Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 22.12.2015


BFH 22.12.2015 - I R 40/15

Vercharterung von Handelsschiffen - Gewerbesteuerliche Kürzung bei Weitervercharterung


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
22.12.2015
Aktenzeichen:
I R 40/15
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend FG Hamburg, 7. Mai 2015, Az: 6 K 220/14, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 107 Abs 1 AEUV
Art 108 Abs 3 S 2 AEUV
EStG VZ 2005
EStG VZ 2006
EStG VZ 2007
EStG VZ 2009

Leitsätze

Die Weitervercharterung von Handelsschiffen führt beim Zweitvercharterer nur dann zur Fiktion einer ausländischen Betriebsstätte i.S. des § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG 2002, wenn dieser die Schiffe selbst ausgerüstet hat .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 7. Mai 2015  6 K 220/14 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2002) bei der Weitervercharterung bereits vom Vercharterer ausgerüsteter Schiffe zu versagen ist.

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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, übte bis 2001 eine Tätigkeit als Bereederungs- und Befrachtungsgesellschaft für Seeschiffe im internationalen Verkehr aus. Im Jahr 2001 wurden sämtliche der Geschäftstätigkeit zu Grunde liegenden Verträge auf die A Bereederungsgesellschaft mbH übertragen. Die Klägerin übte in der Folge zunächst keine aktive Geschäftstätigkeit aus.

3

In den Streitjahren 2005 bis 2007 und 2009 war die Klägerin an zwei Schiffahrtsgesellschaften mbH & Co. KG beteiligt, der C Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und der D Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG. Unter dem 8. Dezember 2003 und dem 30. April 2004 charterte sie von beiden Gesellschaften voll ausgerüstete, betriebsbereite und im deutschen Schiffsregister eingetragene Schiffe, welche sie mit Gewinn weiter vercharterte. Beschäftigungslose und sog. Offhire-Zeiten der Seeschiffe gingen zu ihren Lasten.

4

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte der Klägerin bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Chartererlöse eine Kürzung i.S. des § 9 Nr. 3 GewStG 2002.

5

Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2005, 2006, 2007 und 2009 sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2005 war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 7. Mai 2015  6 K 220/14 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1556 abgedruckt.

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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass im Streitfall die Voraussetzungen für die gewerbesteuerliche Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG 2002 vorliegen.

9

1. Nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens zu kürzen, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Gemäß § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG 2002 gelten bei Unternehmen, die ausschließlich den Betrieb von eigenen oder gecharterten Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, 80 v.H. des Gewerbeertrags als auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfallend. § 9 Nr. 3 Satz 5 GewStG 2002 verweist auf die entsprechende Anwendung von § 5a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002/2009), nach dem u.a. zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auch ihre Vercharterung gehört, wenn die Handelsschiffe vom Vercharterer ausgerüstet worden sind.

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Als ausgerüstet ist ein Schiff anzusehen, wenn es --wie es das FG festgestellt hat-- betriebsbereit, insbesondere i.S. des § 557 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) mit einer Mannschaft versehen ist und deswegen zu Transportleistungen im internationalen Verkehr eingesetzt werden kann (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Dezember 1989 IV R 86/88, BFHE 159, 446, BStBl II 1990, 433; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. November 1985 IV R 170/83, BFHE 145, 67, BStBl II 1986, 60). Nicht erfasst ist hingegen das reine Überlassen eines Schiffes durch den Schiffseigner, wie es einem Schiffsmietvertrag i.S. des § 553 Abs. 1 HGB --dem sog. Bareboat Charter-- zu Grunde liegt (BFH-Urteil vom 5. August 1976 IV R 12/73, BFHE 119, 473, BStBl II 1976, 710).

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2. Anders als es das FG annimmt, führt im Falle der Weitervercharterung gecharterter Handelsschiffe die Vercharterung durch den Zweitvercharterer nur dann zur Fiktion einer ausländischen Betriebsstätte, wenn --woran es im Streitfall fehlt-- die Schiffe vom Zweitvercharterer selbst ausgerüstet worden sind (anders Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3 Rz 28; s. für § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 Hennrichs/Kuntschik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5a Rz C 23; Blümich/Hofmeister, § 5a EStG Rz 38, 42; Dahm in Lademann, EStG, § 5a EStG Rz 73; Tormöhlen in Korn, § 5a EStG Rz 29; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. Juni 2002, BStBl I 2002, 614, dort Rz 10).

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a) So schließt schon der Wortlaut des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 die Weitervercharterung bereits ausgerüsteter Schiffe aus seinem Anwendungsbereich aus. Das Erfordernis, dass die Handelsschiffe vom Vercharterer ausgerüstet worden sein müssen, kann sich --schon aufgrund des bestimmten Artikels-- nur auf jenen Vercharterer beziehen, dessen auf die Vercharterung entfallender Gewerbeertrag in dem betreffenden Besteuerungsverfahren in Rede steht. Hätte auch eine Ausrüstung durch den Erstvercharterer für eine Kürzung des Gewerbeertrags des Weitervercharterers ausreichen sollen, hätte dies ausdrücklich in den Anwendungsbereich einbezogen werden müssen.

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b) Zudem ergibt sich aus § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG 2002/2009, dass der Gesetzgeber sprachlich durchaus zwischen der Überlassung eines ausgerüsteten Schiffes durch den Vercharterer und dessen Weitervercharterung durch den Charterer auf der einen Seite sowie einer Bareboat Charter und der Ausrüstung durch den Charterer selbst auf der anderen Seite unterscheidet. Danach unterfallen negative Einkünfte aus der entgeltlichen Überlassung von Schiffen der beschränkten Verlustverrechnung, es sei denn, es handelt sich um Handelsschiffe, die von einem Vercharterer ausgerüstet (Doppelbuchst. aa) oder an im Inland (EStG 2002) bzw. in einem anderen als in einem Drittstaat (EStG 2009) ansässige Ausrüster (Doppelbuchst. bb) überlassen worden sind. Ähnliches gilt für § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG 2009 (dort Buchst. a und Buchst. b).

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Wird dagegen --ohne den Fall der ausgerüsteten Überlassung gesondert einzubeziehen-- im Rahmen des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 lediglich auf das Ausrüsten durch den Vercharterer abgestellt, lässt dies den Schluss zu, dass sich dessen Anwendungsbereich auf vom Charterer in eigener Verantwortung ausgerüstete Schiffe beschränkt.

15

c) Das Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 159, 446, BStBl II 1990, 433, dem zufolge der (durch Art. 6 Nr. 2 des Seeschiffahrtsanpassungsgesetzes vom 9. September 1998, BGBl I 1998, 2860, BStBl I 1998, 1158 aufgehobene) vormalige tarifliche Begünstigungstatbestand des § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. auch die Weitervercharterung eines bereits vom Erstvercharterer ausgerüsteten Schiffes umfasst hat, nötigt den erkennenden Senat nicht nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO zu einer Divergenzanfrage an den IV. Senat. Das folgt schon daraus, dass der Geschäftsverteilungsplan des BFH für Streitfragen im Rahmen des § 34c EStG nunmehr die Alleinzuständigkeit des I. Senats vorsieht (vgl. bezogen auf 2015 in BStBl II 2015, 96, dort unter A. I. Senat Nr. 3 Buchst. d). Zudem ist die nunmehr durch § 9 Nr. 3 Satz 5 GewStG 2002 in Bezug genommene Norm des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 weder ihrem Wortlaut nach noch hinsichtlich ihrer systematischen Verortung mit der Tarifvorschrift des § 34c Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. identisch (s. insoweit auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. November 2010  1 K 3/09, nicht veröffentlicht).

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d) Schließlich unterscheidet sich der Streitfall von jenem des IV. Senats dadurch, dass er die Auslegung des § 9 Nr. 3 GewStG 2002 betrifft, der lediglich im Rahmen einer Verweisung die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 2 EStG 2002/2009 zur Vercharterung für entsprechend anwendbar erklärt. In diesem Rahmen ist aber der Zusammenhang zu § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 zu berücksichtigen, nach dem der Teil des Gewerbeertrages der Kürzung unterfällt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Zwar stellen fahrende Schiffe keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage i.S. der Betriebsstättendefinition des § 12 Satz 1 der Abgabenordnung dar (Senatsurteil vom 13. Februar 1974 I R 218/71, BFHE 111, 416), die für die Tatbestandsmäßigkeit von § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 allein maßgebend ist (vgl. z.B. Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 218; Ham/Rätzer, Deutsches Steuerrecht 2015, 2650; Kahlenberg, Internationale Steuer-Rundschau 2015, 380; Lüdicke, Internationales Steuerrecht 2015, 770; Becker/Loose, Die Unternehmensbesteuerung 2015, 520; anders FG Köln, Urteil vom 7. Mai 2015  10 K 73/13, EFG 2015, 1558). Entscheidet sich jedoch der Gesetzgeber bei dem auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfallenden Gewerbeertrag für eine Verortung im Rahmen der Kürzungsvorschriften durch ausländische Betriebsstätten und verwendet er dabei die Regelungstechnik der Betriebsstättenfiktion, ist die Auslegung --vorbehaltlich des Fehlens der festen Beziehung zur Erdoberfläche-- im Lichte des Betriebsstättenbegriffs vorzunehmen.

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Dieser erfordert eine Geschäftseinrichtung, die von einer gewissen Dauer ist und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Senatsurteile vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; vom 4. Juni 2008 I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, m.w.N.). Zugleich muss die Geschäftseinrichtung der Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar dienen; erforderlich ist, dass eine eigene unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird (BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 159/84, BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653). An einer solchen Tätigkeit fehlt es, wenn die Geschäftseinrichtung einem anderen Unternehmer für dessen geschäftliche Tätigkeit überlassen wird und an dem betreffenden Ort keine eigenen betrieblichen Handlungen vorgenommen werden (Senatsurteil vom 13. Juni 2006 I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94; vgl. auch BFH-Urteil vom 2. März 1990 III R 24/85, BFHE 160, 367, BStBl II 1990, 756).

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Nach diesen Maßstäben kann im Fall der Vercharterung nur dann von einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen werden, wenn das Handelsschiff selbst auf eigene Rechnung und eigenes Risiko ausgerüstet wurde. Bei der Zweitvercharterung eines bereits ausgerüsteten, insbesondere mit einer Mannschaft versehenen Schiffes fehlt es an einem Bezug der unternehmerischen Tätigkeit zu der Geschäftseinrichtung in Form des Schiffes. Sie ähnelt der Betriebsverpachtung, die für sich genommen ebenfalls keine Betriebsstätte begründet (Senatsurteil vom 12. April 1978 I R 136/77, BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494; s. auch für die Verpachtung von unbeweglichem Vermögen BFH-Urteile in BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653; vom 4. Juli 2012 II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782).

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3. Damit kann hier dahinstehen, ob die Betriebsstättenfiktion des § 9 Nr. 3 Satz 2 ff. GewStG 2002 eine Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) --AEUV-- darstellt und ob einer Kürzung des Gewinns das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV entgegen steht.

20

4. Die Vorinstanz hat eine dem entgegen stehende Rechtsauffassung vertreten. Über die spruchreife Sache entscheidet der Senat nach § 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO durch Aufhebung des angefochtenen Urteils und durch Klageabweisung.

21

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.