Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.09.2017


BGH 21.09.2017 - I ZB 8/17

Herausgabevollstreckung: Erstreckung eines Herausgabeanspruchs auf noch nicht auf einem Datenträger verkörperte Daten; Unterstützung des Gerichtsvollziehers durch einen Sachverständigen; Konkretisierung des Vollstreckungsauftrags durch eine fremdsprachige Unterlage - Projektunterlagen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
21.09.2017
Aktenzeichen:
I ZB 8/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:210917BIZB8.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Saarbrücken, 12. Januar 2017, Az: 5 T 417/16vorgehend AG Saarlouis, 25. Mai 2016, Az: 15 M 611/16, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Projektunterlagen

1. Noch nicht auf einem geeigneten Datenträger verkörperte Daten können nicht Gegenstand einer Herausgabevollstreckung nach § 883 Abs. 1 ZPO sein.

2. Die Unterstützung des Gerichtsvollziehers durch einen von ihm auf Kosten des Schuldners beauftragten Sachverständigen kann bei Herausgabetiteln zulässig und geboten sein, wenn andernfalls die Vollstreckung unmöglich ist oder unzumutbar erschwert wird. Das kann bei der Herausgabevollstreckung einer größeren Zahl von Gegenständen der Fall sein, bei der keine Einigkeit zwischen Gläubiger und Schuldner über die herauszugebenden Gegenstände besteht.

3. Wird ein Vollstreckungsauftrag durch eine dem Gerichtsvollzieher unverständliche fremdsprachige Unterlage konkretisiert, hat er dem Gläubiger Gelegenheit zu geben, innerhalb angemessener Frist eine Übersetzung beizubringen. Geht die Übersetzung nicht fristgemäß ein, kann sie der Gerichtsvollzieher auf Kosten des Gläubigers selbst anfertigen lassen, wenn der Gläubiger den Vollstreckungsauftrag nicht zuvor zurückgenommen hat. Darauf ist der Gläubiger mit der Aufforderung zur Übersetzung hinzuweisen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 12. Januar 2017 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin aus einem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30. Mai 2012 die Zwangsvollstreckung auf Herausgabe von Unterlagen für das Projekt "Errichtung und Betrieb der …anlage …/Nigeria". Der maßgebliche Tenor dieses Urteils lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin sämtliche Unterlagen bestehend aus allen technischen Zeichnungen, Berechnungen, Buchhaltungsunterlagen von Rechnungszertifikaten, Rechnungszertifikate, Bestellungen, Montage- und Betriebsanleitungen, Ersatzteilspezifikationen, Budgets für alle Anlagenteile, insbesondere Berechnungen zur Dimensionierung der Anlageteile, alle Zeichnungen und Skizzen und zwar Gesamtübersichten und detaillierte Ausführungszeichnungen inklusive aller Stücklisten und Materialspezifikationen auch für Elektroausrüstungen, insbesondere Stromlaufpläne, Steuerungs- und Installationspläne, Betriebs- und Wartungsanweisungen, alle behördlichen Genehmigungsprotokolle und Erlaubnisse zum Bau der Anlage, alle Schulungsprogramme für das Betriebspersonal, alle verfahrenstechnischen Unterlagen bezüglich der Aufbereitung der Rohmaterialien, Berechnungen der Dimensionierungen und alle Verfahrensschemen, sowie alle Laborergebnisse des Aufbereitungsbetriebs, der Abnahmeversuche mit entsprechenden Protokollen, sowie Inbetriebnahme- und Übergabezertifikate für fertiggestellte Anlagen und Teile nicht fertiggestellter Anlagen, gleichgültig ob in schriftlicher oder EDV-mäßiger Form einschließlich des gesamten Know-hows betreffend das … (Nigeria)…-Projekt betreffend wie sie in der Anlage K 8 aufgeführt sind, herauszugeben.

2

Die Anlage K 8 besteht aus einer insgesamt 34 Seiten umfassenden Liste in englischer Sprache, die für jeden herauszugebenden Gegenstand eine Zeile mit neun Spalten enthält.

3

Mit Schreiben vom 5. Juli 2015 beauftragte die Klägerin den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Herausgabevollstreckung hinsichtlich der geschuldeten Unterlagen. Der Gerichtsvollzieher begab sich zum Geschäftsbetrieb der Schuldnerin, lehnte jedoch mit Schreiben vom 7. August 2015 die Zwangsvollstreckung ab und wies den Auftrag auf Wegnahme kostenpflichtig zurück. Zur Begründung führte er aus, in dem Titel seien die herauszugebenden Gegenstände für das Vollstreckungsorgan nicht hinreichend bestimmt bezeichnet. Auch sei es für das Vollstreckungsorgan unmöglich, Unterlagen in EDV-mäßiger Form zu identifizieren. Die Gläubigerin gehe selbst davon aus, dass zur Identifizierung dieser Unterlagen fachkundiges Personal zur Verfügung stehen müsse. Entscheide die Gläubigerin, welche Unterlagen herauszugeben seien, seien Probleme zu erwarten. Dafür fehle auch eine gesetzliche Grundlage. Der Gerichtsvollzieher müsse als Vollstreckungsorgan die Unterlagen identifizieren können und nicht die Gläubigerin. Die Anlage K 8 sei zur Bestimmung der Unterlagen nicht hilfreich. Sie sei in englischer Sprache verfasst und deshalb für den Gerichtsvollzieher nicht hinreichend lesbar. Ferner seien die Unterlagen dort nicht so bezeichnet, dass sie den bei der Schuldnerin vorhandenen Unterlagen (weit über 50 Metallkisten mit einem Umfang von mindestens 20 Kubikmetern) zugeordnet werden könnten.

4

Die Gläubigerin hat gegen die Ablehnung des Vollstreckungsauftrags Erinnerung eingelegt. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat den Gerichtsvollzieher auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin angewiesen, den Zwangsvollstreckungsauftrag vom 5. Juli 2015 nicht aus den in seinem Schreiben vom 7. August 2015 genannten Gründen abzulehnen.

5

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Beschwerde sei zulässig und begründet. Dazu hat es ausgeführt:

6

Die Einlegung der Beschwerde sei nicht unwirksam, weil sie von einem Rechtsreferendar mit dem Zusatz "i.A." unterzeichnet worden sei. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren bestehe kein Anwaltszwang.

7

Der Gerichtsvollzieher habe den Vollstreckungsauftrag nicht aus den Gründen seines Bescheids vom 7. August 2015 pauschal ablehnen dürfen. Grundlage der Vollstreckung sollten nicht die allgemeinen Bezeichnungen herauszugebender Unterlagen im Tenor des Urteils sein, sondern die in der Anlage K 8 aufgeführten Gegenstände. Es könne nicht generell festgestellt werden, dass diese Gegenstände durch die Anlage K 8 nicht hinreichend bestimmt seien. So seien den in der Anlage genannten Fotos, Dokumentationen und Zeichnungen konkrete Metallkisten als Fundorte zugeordnet. Allerdings seien unstreitig fachspezifische Kenntnisse zur Identifizierung der Gegenstände anhand der Liste K 8 erforderlich. Es sei daher gegenwärtig offen, ob eine Identifizierung gelingen werde. Sofern der Gerichtsvollzieher entsprechende Zweifel habe, habe er jedoch den Auftrag zunächst zu übernehmen und vor Ort zu klären, ob eine hinreichende Bestimmung des Vollstreckungsobjekts möglich sei. Dazu genüge nicht, die Örtlichkeit aufzusuchen und festzustellen, dass eine große Anzahl von Kisten mit Unterlagen vorhanden sei. Vielmehr müssten die Kisten nach den wegzunehmenden Unterlagen durchsucht werden. Da zur Identifizierung der herauszugebenden Gegenstände im vorliegenden Fall Spezialkenntnisse erforderlich seien, habe sich der Gerichtsvollzieher einer fachkundigen Person zu bedienen. Dem Gesetz sei die Pflicht des Gerichtsvollziehers zur Heranziehung eines Sachverständigen bei Sachverhalten, deren Beurteilung man von einem Gerichtsvollzieher nicht erwarten könne, nicht fremd. Die durch den Sachverständigen verursachten notwendigen Kosten fielen als Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zur Last. Da im vorliegenden Fall nicht fernliege, dass die Experten der Gläubigerin und der Schuldnerin über die herauszugebenden Unterlagen in Streit gerieten, komme vorliegend allein die Heranziehung eines geeigneten Sachverständigen durch den Gerichtsvollzieher in Betracht. Die Abfassung der Anlage K 8 in englischer Sprache stehe der Vollstreckung nicht entgegen. Sofern der hinzuzuziehende Sachverständige nicht ohnehin entsprechende Sprachkenntnisse habe, könne der Gerichtsvollzieher von der Gläubigerin eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache verlangen oder die Anlage auf Kosten der Gläubigerin selbst übersetzen lassen.

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III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat den Gerichtsvollzieher zu Recht angewiesen, den Zwangsvollstreckungsauftrag der Gläubigerin nicht aus den in seinem Schreiben vom 7. August 2015 genannten Gründen abzulehnen.

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1. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die sofortige Beschwerde der Gläubigerin sei nicht fristgerecht eingelegt worden, da der Beschwerdeschriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Gegenseite nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden sei.

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a) Der unter dem Briefkopf des vorinstanzlichen Rechtsanwalts der Gläubigerin angefertigte Beschwerdeschriftsatz ging am 14. Juni 2016 und damit innerhalb der seit 1. Juni 2016 laufenden Beschwerdefrist beim Amtsgericht Saarlouis ein. Dieser Schriftsatz wurde nicht von dem Rechtsanwalt selbst unterzeichnet, sondern mit dem Vermerk "i.A." von dem Rechtsreferendar C., der dem Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt zu Ausbildungszwecken zugeteilt war.

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b) Für die Einlegung der sofortigen Beschwerde besteht kein Anwaltszwang (§ 78 Abs. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Gläubigerin konnte sich dabei allerdings außer durch einen Rechtsanwalt nur durch die in § 79 Abs. 2 ZPO abschließend aufgeführten Personen als Bevollmächtigte vertreten lassen. Zu diesem Personenkreis gehörte der Rechtsreferendar nicht. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten sind jedoch gemäß § 79 Abs. 3 Satz 2 ZPO bis zu ihrer Zurückweisung durch das Gericht wirksam. Der Vertreter verliert seine Handlungsbefugnis erst mit Wirksamkeit des Zurückweisungsbeschlusses ex nunc (BGH, Urteil vom 15. April 2010 - V ZB 122/09, NJW-RR 2010, 1361; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 79 Rn. 11). Kommt es nicht zur Zurückweisung, ist der Mangel der Vertretungsbefugnis mit Beendigung der Instanz geheilt. Im Streitfall ist keine Zurückweisung durch das Gericht erfolgt.

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c) Einer Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung durch den Referendar steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass er seiner Unterschrift den Zusatz "i.A." vorangestellt hatte. Zwar gibt ein Rechtsanwalt, der mit dem Zusatz "i.A." unterschreibt, nach der zum Anwaltsprozess ergangenen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen, sondern gegenüber dem Gericht nur als Erklärungsbote auftreten will; eine Auslegung seiner Erklärung unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Urkunde kommt nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, NJW 1988, 210, 211; Beschluss vom 7. Juni 2016 - KVZ 53/15, NJW-RR 2016, 1336 Rn. 5). Unabhängig davon, ob diese Rechtsprechung auch außerhalb des Anwaltsprozesses Geltung beanspruchen kann, ergibt sich im Streitfall jedenfalls unmittelbar aus der Rechtsmittelschrift, dass der Referendar für den urlaubsabwesenden, allein sachbearbeitenden Rechtsanwalt wirksam sofortige Beschwerde einlegen und eine Fristverlängerung zur Begründung des Rechtsmittels beantragen, nicht aber lediglich als Erklärungsbote handeln wollte.

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2. Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, der Gerichtsvollzieher habe den Vollstreckungsauftrag nicht aus den Gründen seines Bescheides vom 7. August 2015 pauschal ablehnen dürfen.

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a) Die Beschwerde meint, dem Tenor des zu vollstreckenden Urteils fehle ein nach § 883 ZPO vollstreckungsfähiger Inhalt, weil er sich auf die Herausgabe von Daten richte, die schon vom Grundsatz her lediglich Gegenstand eines Auskunftsanspruchs sein könnten. Es sei daher nicht ersichtlich, wie "Unterlagen in EDV-mäßiger Form einschließlich des gesamten Know-hows" im Wege der Wegnahme vollstreckt werden sollten.

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Damit hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Noch nicht auf einem geeigneten Datenträger verkörperte Daten können zwar nicht Gegenstand einer Herausgabevollstreckung nach § 883 Abs. 1 ZPO sein, weil es sich bei ihnen nicht um bewegliche Sachen im Sinne von § 90 BGB handelt. Sie können vielmehr lediglich Gegenstand eines Auskunftsanspruchs sein (OLG Brandenburg, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 3 U 46/09, juris). Bei den Dokumenten, die in der Anlage K 8 als Gegenstand der Herausgabevollstreckung bezeichnet sind, handelt es sich aber zumindest weit überwiegend um keine nicht verkörperten Daten. Wie sich aus der vierten, mit "File" überschriebenen Spalte der Anlage K 8 ergibt, befinden sich die Unterlagen größtenteils in verschiedenfarbigen Heftern oder Ordnern des Formats A3 oder A4. Soweit sich die Anlage K 8 gleichwohl auf (noch) nicht verkörperte Daten beziehen sollte, hindert der angefochtene Beschluss des Landgerichts den Gerichtsvollzieher nicht, die Vollstreckung nach § 883 ZPO insoweit weiterhin abzulehnen. Das Landgericht hat den Gerichtsvollzieher lediglich angewiesen, den ihm erteilten Zwangsvollstreckungsauftrag nicht aus den in seinem Schreiben vom 7. August 2005 genannten Gründen abzulehnen, zu denen der Charakter bestimmter Vollstreckungsgegenstände als unverkörperte Daten nicht gehörte.

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b) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, der Gerichtsvollzieher könne den Vollstreckungsauftrag im vorliegenden Fall nicht deshalb ablehnen, weil der Gegenstand der Vollstreckung nur mit Hilfe einer fachkundigen Person zu bestimmen sei, dem Gerichtsvollzieher die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu diesem Zweck jedoch verwehrt sei. Allerdings ist die Frage umstritten, ob der Gerichtsvollzieher im Ausnahmefall einen Sachverständigen zur Bestimmung der herauszugebenden Gegenstände hinzuziehen darf.

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aa) Nach einer Auffassung kommt die Bestimmung des Vollstreckungsgegenstands mit Hilfe eines vom Gerichtsvollzieher herangezogenen Sachverständigen nicht in Frage (LG Lübeck, DGVZ 1989, 30; Zöller/Stöber aaO § 883 Rn. 5). Danach ist ein Streit darüber, ob eine Sache die im Schuldtitel bezeichnete ist, mit der Erinnerung (§§ 766, 793 ZPO) auszutragen. Einen Sachverständigen dürfe der Gerichtsvollzieher nur in den gesetzlich ausdrücklich bestimmten Fällen hinzuziehen, etwa im Rahmen von § 813 ZPO bei der Pfändung von Kostbarkeiten.

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bb) Nach überwiegender Meinung kann sich der Gerichtsvollzieher dagegen zur Bestimmung der nach dem Urteil herauszugebenden Gegenstände eines von ihm beauftragten Sachverständigen bedienen (LG Münster, DGVZ 1995, 184; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., Vor § 704 Rn. 26; MünchKomm.ZPO/Götz, 5. Aufl., § 704 Rn. 8; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 883 ZPO Rn. 8; Bendtsen in Kindl/Meller/Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 883 ZPO Rn. 6).

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cc) Der zuletzt genannten Ansicht ist zuzustimmen.

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(1) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art sei es nicht praktikabel, den Streit darüber, ob eine Sache nach dem Schuldtitel herauszugeben sei, im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO auszutragen. Die Erinnerung nach § 766 ZPO ist zwar gegen die Wegnahme einer Sache mit der Begründung möglich, es handele sich dabei nicht um die im Schuldtitel bezeichnete Sache. Die Erinnerung ist aber der Wegnahme der Sache nachgeordnet und setzt sie voraus.

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(2) Zwar ist die Unterstützung des Gerichtsvollziehers durch Sachverständige im Gesetz nur für die Bestimmung des Wertes von der Vollstreckung erfasster Gegenstände vorgesehen (vgl. § 813 Abs. 1 Satz 2, § 813 Abs. 3 ZPO, § 190 Abs. 3 GVGA). Daraus ist aber nicht zu schließen, dass in anderen Fällen und insbesondere bei der Bestimmung der herauszugebenden Gegenstände eine Mitwirkung von Sachverständigen generell ausgeschlossen ist. So muss der Gerichtsvollzieher bei Unklarheiten über den Gegenstand einer Räumungsvollstreckung nach § 885 Abs. 1 ZPO gegebenenfalls sachkundige Hilfspersonen hinzuziehen, um die zu räumenden Räumlichkeiten und Bauteile zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - I ZB 61/12, NJW 2013, 2287 Rn. 17).

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In entsprechender Anwendung der § 813 Abs. 1 Satz 2, § 813 Abs. 3 ZPO, § 190 Abs. 3 GVGA ist es geboten, eine Unterstützung des Gerichtsvollziehers durch einen von ihm auf Kosten des Schuldners beauftragten Sachverständigen auch bei anderen Herausgabetiteln zuzulassen, wenn andernfalls die Vollstreckung unmöglich ist oder unzumutbar erschwert wird. Das gebietet das für den Zivilprozess durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Recht des Gläubigers auf effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfG, NJOZ 2011, 1423, 1425) und sein durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistetes Recht auf Schutz des Eigentums. Ein Anspruch auf Übergabe aller Unterlagen, die ein bestimmtes Bau- oder Industrieprojekt betreffen, muss danach trotz der dabei bestehenden Schwierigkeiten zur Konkretisierung der entsprechenden Gegenstände titulier- und vollstreckbar sein. Die Bezeichnung der Vollstreckungsgegenstände in einer Liste nach Art der Anlage K 8 ist dafür grundsätzlich geeignet.

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Die Rechte des Schuldners werden in diesem Fall ausreichend dadurch geschützt, dass er gegen die Beauftragung des Sachverständigen oder die mit dessen Hilfe erfolgte Bestimmung der Vollstreckungsgegenstände die Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen kann. Erforderlich und damit zulässig ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen insbesondere nur, wenn Gläubiger und Schuldner sich über den Umfang der herauszugebenden Gegenstände nicht in angemessener Zeit einigen können. Nach den Feststellungen des Landgerichts lag diese Voraussetzung im Streitfall vor.

24

(3) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Gläubigerin hätte ihr Begehren zunächst mit einem Auskunftsanspruch verfolgen müssen, der darauf zu richten gewesen sei, die geforderten und noch tatsächlich bei ihr vorhandenen Unterlagen zusammenzustellen. Nachdem die Gläubigerin einen vollstreckbaren Herausgabetitel erstritten hat, liefe es der Prozessökonomie zuwider, sie auf ein erneutes Klageverfahren zu verweisen.

25

Unabhängig davon würde die Gläubigerin mit einer Auskunftsklage auch ihr Rechtsschutzziel verfehlen. Sie hat mit ihrer Klage geltend gemacht, die herauszugebenden Unterlagen zu kennen, und dafür auf die Anlage K 8 verwiesen. Eine Auskunft benötigte die Gläubigerin dagegen nicht.

26

(4) Zudem ist der Schuldtitel bereits ausreichend bestimmt, wenn er wenigstens einen Vollstreckungsversuch ermöglicht (BVerfG, NJOZ 2011, 1423, 1425; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 704 Rn. 9). Dem vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis kann deshalb auch Genüge getan sein, wenn die Auffindung der herauszugebenden Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden ist.

27

dd) Zur Bestimmung der herauszugebenden Gegenstände hat der Gerichtsvollzieher den Herausgabetitel auszulegen. Diese Auslegung darf nicht dem Gläubiger übertragen werden. Können die herauszugebenden Gegenstände nur mit Hilfe eines Sachverständigen bestimmt werden, weil sich Gläubiger und Schuldner über den Gegenstand der Vollstreckung nicht einig sind und dem Gerichtsvollzieher fachliche Kenntnisse zur Auslegung des Titels fehlen, kommt deshalb allein die Bestimmung eines Sachverständigen durch den Gerichtsvollzieher, nicht durch den Gläubiger in Betracht (aA LG Lübeck, DGVZ 1989, 30; Zöller/Stöber aaO § 833 Rn. 5).

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c) Der Gerichtsvollzieher durfte den Vollstreckungsauftrag nicht deshalb ablehnen, weil die zur Konkretisierung des Vollstreckungstitels heranzuziehende Anlage K 8 in englischer Sprache abgefasst ist.

29

Gemäß § 184 Satz 1 GVG ist die Gerichtssprache Deutsch. Diese Regelung umfasst unmittelbar sämtliche Bereiche richterlicher Tätigkeit (vgl. Walther in Beck'scher Online-Kommentar, StPO, 27. Ed., § 184 GVG), gilt aber jedenfalls entsprechend auch für den Gerichtsvollzieher, dessen Rechtsstellung in § 154 f. GVG geregelt ist.

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Zutreffend hat das Beschwerdegericht indes angenommen, der Gerichtsvollzieher könne, wenn der von ihm hinzuziehende Sachverständige nicht ohnehin entsprechende Sprachkenntnisse habe, von der Gläubigerin eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache verlangen oder die Anlage K 8 auf Kosten der Gläubigerin selbst übersetzen lassen. Der Gerichtsvollzieher ist zwar nach geltendem Recht nicht verpflichtet, bei der Bearbeitung von Vollstreckungsaufträgen Unterlagen in einer Fremdsprache zu berücksichtigen. Die für Inhaber vollstreckbarer Titel bestehende grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) und des effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) schließt es aber aus, einen Vollstreckungsauftrag allein deshalb zurückzuweisen, weil zu seiner Konkretisierung auf eine fremdsprachige Unterlage verwiesen worden ist. Ist die fremdsprachige Unterlage für den Gerichtsvollzieher unverständlich, so hat er dem Gläubiger Gelegenheit zu geben, innerhalb angemessener Frist eine Übersetzung beizubringen. Geht die Übersetzung nicht innerhalb der Frist ein, kann sie der Gerichtsvollzieher auf Kosten des Gläubigers selbst anfertigen lassen, wenn der Gläubiger den Vollstreckungsauftrag nicht zuvor zurückgenommen hatte. Darauf ist der Gläubiger mit der Aufforderung zur Übersetzung hinzuweisen.

31

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

      

Schaffert     

      

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Feddersen