubnis nicht wettbewerbswidrig .
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. September 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 2. Dezember 2005 insoweit abgeändert, als die Beklagte nach dem Unterlassungsantrag zu 1.1 (Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Kasinospielen oder Lotterien) verurteilt worden ist.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin organisiert und veranstaltet Lotterie- und Glücksspiele in Nordrhein-Westfalen, unter anderem TOTO und die Sportwette ODDSET. Die Klägerin und die anderen 15 Landeslotteriegesellschaften sind gemeinsam Inhaber der am 27. August 1997 aufgrund Verkehrsdurchsetzung für die Veranstaltung von Lotterien und Glücksspielen eingetragenen Wortmarke 396 38 297 TOTO.
Die Beklagte zu 1, deren organschaftliche Vertreter die Beklagten zu 2 und 3 sind, ist ein Wettunternehmen mit Sitz in London. Sie bietet auf der Internetseite "unibet.co.uk" - auch in deutscher Sprache - Sportwetten, Lotterien und Kasinospiele an. Dabei verwendet sie die Angabe "supertoto" in der aus dem Klageantrag ersichtlichen Form. Zur Eröffnung eines Wettkontos muss sich der Spieler registrieren. Unter den zur Auswahl stehenden Ländern befindet sich auch Deutschland. Die Beklagten verfügen über keine Erlaubnis deutscher Behörden für die Veranstaltung von Glücksspielen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagten begingen einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 284, 287 StGB, weil es sich bei ihrem Angebot um in Deutschland unerlaubte Glücksspiele handele, für die sie über keine behördliche Genehmigung verfügten. Auf die Genehmigung durch ausländische Behörden komme es nicht an. Die Verwendung der Angabe "supertoto" verletzte die Marke TOTO der Klägerin.
Mit ihrer im Dezember 2004 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,
I. 1. die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,
1.1 zu Zwecken des Wettbewerbs gegen Einsatz und mit Gewinnmöglichkeit Sportwetten, Kasinospiele oder Lotterien wie nachfolgend wiedergegeben in der Bundesrepublik Deutschland zu veranstalten oder zu bewerben oder zu vermitteln oder Anträge zur Beteiligung daran entgegenzunehmen [es folgen Abbildungen von sechs über die Internetseite "unibet.co.uk" aufrufbaren Bildschirmseiten, von denen nachfolgend die ersten zwei eingefügt sind]:
1.2 im Zusammenhang mit Fußballwetten die Bezeichnungen
supertoto
oder
in der Bundesrepublik Deutschland zu verwenden;
2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Umsätze, die mit oder aufgrund von Handlungen nach Ziffer 1.1 und 1.2 in Nordrhein-Westfalen erzielt wurden.
II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den in Ziffer 1.1 und 1.2 beschriebenen Handlungen in Nordrhein-Westfalen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.
Hilfsweise zu I 2 und II: Auskunft und Schadensersatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben die Auffassung vertreten, neben der in Großbritannien erteilten Konzession bedürfe es keiner Genehmigung einer deutschen Behörde. Das staatliche Glücksspielmonopol verstieße insoweit gegen die höherrangige unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit.
Das Landgericht hat die Beklagten mit der Maßgabe verurteilt, dass Auskunft und Schadensersatz erst ab Rechtshängigkeit beansprucht werden können. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage auch insoweit abgewiesen, als sie auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtet war. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.
A. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bejaht. Dazu hat es ausgeführt:
Die Unterlassungsansprüche seien aus §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 SportwettenG NW begründet. Da die im Internet angebotenen Glücksspiele ohne die nach § 1 SportwettenG NW erforderliche Erlaubnis veranstaltet würden, sei § 284 StGB anwendbar. Auf eine in Großbritannien erteilte Genehmigung könnten sich die Beklagten nicht berufen, weil diese im Inland keine Wirkung entfalte.
Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in dem staatlichen Wettmonopol in Bayern einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit gesehen. Diese Entscheidung sei auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen übertragbar. In der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 dürfe jedoch die Durchführung von Sportwetten durch private Unternehmen weiterhin untersagt werden, sofern ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits hergestellt werde.
Unionsrechtliche Gründe stünden einer Anwendung des objektiven Tatbestands des § 284 StGB nicht entgegen. Dabei könne offenbleiben, ob entsprechende Bedenken ohnehin nur in einem Verfahren auf behördliche Genehmigung geltend gemacht werden könnten. Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Art. 43 und 49 EG aF (jetzt Art. 49 und 56 AEUV) könnten jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dies sei der Fall, wenn die fraglichen Bestimmungen dem Ziel dienten, die sittlich und finanziell schädlichen Folgen der Wettleidenschaft einzudämmen, und nicht vorrangig darauf abzielten, dem Staat Einnahmen zu sichern.
Es könne nicht festgestellt werden, dass die in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelungen und ihre praktische Umsetzung während der Übergangszeit nicht den vom Gerichtshof der Europäischen Union und vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen genügten. Hierfür sei es nicht erforderlich, die Eindämmung der Spielsucht gesetzlich zu verankern. Es sei Sache der Beklagten, Gründe dafür vorzutragen, dass § 284 StGB nicht zur Anwendung komme. Dies hätten die Beklagten nicht getan. Es bestehe keine Vermutung dafür, dass die verfassungs- und unionsrechtswidrigen Zustände nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fortbestanden hätten. Nordrhein-Westfalen habe vielmehr in erheblichem Umfang Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht ergriffen, wie sich unter anderem aus Feststellungen in einem Beschluss des OVG Münster ergebe.
Nicht maßgeblich sei, ob nicht nur im Bereich der Sportwetten, sondern im gesamten Glücksspielbereich die Spielsucht hinreichend bekämpft werde. Dieses Erfordernis könne nicht daraus abgeleitet werden, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die staatlichen Maßnahmen "kohärent und systematisch" zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen müssten.
Auch der gegen die Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen gerichtete Unterlassungsanspruch sei gegeben. Dies gelte - ungeachtet einer möglichen Markenverletzung - schon deshalb, weil die Beklagten in Deutschland Sportwetten - gleich unter welcher Bezeichnung - nicht anbieten dürften.
Die geltend gemachten Schadensersatz- und Auskunftsansprüche stünden der Klägerin hingegen weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht zu, da ein ersatzfähiger Schaden nicht ersichtlich sei.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Klage ist auch hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 1.1 (Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Lotterien oder Kasinospielen) abzuweisen. Bezüglich des Antrags zu 1.2 (Verwendung der Bezeichnungen supertoto) ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung der Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Lotterien oder Kasinospielen nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4, § 287 StGB zu.
1. Die Frage, ob die Klägerin die begehrte Unterlassung beanspruchen kann, ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beurteilen (BGHZ 141, 329, 336 - Tele-Info-CD; 175, 238 Rn. 14 - ODDSET, mwN), also nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der 2008 geänderten Fassung i.V.m. §§ 284, 287 StGB und den Vorschriften für das Angebot und die Durchführung von Sportwetten in der gegenwärtig geltenden Fassung. Soweit der Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk; Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Rn. 17 = WRP 2008, 220 - Telefonaktion). Nichts anderes gilt für den Fall der Erstbegehungsgefahr, wenn sie auf einem Verhalten unter der Geltung früheren Rechts beruht (vgl. BGHZ 173, 188 Rn. 18 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Im Streitfall ist insofern auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der bis 2008 geltenden Fassung sowie auf die für Sportwetten geltende Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme der Verletzungshandlungen abzustellen.
Die für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucherschützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt - vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht - nationale Vorschriften unberührt, die sich auf Glücksspiele beziehen (Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/EG; vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.6c). Hinsichtlich der die Durchführung von Sportwetten regelnden Vorschriften ist eine etwaige Änderung der Rechtslage durch das Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276 = GRUR 2006, 688 = WRP 2006, 562) und das Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 zu beachten.
2. Im Streitfall kommt es auch auf die Rechtslage während der Übergangszeit an. Die Klägerin wendet sich gegen eine nach dem 28. März 2006 fortgesetzte Dauerhandlung der Beklagten, so dass es sich nicht um einen sogenannten Altfall handelt.
Die Klägerin hat als konkrete Verletzungshandlung das Angebot von Sportwetten und Glücksspielen unter der Internetadresse www.unibet.co.uk vorgetragen. Der entsprechende Internetauftritt ist Gegenstand des Klageantrags. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin nur den Internetauftritt zu einem bestimmten Zeitpunkt angreift.
Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts anderes für den Zeitraum der beanstandeten Dauerhandlung (Internetauftritt), der für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr maßgeblich ist. Der Tatbestand des Berufungsurteils nimmt auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug. Dort wird - wie im Klageantrag - kein konkretes Datum für Verletzungshandlungen genannt. Vielmehr ist davon die Rede, dass die Beklagte zu 1 ein entsprechendes Internetangebot "betreibt". Die Entscheidung des Landgerichts ist zwar vor dem 28. März 2006 ergangen, so dass sich die dort erwähnten Tathandlungen auf einen Zeitraum beziehen, für den grundsätzlich die alte Rechtslage maßgeblich ist. Beschrieben ist aber eine Dauerhandlung ohne Angabe eines Enddatums. Nimmt das Berufungsgericht darauf uneingeschränkt Bezug, so liegt darin die Feststellung, dass die Dauerhandlung jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, hier dem 1. Juni 2007, fortgesetzt wurde. Dieses Verständnis des Berufungsgerichts zeigt sich auch darin, dass es die Rechtslage während der Übergangszeit geprüft hat. Hierfür hätte kein Anlass bestanden, wenn nur Handlungen in Rede gestanden hätten, die vor dem 28. März 2006 begangen wurden. Denn solche Handlungen waren auch nach Ansicht des Berufungsgerichts mangels wirksamer Rechtsgrundlage nicht verboten und konnten deshalb keine Wiederholungsgefahr begründen.
Dauerhandlungen bilden einen einheitlichen Klagegrund, so dass auch die fortgesetzten Handlungsabschnitte zum Streitgegenstand gehören (vgl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 1009, 1013). Der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung am 1. Juni 2007 fiel in die Übergangszeit. Für die eine Wiederholungsgefahr begründende Dauerhandlung kommt es deshalb auch auf die Rechtslage während der Übergangszeit an.
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Unterlassungsanspruch gegen das Sportwetten- und Glücksspielangebot der Beklagten im Internet zu. Soweit die fraglichen Handlungen in der Zeit vor dem 28. März 2006 begangen wurden, verstießen die in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelungen über die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen gegen nationales Verfassungsrecht und gegen Unionsrecht (nachfolgend a). Aber auch die Handlungen, die in der Übergangszeit nach dem 28. März 2006 begangen wurden, waren keine unlauteren Wettbewerbshandlungen nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 284, 287 StGB (nachfolgend b).
a) Die Beklagte zu 1 hat durch die beanstandete Verletzungshandlung in der Zeit vor dem 28. März 2006 keinen Wettbewerbsverstoß i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 284, 287 StGB begangen.
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Sportwetten-Urteil vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) für die Rechtslage in Bayern entschieden, dass das dort errichtete staatliche Wettmonopol in seiner damaligen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung und die dadurch begründete Beschränkung der Vermittlung von Sportwetten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellten und deshalb mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sind. Zugleich lag darin eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49 und 56 AEUV. Diese verfassungsrechtliche Beurteilung trifft, wie das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an sein Urteil vom 28. März 2006 entschieden hat, auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen gleichermaßen zu (Kammerbeschluss vom 2. August 2006 - 1 BvR 2677/04, WM 2006, 1646 Rn. 16; Kammerbeschluss vom 29. August 2006 - 1 BvR 2772/04, WM 2006, 1930 Rn. 17). Danach ist die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Nordrhein-Westfalen vor dem 28. März 2006 als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar anzusehen, weil das nordrhein-westfälische Recht keine konsequente und aktive Ausrichtung des zulässigen Sportwettenangebots am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleistete (BVerfG, WM 2006, 1646 Rn. 17).
bb) Die Beklagte zu 1 hat daher mit ihrem Angebot von Sportwetten in der Zeit vor dem 28. März 2006 auch nicht unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 StGB gehandelt (vgl. für die Rechtslage in Bayern BGHZ 175, 238 Rn. 15 ff. - ODDSET; für Nordrhein-Westfalen BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 - I ZR 91/06 Rn. 14). Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung dieser sogenannten "Altfälle". Auf besondere Umstände, die das Angebot oder die Durchführung von Sportwetten und Glücksspielen seitens der Beklagten zu 1 aus anderen Gründen als unlauter erscheinen ließen, wie Irreführung oder unangemessene unsachliche Einflussnahme, hat sich die Klägerin nicht berufen.
cc) Auch soweit sich die Klägerin gegen die von den Beklagten vor dem 28. März 2006 angebotenen Lotterien oder Kasinospiele wendet, fehlt es an einer unlauteren Wettbewerbshandlung.
(1) Lotterien und Kasinospiele waren nicht Gegenstand des Sportwetten-Urteils oder späterer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Damit fehlt insoweit eine das entsprechende staatliche Monopol für verfassungswidrig erklärende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dennoch könnte eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Nr. 11 UWG der Annahme eines Wettbewerbsverstoßes auch bei diesen Glücksspielangeboten entgegenstehen. Dies bedarf indes vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Unanwendbarkeit von § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 284, 287 StGB für die von der Beklagten veranstalteten Lotterien und Kasinospiele folgt bereits aus dem Unionsrecht.
(2) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, verstieß das vor dem 28. März 2006 in Bayern und Nordrhein-Westfalen bestehende Verbot der privaten Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten auch gegen die Art. 49 und 56 AEUV (BGHZ 175, 238 Rn. 24 - ODDSET; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 - I ZR 77/06, GRUR-RR 2010, 359 Rn. 13 - Sportwetten im Internet). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und ggf. das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Doch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben. Sie müssen insbesondere zur Verwirklichung eines oder mehrerer der geltend gemachten Ziele geeignet und erforderlich sein. Dabei sind nur Regelungen geeignet, die in kohärenter und systematischer Weise der Zielverwirklichung dienen (vgl. EuGH, Slg. 2009, I-7633 = NJW 2009, 3221 Rn. 59 ff. - Liga Portuguesa de Futebol Profissional u.a.; Slg. 2007, I-1891 = WRP 2007, 525 Rn. 48 f. - Placanica u.a.). Daran fehlt es, wenn ein Staatsmonopol nicht das Ziel verfolgt, die Spielgelegenheiten zu begrenzen, und die Finanzierung sozialer Tätigkeiten aus den Spieleinnahmen nicht nur nützliche Nebenfolge, sondern eigentlicher Zweck des Monopols ist (EuGH, WRP 2010, 859 Rn. 28 - Ladbrokes Betting & Gaming u.a.; Slg. 2003, I-13076 Rn. 67 ff. = NJW 2004, 139 - Gambelli u.a.). Diese Anforderungen erfüllte die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Nordrhein-Westfalen vor dem 28. März 2006 nicht.
Die vom Gerichtshof der Europäischen Union für Glücksspiele entwickelten Beurteilungsgrundsätze gelten gleichermaßen für Sportwetten und Lotterien (vgl. EuGH, Slg. 1999, I-7289 Rn. 16-19 = WRP 1999, 1272 - Zenatti; Slg. 1994 I-1039 Rn. 46 ff. = NJW 1994, 311 - Schindler). Dieselben Maßstäbe finden nach einem Urteil des Gerichtshofs vom 8. September 2009 auch auf Kasinospiele Anwendung (vgl. EuGH, NJW 2009, 3221 Rn. 22, 49 f. - Liga Portuguesa de Futebol Profissional u.a.). In jenem Vorabentscheidungsfall hat der Gerichtshof das gesamte Online-Spieleangebot der Klägerin des Ausgangsverfahrens, das Sportwetten, Kasinospiele und Lotterien umfasste, unter dem einheitlichen Begriff "Glücksspiele über das Internet" zusammengefasst. Er hat in seinen nachfolgenden Erwägungen auch nicht zwischen diesen Spielangeboten differenziert.
Die Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Union für Glücksspiele entwickelten Beurteilungsgrundsätze auf den konkreten Fall ist den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. EuGH, WRP 2010, 859 Rn. 38 - Ladbrokes Betting & Gaming u.a.; WRP 2007, 525 Rn. 58 f. - Placanica u.a.; NJW 2004, 139, Rn. 66 - Gambelli u.a.). Dementsprechend gibt der Streitfall keinen Anlass zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
(3) Die unionsrechtliche Beurteilung für die von den Beklagten angebotenen Lotterien und Kasinospiele führt zu keinem anderen Ergebnis als für Sportwetten.
(a) Für Online-Lotterien sind Besonderheiten, die zu einer abweichenden Bewertung Anlass geben, weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten eine spezifische Gefahr der Begleitkriminalität einschließlich des Sportwettbetrugs besteht, während Lotterien größere Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf aufweisen (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 103, 106). Die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet die Spieler bei Festquoten-Sportwetten stärker als etwa bei Lotterien, bei denen der Veranstalter nur den Einsatz der Spieler abzüglich eines gewissen Anteils auskehrt (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 104). Während dem Spieler die Zufallsabhängigkeit einer Lotterieziehung bewusst ist, können ihn Sportwetten im Hinblick auf die vermeintliche Möglichkeit, das Ergebnis aufgrund eigener Fachkunde berechenbar zu machen, zu höheren Einsätzen verleiten, obwohl die vom Wettveranstalter festgelegte Quote vorhersehbare Chancen und Risiken bereits berücksichtigt. Die Spieler können das mit einer Sportwette verbundene spezifische Spannungserlebnis, das die Attraktivität dieses Glücksspiels maßgeblich prägt, bei einer Lotterieziehung nicht in vergleichbarer Weise erreichen. Andererseits sind Risiko und Gewinnchance bei Sportwetten aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter, so dass ein geringeres Risiko der Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen besteht als bei anderen Glücksspielen (BVerfGE 115, 276 Rn. 103). Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Gefahrenpotential von Lotterien geringer oder allenfalls ebenso groß wie das von Sportwetten ist. Damit weisen Lotterien keine Besonderheiten auf, die stärkere Beschränkungen ihres Angebots durch private Unternehmen rechtfertigen könnten als für Sportwetten.
(b) Allerdings erscheint es nicht fernliegend, dass Kasinospiele ein höheres Suchtpotential als Sportwetten und Lotterien aufweisen (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 100). Dann wäre der Gesetzgeber auch unionsrechtlich berechtigt, diese Spielegattung einem schärferen Regelungsregime zu unterstellen. Von dieser Möglichkeit hat Nordrhein-Westfalen aber weder vor dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch während der Übergangszeit Gebrauch gemacht. Für die von den Beklagten angebotenen Kasinospiele im Internet galten während des gesamten für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Zeitraums in Nordrhein-Westfalen dieselben Vorschriften wie für Sportwetten. Insbesondere bestand weder eine Erlaubnismöglichkeit für Private noch gab es eine Vorschrift des Landesrechts, die es ausgeschlossen hätte, der Klägerin eine Erlaubnis für Online-Kasinospiele zu erteilen, für deren Vermarktung dann auch keine besonderen Beschränkungen gegolten hätten. Für Kasinospiele fehlte es ebenso wie für Sportwetten an Regelungen, die eine konsequente und aktive Ausrichtung des zulässigen Sportwettenangebots an den Zielen der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisteten (vgl. BVerfG, WM 2006, 1646 Rn. 17). Unter diesen Umständen bestand auch für den Sektor Kasinospiele vor dem 28. März 2006 keine kohärente und systematische Regelung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Die §§ 284, 287 StGB und der bundeseinheitlich seit 1. Juli 2004 geltende Lotteriestaatsvertrag verhinderten auch im Bereich der Kasinospiele nicht eine ausschließlich der Einnahmeerzielung dienende, expansive staatliche Glücksspielwerbung (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 127 ff.). Entsprechende Regelungen des Landesrechts gab es in Nordrhein-Westfalen ebenfalls nicht (vgl. Gesetz über die Veranstaltung und Durchführung von Lotterien und Ausspielungen durch das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2005). Aufgrund dieses Regelungsdefizits konnte das private Angebot von Kasinospielen nicht als unlauter angesehen werden, auch wenn grundsätzlich ein generelles oder unter Umständen auch ein auf private Anbieter beschränktes Verbot von Kasinospielen zulässig gewesen wäre.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin selbst Kasinospiele angeboten hat. Die Unverhältnismäßigkeit der konkreten Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols erfasst auch den Ausschluss anderer als der vom Staat angebotenen Wetten. Denn auch dieser ist nur zulässig, wenn das Monopol unionsrechtlich gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 143 f.).
b) Auch soweit sich die Klägerin gegen den Internetauftritt der Beklagten während der Übergangszeit ab dem 28. März 2006 wendet, liegt kein Wettbewerbsverstoß der Beklagten vor.
aa) Für die Zeit nach der Entscheidung vom 28. März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG bestimmt, die damals geltenden Regelungen des bayerischen Staatslotteriegesetzes dürften übergangsweise, längstens aber bis zum 31. Dezember 2007, angewandt werden, sofern der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits herstelle. Das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von privat veranstalteten Wetten könnten weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden (BVerfGE 115, 276 Rn. 157 f.). Für die einschlägigen Regelungen des nordrhein-westfälischen Landesrechts galten während der Übergangszeit dieselben Grundsätze (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 2428/06, NJW 2007, 1521 Rn. 26).
bb) Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht im Streitfall verfahrensfehlerhaft zu der Feststellung gelangt ist, die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Sportwettenmonopols während der Übergangszeit seien in Nordrhein-Westfalen erfüllt. Jedenfalls kann das angegriffene Angebot von Glücksspielen durch die Beklagten im Internet während der Übergangszeit nicht als unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4 StGB angesehen werden.
Im Hinblick auf nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergangene Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union bestehen gewichtige Zweifel, ob die Erfüllung der Bedingungen der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts durch die Klägerin in Nordrhein-Westfalen für die unionsrechtliche Beurteilung von Beschränkungen im Glücksspielsektor erheblich ist. Der Gerichtshof hat entschieden, dass aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts ein nationales Sportwettenmonopol auch für eine Übergangszeit nicht weiter angewandt werden darf, wenn es nach den Feststellungen eines nationalen Gerichts mit Beschränkungen verbunden ist, die mit der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, weil sie nicht dazu beitragen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-409/06, RiW 2010, 720 Rn. 69 = GewArch 2010, 442 - Winner Wetten GmbH). Berechtigten Anlass, auf eine fehlende kohärente und systematische Begrenzung schließen zu können, hat das nationale Gericht bei einem staatlichen Monopol für Sportwetten und Lotterien, das bezweckt, der Spielsucht und Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen entgegenzuwirken, wenn
- andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern mit Erlaubnis betrieben werden dürfen und
- in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotential als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, RiW 2010, 719 Rn. 71 = GewArch 2010, 448 - Carmen Media Group).
Für eine unionsrechtliche Inkohärenz spricht auch, dass Werbemaßnahmen des Monopolinhabers für andere von ihm angebotene Arten von Glücksspielen nicht darauf begrenzt sind, Verbraucher zu seinem Angebot hinzulenken, sondern darauf abzielen, sie zwecks Einnahmenmaximierung zu aktiver Teilnahme am Spiel zu stimulieren (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-316/07 u.a., WRP 2010, 1338 Rn. 106 f. - Markus Stoß u.a.).
Das Berufungsgericht ist von einem abweichenden Verständnis der unionsrechtlichen Forderung nach einer "kohärenten und systematischen" Begrenzung der Wetttätigkeiten ausgegangen, indem es seine Prüfung auf das Regelungssystem für Sportwetten begrenzt und die Vorschriften für andere Glücksspiele sowie ihre tatsächliche Handhabung von vornherein außer Betracht gelassen hat. Infolgedessen hat es keine Feststellungen getroffen, die dem Senat eine Beurteilung auf der Grundlage der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ermöglichen.
Diese Feststellungen waren auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen keine Gesetzgebungskompetenz für alle Glücksspielarten hat. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats kann ihn nicht davon entbinden, seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Vielmehr haben Bund und Länder gemeinsam ihre Pflichten zu erfüllen (vgl. EuGH, RiW 2010, 719 Rn. 69 f. - Carmen Media Group).
cc) Gleichwohl bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Anbieten von Sportwetten, Lotterien und Kasinospielen im Internet durch die Beklagten während der Übergangszeit kann schon nach nationalem Recht nicht als unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4 StGB angesehen werden.
(1) Die Unlauterkeit eines Wettbewerbsverhaltens kann nur dann mit einem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift begründet werden, wenn die Vorschrift für den Handelnden verbindlich ist (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 11.24). Handelt es sich um eine Norm des Strafrechts, hängt ihre Verbindlichkeit unter anderem davon ab, ob sie dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG entspricht. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 78, 374 ff.; 381; 75, 329 ff., 340; 25, 269 ff., st. Rspr.).
(2) Für die Übergangszeit vom 28. März 2006 bis zum 31. Dezember 2007 genügen §§ 284, 287 StGB diesen Anforderungen nicht (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juli 2008 - 1 Ss 24/08; KG, Urteil vom 23. Juli 2009 - (2) 1 Ss 541/08, ZfWG 2010, 94; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. September 2008 - 1 Ws 152/07, juris). Zwar mögen die §§ 284, 287 StGB als solche das Bestimmtheitsgebot erfüllen. Während der Übergangszeit bestand aber aufgrund des Sportwetten-Urteils des Bundesverfassungsgerichts eine besondere Situation. Die bisherige Rechtslage blieb auch aus ordnungsrechtlicher Sicht nur mit der Maßgabe anwendbar, dass unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits hergestellt wurde.
Danach durfte der Staat während der Übergangszeit insbesondere das Angebot staatlicher Wettveranstaltung nicht erweitern und keine Werbung betreiben, die über eine sachliche Information zur Art und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordert; zudem war umgehend aktiv über die Gefahren des Wettens aufzuklären (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 157, 160). Die vom Bundesverfassungsgericht für einen ordnungsrechtlichen Eingriff formulierten Anforderungen stellten zugleich schon wegen der erheblich höheren Eingriffsintensität für den Betroffenen jedenfalls die Mindestvoraussetzungen auch für eine Strafbarkeit nach § 284 StGB dar. Damit würde aber die Strafbarkeit nach § 284 StGB von der tatsächlichen Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch die zuständigen Verwaltungsbehörden abhängen. Das ist indes mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren. Danach darf der Gesetzgeber es nicht den Organen der vollziehenden Gewalt überlassen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu bestimmen (vgl. BVerfGE 47, 109 ff., 120). Nicht in Rede steht hier ein Fall auch im Strafrecht unvermeidlicher Verwendung von wertausfüllungsbedürftigen Begriffen oder Generalklauseln, bei denen keine überspannten Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden dürfen (vgl. Eser/Hecker in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 1 Rn. 16 ff.).
(3) Zudem ist bei der Auslegung des Begriffs der Unlauterkeit auf die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen Rücksicht zu nehmen. Die Auslegung muss insbesondere die Tragweite der Grundrechte berücksichtigen und darf im Ergebnis nicht zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten führen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. August 2001 - 1 BvR 1188/92, GRUR 2001, 1058 = WRP 2001, 1160, 1161). Die wettbewerbsrechtliche Unterlassungspflicht stellt zwar keinen vergleichbar schwerwiegenden Eingriff in die Grundfreiheiten dar wie eine Kriminalstrafe. Die Lauterkeit des Wettbewerbs verlangt, dass ein Gewerbetreibender nicht ohne weiteres auf Kosten seiner Mitbewerber das Risiko rechtswidrigen Handelns eingeht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2001 - I ZR 172/99, GRUR 2002, 269, 270 = WRP 2002, 323 - Sportwetten-Genehmigung). Er muss sich über die Entwicklung der rechtlichen Grundlagen seiner Tätigkeit auf dem Laufenden halten. Voraussetzung dafür ist aber, dass ihm dies mit zumutbarem Aufwand möglich ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 310/90 u. 1 BvR 238/92, GRUR 1993, 751 - Großmarkt-Werbung I; Kammerbeschluss vom 4. Juni 1998 - 1 BvR 2652/95, GRUR 1999, 247, 249 - Metro). Gerichtliche Unterlassungsgebote sind damit an dem Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit zu messen.
Steht fest, dass die Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit privater Wettanbieter bedeutete, kann von den betroffenen Unternehmern nicht verlangt werden, dass sie in der Folgezeit schon aus Gründen der Vorsicht ihr Angebot einstellen. Daran ändert auch nichts, dass zu erwarten gewesen sein mag, die Länder würden bestrebt sein, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts möglichst schnell Rechnung zu tragen. Denn auch eine solche Erwartung konnte nicht die Unsicherheit darüber beseitigen, ob und wann welches Bundesland tatsächlich ausreichende Maßnahmen umgesetzt hatte. Die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse konnten die Beklagten nicht mit zumutbarem Aufwand verfolgen. Die Beklagten bieten ihre Glücksspiele über das Internet bundesweit und darüber hinaus in vielen anderen Staaten an. Sie hätten in allen 16 Bundesländern beobachten müssen, ob und wann den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts jeweils Rechnung getragen wurde, um dann gegebenenfalls mit geeigneten Maßnahmen ihr Angebot räumlich einzugrenzen. Dies geht über die zumutbaren Sorgfaltsanforderungen hinaus, die an einen Unternehmer gestellt werden können.
(4) Unter diesen Umständen konnte der angegriffene Internetauftritt auch während der Übergangszeit nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 StGB verstoßen. Vergeblich wendet die Klägerin dagegen ein, nach dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2006 (NJW 2007, 1521) stehe mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) die Fortgeltung des § 284 StGB und des Lotteriestaatsvertrags für Nordrhein-Westfalen fest. Bei der Entscheidung vom 7. Dezember 2006 handelt es sich um einen Sportwetten betreffenden Nichtannahmebeschluss, der keine Sachentscheidung ist. Er entfaltet keine materielle Rechtskraft und stellt keine Entscheidung i.S.v. § 31 Abs. 1 BVerfGG dar. Erst recht kommt diesem Beschluss keine Gesetzeskraft nach Absatz 2 dieser Vorschrift zu, die nur bestimmten der von Absatz 1 erfassten Entscheidungen innewohnt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand 2009, § 31 Rn. 49, 84). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 7. Dezember 2006 die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster unbeanstandet gelassen, das Land Nordrhein-Westfalen habe bereits entsprechend den Vorgaben des Sportwetten-Urteils ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits hergestellt. Das konnte für sich allein aber weder zur Einhaltung des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) durch § 284 StGB noch zur künftigen Zumutbarkeit verbotsgemäßen Verhaltens für die Beklagte zu 1 führen.
dd) Die verfassungsrechtliche Beurteilung hängt nicht davon ab, ob sich die Beklagte zu 1 als Gesellschaft englischen Rechts auf das Grundrecht aus Art. 12 GG berufen kann. Denn die aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgende Verfassungswidrigkeit des Sportwettenmonopols ist der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung generell zu Grunde zu legen, unabhängig davon, ob sich der Unterlassungsanspruch gegen eine deutsche oder eine ausländische Gesellschaft richtet (BGHZ 175, 238 Rn. 23 - ODDSET).
c) Da es schon an einem die Wiederholungsgefahr begründenden Wettbewerbsverstoß fehlt, bedarf keiner Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten nach heutiger Rechtslage verboten wäre. Mit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 ist das staatliche Sportwettenmonopol auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden. Handlungen der Beklagten nach diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin naturgemäß vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz am 1. Juni 2007 nicht vortragen. Aus der die Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr nach einer Gesetzesänderung betreffenden Entscheidung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2009 (III ZR 73/09, MMR 2010, 173 Rn. 11 f.), die sich der Rechtsprechung des erkennenden Senats ausdrücklich anschließt, kann die Klägerin in diesem Zusammenhang nichts für sich ableiten.
II. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten aus dem Unterlassungsantrag zu 1.2 (Verwendung der Bezeichnungen supertoto) allein mit Rechtsbruch begründet. Die Klägerin stützt diesen Antrag jedoch ausschließlich auf markenrechtliche Ansprüche. Das Berufungsgericht hätte ihm schon deshalb - bereits unabhängig vom tatsächlichen Fehlen eines Rechtsbruchs - nicht aus Wettbewerbsrecht stattgeben dürfen.
Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten Markenverletzung getroffen hat, ist der Senat hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 1.2 an einer eigenen Sachentscheidung gehindert. Insoweit wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
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