Entscheidungsdatum: 14.11.2012
1. NV: Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Konsequenzen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 S. 1 AO) .
2. NV: Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" ist nicht periodenbezogen einschränkend auszulegen. Die "richtigen steuerlichen Folgerungen" sind ohne Rücksicht auf den Besteuerungszeitraum zu ziehen .
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berechtigt war, die Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr (1990) nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) zu ändern.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Jahren 1990 bis 1992 an einer irischen Kapitalanlagegesellschaft (B) beteiligt. Das Vermögen der B bestand aus verschiedenen Wertpapieren, aus denen sie Erträge erzielte. Im Streitjahr waren die Anteile an der B in der Bilanz des Klägers unter dem Bilanzposten "Beteiligung" erfasst. Die Erträge aus der Beteiligung behandelte der Kläger nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 17. Oktober 1962 (BGBl II 1964, 267, BStBl I 1964, 321) als steuerfreie Ausschüttungen.
Dem folgte das FA zunächst, sah dann aber in der "Zwischenschaltung" der B einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO und löste den Bilanzposten "Beteiligung" gewinnmindernd auf. Stattdessen erfasste es unter dem Konto "Sammelposten" erfolgswirksam die Wertpapiere, Debitoren, Geldkonten, Kreditoren und das Kapitalkonto der B. Die Steuerfreistellung der ausländischen Einkünfte entfiel im Streitjahr und in den darauffolgenden Jahren. Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer unterblieb. Die in der Gewinn- und Verlust-Rechnung der B ausgewiesenen Betriebsausgaben ließ das FA nicht zum Betriebsausgabenabzug zu, berücksichtigte aber pauschal 0,3 v.H. der Einnahmen als Betriebsausgaben. Im Ergebnis führte die Auflösung des Bilanzpostens "Beteiligung" und dessen Ersetzung durch den Bilanzposten "Sammelposten" im Streitjahr zu einer niedrigeren und in den Folgejahren zu einer höheren Körperschaftsteuerfestsetzung.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr nahm der Kläger in der Annahme zurück, ihm fehle für dieses Verfahren die Beschwer. Die Klagen gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide für die Folgejahre ruhten zunächst bis zum Abschluss der beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Revisionsverfahren I R 94/97 und I R 117/97. Nachdem der erkennende Senat in jenen Verfahren entschieden hatte, dass die Beteiligung einer inländischen Kapitalgesellschaft an Kapitalanlagegesellschaften im niedrig besteuerten Ausland nicht rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO ist, wenn die ausländische Gesellschaft auf eine gewisse Dauer angelegt ist und über ein Mindestmaß an personeller und sachlicher Ausstattung verfügt, die die unternehmerische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit sicherstellt (vgl. Senatsurteile vom 25. Februar 2004 I R 42/02, BFHE 206, 5, BStBl II 2005, 14; vom 19. Januar 2000 I R 94/97, BFHE 191, 257, BStBl II 2001, 222, und I R 117/97, Internationales Steuerrecht 2000, 182), wurden diese Klageverfahren wieder aufgenommen und außergerichtlich in der Weise erledigt, dass die Beteiligung an der B nicht länger als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde. Dementsprechend erließ das FA nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO Änderungsbescheide für die Folgejahre, in denen die Körperschaftsteuer entsprechend herabgesetzt wurde.
Für das Streitjahr erließ das FA am 20. Februar 2006 einen gemäß § 174 Abs. 4 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid, in dem die Körperschaftsteuer heraufgesetzt wurde. Aus der Richtigstellung der irrigen Beurteilung eines einheitlichen Sachverhalts --der Beteiligung an der B-- seien steuerrechtliche Folgen sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Klägers in mehreren Veranlagungszeiträumen zu ziehen. Das Finanzgericht (FG) Köln gab der daraufhin erhobenen Klage mit Urteil vom 9. Juni 2011 13 K 3702/07, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1856, statt. Das FA sei nicht befugt gewesen, den Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr nach § 174 Abs. 4 AO zu Lasten des Klägers zu ändern. Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 Abs. 4 AO sei bei über mehrere Veranlagungszeiträume andauernden Sachverhalten durch das Periodizitätsprinzip zu begrenzen.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorinstanz hat zu Unrecht eine Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO abgelehnt.
1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Satz 1 AO). Irrige Beurteilung eines Sachverhalts bedeutet, dass sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Februar 1996 I R 150/94, BFHE 180, 8, BStBl II 1996, 417). Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404, m.w.N., und vom 22. Juli 1980 VIII R 114/78, BFHE 131, 429, BStBl II 1981, 101). Der Begriff des bestimmten Sachverhalts ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes steuerrechtlich bedeutsames Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex (vgl. Senatsurteil vom 22. August 1990 I R 42/88, BFHE 162, 470, BStBl II 1991, 387; BFH-Urteile vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647; vom 18. März 2004 V R 23/02, BFHE 205, 402, BStBl II 2004, 763, und vom 14. Januar 2010 IV R 33/07, BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, jeweils m.w.N.). Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen gelegen hat (BFH-Urteil vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562; Senatsurteil vom 21. August 2007 I R 74/06, BFHE 218, 487, BStBl II 2008, 277, und BFH-Urteil vom 10. Mai 2012 IV R 34/09, BFH/NV 2012, 1644, jeweils m.w.N.). Entscheidend ist, dass aus demselben unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten Sachverhalt andere steuerliche Folgen in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen sind (BFH-Urteil in BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Der Steuerpflichtige soll im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Beschluss vom 21. Mai 2004 V B 30/03, BFH/NV 2004, 1497; BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126, 128, unter 2. b; vom 24. März 1981 VIII R 85/80, BFHE 134, 1, BStBl II 1981, 778; vgl. auch BTDrucks VI/1982, 153, 154; BFH-Urteil vom 10. März 1999 XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475).
2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Änderung des streitgegenständlichen Körperschaftsteuerbescheides nach § 174 Abs. 4 AO vor.
a) Der BFH versteht § 174 Abs. 4 Satz 1 AO in ständiger Rechtsprechung als eine gegenüber den Regelungen des § 174 Abs. 1 bis Abs. 3 AO eigenständige Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts beschränkt ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404; vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264; in BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647, m.w.N.). Der teilweise im Schrifttum vertretenen abweichenden Auffassung, auch § 174 Abs. 4 Satz 1 AO setze zwingend ein wechselseitiges Ausschließlichkeitsverhältnis voraus, das nur die alternative Berücksichtigung desselben Sachverhalts erlaube (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 42; Brüning, Die widerstreitende Steuerfestsetzung, 1989, 88 f.), ist die Rechtsprechung des BFH unter Hinweis auf den Wortlaut des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht gefolgt. Im Gegensatz zu § 174 Abs. 1 bis Abs. 3 AO enthält § 174 Abs. 4 Satz 1 AO das Merkmal, dass ein bestimmter Sachverhalt sich nur einmal auswirken darf, nicht. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
b) Als "bestimmter Sachverhalt" i.S. des § 174 Abs. 4 AO ist das Halten der Beteiligung an der B und die damit einhergehende Erzielung von Einnahmen zu sehen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz liegt der einheitliche Sachverhalt im Halten der Beteiligung an der B in den Jahren 1990 bis 1992. Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" ist damit nicht periodenbezogen einschränkend auszulegen. Im Vordergrund der Regelung des § 174 Abs. 4 AO steht --anders als z.B. bei § 174 Abs. 3 AO-- nicht der Verwaltungsakt, sondern der Sachverhalt. Es soll nicht ein unrichtiger Verwaltungsakt durch einen für den gleichen Besteuerungszeitraum, die gleiche Steuerart und den gleichen Steuerpflichtigen ergehenden fehlerfreien Verwaltungsakt ersetzt werden, sondern die richtige Besteuerung eines "bestimmten Sachverhalts" hergestellt werden. Die "richtigen steuerlichen Folgerungen" sind dabei ohne Rücksicht auf die Steuerart (Senatsbeschluss vom 3. August 1988 I R 115/84, BFH/NV 1989, 482), den Steuerpflichtigen (vgl. insoweit die Regelung des § 174 Abs. 5 AO) oder den Besteuerungszeitraum (Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 176 unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 16. Mai 1990 X R 147/87, BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942) zu ziehen.
aa) Den bestimmten Sachverhalt bildet für die Rechtsfrage danach, ob die Zwischenschaltung der B in Irland als missbräuchlich oder nicht missbräuchlich i.S. von § 42 AO anzusehen ist, das Halten der Beteiligung an der B. Der Sachverhalt beschränkt sich dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes steuerrechtlich bedeutsames Merkmal in einem bestimmten Veranlagungszeitraum. Im Streitfall kommt es daher beispielsweise nicht darauf an, zu welchem konkreten Zeitpunkt die B über welches Maß an personeller und sachlicher Ausstattung verfügt hat. Erfasst wird vielmehr der einheitliche, für diese Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex, und das ist vorliegend das Halten der Beteiligung an der B in den Jahren 1990 bis 1992. An diesen Lebensvorgang werden durch § 42 AO die steuerlichen Folgen für die Jahre 1990 bis 1992 geknüpft.
Bestätigt wird dieses Ergebnis letztlich auch dadurch, dass der Kläger ansonsten durch Rücknahme der --trotz punktueller steuerlicher "Besserstellung" keineswegs unzulässigen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527)-- Klage für das Streitjahr in die Lage versetzt würde, die steuerlichen Folgen aus einem einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex im Hinblick auf die für ihn günstigen steuerlichen Folgewirkungen zu beeinflussen. Dass die Klagerücknahme in casu in der fälschlichen Annahme ihrer Unzulässigkeit erfolgt sein mag, widerspricht dem objektiv nicht.
bb) Der Einheitlichkeit des Lebensvorgangs steht nicht das Prinzip der Abschnittsbesteuerung (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 31. Aufl., § 2 Rz 69; Fehrenbacher in Schnitger/ Fehrenbacher, KStG, § 7 Rz 26) entgegen. Zwar ist es richtig, dass alle für die Entstehung eines Steueranspruchs bedeutsamen Tatsachen innerhalb eines Veranlagungszeitraums (§ 25 des Einkommensteuergesetzes 2002 --EStG 2002-- i.V.m. § 31 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 --KStG 2002--) gegeben sein und daher für jeden Veranlagungszeitraum gesondert geprüft werden müssen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 767). Dieses in § 2 Abs. 7 Sätze 1 und 2 EStG 2002 sowie § 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KStG 2002 für die Steuern vom Einkommen niedergelegte ertragsteuerliche Prinzip findet sich allerdings in der Abgabenordnung nicht wieder. Die "technische" Umsetzung des Periodizitätsprinzips wird in § 149 Abs. 1 AO ausdrücklich den Einzelsteuergesetzen überlassen. Ebenso verhält es sich mit dem Periodizitätsprinzip selbst. Der Abgabenordnung liegt ein solches, grundsätzlich zu beachtendes Prinzip nicht zugrunde. Solange der Wortlaut der einzelnen Bestimmungen der Abgabenordnung keinen entsprechenden Hinweis erkennen lässt, kann dieses auch nicht in einzelne Bestimmungen "hineingelesen" werden (a.A. v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 277, 279). Da § 174 Abs. 4 AO den "bestimmten Sachverhalt" nicht auf einen Veranlagungszeitraum begrenzt, können somit entgegen der Vorinstanz die "richtigen steuerlichen Folgerungen" auch nicht nur in diesem Veranlagungszeitraum gezogen werden.
cc) Die Änderung des streitgegenständlichen Körperschaftsteuerbescheides widerspricht schließlich nicht dem Urteil des XI. Senats des BFH in BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475. Im dortigen Fall hatte der Kläger aufgrund eines zu seinen Gunsten geänderten Einkommensteuerbescheides, in dem eine berufliche Tätigkeit als nicht gewerblich qualifiziert wurde, eine entsprechende Änderung des ihn belastenden Gewerbesteuermessbescheides begehrt. Er hatte damit eine Übertragung der umstrittenen Vorteile auf eine andere Steuerart angestrebt. Der XI. Senat hat dies abgelehnt, da § 174 Abs. 4 AO es nicht zulasse, die durch Rechtsbehelf erwirkte Änderung eines Bescheides zu Gunsten des Steuerpflichtigen auf bestandskräftige andere Bescheide zu übertragen. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass eine Änderung aufgrund des § 174 Abs. 4 AO immer zu Ungunsten des Steuerpflichtigen erfolgt (vgl. Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 153; s.a. Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 56). Nur eine derartige Auslegung wird letztlich dem Telos der Vorschrift, das sich auch in der amtlichen Überschrift der Regelung --"Widerstreitende Steuerfestsetzungen"-- widerspiegelt, gerecht. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass § 174 Abs. 4 AO nur Anpassungen erfassen kann, die sich aus dem Sachverhalt, nicht aber aus den steuerlichen Folgen dieses Sachverhalts ergeben (vgl. Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 163; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 56). Die Regelung bezweckt damit lediglich den Ausgleich einer zu Gunsten des Steuerpflichtigen eingetretenen Änderung; wer erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Urteil in BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475; BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1497). Hieraus ergibt sich jedoch weiter, dass aus dem Urteil des XI. Senats des BFH gerade keine Einschränkung des § 174 Abs. 4 AO abzuleiten ist.
dd) Der Senat schließt sich nicht der Auffassung der Vorinstanz an, wonach bei gleichförmigen, über mehrere Veranlagungszeiträume verwirklichten Lebenssachverhalten eine Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen zu begrenzen sei, da die Vorschrift des § 174 Abs. 4 AO es nicht erlaube, sämtliche bereits bestandskräftig veranlagten Jahre zu Gunsten des Steuerpflichtigen, der in einem Veranlagungszeitraum die Aufhebung eines ihn belastenden Steuerbescheides wegen der bis dahin irrigen Beurteilung des Sachverhalts erstreite, zu ändern. Eine dahingehende einschränkende Auslegung der Norm wäre --unabhängig davon, dass für eine derartige Auslegung im Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkte erkennbar sind-- auch nicht wegen einer möglichen "einseitigen" Wirkung der Norm gerechtfertigt.
Diese "einseitige" Wirkung der Regelung des § 174 Abs. 4 AO steht letztlich im Einklang mit dem Zweck der Vorschrift, wonach bei einer antragsgemäßen Änderung des Steuerbescheides zu Gunsten des betroffenen Steuerpflichtigen der Finanzverwaltung die Durchsetzung des sich aus demselben Sachverhalt ergebenden materiell-rechtlich richtigen Steueranspruchs ermöglicht werden soll (vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126, 128, unter 2. b, und in BFHE 134, 1, BStBl II 1981, 778; vgl. auch BTDrucks VI/1982, 153, 154). Diese ungleiche Berücksichtigung ist Ausfluss des vom Gesetzgeber vorgenommenen Ausgleichs zwischen Bestandskraft und materieller Gerechtigkeit. Der Gesetzgeber hat bei der Abwägung dieser beiden Prinzipien dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit in den Fällen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO den Vorzug gegeben. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, diese verfassungsrechtlich unbedenkliche Abwägung des Gesetzgebers zu korrigieren.
c) Der Senat sieht sich insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH. Dieser hat in seinem Urteil in BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647 entschieden, dass § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht verlangt, die richtigen steuerrechtlichen Folgerungen aus einem Sachverhalt nur in einem Steuerbescheid zu ziehen. Die irrige Beurteilung des Sachverhalts kann sich in mehreren Besteuerungsabschnitten auswirken und dementsprechend die Änderung der Steuerbescheide für mehrere Veranlagungszeiträume erforderlich machen. Der VIII. Senat verweist dabei unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die amtliche Überschrift des § 174 AO darauf, dass es "widerstreitend" wäre, wenn der Kläger wegen der auf die Verhältnisse des Streitjahres gestützten Annahme der Einkunftserzielungsabsicht die Änderung der Steuerfestsetzungen für die Jahre, in denen ein Werbungskostenüberschuss aufgetreten ist, zu seinen Gunsten erreicht hat, der Einnahmeüberschuss im Streitjahr dagegen einkommensteuerrechtlich unbeachtet bleiben müsste.
3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Die Sache ist spruchreif, und die Klage ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.