Entscheidungsdatum: 28.01.2016
Ein Schiedsgericht ist nach § 1047 Abs. 3 Fall 1 ZPO nicht verpflichtet, die von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei zu übermitteln, wenn diese Unterlagen der anderen Partei bereits bekannt sind.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 26. Zivilsenat - vom 25. März 2015 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 500.000 €.
I. Der Antragsteller verfügte über Liegenschaften, die er zur Errichtung einer Golfanlage nutzen wollte. Er trat mit dem Antragsgegner in Verhandlungen über eine Zusammenarbeit, die zum Abschluss eines Kooperationsvertrags und eines Schiedsvertrags vom 30. Oktober 2000 sowie eines notariellen Unterpachtvertrags und eines notariellen Untererbbaurechtsvertrags vom 11. Mai 2001 führten. Etwa ab dem Jahr 2006 kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten über die sich aus dem Kooperationsvertrag ergebenden Pflichten und deren Erfüllung. Der Antragsgegner erklärte mit Schreiben vom 21. April 2010, vom 29. September 2011 und vom 1. Dezember 2011 aus unterschiedlichen Gründen jeweils die außerordentliche Kündigung des Kooperationsvertrags.
In dem vom Antragsteller geführten Schiedsverfahren ist - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - nach zwei mündlichen Verhandlungen am 9. November 2012 ein Teilschiedsspruch ergangen, mit dem das Schiedsgericht die Unwirksamkeit der Kündigungen festgestellt sowie über weitere Sachanträge des Antragstellers zum Nachteil des Antragsgegners entschieden hat.
Der Antragsteller hat die Vollstreckbarerklärung des Teilschiedsspruchs beantragt. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat die Aufhebung des Teilschiedsspruchs begehrt. Das Oberlandesgericht hat den Teilschiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts ist von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts über einen Antrag betreffend die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§§ 1060 ff. ZPO) findet gemäß § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Die Rechtsbeschwerde ist auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie ist aber nicht begründet.
1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. Die Rechtsbeschwerde trägt vor, der Antragsgegner habe seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend machen können (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Fall 2 ZPO) und die Vollstreckung des Schiedsspruchs führe zu einem der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechenden Ergebnis (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b Fall 2 ZPO), weil das Schiedsgericht dem Antragsgegner entgegen § 1047 Abs. 3 ZPO nicht das dem Schiedsgericht vom Antragsteller vorgelegte Anlagenkonvolut K 2 übermittelt und damit den Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Damit hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
2. Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass das Schiedsgericht dadurch, dass es dem Antragsgegner nicht das vom Antragsteller vorgelegte Anlagenkonvolut K 2 übermittelt hat, nicht gegen § 1047 Abs. 3 ZPO verstoßen und den Antragsgegner weder an der Geltendmachung von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln gehindert noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat. Es kann daher offenbleiben, ob der Antragsgegner einen durch die unterbliebene Übermittlung von Abschriften des Anlagenkonvoluts K 2 unterlaufenen Verstoß gegen § 1047 Abs. 3 ZPO - wie das Oberlandesgericht weiter angenommen hat - nicht rechtzeitig gerügt hat und daher ohnehin nicht mehr geltend machen konnte.
a) Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts war dem Antragsgegner der Inhalt des dem Schiedsgericht vom Antragsteller vorgelegten Anlagenkonvoluts K 2 bekannt. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, das dem Schiedsgericht vom Antragsteller vorgelegte Anlagenkonvolut K 2 habe nach dem Vortrag des Antragstellers die in den Jahren 1999 bis 2005 zwischen den Parteien geschlossenen Verträge und insbesondere den nach dem Teilschiedsspruch für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien maßgebenden Kooperationsvertrag vom 30. Oktober 2000 enthalten. Der Antragsgegner habe nicht geltend gemacht, dass ihm diese Vertragsunterlagen nicht bekannt seien. Er habe ferner keine konkreten Anhaltspunkte für einen vom Original abweichenden Inhalt der vorgelegten Unterlagen vorgetragen. Der Inhalt des Teilschiedsspruchs biete entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Schiedsgericht mit dem Anlagenkonvolut K 2 gegenüber dem Wortlaut der Originalurkunden veränderte Vertragsunterlagen vorgelegen hätten.
b) Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass § 1047 Abs. 3 ZPO das Schiedsgericht nicht verpflichtet, die von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei zu übermitteln, wenn diese Unterlagen der anderen Partei bereits bekannt sind (MünchKomm.ZPO/Münch, 4. Aufl., § 1047 Rn. 16). Die andere Partei wird dadurch, dass ihr solche Unterlagen nicht übermittelt werden, weder an der Geltendmachung von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln gehindert noch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
aa) Gemäß § 1047 Abs. 3 Fall 1 ZPO sind alle Schriftsätze, Dokumente und sonstigen Mitteilungen, die dem Schiedsgericht von einer Partei vorgelegt werden, der anderen Partei zur Kenntnis zu bringen.
bb) Bereits der Wortlaut des § 1047 Abs. 3 Fall 1 ZPO legt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nahe, dass das Schiedsgericht nicht verpflichtet ist, die ihm von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei zu übermitteln, wenn der anderen Partei diese Unterlagen bereits bekannt sind. Die Vorschrift bestimmt entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde nicht, dass sämtliche Unterlagen, die eine Partei des Schiedsverfahrens einreicht, der anderen Partei zu übermitteln sind. Sie ordnet vielmehr lediglich an, dass dem Gegner die vorgelegten Unterlagen zur Kenntnis zu bringen sind. Wenn eine Partei - wie hier der Antragsgegner - bereits Kenntnis von einem bestimmten Schriftstück hat, kann ihr dieses Schriftstück nicht mehr zur Kenntnis gebracht werden.
cc) Auch aus dem Zweck des § 1047 ZPO, den Anspruch auf rechtliches Gehör zu konkretisieren (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 49) folgt, dass sich § 1047 Abs. 3 ZPO nicht auf von einer Partei vorgelegte Unterlagen bezieht, die der anderen Partei des Schiedsverfahrens bereits bekannt sind. Zu ihr bereits vorliegenden oder sonst bekannten Unterlagen kann eine Partei sich äußern, ohne dass ihr diese vom Schiedsgericht übermittelt werden.
dd) Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass kein Anlass besteht, § 1047 Abs. 3 ZPO für eine Übermittlung der von einer Partei vorgelegten Unterlagen an die andere Partei strengere Anforderungen zu entnehmen, als sie im Zivilprozess für das Verfahren vor staatlichen Gerichten gelten.
Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 ZPO sollen die Parteien den Schriftsätzen, die sie bei Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Anzahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen. Das gilt nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 ZPO nicht für Anlagen, die dem Gegner in Urschrift oder Abschrift vorliegen. Danach ist eine Vorlage von Abschriften der Anlagen zur Übermittlung an den Gegner nicht erforderlich, wenn die Anlagen dem Gegner in Urschrift oder in Abschrift vorliegen.
Allerdings gilt der Grundsatz der mündlichen Verhandlung im schiedsrichterlichen Verfahren im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren (vgl. § 128 Abs. 1 ZPO) nicht und haben Schriftsätze im Verfahren vor den Schiedsgerichten daher eine weitaus stärkere Bedeutung als im Verfahren vor den staatlichen Gerichten (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 49). Diese Umstände sprechen entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde jedoch nicht für die Annahme, im schiedsrichterlichen Verfahren seien nach § 1047 Abs. 3 ZPO anders als im gerichtlichen Verfahren nach § 133 Abs. 1 ZPO die von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei auch dann zu übermitteln, wenn sie dieser bereits vorliegen oder sonst bekannt sind. Der durch die Bestimmungen des § 1047 Abs. 3 ZPO und des § 133 Abs. 1 ZPO gleichermaßen konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör erfordert es nicht, dass das Gericht den Parteien Unterlagen übermittelt, von denen sie bereits Kenntnis haben und zu denen sie daher ohnedies Stellung nehmen können.
ee) Auch zur Eröffnung der Möglichkeit, Manipulationen an Unterlagen durch eine Partei aufzudecken, ist es nicht geboten, § 1047 Abs. 3 ZPO dahin auszulegen, dass die von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei auch dann zu übermitteln sind, wenn die andere Partei bereits über Urschriften oder Abschriften der betreffenden Unterlagen verfügt. Die Verpflichtung des Schiedsgerichts nach § 1047 Abs. 3 ZPO, die von einer Partei vorgelegten Unterlagen der anderen Partei zur Kenntnis zu bringen, dient nicht dem Zweck, den Parteien die Aufdeckung eines solchen prozessordnungswidrigen oder sogar strafbaren Verhaltens des Prozessgegners zu ermöglichen. Sie setzt vielmehr ein ordnungsgemäßes prozessuales Verhalten der Parteien voraus und soll lediglich den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör konkretisieren. Das Schiedsgericht ist daher jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die von der einen Partei vorgelegten Unterlagen von den der anderen Partei bereits vorliegenden Unterlagen inhaltlich abweichen, nicht verpflichtet, der anderen Partei die vorgelegten Unterlagen zu übermitteln.
Im Übrigen kann eine Übermittlung der von einer Partei vorgelegten Abschriften von Unterlagen an die andere Partei weder im schiedsrichterlichen noch im gerichtlichen Verfahren gewährleisten, dass die andere Partei etwaige Manipulationen an den dem Gericht vorgelegten Abschriften dieser Unterlagen aufdecken kann. Die der anderen Partei übermittelten Abschriften der Unterlagen müssen nicht mit den dem Gericht vorgelegten Abschriften der Unterlagen übereinstimmen. Eine Partei kann die Übereinstimmung der dem Gericht vom Gegner vorgelegten Unterlagen mit ihr vorliegenden Unterlagen daher zuverlässig nur durch eine Einsichtnahme in die Verfahrensakte überprüfen. Der Antragsgegner hat von dieser Möglichkeit - auch in den beiden mündlichen Verhandlungen vor dem Schiedsgericht - keinen Gebrauch gemacht.
III. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts auf Kosten des Antragsgegners (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Büscher Koch Löffler
Schwonke Feddersen