Entscheidungsdatum: 20.02.2013
auch zugelassen am OLG Frankfurt
Solange der Umstand, dass es für die Postulationsfähigkeit vor den Oberlandesgerichten keiner gesonderten Zulassung bedarf, für die angesprochenen Verkehrskreise keine Selbstverständlichkeit darstellt, verstößt ein Rechtsanwalt, dem vor dem 1. Juni 2007 eine solche Zulassung erteilt worden ist und der hierauf in einem Zusatz zur Namensleiste seines Briefkopfs hinweist, nicht gegen das Irreführungsverbot nach § 5 Abs. 1 UWG.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Juni 2012 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 8. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen
Die Klägerin ist eine aus zwei Rechtsanwältinnen bestehende Partnerschaftsgesellschaft mit Kanzleisitz in Köln. Der Beklagte ist ebenfalls Rechtsanwalt und betreibt seine Kanzlei in Wettenberg im Landgerichtsbezirk Gießen. Er ist vor dem 1. Juni 2007 - zu einer Zeit, als nur Rechtsanwälte, die an einem Oberlandesgericht zugelassen waren, vor den Oberlandesgerichten auftreten durften - beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main zugelassen worden.
Der Briefkopf des Beklagten enthält oben rechts unterhalb des Namens des Beklagten den deutlich kleiner geschriebenen Zusatz „Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG Frankfurt“. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, hat die Klägerin den Hinweis auf die „OLG-Zulassung im Briefkopf“ als irreführend beanstandet und den Beklagten deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Köln, Urteil vom 8. Dezember 2011 - 31 O 377/11, juris). Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG Köln, WRP 2012, 1454) den Beklagten verurteilt,
es zu unterlassen, auf seinem zu anwaltlichen Zwecken genutzten Briefpapier die Bezeichnung „Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG“ zu verwenden.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
I. Das Berufungsgericht hat den noch rechtshängigen Unterlassungsantrag aus §§ 3, 5, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin sei als Mitbewerberin des Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt. Die Verwendung des beanstandeten Zusatzes stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, mit der der Beklagte Werbung für seine Kanzlei betreibe.
Die Werbung sei irreführend, weil der Beklagte es als etwas Besonderes herausstelle, dass er auch beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main auftreten dürfe. Dies sei seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358) am 1. Juni 2007 jedoch eine Selbstverständlichkeit, weil seit diesem Tag jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt zugleich bei allen Oberlandesgerichten postulationsfähig und damit zugelassen sei. Der beanstandeten Aussage komme auch wettbewerbsrechtliche Relevanz zu. Damit sei ohne weiteres davon auszugehen, dass die Spürbarkeitsschwelle gemäß § 3 Abs. 1 UWG ebenfalls überschritten sei.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte die Berufung der Klägerin mangels einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügenden Rechtsmittelbegründung als unzulässig verwerfen müssen, greift allerdings nicht durch.
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZPO muss die Berufungsbegründung neben den Berufungsanträgen (Nr. 1) die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergibt (Nr. 2). Den in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genannten Anforderungen wird genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht verlangt. Für die Zulässigkeit der Berufung kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschluss vom 31. August 2010 - VIII ZB 13/10, WuM 2011, 48 Rn. 7; Beschluss vom 6. Dezember 2011 - II ZB 21/10, NJWRR 2012, 440 Rn. 7, jeweils mwN). Enthält die Berufungsbegründung zumindest zu einem Streitpunkt eine der Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung, ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn die bezeichneten Umstände geeignet sind, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - XI ZB 26/08, juris Rn. 14; BGH, NJWRR 2012, 440 Rn. 7).
b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin entgegen der Ansicht der Revision gerecht.
Nach Wiedergabe des Berufungsantrags werden in dem Schriftsatz vom 12. Januar 2012 materielle Rügen erhoben, die die Klägerin auch fallbezogen begründet hat. Sie hat dargelegt, dass sie schon die Verneinung einer Irreführung durch das Landgericht für unzutreffend hält, weil der Beklagte nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft am 1. Juni 2007 nicht mehr berechtigt sei, den in Rede stehenden Zusatz auf seinem Kanzleibriefpapier zu verwenden. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass es seit dem 1. Juni 2007 jedem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt erlaubt sei, (auch) vor den Oberlandesgerichten aufzutreten mit der Folge, dass die vor Inkrafttreten des bezeichneten Gesetzes erforderliche Zulassung nicht mehr verwendet werden dürfe und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig sei. Diese Darlegungen genügen den von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO aufgestellten Anforderungen.
Die Klägerin hat sich auch mit einer für § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ausreichenden Begründung gegen die vom Landgericht verneinte Überschreitung der Spürbarkeitsschwelle gemäß § 3 Abs. 1 UWG gewandt. Sie hat insoweit vor allem geltend gemacht, dass die Verwendung des beanstandeten Zusatzes auf dem Briefpapier eines Rechtsanwalts zu einer spürbaren Beeinträchtigung (der Mitbewerber) führe, weil davon auszugehen sei, dass viele Personen mit dem Briefpapier in Kontakt kämen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Rechtsuchende als Empfänger von Schreiben des Beklagten von der beanstandeten - unzulässigen - Zusatzbezeichnung Kenntnis erlangten. Damit hat die Klägerin Umstände dargelegt, die mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass sie die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils aus der Sicht der Klägerin in Frage stellen sollen und welche Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit die Berufungsführerin bei der angefochtenen Entscheidung beanstandet (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 41/08, NJW 2009, 442 Rn. 12; Beschluss vom 1. März 2011 - XI ZB 26/08, juris Rn. 14).
2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt ist, weil sie Mitbewerberin des Beklagten ist. Die Parteien sind auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig und stehen damit in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 Rn. 18 = WRP 2007, 1346 - Bundesdruckerei, mwN). Gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts wird von der Revision auch nichts erinnert.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG begründet, weil der Beklagte - wettbewerbsrechtlich unzulässig - mit Selbstverständlichkeiten werbe.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung des in Rede stehenden Zusatzes im Briefkopf sei irreführend und daher gemäß § 5 Abs. 1 UWG zu verbieten, hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es hat zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte mit einer Selbstverständlichkeit wirbt und dadurch beim angesprochenen Verkehr den unzutreffenden Eindruck hervorruft, es sei etwas Besonderes, nicht nur bei anderen Land und (Amts)Gerichten, sondern auch beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main auftreten zu dürfen.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den potentiellen Mandanten, die der Beklagte mit den Angaben auf seinem Briefkopf anspricht, durchweg bekannt ist, dass heute jeder Rechtsanwalt an allen Oberlandesgerichten, mithin auch am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, „zugelassen“ und damit postulationsfähig ist. Die Beschränkungen der Postulationsfähigkeit an den Oberlandesgerichten haben sich erst seit dem Jahre 2002 gelockert; erst im Jahre 2007 sind sie vollständig gefallen. Bis 2002 galt in Hessen die Singularzulassung mit der Folge, dass ein am Oberlandesgericht Frankfurt zugelassener Rechtsanwalt an keinem anderen Gericht zugelassen sein konnte und auch ein etwa am Landgericht Gießen zugelassener Rechtsanwalt nicht berechtigt war, vor dem Oberlandesgericht aufzutreten (§§ 25, 226 Abs. 2 BRAO aF). Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung des § 25 BRAO aF, in der die Singularzulassung geregelt war, für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfGE 103, 1), galt in Hessen bis 2007 die Simultanzulassung; nunmehr konnten Rechtsanwälte, die seit mindestens fünf Jahren beim Landgericht zugelassen waren, gleichzeitig beim Oberlandesgericht zugelassen werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 BRAO aF), wobei seit dem 1. August 2002 die Zulassung an einem Oberlandesgericht die Postulationsfähigkeit an allen anderen Oberlandesgerichten eröffnete. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft am 1. Juni 2007 ist auch die gesonderte Zulassung an einem Oberlandesgericht entfallen; seitdem kann jeder zugelassene Rechtsanwalt vor allen Oberlandesgerichten auftreten.
Diese wechselvolle Geschichte wird - davon ist auszugehen - den wenigsten bekannt sein, die einen Rechtsanwalt mandatieren wollen. Gerade für die Teile des Verkehrs, die nicht ständig Rechtsstreitigkeiten führen, ist es deshalb keineswegs selbstverständlich, dass ein mit der landgerichtlichen Vertretung betrauter Rechtsanwalt die Sache auch vor dem Oberlandesgericht vertreten kann. Dies gilt insbesondere in den Ländern, in denen bis 2002 die Singularzulassung galt und in denen zwischen den Instanzen daher stets ein Anwaltswechsel erforderlich war.
Der Beklagte hat sich mit dem Hinweis auf die Zulassung am OLG Frankfurt auch keine besondere Qualifikation angemaßt. Der Hinweis besagt vielmehr lediglich, dass der Beklagte berechtigt ist, Mandanten vor dem Oberlandesgericht Frankfurt zu vertreten. Diesem Hinweis kommt damit vor dem Hintergrund der verschiedenen Regelungen, die in der Vergangenheit gegolten haben, ein Informationswert zu, an dem sowohl ein potentieller Mandant als auch der Beklagte ein berechtigtes Interesse haben.
Der Hinweis ist schließlich auch nicht unrichtig, da dem Beklagte tatsächlich eine Zulassung beim Oberlandesgericht Frankfurt erteilt worden ist, auch wenn diese Zulassung inzwischen gegenstandslos geworden ist.
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Beklagten aufzuheben. Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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