Entscheidungsdatum: 26.06.2013
1. NV: Nach der Erlasslage in Tz. 2.2.2. des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1994 (BStBl I 1995, Sondernummer 1/1995) wurde die britische sog. Remittance-Base Besteuerung grundsätzlich nicht als Vorzugsbesteuerung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG angesehen. Es ist deshalb anzunehmen, dass Tatsachen, die dem Finanzamt im Hinblick auf die erweitert beschränkte Steuerpflicht nachträglich bekanntwerden und die als solche zu einer höheren Steuer führen, für die ursprüngliche Veranlagung nicht rechtserheblich gewesen wären. Eine Änderung des vorangegangen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist damit ausgeschlossen .
2. NV: Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist gleichermaßen ausgeschlossen, wenn dem FA die Tatsachen aufgrund einer Verletzung seiner Ermittlungspflichten unbekannt geblieben sind und der Steuerpflichtige seinerseits die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt hat. Das ist bezogen auf die erweitert beschränkte Steuerpflicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige bis zu seinem Wegzug nach Großbritannien Kapitaleinkünfte erklärt hat, die für sich genommen wesentliche wirtschaftliche Interessen i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 AStG repräsentieren, dieser Umstand das FA aber zunächst nicht dazu veranlasste, nach dem Wegzug eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht infolge der Remittance Base-Besteuerung anzunehmen .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine deutsche Staatsangehörige, wohnte bis 2000 im Inland. Ende jenes Jahres verzog sie nach Großbritannien und hatte dort in den Streitjahren 2001 und 2002 ihren Wohnsitz. Sie erzielte in diesen Jahren ebenso wie in den Vorjahren erhebliche Einkünfte, unter anderem aus der Vermietung von in Deutschland und anderswo gelegenen Gebäuden sowie aus Geldanlagen (Wertpapieren, Wandelnleihen, Immobilienfonds u.a.m.), die in einem Depot bei einem deutschen Bankinstitut, der X-Bank, verwahrt wurden.
Von 2001 an veranlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin nicht mehr als unbeschränkt, sondern erklärungsgemäß nur noch mit den Vermietungseinkünften von … DM (2001) sowie … € (2002) gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997/2002) als beschränkt steuerpflichtig; die Kapitalerträge blieben seitdem unbesteuert, und zwar ausweislich der dazu gefertigten amtsinternen Aktenvermerke vom 15. und 22. März sowie vom 8. Mai 2001, weil die dafür einschlägigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG 1997/2002 nicht erfüllt waren. Die entsprechenden Bescheide, durch welche die Einkommensteuern für 2001 auf … DM (… €) und für 2002 auf … € festgesetzt wurden, ergingen am 29. Juli 2002 (für 2001) und am 6. Oktober 2003 (für 2002) jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung; die Vorbehaltsvermerke wurden gemäß § 164 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) durch Bescheide vom 26. März 2004 aufgehoben.
Von November 2005 bis zum Dezember 2006 führte das FA bei der Klägerin (mit Unterbrechungen) für die Jahre 2001 bis 2003 eine Prüfung der steuerlichen Auslandsbeziehungen --als sog. betriebsnahe Veranlagung-- durch. Der Prüfer stellte fest, dass die Klägerin neben den bereits erklärten inländischen Vermietungseinkünften Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt … DM (2001) und … € (2002) vereinnahmt hatte. Die Kapitalerträge resultierten größtenteils daraus, dass die Klägerin einen Ausgleichsanspruch aus einem Nachlass ausgezahlt erhalten hatte. Dieser Anspruch war für die Zeit bis 28. Februar 2001 verzinst und die Zinsen in Höhe von … DM waren im Mai 2001 auf das von der Klägerin bei der X-Bank geführte Konto überwiesen worden. Die übrigen Kapitaleinkünfte in Höhe von … DM (2001) sowie von … € (2002) hatte die Klägerin überwiegend aus dem im auch schon zuvor bei der X-Bank unterhaltenen Depot verwahrten Vermögen erwirtschaftet.
Das FA vertrat nunmehr die Auffassung, die Klägerin sei in den Streitjahren gemäß § 2 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz --AStG--) als erweitert beschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Darüber hinaus seien die von der Klägerin erzielten ausländischen Einkünfte bei der Bestimmung des Steuersatzes zu berücksichtigen.
Die Klage gegen die hiernach --am 15. Februar 2007-- gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Steuerbescheide blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 21. November 2011 8 K 628/08 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 587 abgedruckt.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das FG-Urteil sowie die geänderten Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Einkommensteuerbescheide. Das FA war nicht befugt, die ursprünglich gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheide über die (beschränkte) Einkommensteuerpflicht zum Nachteil der Klägerin als solche über die nunmehr erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht zu ändern; dafür ist keine verfahrensrechtliche Handhabe ersichtlich; insbesondere § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bietet eine solche nicht.
1. Nach § 2 Abs. 1 AStG ist eine natürliche Person, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen ist, bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem ihre unbeschränkte Steuerpflicht geendet hat, über die beschränkte Steuerpflicht im Sinne des Einkommensteuergesetzes hinaus beschränkt einkommensteuerpflichtig mit allen Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz EStG 1997/2002, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 1 EStG 1997/2002 sind. Voraussetzung für diese erweitert beschränkte Steuerpflicht ist u.a., dass die betreffende Person in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt und wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland hat.
Eine niedrige Besteuerung in diesem Sinne liegt entweder --nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG-- vor, wenn die Belastung durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer --nach dem Tarif unter Einbeziehung von tariflichen Freibeträgen-- bei einer in diesem Gebiet ansässigen unverheirateten natürlichen Person, die ein steuerpflichtiges Einkommen von 150.000 DM bzw. 77.000 € bezieht, um mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung einer im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen natürlichen Person durch die deutsche Einkommensteuer unter sonst gleichen Bedingungen, oder --nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG--, wenn die Belastung der Person durch die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer auf Grund einer gegenüber der allgemeinen Besteuerung eingeräumten Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert sein kann; in beiden Alternativen entfällt eine niedrige Besteuerung in diesem Sinne, wenn die Person nachweist, dass die von ihrem Einkommen insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die sie bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG 1997/2002 zu entrichten hätte.
Eine Person hat i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AStG wesentliche wirtschaftliche Interessen im Geltungsbereich des Gesetzes, --u.a. und soweit hier einschlägig-- entweder nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG dann, wenn ihre Einkünfte, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 1 EStG 1997/2002 sind, im Veranlagungszeitraum mehr als 30 v.H. ihrer sämtlichen Einkünfte betragen oder 120.000 DM bzw. 62.000 € übersteigen oder nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG dann, wenn zu Beginn des Veranlagungszeitraums ihr Vermögen, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 1 EStG 1997/2002 wären, mehr als 30 v.H. ihres Gesamtvermögens beträgt oder 300.000 DM bzw. 154.000 € übersteigt.
2. Es ist hiernach und nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht auszuschließen, dass die Klägerin in den Streitjahren der erweitert beschränkten Steuerpflicht unterfällt: Sie ist Deutsche, war bis 2000 im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und hier vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Sie ist seitdem in Großbritannien ansässig. Sie verfügte im Inland über wesentliche wirtschaftliche Interessen im vorgenannten Sinne, u.a. schon deshalb, weil ihre Einkünfte in den Streitjahren 120.000 DM bzw. 62.000 € überstiegen. Das steht unter den Beteiligten im Grundsatz denn auch außer Streit.
3. Im Streit steht allerdings zum einen, ob es sich bei diesen Einkünften um nicht-ausländische Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz i.V.m. § 34c Abs. 1 EStG 1997/2002 handelt. Nach der Rechtsauffassung der Klägerin fehlt es an diesem Erfordernis, weil sie in den beiden Streitjahren in Großbritannien gewohnt habe und das Besteuerungsrecht für die fraglichen Zinsen, welche aus dem Nachlass resultierten, nach Art. VII des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 140) --DBA-Großbritannien 1964/1970-- ausschließlich Großbritannien gebühre; es mangele deswegen an inländischen Einkünften, die für die Tatbestandsmäßigkeit des § 2 AStG vonnöten seien. Zum anderen ist zwischen den Beteiligten kontrovers, ob die Klägerin mit ihren Kapitaleinkünften in ihrem neuen Wohnsitzstaat Großbritannien einer sog. Vorzugsbesteuerung unterliegt. Und kontrovers ist schließlich --bejahendenfalls--, ob § 2 AStG überhaupt anwendbar ist oder aber gegen Unionsrecht verstößt.
Im Einzelnen können diese Streitfragen indessen sämtlich unbeantwortet bleiben, weil das FA aus Verfahrensgründen gehindert gewesen ist, die ursprünglichen der Klägerin gegenüber ergangenen Steuerbescheide zu ändern.
a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Da § 173 AO nach seinem rechtlichen Gehalt keine Fehlerberichtigungsvorschrift ist, rechtfertigt nur das nachträgliche Bekanntwerden von Tatsachen und Beweismitteln eine Änderung nach dieser Vorschrift, nicht hingegen ein nachträglich erkannter Rechtsfehler (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Nachträglich bekanntgewordene Tatsachen, nicht hingegen rechtliche Erwägungen, müssen für eine auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Korrektur maßgeblich sein (BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 117/95, BFH/NV 1997, 853). Ein Steuerbescheid darf wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen deshalb nur dann aufgehoben oder geändert werden, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C.II. am Anfang). Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet hingegen aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C.II.2.b). In Einklang damit steht der Grundsatz von Treu und Glauben einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auch dann entgegen, wenn dem FA Tatsachen aufgrund einer Verletzung seiner Ermittlungspflichten unbekannt geblieben sind, der Steuerpflichtige seinerseits aber die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt hat. Im Falle einer beiderseitigen Pflichtverletzung ist nach ständiger Rechtsprechung eine Abwägung vorzunehmen (z.B. BFH-Urteile vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, und vom 26. Februar 2009 II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599, m.w.N.).
b) Dies vorangestellt, kommt eine Änderung der ursprünglich gegenüber der Klägerin ergangenen Steuerbescheide nicht in Betracht.
aa) Denn die rechtliche Beurteilung, welche jenen ursprünglichen Steuerfestsetzungen zugrunde lag, entsprach der seinerzeitigen Erlasslage im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 2. Dezember 1994 (BStBl I 1995, Sondernummer 1/1995), dort unter Tz. 2.2.2. Nr. 2 Satz 4 und 5. Danach fehlt es an einer wesentlichen Vorzugsbesteuerung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG --und damit an den Voraussetzungen dafür, dass eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht i.S. von § 2 AStG ausgelöst wird-- dann, wenn nach dem Steuerrecht eines ausländischen Staates bei allen in seinem Gebiet ansässigen Personen die aus dem Ausland stammenden Einkünfte nicht der Besteuerung unterliegen (sog. Territorialitätsprinzip). Das gleiche gilt, wenn aus dem Ausland stammende Einkünfte allgemein, ohne weitere an die Ansässigkeit anknüpfende Voraussetzungen (z.B. in Großbritannien), nur besteuert werden, soweit sie in den Staat der Ansässigkeit überwiesen werden (Besteuerung auf der sog. Remittance-Basis). Genau Letzteres ist aber die Situation im Streitfall (in diesem Sinne auch FG Düsseldorf, Urteil vom 20. April 2010 9 K 1639/06 E, juris; Hahn, jurisPR-SteuerR 22/2012, Anm. 3; Angermann/Anger, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2005, 439, 440). Da das FA behördenintern an besagte Erlasslage gebunden gewesen ist, entsprachen die ursprünglichen Steuerfestsetzungen der seinerzeitigen Verwaltungspraxis und ist folglich davon auszugehen, dass das FA auch so entscheiden wollte, wie dies tatsächlich geschehen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. im Einzelnen z.B. BFH-Urteil vom 22. April 2010 VI R 27/08, BFH/NV 2010, 1607, m.w.N.).
bb) Allerdings schränkte das zitierte BMF-Schreiben vom 2. Dezember 1994 unter Tz. 2.2.2. Nr. 2 in zweierlei Weise ein:
Zum einen in Satz 5, indem dort, wie schon wiedergegeben, die Nichtannahme einer Vorzugsbesteuerung durch die Besteuerung auf Remittance base-Basis konditional davon abhängig ist, dass "aus dem Ausland stammende Einkünfte allgemein, ohne weitere an die Ansässigkeit anknüpfende Voraussetzungen" besteuert werden. Diese Einschränkung wird aber gerade für die Rechtslage in Großbritannien ausdrücklich und "glasklar" (so Hahn, ebenda) als nicht einschlägig angesehen und das deckt sich auch mit dem Verständnis z.B. der Oberfinanzdirektion (OFD) Münster in deren "Information" vom 21. Mai 2002 (Der Betrieb --DB-- 2002, 1192), wenn sie (im Vorgriff auf eine beabsichtigte Überarbeitung des Anwendungserlasses zum Außensteuergesetz) "entgegen der Formulierung in Rdn. 2.2.2 Nr. 2" des BMF-Schreibens für die britische Remittance base-Besteuerung grundsätzlich eine niedrigere Besteuerung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG annehmen will.
Zum anderen bestimmt Satz 6 der Tz. 2.2.2. Nr. 2 des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1994: "Ungeachtet dessen kann jedoch auch in diesen Staaten eine gegenüber der allgemeinen Besteuerung eingeräumte Vorzugsbesteuerung nicht ausgeschlossen werden". Dafür lässt sich erneut die besagte "Information" der OFD Münster in DB 2002, 1192 anführen; die OFD hat darin erkennen lassen, dass sie schon zum damaligen Zeitpunkt von einer Vorzugsbesteuerung ausgehe. Das korrespondiert denn auch mit der nachfolgenden Erlasslage im BMF-Schreiben vom 14. Mai 2004 (BStBl I 2004, Sondernummer 1/2004, dort ebenfalls unter Tz. 2.2.2.), die ausweislich dessen Eingangssatzes grundsätzlich ab dem Veranlagungszeitraum 2002 anzuwenden ist und wonach eine beachtliche Vorzugsbesteuerung vorliegen soll, "wenn die Besteuerung nach der sog. Remittance-Basis von besonderen, an die Ansässigkeit anknüpfenden Voraussetzungen abhängig ist, z.B. bei Auslandseinkünften eines in Großbritannien ansässigen Ausländers, der zwar im Vereinigten Königreich ansässig ('resident') ist, jedoch nicht über ein britisches 'domicile' verfügt". Ob diese Ergänzung in dem BMF-Schreiben --so im Streitfall das FA-- allerdings als bloße Klarstellung des schon zuvor existenten Vorbehalts zu begreifen ist, nicht aber als eine gegenüber der vorangehenden nunmehr anderweitigen Sichtweise, ist eher zu bezweifeln. Dagegen spricht die bis dahin uneingeschränkte Erwähnung der Remittance base-Besteuerung im BMF-Schreiben vom 2. Dezember 1994 als Beispiel für eine fehlende Vorzugsbesteuerung (ebenso Angermann/Anger, IStR 2005, 439). Vor diesem Hintergrund ist eher anzunehmen, dass das FA auch bei frühzeitiger Kenntnis von der Zahlung an die Klägerin im Zuge der Erbauseinandersetzung nicht von einer erweitert beschränkten Steuerpflicht ausgegangen wäre.
c) Unabhängig davon ist genau das alles --der Vorbehalt in Nr. 2 Satz 6 der Tz. 2.2.2. des BMF-Schreibens vom 2. Dezember 1994 ebenso wie auch die Verlautbarung der OFD Münster-- der Grund, weshalb es dem FA abzuverlangen gewesen wäre, von sich aus im Rahmen der ihm obliegenden Ermittlungspflichten (vgl. § 88 AO) beizeiten kraft Amtes weitere Nachforschungen über die Regelungslage nach englischem Steuerrecht anzustellen, wenn es darauf hätte abheben wollen. Ein solcher Grund war im Streitfall gegeben, obschon das FA seinerzeit noch keine konkrete Kenntnis über die Ausgleichszahlungen hatte, welche der Klägerin im Streitjahr 2001 im Zuge der Erbauseinandersetzung zugeflossen waren und aus welchen die in Rede stehenden zusätzlichen Kapitalerträge erwirtschaftet worden waren. Dem FA war nämlich aus den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen, in welchen die Klägerin noch unbeschränkt steuerpflichtig gewesen war, infolge der vorgelegten Steuererklärungen bekannt, dass sie über namhafte laufende Kapitalerträge im Inland verfügte, die allerdings mangels Tatbestandsmäßigkeit (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG 1997/2002) keine beschränkte Steuerpflicht auslösten. Für diese Kapitalerträge stellte sich die Frage einer möglichen Vorzugsbesteuerung nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 AStG aber nicht minder wie für die Zinsen aufgrund der nachlassbedingten Ausgleichszahlungen. Das FA hatte seinerzeit jedoch ausweislich der vorliegenden Aktenvermerke und im Einvernehmen mit der Klägerin bewusst darauf verzichtet, die --nicht der "einfachen" beschränkten Steuerpflicht unterfallenden-- Kapitalerträge in die Besteuerung einzubeziehen. An eine mögliche Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 2 AStG wurde offenbar nicht gedacht, obwohl dessen Voraussetzungen jedenfalls in diesem Punkt aus objektiver Sicht so oder so erfüllt waren und die Klägerin auch bereits aufgrund dieser Erträge über wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 AStG verfügte. Die späteren aus der betriebsnahen Veranlagung gewonnenen Erkenntnisse änderten lediglich den Umfang der Kapitalerträge. Anders als das FA meint, "führen" sie aber nicht zu der erweitert beschränkten Steuerpflicht und sie beruhen insoweit --und soweit nach Aktenlage erkennbar-- auch nicht darauf, dass die Klägerin den ihr obliegenden Mitwirkungs- und Erklärungspflichten im Rahmen ihrer Steuererklärungen bloß unzulänglich nachgekommen wäre. Dass sie für die Streitjahre nicht ihre sämtlichen bezogenen Einkünfte deklariert hat (vgl. dazu allgemein § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG 1997/2002), gründete erkennbar darin, dass sie dazu als beschränkt Steuerpflichtige und nach den Absprachen mit dem FA nicht verpflichtet war. Die Annahme der erweitert beschränkten Steuerpflicht entspringt infolgedessen allein einer anderweitigen rechtlichen Beurteilung des Fachprüfers.
Hat das FA die bei dieser Sachlage hiernach notwendigen Nachforschungen aber --zunächst-- unterlassen und trotzdem die ursprünglich nicht zuletzt wegen weiteren Prüfungsbedarfs angebrachten Vorbehaltsvermerke gemäß § 164 Abs. 3 AO aufgehoben, dann ist ihm dieses Unterlassen mit der Wirkung einer Änderungssperre zuzurechnen, wenn es später zu neuen, dem Steuerpflichtigen nachteiligen Erkenntnissen --hier: über den Umfang weiterer Kapitalerträge der Klägerin und in diesem Zusammenhang die Besteuerungssituation in Großbritannien-- gelangt (vgl. allg. m.w.N., von Wedelstädt in Beermann/Gosch, § 173 AO Rz 66 ff.). Das Kriterium der Rechtserheblichkeit (Kausalität) der neuen Tatsache bei der ursprünglichen Veranlagung soll es gerade ausschließen, dass die Beteiligten des Steuerschuldverhältnisses mit Hilfe eines Änderungsbescheids eine (scheinbar) neue Tatsache zum bloßen Anlass oder Vorwand nehmen, eine geläuterte Rechtsansicht nachträglich durchzusetzen (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180); der Gesetzgeber hat vielmehr dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit in solchen Fällen Vorrang vor der materiellen Richtigkeit der ergangenen Verwaltungsentscheidung eingeräumt (BFH-Beschluss, ebenda). Letztlich will das FA im Streitfall aber genau solches erreichen. Lediglich die Größenordnung der nunmehr "entdeckten" Kapitaleinkünfte hat es offenbar bewogen, den im Grundsatz schon zuvor verwirklichten Sachverhalt neu zu bewerten. Die jetzigen Erkenntnisse über die Besteuerungsgrundlagen für sog. "residents" und damit auch die Klägerin in den Streitjahren in Großbritannien entspringen keiner "neuen Tatsache", sondern einer neuen Rechtsbetrachtung und sind sonach ungeeignet, um die Änderungen zu rechtfertigen.
4. Die Vorinstanz ist solchen Überlegungen nur mit Blick auf den nachträglich bekanntgewordenen "Steuerstatus" der Klägerin und den Betrag der Einkünfte nachgegangen und deswegen in diesem Punkt in entscheidungserheblicher Weise zu einem abweichenden Ergebnis gelangt. Ihr Urteil und die angefochtenen Steuerbescheide sind aufzuheben, ohne dass noch auf die im Kern streitgegenständlichen Fragen danach, ob die Ausgestaltung der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach Maßgabe von § 2 AStG abkommens- und unionsrechtlichen Grundsätzen standhält und ob deren tatbestandliche Voraussetzungen sämtlich erfüllt sind und ob einer Änderung der Ursprungsbescheide womöglich anderweitige Vertrauensschutzerwägungen nach Maßgabe von § 176 Abs. 2 AO entgegenstehen, einzugehen wäre (vgl. zu alledem --konkret bezogen auf den Streitfall-- Hahn, jurisPR-SteuerR 22/2012 Anm. 3, und allgemein z.B. Vogel/Cortez, Recht der Internationalen Wirtschaft 2011, 532).
Der Senat hält es für sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 121, § 90a FGO), das nicht zuletzt wegen der bislang teilweise nur spärlichen tatrichterlichen Feststellungen zu den (allerdings aktenkundigen) Inhalten der Steuererklärungen, zu dem anschließenden Schriftwechsel der Beteiligten und der Vorgänge im Zusammenhang mit der betriebsnahen Veranlagung; die Beteiligten haben dadurch Gelegenheit, die Vorgänge im Einzelnen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.