Entscheidungsdatum: 30.03.2017
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 29. April 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Abmahnkosten in Höhe von weiteren 666,90 € zuzüglich Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel "D. I. ". Dieses Computerspiel wurde zwischen dem 3. November 2011 und dem 12. November 2011 zu verschiedenen Uhrzeiten fünfmal über den der Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss in einer Tauschbörse im Internet zum Herunterladen angeboten.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Dezember 2011 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und verlangte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie - zur pauschalen Abgeltung von Schadensersatz, Ermittlungskosten und Abmahnkosten - die Zahlung eines Betrages von 1.500 €.
Mit Mahnbescheid vom 30. Dezember 2014, der der Beklagten am 3. Januar 2015 zugestellt worden ist, hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 1.068,76 € zuzüglich Zinsen geltend gemacht.
Nach Abgabe der Sache an das Gericht des Streitverfahrens am 22. Juni 2015 hat die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie Abmahnkosten in Höhe von 859,80 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Oktober 2014 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie Ermittlungskosten in Höhe von 9,05 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Schadensersatz in Höhe von 500 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Januar 2012 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 146,43 € (100 € Schadensersatz, 9,05 € Ermittlungskosten und 37,38 € Abmahnkosten) nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von weiterem Schadensersatz in Höhe von 400 € sowie weiteren Abmahnkosten in Höhe von 155,52 € nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe des verbleibenden Differenzbetrages von 666,90 € weiter.
Die ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 192,90 € zu. Hierzu hat es ausgeführt:
Die Beklagte schulde der Klägerin Abmahnkostenersatz gemäß § 97a UrhG aF, weil sie das Computerspiel zum Herunterladen über den von ihr unterhaltenen Internetanschluss bereitgehalten und damit ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich zugänglich gemacht habe. Der Gegenstandswert der Abmahnung richte sich nach dem Wert des mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsanspruches. Dieser sei mit dem Doppelten der Lizenzgebühr und damit mit einem Betrag in Höhe von 2.000 € anzusetzen.
II. Über die Revision der Klägerin ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 12. Januar 2017 - I ZR 258/15, GRUR 2017, 409 Rn. 10 = WRP 2017, 418 - Motivkontaktlinsen, mwN).
III. Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
1. Gegen die Zulässigkeit der Berufung, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 12 mwN), bestehen mit Blick auf den 600 € übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstands (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) keine Bedenken.
2. Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß § 97a Abs. 1 UrhG aF von der Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten verlangen kann.
a) Auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist § 97a UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Die durch das Gesetz über unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 (BGBl I, S. 3714) mit Wirkung ab dem 9. Oktober 2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und 3 UrhG nF gelten erst für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes über unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. zu § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 145/10, ZUM 2012, 34 Rn. 8, mwN; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 11 - BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 56 = WRP 2016, 73 - Tauschbörse III).
b) Nach § 97a Abs. 1 UrhG aF soll der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Danach besteht ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, wenn die Abmahnung begründet gewesen ist, ihr also ein materieller Unterlassungsanspruch zugrunde gelegen hat. Darüber hinaus muss die Abmahnung wirksam und erforderlich sein, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Rn. 8 = WRP 2010, 525 - Kräutertee; Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 16 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis; Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 55 ff. = WRP 2016, 66 - Tauschbörse II; Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15, GRUR 2016, 1275 Rn. 20 = WRP 2016, 1525 - Tannöd). Diese Voraussetzungen sind gegeben.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin habe im Zeitpunkt der an die Beklagte gerichteten Abmahnung wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiels ein auf Unterlassung gerichteter Anspruch zugestanden (§ 97 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG).
(1) Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Streitfall davon auszugehen, dass das Computerprogramm "D. I. " nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 69a Abs. 3 UrhG urheberrechtlich geschützt ist. Für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz ist ferner davon auszugehen, dass eine Datei mit diesem Computerspiel ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte zu den von der Klägerin vorgetragenen Zeiten über einen der Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss im Wege des "File-Sharing" Teilnehmern einer Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden und hierdurch widerrechtlich in das der Klägerin zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG) eingegriffen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 77/11, ZUM-RD 2012, 587 Rn. 32 f.; Versäumnisurteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 43/15, ZUM-RD 2017, 25 Rn. 16).
(2) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte für die geltend gemachte Rechtsverletzung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG als Täterin haftet. Von dieser Beurteilung ist im Revisionsverfahren auszugehen.
bb) Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass Form und Inhalt der Abmahnung den an eine berechtigte Abmahnung zu stellenden Anforderungen entsprechen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gegenstandswert, aus dem die erstattungsfähigen Kosten der anwaltlichen Abmahnung zu berechnen sind, sei stets mit dem Doppelten des erstattungsfähigen Lizenzschadens anzusetzen, hält hingegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines Schutzrechtes ist nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Auch die Beurteilung der Angemessenheit des vom Anspruchsteller angesetzten Gegenstandswerts liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Seine Entscheidung ist daher durch das Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt und in den ihm gesetzten Grenzen ausgeübt worden ist und alle für seine Ausübung wesentlichen Umstände beachtet worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Rn. 22 = WRP 2009, 847 - Resellervertrag; Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 56 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative; Urteil vom 13. November 2013 - X ZR 171/12, GRUR 2014, 206 Rn. 13 = WRP 2014, 317 - Einkaufskühltasche; BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 30 - Tannöd; ZUM-RD 2017, 25 Rn. 20). Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil nicht stand.
b) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Gegenstandswert der Abmahnung dem Wert des mit der Abmahnung allein geltend gemachten Unterlassungsanspruchs entspricht.
c) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, der Wert des von der Klägerin mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsbegehrens sei mit dem Doppelten einer fiktiven Lizenzgebühr anzusetzen. Dem kann nicht zugestimmt werden.
aa) Der Wert eines Unterlassungsanspruches bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 12 = WRP 2013, 1364 - Beschwer des Unterlassungsschuldners; BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 - Einkaufskühltasche; BGH, Beschluss vom 11. November 2015 - I ZR 151/14, juris Rn. 7; BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 33 - Tannöd).
bb) Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsanspruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sogenannter Angriffsfaktor; vgl. BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 - Einkaufskühltasche; GRUR 2016, 1275 Rn. 34 - Tannöd). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2011 - I ZR 220/10, AfP 2011, 216 Rn. 5; BGH, GRUR 2013, 1067 Rn. 12 - Beschwer des Unterlassungsschuldners; BGH, Beschluss vom 11. November 2015 - I ZR 151/14, juris Rn. 7; BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 34 - Tannöd).
cc) Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu. Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren - etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen - Rechnung zu tragen sein (BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 - Einkaufskühltasche; GRUR 2016, 1275 Rn. 35 - Tannöd).
dd) Diesen Maßstäben wird eine Wertbemessung, die sich allein an der Höhe des Lizenzschadensersatzes orientiert, nicht gerecht.
(1) Eine schematische Bestimmung des Gegenstandswertes eines Unterlassungsanspruches auf der Grundlage eines Mehrfachen der für die bereits geschehene Nutzung anzusetzenden fiktiven Lizenzgebühr trägt weder der unterschiedlichen Funktion von Schadensersatz- und Unterlassungsanspruch Rechnung, noch ist sie mit dem bei jeder Wertbestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in Einklang zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2015 - I ZR 95/14, WRP 2015, 414 Rn. 2 f.; BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 38 - Tannöd).
Zwar ist das Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Unterbindung künftiger Verletzungen eines urheberrechtlich geschützten Rechts auch anhand des wirtschaftlichen Wertes des verletzten Schutzrechts zu bestimmen und dieser schlägt sich unter anderem in den Lizenzeinnahmen nieder, die ein Rechtsinhaber bei der Auswertung eines Werkes üblicherweise für vergleichbare Nutzungshandlungen erzielen kann (vgl. hierzu OLG Hamm, NJW-RR 2014, 229, 230; OLG Köln, ZUM 2013, 497, 498). Dass die Erteilung einer Lizenz im Falle der widerrechtlichen Zugänglichmachung durch Bereitstellung eines Werks in einer Internettauschbörse tatsächlich nicht in Betracht kommt, steht dabei der Heranziehung einer sogenannten fiktiven Lizenz nicht entgegen, weil es sich hierbei um einen normativen Maßstab handelt, der nicht voraussetzt, dass es bei korrektem Verhalten des Verletzers tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März 1990 - I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie; Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, BGHZ 119, 20, 26 - Tchibo/Rolex II; BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 49 ff. - Tauschbörse II; GRUR 2016, 1275 Rn. 39 - Tannöd).
Der Wert des verletzten Schutzrechtes und dessen drohende Beeinträchtigung durch künftige Verletzungen wird jedoch nicht allein durch die für eine konkrete Nutzungshandlung zu erzielenden fiktiven Lizenzeinnahmen, sondern auch durch die dem Rechtsinhaber insgesamt zu Gebote stehenden Auswertungsmöglichkeiten bestimmt, deren Verwirklichung durch künftige Rechtsverletzungen beeinträchtigt zu werden droht. Neben der - je nach Art des verletzten Rechts - in Betracht zu ziehenden Beeinträchtigung verschiedener Verwertungsarten können auch Faktoren wie die Aktualität und Popularität des Werkes, dessen künftige Nutzung durch den Unterlassungsschuldner unterbunden werden soll, von Bedeutung sein.
Die vom Verletzer auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG) für eine bereits erfolgte Nutzung als Schadensersatz zu entrichtende fiktive Lizenzgebühr dient dem Ausgleich der Einbußen, die der Rechtsinhaber durch den widerrechtlichen Eingriff in die ihm zustehenden Verwertungsrechte erlitten hat. Bei der Bewertung des Interesses des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Verletzungshandlungen muss hingegen nicht nur dem Interesse an der Verhinderung fortgesetzter unlizenzierter Nutzungen Rechnung getragen werden, sondern es ist auch das einer fortgesetzten Rechtsverletzung innewohnende Gefährdungspotential für das Schutzrecht und seine wirtschaftliche Auswertung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, GRUR 2016, 176 Rn. 80 = WRP 2016, 57 - Tauschbörse I; BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 73 - Tauschbörse II; GRUR 2016, 1275 Rn. 41 - Tannöd). Die Bereitstellung eines Werkes über eine Tauschbörse im Internet eröffnet einer unbegrenzten Vielzahl von Tauschbörsenteilnehmern die Möglichkeit, das Werk kostenlos herunterzuladen und anschließend anderen Nutzern zum Herunterladen zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werks insgesamt in Frage (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 80/11, BGHZ 195, 257 Rn. 23 - Alles kann besser werden). Demgegenüber tritt das Interesse des Rechtsinhabers an der Verhinderung einer fortgesetzten unlizenzierten Nutzung in den Hintergrund (vgl. BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 41 - Tannöd).
(2) Das Gefährdungspotential, welches dem Bereitstellen eines Werks in einer Internettauschbörse innewohnt, ist mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechtsverletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum (BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 42 - Tannöd).
(3) Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs lassen sich der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung entnehmen (BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 - Einkaufskühltasche). Als für die Bemessung des Gegenstandswerts heranzuziehende Kriterien kommen danach beispielsweise Dauer und Häufigkeit der dem Unterlassungsschuldner zuzurechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke in Betracht. Darüber hinaus können - soweit feststellbar - auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu nehmen sein (BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 43 - Tannöd).
ee) Im Streitfall fehlt es an vom Berufungsgericht festgestellten greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass den in die Bemessung des Gegenstandswerts einzubeziehenden Faktoren durch eine Verdoppelung der fiktiven Lizenzgebühr hinreichend Rechnung getragen wäre. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen zudem nicht erkennen, dass es bei der Ausübung seines Ermessens die weiteren, im vorliegenden Einzelfall relevanten Kriterien berücksichtigt hat.
4. Eine Bestimmung des Gegenstandswertes der Abmahnung, die den vorgenannten Bemessungskriterien Rechnung trägt, ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gemäß § 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung auf 100 € beschränkt wäre, mit der Folge, dass der Klägerin jedenfalls kein höherer Aufwendungsersatz zugesprochen werden könnte, als ihn das Berufungsgericht der Klägerin bereits zuerkannt hat. Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG aF dar (BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 55 - Tannöd).
IV. Hiernach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht die Klage wegen des Anspruches auf Erstattung der Kosten der Abmahnung nebst der auf diesen Anspruch bezogenen Zinsforderung abgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Ausübung des Ermessens bei der Prüfung der Angemessenheit vom Anspruchsteller angesetzter Abmahnkosten grundsätzlich dem Tatrichter obliegt und das Berufungsgericht keine abschließenden Feststellungen zu allen in die Würdigung einzubeziehenden Umständen des Einzelfalles getroffen hat, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
Bei der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswerts des Unterlassungsanspruchs ist einerseits dem Wert des verletzten Schutzrechts angemessen Rechnung zu tragen, wobei das Angebot zum Herunterladen eines Spielfilms, eines Computerprogramms oder eines vollständigen Musikalbums regelmäßig einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen wird, als er etwa für das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist (vgl. BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 73 - Tauschbörse II). Weiter ist die Aktualität und Popularität des Werks und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung zu berücksichtigen. Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 15.000 € angemessen. Liegen besondere Umstände vor (z.B. eine in erheblichen Verkaufszahlen zum Ausdruck kommende besondere Popularität), kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Büscher |
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Kirchhoff |
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Koch |
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Schwonke |
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Feddersen |
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