Entscheidungsdatum: 11.10.2017
1. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist auch dann, wenn sie in einer einstweiligen Verfügung enthalten ist, mangels abweichender Anhaltspunkte dahin auszulegen, dass sie neben der Unterlassung derartiger Handlungen auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.
2. Eine im Verfügungsverfahren grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt regelmäßig dann nicht vor, wenn der Schuldner die von ihm vertriebenen Waren aufgrund der gegen ihn ergangenen einstweiligen Verfügung nicht bei seinen Abnehmern zurückzurufen, sondern diese lediglich aufzufordern hat, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben.
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. September 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde und die der Streithelferin der Schuldnerin im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Streitwert der Rechtsbeschwerde: 1.800 €
I. Die Schuldnerin vertreibt in Deutschland unter der Marke "U. " Produkte zur Wundversorgung. Das Landgericht hat es ihr auf Antrag der Gläubigerin mit durch Urteil vom 22. Januar 2016 bestätigter Beschlussverfügung vom 28. September 2015 gestützt auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 MarkenG sowie auf Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, im geschäftlichen Verkehr mit "UR. " oder "U. /T. " gekennzeichnete Verpackungen von Produkten zur Wundversorgung ohne Nennung der Markeninhaberin durch Aufbringen eines Klebeetiketts wie in der Beschlussverfügung abgebildet zu verändern sowie veränderte Verpackungen abzugeben, in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Die einstweilige Verfügung ist den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin spätestens am 6. Oktober 2015 im Parteibetrieb zugestellt worden. Die Schuldnerin hat die von der einstweiligen Verfügung betroffenen Produkte nach ihrer Darstellung daraufhin "in Quarantäne gebucht" und sie in der sogenannten Lauertaxe als "außer Vertrieb" gemeldet. Bereits an Dritte ausgelieferte Ware hat sie nicht zurückgerufen und auch ihre Abnehmer nicht über die einstweilige Verfügung vom 28. September 2015 informiert.
Die Gläubigerin ließ am 9. Oktober 2015 einen Testkauf durchführen. Die A. H. Deutschland AG, ein pharmazeutischer Großhändler, lieferte dabei an den Testkäufer von der Schuldnerin bezogene Produkte mit der in der einstweiligen Verfügung beschriebenen Kennzeichnung.
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 28. September 2015 ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.800 € festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat zur Zurückweisung des Vollstreckungsantrags geführt (OLG Frankfurt am Main, GRUR 2016, 1319 = WRP 2017, 98).
Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Schuldnerin beantragt, erstrebt die Gläubigerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Beschlusses. Die in den Vorinstanzen für die Schuldnerin tätig gewesene Rechtsanwältin ist dem Rechtsbeschwerdeverfahren als Streithelferin der Schuldnerin beigetreten.
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Schuldnerin die fraglichen Produkte nach Zustellung der einstweiligen Verfügung nicht weiter in Verkehr hat bringen lassen. Die Schuldnerin habe auch nicht dadurch gegen das gerichtliche Verbot verstoßen, dass sie keine Maßnahmen ergriffen habe, um rechtsverletzend gekennzeichnete Produkte zurückzurufen, die sie vor Zustellung der einstweiligen Verfügung an Großhändler ausgeliefert habe. Dazu hat es ausgeführt:
Der Schuldner eines gerichtlichen Verbots müsse nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen könne, sondern ebenso alles unternehmen, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar sei, um künftige Verletzungen zu verhindern. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilte und höchstrichterlich nicht ausdrücklich entschiedene Frage, ob ein Vertriebsverbot im Regelfall auch die Obliegenheit umfasse, bereits ausgelieferte Ware vom Großhandel zurückzurufen, sei zu verneinen. Der Unterlassungsschuldner habe für das Handeln selbständiger Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Das nur an ihn selbst gerichtete Unterlassungsgebot mache ihn nicht zum Garanten dafür, dass Dritte keine Rechtsverstöße begingen. Einen Rückruf rechtsverletzender Ware könne der Gläubiger nur unter den Voraussetzungen eines Beseitigungsanspruchs oder eines für gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht speziell geregelten Rückrufanspruchs verlangen. Gerade die der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums dienende Einführung dieser Rückrufansprüche spreche dafür, dass ein Unterlassungstitel noch keine derartige Verpflichtung enthalte, da es dieser Sonderregelungen andernfalls nicht bedurft hätte.
Die Schuldnerin sei danach nicht zu einem Rückruf verpflichtet gewesen. Die A. H. AG sei in die Vertriebsstruktur der Schuldnerin nicht als deren Handelsvertreterin, Vertragshändlerin oder Franchisenehmerin eingegliedert. Es liege auch kein so gravierender Rechtsverstoß vor, dass der Schuldnerin neben dem eigenen Vertriebsstopp weitergehende Maßnahmen zuzumuten gewesen seien.
Da kein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot gegeben sei, komme es weder auf die Frage, ob der Schuldnerin die Einflussnahme auf die Abnehmer rechtlich möglich gewesen sei, noch auf die Frage des Verschuldens an.
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Schuldnerin hat dadurch gegen die ihr in der einstweiligen Verfügung vom 28. September 2015 auferlegte Unterlassungsverpflichtung verstoßen, dass sie keine Maßnahmen ergriffen hat, um den Weitervertrieb der von ihr vor Zustellung der einstweiligen Verfügung an Großhändler ausgelieferten Produkte zur Wundversorgung zu verhindern, auf deren Verpackung ohne Nennung der Markeninhaberin ein Klebeetikett wie in der einstweiligen Verfügung abgebildet aufgebracht war.
1. Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen, so ist er nach § 890 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen.
2. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes waren zur Zeit der von der Gläubigerin geltend gemachten Zuwiderhandlung der Schuldnerin gegen die Unterlassungsverpflichtung erfüllt.
a) Die durch die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 28. September 2015 titulierte Verpflichtung der Schuldnerin, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit "UR. " oder "U. /T. " gekennzeichnete Verpackungen von Produkten zur Wundversorgung ohne Nennung der Markeninhaberin durch Aufbringen eines Klebeetiketts wie in der Beschlussverfügung abgebildet zu verändern sowie veränderte Verpackungen abzugeben, in Verkehr zu bringen oder zu bewerben, stellte eine Verpflichtung im Sinne von § 890 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 ZPO dar, eine Handlung zu unterlassen.
b) Die nach § 890 Abs. 2 ZPO vor der Verhängung eines Ordnungsmittels erforderliche Androhung von Ordnungsmitteln war in der Beschlussverfügung vom 28. September 2015 enthalten.
c) Die einstweilige Verfügung vom 28. September 2015 war mit ihrem Erlass und damit zur Zeit der geltend gemachten Zuwiderhandlung unbedingt vollstreckbar. Nach der Natur der Sache bedurfte es dazu keines besonderen Ausspruchs in der Entscheidung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 929 Rn. 1 in Verbindung mit § 922 Rn. 9; Huber in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 936 Rn. 4 und § 929 Rn. 1 in Verbindung mit § 922 Rn. 7).
d) Die Schuldnerin wusste zur Zeit der geltend gemachten Zuwiderhandlung, dass sie das durch die einstweilige Verfügung vom 28. September 2015 titulierte Verbot beachten musste (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - I ZR 249/12, GRUR 2015, 196 Rn. 17 = WRP 2015, 209 - Nero). Die Gläubigerin hat die einstweilige Verfügung den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am 6. Oktober 2015 zugestellt. Der Schuldnerin war daher seit diesem Zeitpunkt bekannt, dass sie mit Ordnungsmitteln rechnen musste, wenn sie gegen die durch die einstweilige Verfügung titulierte Unterlassungsverpflichtung verstieß.
3. Die Schuldnerin hat dadurch gegen die einstweilige Verfügung verstoßen, dass sie es im Zeitraum zwischen der Zustellung der einstweiligen Verfügung und dem durch die Gläubigerin veranlassten Testkauf unterlassen hat, diejenigen rechtsverletzend gekennzeichneten und aufgemachten Produkte zur Wundversorgung entweder zurückzurufen, die sie vor der Zustellung der einstweiligen Verfügung an ihre Abnehmer ausgeliefert hatte, oder die Abnehmer der Produkte immerhin aufzufordern, diese im Hinblick auf die ergangene einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben.
a) Das in einem Unterlassungstitel enthaltene Verbot verpflichtet den Schuldner außer zum Unterlassen weiterer Vertriebshandlungen auch dazu, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die den Weitervertrieb der rechtsverletzend aufgemachten Produkte verhindern. Diese Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich allerdings darauf, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken. Zudem gelten bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung im Unterschied zur Vollstreckung eines Titels aus einem Hauptsacheverfahren Beschränkungen, die sich aus der Eigenart des Verfügungsverfahrens und aus den engen Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache sowie aus den im Verfügungsverfahren eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners ergeben.
aa) Der Schuldner einer auf Unterlassung lautenden Entscheidung kann zu einem aktiven Handeln verpflichtet sein und daher, wenn er diese Handlungspflicht verletzt, gegen den Unterlassungstitel verstoßen. Abweichend von der Verwendung des Begriffs des "Unterlassens" im allgemeinen Sprachgebrauch ist im Wege der Auslegung des Unterlassungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst und ob er den Schuldner zu einem aktiven Handeln verpflichtet. Dabei ist vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen und sind erforderlichenfalls ergänzend die Entscheidungsgründe sowie gegebenenfalls die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen. Dagegen ist es für die Auslegung ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen (BGH, Beschluss vom 5. März 2015 - I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 Rn. 20 bis 23; Beschluss vom 29. September 2016 - I ZB 34/15, GRUR 2017, 208 Rn. 22 = WRP 2017, 305).
Bei einer Handlung, die einen fortdauernden Störungszustand geschaffen hat, ist der die Handlung verbietende Unterlassungstitel mangels abweichender Anhaltspunkte (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 11. November 2014 - VI ZR 18/14, GRUR 2015, 190 Rn. 11 bis 17 = WRP 2015, 212) regelmäßig dahin auszulegen, dass er außer zur Unterlassung derartiger Handlungen auch zur Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands verpflichtet (BGH, Urteil vom 28. Januar 1977 - I ZR 109/75, GRUR 1977, 614, 616 - Gebäudefassade; Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 63 f. = WRP 2015, 356 - CT-Paradies; Urteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, BGHZ 206, 289 Rn. 40; Urteil vom 30. Juli 2015 - I ZR 250/12, GRUR 2016, 406 Rn. 28 f. = WRP 2016, 331 - Piadina-Rückruf; Urteil vom 15. September 2015 - VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 32; Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 109/14, GRUR 2016, 720 Rn. 34 = WRP 2016, 854 - Hot Sox; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 24; BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - I ZR 208/15, GRUR 2017, 823 Rn. 26 = WRP 2017, 944 - Luftentfeuchter).
Eine Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich insbesondere dann nicht in einem bloßen Nichtstun, sondern umfasst auch die Pflicht zur Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn dem Unterlassungsgebot allein dadurch entsprochen werden kann (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 76 f.; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 24). So verhält es sich, wenn die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 1972 - I ZR 82/70, GRUR 1972, 558, 560 - Teerspritzmaschinen; BGH, GRUR 1977, 614, 616 - Gebäudefassade; BGH, Urteil vom 4. Februar 1993 - I ZR 42/91, BGHZ 121, 242, 247 f. - TRIANGLE; BGHZ 206, 347 Rn. 32; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 25; vgl. ferner RG, Urteil vom 26. April 1932 - II 246/31, GRUR 1932, 810, 814 - Delft). Auch wenn die den Unterlassungsanspruch begründende Verletzungshandlung keine Dauerhandlung des Schuldners ist, kann eine Verpflichtung zur Unterlassung oder Duldung einer Handlung die Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen umfassen, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Unterlassung oder zur Duldung nur gerecht werden kann, wenn er daneben Handlungen vornimmt (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2007 - I ZB 58/06, NJW-RR 2007, 863 Rn. 18). Sind rechtsverletzend gekennzeichnete oder aufgemachte Produkte bereits weiter vertrieben worden, beinhaltet die Unterlassungspflicht neben der Einstellung des weiteren Vertriebs regelmäßig auch den Rückruf der bereits gelieferten Produkte (BGH, GRUR 2016, 720 Rn. 35 - Hot Sox).
bb) Die danach gebotene Auslegung des Unterlassungstitels kann auch im Vollstreckungsverfahren erfolgen. Wenn sich der Schuldner im Erkenntnisverfahren nicht damit verteidigt hat, ihm sei die Beseitigung des Störungszustandes unmöglich oder unzumutbar, und sich hierzu aus dem Vorbringen des Gläubigers ebenfalls nichts ergibt, kann von dem Grundsatz abgewichen werden, dass die Frage, welche Beseitigungsmaßnahmen verhältnismäßig und geboten sind, im Erkenntnisverfahren geklärt werden muss (BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 29).
cc) Eine positive Handlungspflicht des Unterlassungsschuldners setzt nicht voraus, dass bereits die Entscheidungsformel erkennen lässt, dass der Unterlassungsschuldner auch zu einem aktiven Handeln verpflichtet ist. Im Wege der Auslegung zu bestimmende, die titulierte Unterlassungspflicht nur ergänzende Handlungspflichten müssen nicht gesondert tituliert sein (BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 26; MünchKomm.ZPO/Gruber, 5. Aufl., § 890 Rn. 7).
(1) Auch ein nach seiner Entscheidungsformel allein auf eine Unterlassung gerichteter Titel kann in dieser Weise auszulegen sein, weil hierzu die Begründung der Entscheidung und die Antrags- oder Klagebegründung als zulässiges Auslegungsmaterial mit heranzuziehen sind. Ein solcher Titel kann daher die nach § 890 ZPO vollstreckbare Verpflichtung zu einem positiven Tun auch dann enthalten, wenn diese in seiner Entscheidungsformel nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist (BGH, NJW-RR 2007, 863 Rn. 17 mwN; MünchKomm.ZPO/Gruber aaO § 890 Rn. 7; Lackmann in Musielak/Voit aaO § 890 Rn. 2; Schaub in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 1 Rn. 8; Sturhahn in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 890 ZPO Rn. 2; aA Voss, Die Zwangsvollstreckung aus Unterlassungstiteln, 2005, S. 58).
(2) Die Annahme einer positiven Handlungspflicht aufgrund des Unterlassungsgebots verstößt auch nicht - wie die Streithelferin der Schuldnerin meint - gegen das in Art. 103 Abs. 2 GG geregelte Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG gilt allein für Maßnahmen staatlichen Zwangs, nicht dagegen für Verfahren der Unterlassungsvollstreckung. Dieses sieht zwar strafähnliche Ordnungsmittel vor, beruht aber nicht auf dem Gewaltmonopol des Staates, sondern dient der Durchsetzung privatrechtlicher Verpflichtungen zwischen Privaten (BVerfG, Beschluss vom 23. April 1991 - 1 BvR 1443/87, BVerfGE 84, 82, 87 ff.; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, 79. Lief. Dezember 2016, Art. 103 Rn. 195; Degenhart in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 103 Rn. 60; aA Voss aaO S. 225 f.). Die Bestimmbarkeit der Reichweite des Titels auch im Wege der Auslegung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein spezifisch vollstreckungsrechtliches Bestimmtheitsgebot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2006 - 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618, 619). Dem strafähnlichen Charakter der Ordnungsmittel und der daraus erwachsenden Belastung des Schuldners trägt schon das dort bestehende Verschuldenserfordernis Rechnung. Danach kann ein Ordnungsmittel nur verhängt werden, wenn den Schuldner ein eigenes Verschulden am Verstoß trifft (vgl. BVerfG, GRUR 2007, 618, 619; Degenhart in Sachs aaO Art. 103 Rn. 60).
dd) Wenn der Schuldner nach dem Ergebnis der Auslegung des Unterlassungstitels verpflichtet ist, durch positives Tun Maßnahmen zur Beseitigung des fortdauernden Störungszustandes zu ergreifen und dabei auf Dritte einzuwirken, kommt es nicht darauf an, ob er entsprechende Ansprüche gegen die in Betracht kommenden Dritten hat. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar nicht für das selbständige Handeln Dritter einzustehen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 77/12, GRUR 2014, 595 Rn. 26 = WRP 2014, 587 - Vertragsstrafenklausel; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 30; GRUR 2017, 823 Rn. 29 - Luftentfeuchter). Das entbindet ihn im Rahmen seiner durch Auslegung ermittelten positiven Handlungspflicht aber nicht davon, auf Dritte einzuwirken, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt und bei denen er mit - gegebenenfalls weiteren - Verstößen ernstlich rechnen muss. Der Schuldner ist daher verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf solche Personen einzuwirken (BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 26 - Vertragsstrafenklausel; GRUR 2015, 258 Rn. 70 - CT-Paradies; GRUR 2017, 208 Rn. 30; GRUR 2017, 823 Rn. 29 - Luftentfeuchter). Mit Blick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf den Dritten kommt es nur darauf an, ob der Schuldner rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter hat (BGH, GRUR 2017, 823 Rn. 29 - Luftentfeuchter). Es reicht daher aus, wenn ihm eine tatsächliche Einwirkung möglich ist.
Die Pflicht des Schuldners wird dabei durch das ihm Mögliche und Zumutbare nicht nur begründet, sondern auch begrenzt. Der Schuldner darf zwar einerseits nicht untätig bleiben, wenn und soweit die Auslegung des Unterlassungstitels eine Pflicht zum positiven Handeln ergibt. Er muss andererseits aber weder etwas tun, was zur Verhinderung weiterer Verletzungen nichts beiträgt und deswegen nicht erforderlich ist, noch muss er Maßnahmen der Störungsverhinderung oder -beseitigung ergreifen, die ihm - etwa gegenüber seinen Abnehmern, mit denen er in laufender Geschäftsbeziehung steht - in unverhältnismäßiger Weise zum Nachteil seiner gewerblichen Tätigkeit gereichen und deshalb unzumutbar sind.
ee) Die auf dem Unterlassungstitel beruhende Pflicht des Schuldners, Maßnahmen zur Beseitigung des fortdauernden Störungszustandes zu ergreifen, ist nicht dadurch begrenzt oder ausgeschlossen, dass der Gläubiger gegen ihn neben dem materiell rechtlichen Unterlassungsanspruch außerdem Ansprüche auf Beseitigung und Rückruf aus spezialgesetzlichen Vorschriften hat.
(1) Bei den Ansprüchen auf Unterlassung einerseits und auf Beseitigung andererseits handelt es sich um selbständige Ansprüche mit jeweils unterschiedlicher Zielrichtung. Hat eine Verletzungshandlung einen andauernden rechtswidrigen Verletzungszustand hervorgerufen, bestehen die beiden Ansprüche allerdings nebeneinander. Der Gläubiger hat es daher in der Hand, ob er den einen oder den anderen Anspruch oder beide Ansprüche geltend macht. Er kann dementsprechend bereits mit dem Unterlassungsanspruch die Beseitigung des Verletzungszustands verlangen (BGH, GRUR 2015, 258 Rn. 64 - CT-Paradies; GRUR 2017, 208 Rn. 28; GRUR 2017, 823 Rn. 28 - Luftentfeuchter). Der Umstand, dass der damit zum Unterlassungsanspruch in Konkurrenz tretende Beseitigungsanspruch durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt ist, das heißt die erstrebte Maßnahme zur Beseitigung des andauernden Störungszustandes geboten sein muss, ist bei der Auslegung des Unterlassungstitels zu berücksichtigen. Auch auf der Grundlage des Unterlassungstitels sind daher nur verhältnismäßige Beseitigungsmaßnahmen geschuldet, die zur Beseitigung des Störungszustands geboten erscheinen (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - I ZR 15/93, GRUR 1995, 424, 426 f. = WRP 1995, 489 - Abnehmerverwarnung; BGH, GRUR 2017, 208 Rn. 29).
(2) Die spezialgesetzlichen Regelungen zum Anspruch auf Rückruf (§ 98 Abs. 2 UrhG; § 18 Abs. 2 MarkenG; § 43 Abs. 2 DesignG; § 140a Abs. 3 PatG; § 24a Abs. 2 GebrMG; § 37a Abs. 2 SortSchG) schließen es - anders als das Beschwerdegericht gemeint hat - nicht aus, einen Unterlassungstitel dahin auszulegen, dass er den Schuldner verpflichtet, sich bei seinen Abnehmern im Rahmen des Möglichen, Zumutbaren und Erforderlichen um eine Rückgabe der bereits vor Erlass und Zustellung des Titels vertriebenen schutzrechtsverletzenden Gegenstände zu bemühen. Die der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG dienenden spezialgesetzlichen Vorschriften entfalten insoweit keine Sperrwirkung. Sie lassen nicht erkennen, dass sie den Vorrang vor anderen Vorschriften beanspruchen. Die in ihnen geregelten Ansprüche auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen stellen der Sache nach Ausprägungen des Beseitigungsanspruchs dar, der vor der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG auf eine entsprechende Anwendung des § 1004 BGB gestützt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1958 - I ZR 48/57, GRUR 1958, 402, 405 - Lili Marleen; Urteil vom 3. Mai 1963 - Ib ZR 93/61, GRUR 1963, 539, 542 - echt skai; Ernst-Moll, Festschrift für Klaka, 1987, S. 16, 17). Dementsprechend stellte nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2004/48/EG der Beseitigungsanspruch auch die Grundlage für den Rückrufanspruch dar (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 13, 15 Rn. 181; Miosga, Die Ansprüche auf Rückruf und Entfernen im Recht des geistigen Eigentums, 2010, S. 15 ff.).
Außerdem unterscheidet sich die im Wege der Auslegung zu ermittelnde Verpflichtung des Unterlassungsschuldners zum Rückruf inhaltlich von dem, was nach den spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlagen des Rückrufs geschuldet ist. Der Unterlassungsschuldner ist lediglich verpflichtet, die möglichen, erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die der Verhinderung weiterer konkret drohender Verletzungshandlungen dienen. Dagegen kann der Gläubiger eines Rückrufanspruchs den Rückruf schlechthin aller schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse verlangen, selbst wenn dieser Rückruf nicht unmittelbar der Verhinderung konkret drohender weiterer Verletzungshandlungen dient. Während also die spezialgesetzlich normierten Rückrufansprüche einen abstrakten und damit weiteren Schutz bieten, dient die aufgrund einer entsprechenden Auslegung des Unterlassungstitels je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls anzunehmende Verpflichtung des Schuldners zum positiven Handeln durch Rückruf allein dem Schutz vor konkret drohenden weiteren Verletzungshandlungen.
Typischerweise wird eine Konkurrenz zwischen spezialgesetzlichen Rückrufansprüchen und einer auf einem Unterlassungstitel beruhenden Rückrufpflicht deshalb in Fällen eintreten, in denen zum einen ein Vertrieb rechtsverletzend gestalteter, gekennzeichneter oder aufgemachter Erzeugnisse bereits erfolgt und zum anderen der fortgesetzte Vertrieb durch den oder die Abnehmer des Schuldners rasch und in erheblichen Mengen zu erwarten ist. In solchen Fällen ist regelmäßig ein Rückruf zur Abwehr konkret drohender weiterer Verletzungshandlungen auf einer nachgeordneten Vertriebsstufe in einem solchen Maß erforderlich, dass das Unterbleiben eines Rückrufs durch den Schuldner der Fortsetzung seiner eigenen Verletzungshandlungen gleichkommt. Daneben verbleibt für die spezialgesetzlichen Rückrufansprüche ein eigenständiger Anwendungsbereich, in dem sie mit der Rückrufpflicht nach Auslegung eines Unterlassungstitels nicht konkurrieren. Das gilt etwa für alle Fälle, in denen rechtsverletzend gestaltete, gekennzeichnete oder aufgemachte Erzeugnisse zwar vertrieben worden sind, ein weiterer Vertrieb aber nicht konkret zu erwarten ist.
ff) Die Auslegung des Unterlassungstitels kann nicht dazu führen, dass der Schuldner zu bestimmten Maßnahmen der Verhinderung weiterer Verletzungshandlungen Dritter oder zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes verpflichtet ist. Vielmehr bleibt es dem Schuldner überlassen, diejenige mögliche, erforderliche und zumutbare Vorgehensweise zu wählen, die im konkreten Einzelfall geeignet ist. Im Vergleich zu den spezialgesetzlichen Rückrufansprüchen kann die Auslegung des Unterlassungstitels nicht weiter gehen. Für die spezialgesetzlichen Rückrufansprüche ist anerkannt, dass sie sich in ihrem konkreten Inhalt nach dem tatsächlich geschehenen Vertrieb sowie nach der Zielsetzung effektiver Maßnahmen zur Entfernung rechtsverletzender Erzeugnisse aus dem Vertriebsweg richten (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 18 Rn. 73 f.; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 18 Rn. 55 f.; Ingerl//Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 18 Rn. 46; Wimmers in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl., § 98 UrhG Rn. 17; Grabinski/Zülch in Benkard, PatG, 11. Aufl., § 140a Rn. 17; Jestaedt, GRUR 2009, 102, 103). Der Unterlassungsschuldner ist jedenfalls dann, wenn die Auslegung des Unterlassungstitels eine Rückrufpflicht ergibt, ebenso wie der Schuldner eines spezialgesetzlichen Rückrufanspruchs (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 18 MarkenG Rn. 16; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 18 Rn. 55; Ingerl/Rohnke aaO § 18 Rn. 46; Miosga aaO S. 62) verpflichtet, gegenüber seinen Abnehmern mit Nachdruck und Ernsthaftigkeit sowie unter Hinweis auf den rechtsverletzenden Charakter der Erzeugnisse deren Rückerlangung zu versuchen.
Einen Erfolg des Rückrufs schuldet der Schuldner hingegen nicht. In vielen Fällen wird er gegenüber seinen Abnehmern keinen Anspruch auf Rückabwicklung des bereits geschehenen Vertriebs haben. Auch insoweit kann die Auslegung des Unterlassungstitels zu keiner Verpflichtung des Unterlassungsschuldners führen, die über das hinausgeht, was auf der Grundlage eines spezialgesetzlichen Rückrufanspruchs geschuldet ist (Jestaedt, GRUR 2009, 102, 104; Grabinski/Zülch in Benkard aaO § 140a Rn. 17; Miosga aaO S. 82 f.).
gg) Für den vorliegenden Fall der Vollstreckung aus einem in einem Verfügungsverfahren erlassenen Titel muss bei dessen Auslegung allerdings berücksichtigt werden, dass die Hauptsache durch eine einstweilige Verfügung nur unter besonderen, engen Voraussetzungen vorweggenommen werden darf und dass außerdem die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners vor der Titulierung eingeschränkt sein können. Diese Besonderheiten des Verfügungsverfahrens sprechen dagegen, aus einer Unterlassungsverfügung zugleich eine Verpflichtung zum Rückruf abzuleiten. Eine entsprechende Auslegung kommt daher bei einem im Verfügungsverfahren ergangenen Unterlassungstitel nur beim Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (dazu nachstehend unter (1) und (2)). Auch ohne das Vorliegen solcher Umstände ist es dem Schuldner, der von der Unterlassungsverfügung betroffene Waren bereits weiterveräußert hat, aber regelmäßig zuzumuten, die Abnehmer aufzufordern, die Waren vorläufig nicht weiterzuvertreiben (dazu unter (3)).
(1) Ein Titel, der über die bloße Sicherung eines Anspruchs hinausgeht, weil der Gläubiger durch ihn vorläufig oder sogar endgültig befriedigt wird, darf als Leistungsverfügung nur unter engen Voraussetzungen ergehen. So wird gefordert, dass - erstens - der Gläubiger dringend die sofortige Erfüllung seines Anspruchs benötigt, dass - zweitens - ein Hauptsacheverfahren nicht sinnvoll möglich ist, weil die Leistung, soll sie nicht ihren Sinn verlieren, dringend erbracht werden muss, und dass - drittens - die dem Gläubiger ohne Erlass eines Titels drohenden Nachteile nicht nur schwer wiegen, sondern darüber hinaus außer Verhältnis zu den dem Schuldner drohenden Schäden stehen (vgl. Huber in Musielak/Voit aaO § 940 Rn. 14). Nach anderer, im Ergebnis aber ähnlicher Auffassung darf eine Leistungsverfügung nur ergehen, wenn - entsprechend der Formulierung in § 49 Abs. 1 FamFG - ein dringendes Bedürfnis für eine solche Eilmaßnahme in dem Sinne besteht, dass der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen, das heißt die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass der Titel im ordentlichen Klageverfahren nicht erwirkt werden kann (Zöller/Vollkommer aaO § 940 Rn. 6; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 935 Rn. 54). Entsprechend diesen Grundsätzen ist es jedenfalls erforderlich, dass bei Abwägung der Interessen des Gläubigers und des Schuldners die Interessen des Gläubigers deutlich überwiegen, weil die Anspruchsdurchsetzung für diesen wegen der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen seines Anspruchs besonders dringlich und andererseits das Risiko des Schuldners, im Verfügungsverfahren zu Unrecht zum Rückruf verpflichtet zu werden, verhältnismäßig gering ist.
Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis zu einem Schuldner, der rechtsverletzend gekennzeichnete oder aufgemachte Ware vor Erlass und Zustellung einer Unterlassungsverfügung vertrieben hat, in der Regel nicht erfüllt. Anders ist die Sache etwa dann zu beurteilen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Schuldner versucht hat, sich seiner Unterlassungspflicht durch die schnelle Weiterveräußerung der fraglichen Waren faktisch zu entziehen (Sakowski, GRUR 2017, 355, 360) oder wenn ein Fall von Produktpiraterie vorliegt.
Der Unterlassungstitel kann allerdings dahin auszulegen sein, dass der Schuldner zwar Maßnahmen zu ergreifen hat, um auf Dritte zur Verhinderung weiterer Verletzungshandlungen einzuwirken, dass die insoweit geschuldeten Maßnahmen aber allein der Sicherung der Abwehransprüche des Gläubigers dienen, ohne ihn in diesen Ansprüchen abschließend zu befriedigen. Die Auslegung kann demnach zu begrenzten positiven Handlungspflichten in der Weise führen, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht droht, weil die geschuldeten Maßnahmen auf eine bloße Sicherung des Unterlassungsanspruchs gerichtet sind, so dass die engen Voraussetzungen einer Leistungsverfügung nicht erfüllt sein müssen (vgl. zur Rechtslage vor der Richtlinie 2004/48/EG Ernst-Moll aaO S. 17, 26; aA v. Czettritz/Thewes, PharmR 2017, 92, 94).
(2) Die Auslegung des Unterlassungstitels zur Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang dieser den Schuldner zugleich zu einem positiven Tun in Form eines Rückrufs verpflichtet, kann ausnahmsweise im Vollstreckungsverfahren erfolgen, wenn und soweit der Schuldner sich nicht schon im Erkenntnisverfahren damit verteidigt hat, ihm sei eine Einwirkung auf seine Abnehmer nicht zumutbar oder eine solche sei nicht erforderlich (vgl. oben unter III 3 a bb). Wenn eine einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners ergangen ist, konnte dieser nicht zu der Frage Stellung nehmen, ob und wie er auf seine Abnehmer einwirken kann. Dementsprechend kommt es bei der Vollziehung einer Unterlassungsverfügung in besonderem Maße darauf an, ob und inwieweit die Parteien im Vollstreckungsverfahren darlegen können, inwiefern eine positive Handlungspflicht des Schuldners den Anspruch des Gläubigers lediglich sichert oder bereits befriedigt.
(3) Eine im Verfügungsverfahren grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt regelmäßig nicht vor, wenn der Schuldner die von ihm vertriebenen Waren aufgrund der gegen ihn ergangenen einstweiligen Verfügung nicht bei seinen Abnehmern zurückzurufen, sondern diese lediglich aufzufordern hat, die erhaltenen Waren im Hinblick auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht weiterzuvertreiben. Eine entsprechende Vorgehensweise ist für den Schuldner nicht unzumutbar, weil ihn unter diesen Umständen seinerseits aus dem mit dem Abnehmer geschlossenen Kaufvertrag die Nebenpflicht trifft, den Abnehmer darauf hinzuweisen, dass dieser beim Weitervertrieb der Ware ebenfalls mit einer gegen ihn gerichteten einstweiligen Verfügung zu rechnen hat.
b) Nach diesen Maßstäben kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, die Schuldnerin habe nicht gegen das Verbot in der gegen sie ergangenen einstweiligen Verfügung verstoßen.
aa) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Schuldnerin die rechtsverletzend gekennzeichneten und aufgemachten Produkte nach Zustellung der einstweiligen Verfügung allerdings "in Quarantäne gebucht" und in der sogenannten Lauertaxe als bedeutendem Verzeichnis der lieferbaren pharmazeutischen Produkte als "außer Vertrieb" gemeldet. Demnach ist die Schuldnerin im Hinblick auf den weiteren Vertrieb der fraglichen Produkte durch Dritte nicht völlig untätig geblieben. Das reichte als Maßnahmen aber nicht aus, um der mit dem Unterlassungsgebot verbundenen Verpflichtung der Beseitigung des vom weiteren Vertrieb der Produkte durch die Abnehmer hervorgerufenen Störungszustands zu genügen.
bb) Die Schuldnerin wäre allerdings nur dann entlastet, wenn anzunehmen wäre, dass die Abnehmer der Produkte von diesen Maßnahmen auch ohne eine entsprechende Information durch die Schuldnerin Kenntnis erlangten. Davon kann nach den im Streitfall gegebenen Umständen jedoch nicht ausgegangen werden. Weiter ist vom Beschwerdegericht nichts dazu festgestellt, was sich hinter der Angabe "in Quarantäne gebucht" verbirgt. Aus sich heraus verständlich ist dies nicht.
4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1 AEUV, wie sie die Streithelferin der Schuldnerin angeregt hat, ist nicht veranlasst. Die Beantwortung der vorgeschlagenen Fragen zur inhaltlichen Reichweite eines auf Art. 102 Abs. 1 GMV gestützten Unterlassungsanspruchs ist nicht dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten. Sie betreffen keinen Regelungsbereich, in dem mitgliedstaatliche Regelungen keine Geltung mehr haben, weil im Wege der Vollharmonisierung die Normsetzungskompetenz vollständig vom mitgliedstaatlichen auf den europäischen Gesetzgeber übergegangen ist. Nach Art. 102 Abs. 1 Satz 2 GMV trifft das mitgliedstaatliche Gemeinschaftsmarkengericht nach Maßgabe seines nationalen Rechts zusätzlich die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein auf Art. 102 Abs. 1 Satz 1 GMV gestütztes Verbot befolgt wird. Außerdem ordnet Art. 102 Abs. 2 GMV in der bis zum 22. März 2016 geltenden und damit im Streitfall anwendbaren Fassung an, dass das mitgliedstaatliche Gericht auf der Grundlage des nach Art. 101 GMV anwendbaren Rechts zweckmäßig erscheinende Maßnahmen ergreifen oder Anordnungen treffen kann. Da die Gemeinschaftsmarkenverordnung keine abschließenden Regelungen zur inhaltlichen Reichweite eines Verbotsausspruchs enthält, ist hierauf nach Art. 101 Abs. 2 GMV das mitgliedstaatliche Recht anwendbar (Grüger in BeckOK Markenrecht, 10. Ed. 1.6.2017, Art. 102 GMV Rn. 17). Aus beidem folgt, dass im Sinne einer bloßen Mindestharmonisierung mitgliedstaatliche Gerichte nicht gehindert sind, auf der Grundlage ihres nationalen Rechts an eine Verletzung einer Gemeinschaftsmarke weitergehende Sanktionen als in der Gemeinschaftsmarkenverordnung vorgesehen zu knüpfen (Grüger in BeckOK Markenrecht aaO Art. 102 GMV Rn. 19).
IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dieses hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe des wegen des Verstoßes gegen die Schuldnerin festzusetzenden Ordnungsgeldes und zur Dauer der deswegen ersatzweise festzusetzenden Ordnungshaft getroffen.
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