Entscheidungsdatum: 03.02.2011
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 23. Juni 2010 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 600 €.
I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid.
Der Schuldner hat am 19. November 2009 eine eidesstattliche Versicherung über sein Vermögen abgegeben. Unter Nr. 12 des Vermögensverzeichnisses (Ansprüche aus selbständiger Erwerbstätigkeit und aus Nebenverdienst) hat er angegeben:
Selbständiger Monteur und Schreiner. Monatlicher Umsatz, je nach Auftragslage zwischen 300 und 500 €. Z.Z. keinerlei Aufträge und keinerlei Einkommen. Z.Z. ist noch nicht beabsichtigt, einen Antrag auf ALG II zu stellen. Ob ich in nächster Zeit wieder Aufträge erhalte, ist nicht bekannt.
Der Gläubiger hat die Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses verlangt und beantragt, dem Schuldner aufzugeben, die Auftraggeber des letzten Jahres mit Vornamen, Namen und Anschrift bekannt zu geben, um feststellen zu können, welche Aufträge möglicherweise wieder eingehen können.
Der Gerichtsvollzieher hat diesem Antrag nicht entsprochen. Das Amtsgericht hat die Erinnerung des Gläubigers zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Nachbesserungsantrag weiter.
II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Es bestehe kein schützenswertes Interesse des Gläubigers an Informationen über bereits abgewickelte Aufträge des Schuldners der letzten zwölf Monate. Der Gläubiger erhalte dadurch nicht die Möglichkeit, auf vorhandenes Vermögen des Schuldners zuzugreifen, weil bezüglich dieser Aufträge keine Forderungen mehr bestünden. Die theoretische - hier wenig nahe liegende - Möglichkeit, dass einer der früheren Auftraggeber künftig erneut einen Auftrag erteilen könnte, führe lediglich zu einer bloßen Erwerbsmöglichkeit des Schuldners, die im jetzigen Zeitpunkt keinen Vermögenswert darstelle und nicht offenbarungspflichtig sei.
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass der Schuldner nicht dazu verpflichtet ist, das Vermögensverzeichnis um die Angabe der Auftraggeber des letzten Jahres mit Vornamen, Namen und Anschrift zu ergänzen.
1. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO nicht dazu dient, dem Gläubiger eine allgemeine Kontrolle über die Erwerbsmöglichkeit des Schuldners zu verschaffen, um dadurch späteren Vermögenserwerb aufzuspüren (BGH, Urteil vom 24. Juli 1968 - 3 StR 187/68, NJW 1968, 2251 mwN). Der Zweck der Verpflichtung des Schuldners nach § 807 ZPO zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses besteht darin, dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben und ihm Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken zu verschaffen, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2004 - IXa ZB 297/03, NJW 2004, 2979, 2980). Die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO erstreckt sich daher nur auf gegenwärtig vorhandene Vermögensgegenstände; nur bei ihnen besteht die sofortige Möglichkeit des Zugriffs im Wege der Zwangsvollstreckung (BGH, NJW 1968, 2251 mwN). Bloße Erwerbsmöglichkeiten muss der Schuldner im Verfahren nach § 807 ZPO dagegen nicht offenbaren; sie eröffnen dem Gläubiger keinen Zugriff auf konkrete Vermögensgegenstände (BGH, Urteil vom 27. Februar 1991 - 5 StR 516/90, BGHSt 37, 340 mwN). Abweichendes folgt nicht daraus, dass sich die Auskunftsverpflichtung des Schuldners nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Vermögensstücke erstreckt, die „möglicherweise“ dem Zugriff des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen. Damit wird nicht etwa ein in der Zukunft möglicher Vermögenserwerb in die Auskunftsverpflichtung einbezogen, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass der Schuldner nicht selbst entscheiden darf, ob die Vermögensstücke dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers unterliegen (vgl. BGH, NJW 1968, 2251 f., mwN).
2. Die Auskunftsverpflichtung nach § 807 ZPO kann sich danach auch auf künftige Forderungen des Schuldners erstrecken. Künftige Forderungen können Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein. Sie können gepfändet werden, sofern der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Pfändung hinreichend bestimmt sind (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1969 - VIII ZR 202/67, BGHZ 53, 29, 32; Urteil vom 24. November 1988 - IX ZR 210/87, NJW-RR 1989, 286, 290; Urteil vom 29. März 2001 - IX ZR 234/00, BGHZ 147, 193, 195; Beschluss vom 21. November 2002 - IX ZB 85/02, NJW 2003, 1457, 1458; Beschluss vom 31. Oktober 2003 - IXa ZB 200/03, NJW 2004, 369, 370). Bei künftigen Forderungen eines selbständig tätigen Schuldners gegen seine Kunden ist diese Voraussetzung allerdings regelmäßig nur bei einer laufenden Geschäftsbeziehung erfüllt, bei der die begründete Erwartung besteht, der Schuldner werde auch künftig Aufträge von seinen bisherigen Kunden erhalten. In einem solchen Fall bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, die Auskunftsverpflichtung auf die Geschäftsvorfälle der letzten zwölf Monate zu erstrecken (vgl. OLG Köln, JurBüro 1994, 408; weitere Nachweise bei Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 807 Rn. 28).
3. Nach diesen Maßstäben ist der Schuldner nicht verpflichtet, Auskunft über seine Auftraggeber des letzten Jahres mit Vornamen, Namen und Anschrift zu erteilen. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Beschwerdegerichts kann nicht angenommen werden, der selbständig tätige Schuldner werde auch künftig Aufträge von seinen bisherigen Kunden erhalten. Allein die theoretische - hier wenig nahe liegende - Möglichkeit, dass einer der früheren Auftraggeber dem Schuldner künftig erneut einen Auftrag erteilen könnte, stellt - wie das Beschwerdegericht mit Recht angenommen hat - keinen Vermögenswert dar, auf den der Gläubiger zugreifen könnte und den der Schuldner zu offenbaren hätte (Zöller/Stöber aaO § 807 Rn. 28 aE).
IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde des Gläubigers zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Löffler