Entscheidungsdatum: 16.03.2017
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. Mai 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, der ihre Gesellschafter das Inkasso der von ihnen wahrgenommenen Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten auf Zahlung einer Vergütung für Vervielfältigungen nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG übertragen haben. Die Beklagte hat im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 insgesamt 3.448.172 Speicherkarten hergestellt und importiert und in Deutschland veräußert oder in Verkehr gebracht.
Die Klägerin sowie die Verwertungsgesellschaften VG Wort und VG Bild-Kunst haben in den Jahren 2008 und 2009 mit dem Gesamtverband Informationskreis AufnahmeMedien (IM), dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) und dem Bundesverband Werbeartikel Lieferanten (BWL) Verhandlungen über den Abschluss eines Gesamtvertrages für USB-Sticks und Speicherkarten geführt. An diesen Gesprächen war auf Seiten des IM die Beklagte als dessen verhandlungsführende Gesellschafterin unmittelbar beteiligt. Da sich die Verhandlungspartner nicht über den Beginn einer gesamtvertraglich zu regelnden Vergütungspflicht einigen konnten, ist in der Folge kein Gesamtvertrag für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 zustande gekommen. Allerdings haben die Klägerin, die VG Wort und die VG Bild-Kunst zum einen mit dem IM und zum anderen mit dem BITKOM, dem BWL sowie dem Verband zur Rücknahme und Verwertung von Elektro- und Elektronikaltgeräten (Vere) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 Gesamtverträge geschlossen. Darin ist jeweils ein Vergütungssatz (vor Abzug eines Gesamtvertragsnachlasses) von 0,10 € zuzüglich 7% Umsatzsteuer für jeden USB-Stick und jede Speicherkarte vereinbart worden, die während der Geltung des Vertrages veräußert oder in Verkehr gebracht werden. Die Beklagte ist dem mit dem IM geschlossenen Gesamtvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2010 beigetreten.
Auf Grundlage dieser Gesamtverträge haben die Klägerin, die VG Wort und die VG Bild-Kunst am 20. April 2010 einen gemeinsamen Tarif über Vergütungen für USB-Sticks und Speicherkarten für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 aufgestellt, der am 27. April 2010 veröffentlicht worden ist. Der tarifliche Vergütungssatz beträgt für jeden USB-Stick und jede Speicherkarte, die in Deutschland veräußert oder in Verkehr gebracht werden, 0,10 € zuzüglich 7% Umsatzsteuer.
Die Klägerin hat die Beklagte - nach Durchführung des in § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 16 Abs. 1 UrhWG vorgesehenen Verfahrens vor der Schiedsstelle (Einigungsvorschlag vom 9. Januar 2013 - Sch-Urh 49/11) - auf Zahlung von 368.954,41 € (3.448.172 Speicherkarten x 0,10 € pro Speicherkarte, zuzüglich 7% Umsatzsteuer) nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Das Oberlandesgericht (OLG München, GRUR-RR 2016, 1 = ZUM 2016, 453) hat der Klage stattgegeben.
Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
A. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Klägerin könne von der Beklagten auf der Grundlage des Gemeinsamen Tarifs der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst vom 20. April 2010, der rückwirkend für die Jahre 2008 und 2009 eine Vergütung nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1, § 54a UrhG von 0,10 € pro Speicherkarte und USB-Stick vorsehe, den geltend gemachten Betrag von 368.954,41 € verlangen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin könne ihren Vergütungsanspruch auf den Gemeinsamen Tarif der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst vom 20. April 2010 stützen. Die Beklagte könne dem nicht entgegenhalten, dieser Tarif hätte ohne Durchführung einer empirischen Untersuchung durch die Schiedsstelle nicht aufgestellt werden dürfen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte darauf berufen, der Vergütungsansprüche für die Vergangenheit begründende Tarif sei rechtswidrig, weil er der Beklagten die Möglichkeit versage, die Vergütung auf den Einzelhandel oder den Endverbraucher als den eigentlichen Nutzer abzuwälzen. Davon abgesehen folge der Anspruch der Klägerin bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG.
Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch sei auch der Höhe nach begründet. Die Höhe der Klageforderung folge - unter Zugrundelegung der seitens der Beklagten erteilten Auskünfte für 2008 und 2009 - aus der Anwendung des ab 1. Januar 2008 geltenden Gemeinsamen Tarifs der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst vom 20. April 2010, der eine Vergütung von 0,10 € pro Speicherkarte vorsehe. Dieselbe Vergütung ergäbe sich, wenn die Klägerin nicht auf ihren Tarif verweisen könnte, sondern auf die gesetzliche Regelung in § 54a UrhG zurückgreifen müsste.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin von der Beklagten dem Grunde nach gemäß § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG die Zahlung einer angemessenen Vergütung verlangen kann.
1. Die Vergütungspflicht für Vervielfältigungsgeräte und Speichermedien ist durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26. Oktober 2007 (BGBl. I, S. 2513) neu geregelt worden (§§ 54 ff. UrhG). Diese Regelungen sind auf ab dem 1. Januar 2008 veräußerte oder in Verkehr gebrachte Geräte und Speichermedien (vgl. § 54f Abs. 1 Satz 1 UrhG) anwendbar. Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG vervielfältigt wird, so hat der Urheber des Werkes nach § 54 Abs. 1 UrhG gegen den Hersteller und nach § 54b Abs. 1 UrhG gegen den Importeur und den Händler von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung.
2. Die Klägerin ist als Inkassogesellschaft der gemäß § 54h Abs. 1 UrhG wahrnehmungsberechtigten Verwertungsgesellschaften berechtigt, den mit der Klage erhobenen Anspruch auf Zahlung der Vergütung gegen die Beklagte als Herstellerin und Importeurin von Speichermedien geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2011 - I ZR 59/10, GRUR 2012, 705 Rn. 19 = WRP 2012, 954 - PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät; vgl. auch § 3 VGG).
3. Das Oberlandesgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, bei den von der Beklagten in den Jahren 2008 und 2009 hergestellten und importierten Speicherkarten handele es sich um Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 Abs. 1 bis 3 UrhG) benutzt werde.
4. Das Oberlandesgericht hat weiter angenommen, die Klägerin könne ihren Vergütungsanspruch auf den Gemeinsamen Tarif der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst vom 20. April 2010 stützen. Die Beklagte könne dem nicht entgegenhalten, dieser Tarif hätte ohne Durchführung einer empirischen Untersuchung durch die Schiedsstelle nicht aufgestellt werden dürfen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte darauf berufen, der Vergütungsansprüche für die Vergangenheit begründende Tarif sei rechtswidrig, weil er der Beklagten die Möglichkeit versage, die Vergütung auf den Einzelhandel oder den Endverbraucher als den eigentlichen Nutzer abzuwälzen. Mit dieser Begründung kann ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht bejaht werden.
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts kann die Klägerin ihren Vergütungsanspruch nicht auf den Gemeinsamen Tarif der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst vom 20. April 2010 stützen. Dem steht bereits entgegen, dass es sich bei dem Tarif einer Verwertungsgesellschaft um ein einseitiges Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags handelt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - I ZR 189/11, GRUR 2013, 1037 Rn. 23 = WRP 2013, 1357 - Weitergeltung als Tarif, mwN). Daher kommt nur bei einer Annahme dieses Angebots durch den Erklärungsempfänger ein entsprechender Vertrag zustande, der Grundlage eines Anspruchs der Verwertungsgesellschaft sein kann.
Ein solcher Anspruch kommt hier nicht in Betracht, da die Beklagte das in dem Tarif liegende Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags nicht angenommen hat. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Tarif aus anderen Gründen für die Beklagte bindend ist. Das Oberlandesgericht hat offengelassen, ob sich die am Aufstellen des Gemeinsamen Tarifs vom 20. April 2010 beteiligten Verwertungsgesellschaften und Verbände in einer die Beklagte bindenden Weise - wie von der Klägerin behauptet - darauf verständigt haben, die Vergütungshöhe von 0,10 € pro Speicherkarte nicht nur zum Gegenstand der mit Wirkung zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Gesamtverträge zu machen, sondern auch für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 außer Streit zu stellen. Mangels entsprechender Feststellungen des Oberlandesgerichts ist für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz daher zugunsten der Beklagten zu unterstellen, dass der Tarif sie nicht bindet.
Es kommt daher nicht darauf an, ob der Gemeinsame Tarif der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst vom 20. April 2010 - wie die Revision geltend macht - unwirksam ist, weil ihm keine empirischen Untersuchungen der Schiedsstelle zugrunde liegen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 35/15 Rn. 76 bis 80 - externe Festplatten).
5. Das Oberlandesgericht hat weiter angenommen, der Anspruch der Klägerin ergebe sich dem Grunde nach bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG. Der Wortlaut des Gesetzes mache die Vergütungspflicht allein davon abhängig, dass Geräte und Speichermedien, von denen zu erwarten sei, dass sie zur Vornahme von unter § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG fallenden Vervielfältigungshandlungen verwendet würden, im Inland veräußert oder in Verkehr gebracht würden. Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung stand.
a) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, seit dem 1. Januar 2008 folge ein Vergütungsanspruch nicht bereits allein aus der gesetzlichen Regelung, sondern setze außerdem voraus, dass die Vergütung aufgrund eines Gesamtvertrags oder eines Tarifs feststehe, der zwingend die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens und die Erhebung empirischer Untersuchungen voraussetze.
aa) Nach Art. 7 VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz ist mit Wirkung zum 1. Juni 2016 das Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften - Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) an die Stelle des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten - Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) getreten. Auf Verfahren, die am 1. Juni 2016 bei der Schiedsstelle anhängig sind, sind nach § 139 Abs. 1 VGG nicht die §§ 92 bis 127 VGG, sondern die §§ 14 bis 15 UrhWG und die Urheberrechtsschiedsstellenverordnung, jeweils in der bis zum 31. Mai 2016 geltenden Fassung, weiter anzuwenden. Auf das dem vorliegenden Rechtsstreit vorausgegangene und durch den Einigungsvorschlag vom 9. Januar 2013 abgeschlossene Verfahren vor der Schiedsstelle waren danach die §§ 14 bis 15 UrhWG anwendbar.
bb) Die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Händlern zur Zahlung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien besteht auch nach neuem Recht kraft Gesetzes (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG) und wird nicht erst durch das Aufstellen eines Tarifs oder den Abschluss eines Gesamtvertrages begründet. Desgleichen ergibt sich die Höhe dieser Vergütung auch nach neuem Recht aus dem Gesetz (§ 54a UrhG; vgl. § 13a Abs. 1 Satz 1 UrhWG, § 40 Abs. 1 Satz 1 VGG) und wird nicht erst durch von Verwertungsgesellschaften aufgestellte Tarife oder die als Tarife geltenden Vergütungssätze in Gesamtverträgen bestimmt.
(1) Der Tarif einer Verwertungsgesellschaft weist die Vergütung aus, die die Verwertungsgesellschaft auf Grund der von ihr wahrgenommenen Rechte fordert (§ 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG, § 38 Satz 1 VGG). Tarife sind als bloße Angebote zum Abschluss eines Nutzungsvertrages unverbindlich. Die Angemessenheit eines von einer Verwertungsgesellschaft einseitig aufgestellten Tarifs ist durch die ordentlichen Gerichte nachprüfbar (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1973 - I ZR 145/71, GRUR 1974, 35, 37 f. - Musikautomat; Urteil vom 19. Mai 1983 - I ZR 74/81, BGHZ 87, 281, 284 - Tarifüberprüfung I; BGH, GRUR 2013, 1037 Rn. 23 - Weitergeltung als Tarif). Soweit Hersteller, Importeure und Händler das in dem Tarif einer Verwertungsgesellschaft liegende Vertragsangebot nicht angenommen haben, ergibt sich ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien dem Grunde und der Höhe nach unmittelbar aus dem Gesetz. Gleiches gilt, wenn die Verwertungsgesellschaft keinen Tarif aufgestellt hat. Selbst wenn die Verwertungsgesellschaft damit gegen ihre Verpflichtung zur Aufstellung von Tarifen (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 13a UrhWG, § 38 Satz 1, § 40 VGG) verstoßen hat, führt dies nicht dazu, dass sie daran gehindert ist, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte eine Vergütung zu fordern (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 Rn. 19 = WRP 2012, 950 - Bochumer Weihnachtsmarkt). Die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung und die Höhe der Vergütung ergeben sich auch dann unmittelbar aus dem Gesetz.
(2) Entsprechendes gilt für die in Gesamtverträgen vereinbarten Vergütungssätze, soweit diese als Tarife gelten. Die in Gesamtverträgen (vgl. § 12 UrhWG, § 35 VGG) von den Verwertungsgesellschaften mit Nutzervereinigungen vereinbarten Vergütungssätze haben eine Doppelnatur. Sie sind zwar im Verhältnis der Vertragspartner des Gesamtvertrages zueinander als vereinbarte Vergütungssätze bindend; die Gesamtvertragspartner können ihre Angemessenheit daher grundsätzlich nicht mit Erfolg in Frage stellen (BGHZ 87, 281, 284 f. - Tarifüberprüfung I; BGH, Urteil vom 15. Juni 2000 - I ZR 231/97, GRUR 2000, 872, 873 - Schiedsstellenanrufung; BGH, GRUR 2013, 1037 Rn. 24 - Weitergeltung als Tarif). Im Verhältnis der Verwertungsgesellschaft zu Mitgliedern der Nutzervereinigung, die sich dem Gesamtvertrag nicht unterworfen haben, sind die Vergütungssätze dagegen als bloße Angebote zum Abschluss eines Nutzungsvertrages unverbindlich; solche Mitglieder der Nutzervereinigung können ihre Angemessenheit bestreiten und versuchen, einen individuellen Nutzungsvertrag durchzusetzen. Im Verhältnis zu ihnen gelten die in Gesamtverträgen vereinbarten Vergütungssätze nach § 13 Abs. 1 Satz 2 UrhWG, § 38 Satz 2 VGG als Tarife, deren Angemessenheit - ebenso wie die Angemessenheit einseitig aufgestellter Vergütungssätze - gerichtlich nachprüfbar ist (BGH, GRUR 2013, 1037 Rn. 25 - Weitergeltung als Tarif). Die Verpflichtung der nicht durch den Gesamtvertrag gebundenen Mitglieder der Nutzervereinigung zur Zahlung einer Vergütung ergibt sich ebenso wie die Höhe dieser Vergütung unmittelbar aus dem Gesetz.
cc) Die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Händlern zur Zahlung einer Vergütung für Geräte oder Speichermedien (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG) besteht auch in den Fällen bereits kraft Gesetzes und nicht erst nach Aufstellung und Veröffentlichung eines entsprechenden Tarifs, in denen die Verwertungsgesellschaft einen solchen Tarif erst nach Vorliegen (§ 13a Abs. 1 Satz 3, § 14 Abs. 5a UrhWG) oder nur auf Grundlage (§ 40 Abs. 1 Satz 2, § 93 VGG) einer von der Schiedsstelle durchzuführenden empirischen Untersuchung zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 UrhG maßgeblichen Nutzung aufstellen darf.
(1) Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 UrhWG hat die Verwertungsgesellschaft mit den Verbänden der betroffenen Hersteller vor Aufstellung der Tarife für Geräte und Speichermedien über die angemessene Vergütungshöhe und den Abschluss eines Gesamtvertrages zu verhandeln. Scheitern die Gesamtvertragsverhandlungen, so können Verwertungsgesellschaften gemäß § 13a Abs. 1 Satz 3 UrhWG in Abweichung von § 13 UrhWG Tarife über die Vergütung nach § 54a UrhG erst nach Vorliegen der empirischen Untersuchungen gemäß § 14 Abs. 5a UrhWG aufstellen. Gemäß § 14 Abs. 5a UrhWG hat die Schiedsstelle in Verfahren über den Abschluss oder die Änderung eines Gesamtvertrages (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c UrhWG) die nach § 54a Abs. 1 UrhG maßgebliche Nutzung durch empirische Untersuchungen zu ermitteln. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 VGG stellen die Verwertungsgesellschaften für die Vergütung nach § 54a UrhG Tarife auf Grundlage einer empirischen Untersuchung aus einem Verfahren gemäß § 93 VGG auf. Nach § 93 VGG können Verwertungsgesellschaften die Schiedsstelle anrufen, um eine selbständige empirische Untersuchung zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes maßgeblichen Nutzung durchführen zu lassen.
(2) Auch in den Fällen, in denen die Verwertungsgesellschaft Tarife erst nach Vorliegen oder nur auf Grundlage einer empirischen Untersuchung aufstellen darf, entsteht die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Händlern zur Zahlung der Vergütung nicht erst, nachdem die Verwertungsgesellschaft den Tarif aufgestellt und veröffentlicht hat. Vielmehr besteht diese Verpflichtung unabhängig davon bereits kraft Gesetzes. Der Umstand, dass diese Tarife auf empirischen Untersuchungen beruhen, ändert nichts daran, dass es sich dabei nur um einseitige Angebote der Verwertungsgesellschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrages handelt.
b) Die Revision macht weiter ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, nicht rückwirkend und jedenfalls nicht in der aus dem Tarif ersichtlichen Höhe in Anspruch genommen zu werden, weil es ihr bis zur Veröffentlichung des Tarifs am 27. April 2010 nicht möglich gewesen sei, die Vergütung für 2008 und 2009 einzupreisen und weiterzugeben oder dafür Rückstellungen zu bilden.
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es den Mitgliedstaaten angesichts der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zu verpflichten, den den Rechtsinhabern entstandenen Nachteil zu vergüten, frei, mit der Verpflichtung zur Zahlung des gerechten Ausgleichs auch diejenigen zu belasten, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen zur Verfügung stellen. Das Interesse der Hersteller, Importeure und Händler, nicht anstelle der Nutzer als eigentlichen Schuldnern des gerechten Ausgleichs mit einer Abgabe zugunsten der Rechtsinhaber belastet zu werden, ist innerhalb eines solchen Systems regelmäßig dadurch gewahrt, dass sie die für die Privatkopie zu entrichtende Abgabe in den Preis für die Überlassung der vergütungspflichtigen Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung einfließen lassen können (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-467/08, Slg. 2010, I-10055 = GRUR 2011, 50 Rn. 48 - Padawan/SGAE; Urteil vom 16. Juni 2011 - C-462/09, Slg. 2011, I-5331 = GRUR 2011, 909 Rn. 23 und 29 - Stichting/Opus; Urteil vom 11. Juli 2013 - C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rn. 23 bis 25 = WRP 2013, 1169 - Amazon/Austro-Mechana I; Urteil vom 10. April 2014 - C-435/12, GRUR 2014, 546 Rn. 52 = WRP 2014, 682 - ACI Adam/Thuiskopie).
bb) Der Umstand, dass eine nachträgliche Weiterbelastung der Gerätevergütung durch Hersteller, Importeure oder Händler an den eigentlichen Vergütungsschuldner nicht mehr möglich sein mag, schließt eine rückwirkende Geltendmachung und Durchsetzung des Vergütungsanspruchs nicht aus. Mussten die Hersteller, Importeure oder Händler damit rechnen, dass die Geräte oder Speichermedien vergütungspflichtig sind, können sie sich grundsätzlich nicht mit Erfolg darauf berufen, eine nachträgliche Weiterbelastung der Gerätevergütung sei unmöglich (BGH, GRUR 2012, 705 Rn. 54 - PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät; BGH, Urteil vom 3. Juli 2014, GRUR 2014, 984 Rn. 48 = WRP 2014, 1203 - PC III; Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 255/14, GRUR 2017, 172 Rn. 91 = WRP 2017, 206 - Musik-Handy). Danach kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr sei es bis zur Veröffentlichung des Tarifs am 27. April 2010 nicht möglich gewesen, die Vergütung für 2008 und 2009 einzupreisen und weiterzugeben oder dafür Rückstellungen zu bilden.
(1) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe nicht gewusst oder nicht wissen können, dass es sich bei den von ihr im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 importierten und in Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten Speicherkarten um vergütungspflichtige Speichermedien handelte. Diese Speicherkarten stellten zweifellos Speichermedien dar, deren Typ zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch benutzt wird. Der Beklagten war aus den von der Klägerin sowie den Verwertungsgesellschaften VG Wort und VG Bild-Kunst in den Jahren 2008 und 2009 mit dem IM, dem BITKOM und dem BWL geführten Verhandlungen über den Abschluss eines Gesamtvertrages für USB-Sticks und Speicherkarten bekannt, dass die Verwertungsgesellschaften für Speicherkarten eine Vergütung fordern. Die Beklagte war an diesen Gesprächen auf Seiten des IM als dessen verhandlungsführende Gesellschafterin unmittelbar beteiligt. Sie kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe angenommen, eine Vergütung werde erst nach Aufstellen eines Tarifs durch die Verwertungsgesellschaften geschuldet. Ein dahingehender Rechtsirrtum konnte kein schutzwürdiges Vertrauen begründen.
(2) Die Beklagte macht vergeblich geltend, sie habe die Höhe der für die Speicherkarten zu zahlenden Vergütung nicht kennen können. Die Beklagte musste nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts damit rechnen, von der Klägerin auf Zahlung einer Vergütung in einer Größenordnung zwischen acht und zwölf Cent pro Speicherkarte in Anspruch genommen zu werden. Davon abgesehen waren der Beklagten die gesetzlichen Kriterien des § 54a UrhG zur Ermittlung der Vergütungshöhe bekannt. Selbst bei Aufstellung eines Tarifs hätte die Vergütungshöhe nicht verbindlich festgestanden, da die Angemessenheit eines Tarifs von vergütungspflichtigen Unternehmen hätte bestritten werden können. Auch wenn für die hier in Rede stehenden Speicherkarten kein Tarif und kein nach § 27 Abs. 1 UrhWG als Tarif weitergeltender Gesamtvertrag bestand, hätte sich die Beklagte im Übrigen hinsichtlich der Höhe der Vergütung an den nach altem Recht in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG aF gesetzlich bestimmten Vergütungssätzen orientieren können. Danach betrug die Vergütung für jede Stunde Spieldauer bei üblicher Nutzung bei Tonträgern 0,0614 € und bei Bildträgern 0,0870 €. Die Beklagte handelte, wie das Oberlandesgericht mit Recht angenommen hat, auf eigenes Risiko, wenn sie die Gerätevergütung weder bei der Bemessung ihrer Preise berücksichtigte noch entsprechende Rückstellungen bildete, obwohl sie damit rechnen musste, auf Zahlung einer Gerätevergütung in Anspruch genommen zu werden (BGH, GRUR 2012, 705 Rn. 54 - PC als Bild- und Tonaufzeichnungsgerät).
II. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch auch der Höhe nach begründet ist.
1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Höhe der Klageforderung folge - unter Zugrundelegung der seitens der Beklagten erteilten Auskünfte für 2008 und 2009 - bereits aus der Anwendung des ab 1. Januar 2008 geltenden Gemeinsamen Tarifs der Klägerin, der VG Wort und der VG Bild-Kunst vom 20. April 2010, der eine Vergütung von 0,10 € pro vergütungspflichtiger Speicherkarte vorsehe. Mit dieser Begründung kann die Höhe der Klageforderung nicht gerechtfertigt werden. Der Tarif ist für die Beklagte nicht verbindlich (vgl. Rn. 15 bis 18).
2. Das Oberlandesgericht hat angenommen, eine hiervon abweichende Beurteilung der Vergütungshöhe sei im Übrigen auch nicht veranlasst, wenn die Klägerin nicht auf ihren Tarif verweisen könnte, sondern auf die gesetzliche Regelung in § 54a UrhG zurückgreifen müsste. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision dringen nicht durch.
a) Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG ist maßgebend für die Vergütungshöhe, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien als Typen tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG genutzt werden. Dabei ist nach § 54a Abs. 1 Satz 2 UrhG zu berücksichtigen, inwieweit technische Schutzmaßnahmen nach § 95a UrhG auf die betreffenden Werke angewendet werden. Nach § 54a Abs. 4 UrhG darf die Vergütung Hersteller von Geräten und Speichermedien nicht unzumutbar beeinträchtigen; sie muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen.
b) Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Klägerin habe nach § 54a Abs. 1 UrhG auf der Grundlage des Ergebnisses der von ihr in Auftrag gegebenen Untersuchungen der TNS Infratest zum Nutzerverhalten in den Jahren 2010 und 2011 in Bezug auf vergütungspflichtige Vervielfältigungshandlungen mit Hilfe von Speicherkarten und USB-Sticks zutreffend eine Vergütung in Höhe von 5 € ermittelt. Auch unter Berücksichtigung einer nach Maßgabe von § 54a Abs. 4 UrhG veranlassten Korrektur sei die von der Klägerin geforderte Vergütung in Höhe von 0,10 € pro vergütungspflichtigem Speichermedium nicht zu beanstanden, da sie sich auf weniger als 1% der maßgeblichen Endverbraucherpreise (14 € im Jahre 2008 und 12 € im Jahre 2009) belaufe.
c) Die Revision macht geltend, einer Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten TNS-Infratest-Studie zum Nutzerverhalten stehe entgegen, dass sich diese Studie nicht auf die hier in Rede stehenden Jahre 2008 und 2009, sondern auf das Jahr 2011 beziehe. Das Oberlandesgericht habe verkannt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Speicherkarten um ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 2008 noch vergleichsweise junges Medium gehandelt habe, das zuvor keiner Vergütungspflicht unterlegen habe. Aus diesem Grund könne mangels gegenteiliger Feststellungen oder sonstiger konkreter Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass das nach § 54a UrhG für die Vergütungshöhe maßgebliche Maß der Nutzung der Speichermedien bereits in den Jahren 2008 und 2009 demjenigen entsprochen habe, das in der von der Klägerin vorgelegten Studie für das Jahr 2011 ermittelt worden sei.
d) Damit kann die Revision keinen Erfolg haben. Das Oberlandesgericht hat den Einwand der Beklagten, die Studie der TNS Infratest könne für die Ermittlung der Höhe der Vergütung nicht herangezogen werden, weil sie nicht die hier in Rede stehenden Jahre 2008 und 2009, sondern das Jahr 2011 betreffe, berücksichtigt. Es hat diesen Einwand nicht für durchgreifend erachtet, weil nach dem Vorbringen der Beklagten keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sich das Nutzerverhalten in den Jahren 2008 und 2009 in einer Weise vom Nutzerverhalten im Jahr 2011 unterschieden habe, dass die nach dem Maß der tatsächlichen Nutzung (§ 54a Abs. 1 UrhG) und unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze (§ 54a Abs. 4 UrhG) zu ermittelnde Vergütung geringer sei als die von der Klägerin geforderte Vergütung in Höhe von 0,10 € pro Speichermedium. Die Revision zeigt keinen vom Oberlandesgericht übergangenen Vortrag der Beklagten auf, aus dem sich solche Anhaltspunkte ergeben. Allein der Umstand, dass es sich bei den streitgegenständlichen Speicherkarten um ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 2008 noch vergleichsweise junges Medium gehandelt haben mag, bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt.
III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt ist oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
C. Danach ist die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
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