Entscheidungsdatum: 11.04.2012
Die (widerlegbare) Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO i.d.F. des JStG 2009 setzt voraus, dass die betreffende Körperschaft (hier: ein islamisch-salafistischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird .
I. Streitpunkt ist die Gemeinnützigkeit eines Vereins im Streitjahr 2008.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein seit 1995 im Vereinsregister eingetragener Verein. Er betreibt in der Stadt X eine Moschee. Nach seiner Satzung hat der Kläger den Zweck der Förderung der Religion und Kultur, der Hilfe für religiös Verfolgte und Flüchtlinge und der Volks- und Berufsbildung. Organe des Klägers sind der aus einer Person bestehende Vorstand und die Mitgliederversammlung. Der Satzungszweck soll insbesondere durch folgende Maßnahmen erreicht werden: Durchführung der religiös-kulturellen Handlungen und Gottesdienste; Informationen durch Durchführung von Veranstaltungen, Vorträgen und Diskussionen; Integrationsarbeiten, z.B. Begleitung bei Behördengängen und Veranstaltungen für die Förderung der Integration; Zusammenarbeit mit anderen muslimischen Verbänden in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland); Einrichtung eines Archivs mit Büchern und audiovisuellen Medien.
Im Verfassungsschutzbericht des Landes Y für das Jahr 2008 finden sich im Kapitel "Ausländerextremismus" folgende Ausführungen im Zusammenhang mit dem Kläger:
"Eine zunehmende Rolle spielen salafistische Bestrebungen im Raum X. Diese islamistische Strömung gewinnt nicht nur im Land Y und Deutschland zunehmend an Bedeutung, sondern auch europaweit. In Deutschland haben sich bereits salafistische Netzwerke herausgebildet, in die auch der (Kläger) eingebunden ist. Dessen Aktivitäten strahlen auf das gesamte Bundesgebiet aus. Das salafistische Gedankengut, so wie es im (Kläger) als politische Bestrebung verbreitet wird, ist in Teilen als demokratiefeindlich einzustufen. Von Menschen erdachte Konzepte, wie z.B. Demokratie, gelten als unvereinbar mit dem islamischen Glauben salafistischer Lesart. Ein wesentliches Glaubensfundament besteht beispielsweise darin, Gott als einzigen Gesetzgeber anzusehen. Die Akzeptanz und Ausführung eines säkularen, also nicht auf göttlichem Gesetz basierenden Rechtsystems wird als 'Akt des Unglaubens' bezeichnet und abgelehnt. Die salafistischen Bestrebungen sind dazu geeignet, einer Integration von Muslimen abträglich zu sein und die Herausbildung und Festigung von Parallelgesellschaften zu fördern. So wird in frei zugänglichen Schriften und auf mit dem (Kläger) in Verbindung stehenden Internetseiten dazu aufgerufen, sich von Juden und Christen, die insgesamt als Ungläubige diffamiert werden, zu lösen, sie zu hassen und Feindschaft gegen sie zu hegen. Freundschaft und Gehorsam ihnen gegenüber würden einen Muslim des Glaubens abtrünnig machen. Das verbreitete Gedankengut kann den Nährboden für eine islamische Radikalisierung und ggf. Rekrutierung bilden. Gleichwohl gibt es keine Belege für eine ausdrückliche Befürwortung von Gewalt. Der (Kläger) verbreitet seine Sichtweisen z.B. über die bundesweite Durchführung von Islamseminaren und Vortragsveranstaltungen sowie über wöchentliche Infostände in der Innenstadt von X. Dort werden auch zahlreiche Publikationen salafistischen Inhalts verteilt. Darüber hinaus lassen sich einige Internetseiten salafistischer Ausrichtung mit dem (Kläger) in Verbindung bringen."
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte den Kläger für 2008 nicht als gemeinnützig an und setzte die Körperschaftsteuer auf ... € fest.
Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Sächsische Finanzgericht (FG) hat den Körperschaftsteuerbescheid aufgehoben. Sein Urteil vom 11. Januar 2011 2 K 1429/10 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1675 abgedruckt.
Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des FA. Während des Revisionsverfahrens ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dem Rechtsstreit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten.
Das FA und das BMF beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Annahme des FG, der Kläger sei für das Streitjahr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) von der Körperschaftsteuer befreit, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes --JStG-- 2009 vom 19. Dezember 2008 [BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74] --AO a.F.--). Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung ist, dass sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO a.F. entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird (§ 59 AO a.F.). Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO a.F.).
Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO a.F.). Unter diesen Voraussetzungen ist als Förderung der Allgemeinheit auch die Förderung der Religion anzuerkennen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO a.F.).
2. Nach den Feststellungen des FG, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind und an die der Senat deshalb gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, betrieb der Kläger im Streitjahr nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung der Religion i.S. von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO a.F. und verfolgte damit grundsätzlich einen gemeinnützigen Zweck.
3. Soweit das FA nunmehr rügt, das FG habe sich nicht mit den Merkmalen der Ausschließlichkeit (§ 56 AO a.F.) und der Unmittelbarkeit (§ 57 AO a.F.) auseinandergesetzt, ist nicht zu ersehen, unter welchen Gesichtspunkten im Streitfall Zweifel an deren Vorliegen bestehen könnten. Das FA hat die Steuervergünstigung ausschließlich wegen der behaupteten extremistischen Tendenzen des Klägers verweigert. Darüber hinaus sind weder den Feststellungen des FG noch dem Vorbringen des FA Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger neben seinen satzungsmäßigen Zwecken noch andere Zwecke verfolgt (Gebot der Ausschließlichkeit) oder dass der Kläger diese Zwecke nicht selbst in eigener Person verwirklicht (Gebot der Unmittelbarkeit).
4. Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass das Merkmal der Förderung der Allgemeinheit i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO a.F. nicht aufgrund verfassungsfeindlicher Bestrebungen des Klägers im Streitjahr zu verneinen ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- ist der Sinngehalt des unbestimmten Rechtsbegriffes "Förderung der Allgemeinheit" in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO allerdings wesentlich geprägt durch die objektive Wertordnung, wie sie insbesondere im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 des Grundgesetzes (GG) zum Ausdruck kommt. Eine Tätigkeit, die mit diesen Wertvorstellungen nicht vereinbar ist, ist keine Förderung der Allgemeinheit (Senatsurteile vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482; vom 29. August 1984 I R 215/81, BFHE 142, 243, BStBl II 1985, 106; vom 31. Mai 2005 I R 105/04, BFH/NV 2005, 1741, sowie Senatsbeschluss vom 16. Oktober 1991 I B 16/91, BFH/NV 1992, 505; ebenso Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- i.d.F. des BMF-Schreibens vom 2. Januar 2008, BStBl I 2008, 26, Nr. 16 zu § 52 AO). Als Förderung der Allgemeinheit sind danach solche Bestrebungen nicht anzuerkennen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung Deutschlands richten.
Dem entspricht der Sache nach die Regelung des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO i.d.F. des JStG 2009 (AO n.F.), nach der eine Steuervergünstigung auch voraussetzt, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen i.S. des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt (zur Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum JStG 2009, BTDrucks 16/10189, S. 79).
b) Die objektive Feststellungslast für die Tatsachen, aus denen sich die Gemeinnützigkeit ergibt, trägt grundsätzlich die Körperschaft (Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2004 I B 95/04, BFH/NV 2005, 160). Dass die Körperschaft im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nicht gegen die Wertordnung des GG verstößt, ist allerdings eine negative Tatsache, die von der Körperschaft nur dann darzutun ist, wenn die Finanzbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass das nicht der Fall ist (zutreffend Jachmann/Unger in Beermann/Gosch, AO, § 51 AO Rz 99). Als ein solcher Anhaltspunkt kommt die Erwähnung der Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes in Betracht.
c) Entgegen der Auffassung des BMF ist die gesetzliche Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F., nach der bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, widerlegbar davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO n.F. nicht erfüllt sind, im Streitfall nicht einschlägig. Offenbleiben kann insoweit, ob die Vorschrift für das Streitjahr überhaupt anwendbar ist. Gemäß Art. 97 § 1d Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (i.d.F. des JStG 2009) ist das zwar ab dem 1. Januar 2009 der Fall. Diese Übergangsregelung lässt indessen nicht eindeutig erkennen, ob die Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. "rückwirkend" auch für bereits abgelaufene Veranlagungszeiträume gelten soll, solange die betreffenden Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig geworden sind (so AEAO i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17. Januar 2012, BStBl I 2012, 83 --AEAO n.F.-- Nr. 10 Satz 1 zu § 51 Abs. 3), oder ob die Vermutung nur für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht beendeten Veranlagungszeiträume Anwendung finden soll.
Die Frage muss hier nicht entschieden werden, weil der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. im Streitfall nicht gegeben ist. Dieser setzt voraus, dass die betreffende Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht "als extremistische Organisation aufgeführt" ist, was nur der Fall ist, wenn sie dort ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird, nicht aber wenn die Körperschaft nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet (vgl. auch AEAO n.F. Nr. 10 Satz 2, Nr. 11 zu § 51 Abs. 3). Wie das FG zutreffend angenommen hat, ist der Kläger in dem Verfassungsschutzbericht des Landes Y für 2008 nicht ausdrücklich als extremistisch bezeichnet worden. Die tatsächlichen Hinweise in der oben zitierten Passage des Berichts sind derart pauschal und nicht konkret auf bestimmte Verhaltensweisen des Vorstands des Klägers im Streitjahr bezogen, dass daraus allein eine Klassifikation der tatsächlichen Geschäftsführung des Klägers im Streitjahr als "extremistisch" i.S. des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. nicht abgeleitet werden kann.
Die vom BMF mit der Schaffung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. für geboten gehaltene ausdrückliche Unterscheidung der in den Verfassungsschutzberichten erwähnten Organisationen in belegbar extremistische Organisationen einerseits und bloße Verdachtsfälle andererseits wird in dem streitbefangenen Bericht für das Jahr 2008 offenkundig noch nicht vollzogen. Deshalb hilft für den Streitfall auch der Verweis auf den Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2009 nicht weiter, in dem nach der Darstellung des BMF alle als extremistisch eingeschätzten Gruppierungen alphabetisch geordnet in einem Anhang aufgeführt sind.
d) Die fehlende Anwendbarkeit des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. ändert indes nichts daran, dass der Verfassungsschutzbericht des Landes Y für 2008 für die Beurteilung der Aktivitäten des Klägers im Streitjahr ausgewertet und zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen werden durfte. Jedoch ergibt sich daraus nach der Beurteilung des FG kein hinreichend konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers im Streitjahr auf die Förderung extremistischer Bestrebungen ausgerichtet war. Hieran ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
aa) Die Feststellung, ob eine Körperschaft im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung extremistische oder sonstige verfassungsfeindliche Bestrebungen fördert, obliegt im gerichtlichen Verfahren in erster Linie dem FG als Tatsachengericht. Dessen Wertung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt.
bb) Die Vorinstanz hat insoweit ausgeführt, die im Streitfall vorliegenden Beweismittel belegten nicht zur vollen Überzeugung des Senats, dass der Kläger ein extremistischer Verein sei. Es komme in dem Verfassungsschutzbericht für 2008 nicht klar zum Ausdruck, dass der Kläger selbst extremistisch sei. Es sei auch ein Verständnis des Berichts dahin möglich, dass der Kläger vom Verfassungsschutz beobachtet worden sei, weil seine Aktivitäten potenziell gefährlich werden könnten, er selbst aber kein extremistischer Verein sei. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen belegten, dass seine Aktivitäten seiner Satzung entsprächen. Damit habe er die Aussagen im Verfassungsschutzbericht hinsichtlich seiner Überzeugungen und seiner tatsächlichen Geschäftsführung widerlegt.
Einen Link im Internet-Auftritt des Klägers auf die Seite "X.de" hat das FG als für die Annahme einer satzungswidrigen tatsächlichen Geschäftsführung nicht hinreichend bewertet. Denn zum einen habe der Kläger auf der eigenen Internet-Seite ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für die Inhalte der verlinkten Seiten nicht verantwortlich sei. Zum anderen sei den verlinkten Inhalten jeweils vorangestellt, dass es sich um die Darstellung von gewissen Praktiken eines islamischen Staats mit islamischer Gesetzgebung handele, die im Widerspruch zur hiesigen Ordnung stünden und dass die Darstellung solcher Inhalte keinesfalls als Aufruf zur Umsetzung, sondern nur als Aufklärung über die islamische Sichtweise zu verstehen sei.
cc) Diese Beweiswürdigung des FG ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Soweit FA und BMF in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Blick auf Erkenntnisse aus einem zwischenzeitlich durchgeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffend die Erwähnung des Klägers in künftigen Verfassungsschutzberichten des Landes Y eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das FG gerügt haben, können sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das FA ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch das FG nicht gerügt hat. Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört indes zu den "verzichtbaren" Verfahrensmängeln, die nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können, wenn die Beteiligten sie nicht in der nächsten mündlichen Verhandlung rügen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 100 f., m.w.N.). Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche ein fachkundig vertretener Beteiligter --wie das FA-- selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2009 V B 108/08, BFH/NV 2010, 170, m.w.N.).
e) Soweit das FA schließlich noch nachgetragen hat, der Kläger werde in dem Verfassungsschutzbericht des Landes Y für das Jahr 2010 ausdrücklich als "extremistische Bestrebung" bezeichnet, ist das zum einen als neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz unbeachtlich. Zum anderen ist nicht ersichtlich, inwiefern sich diese Beurteilung bereits auf Verhaltensweisen des Klägers aus dem Streitjahr 2008 stützt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Da das BMF durch den Verfahrensbeitritt "Beteiligter" des Revisionsverfahrens geworden ist (§ 57 Nr. 4 FGO) und es durch den gestellten Sachantrag seine Verfahrensstellung aktiv genutzt hat, trägt es als unterlegener Beteiligter zusammen mit dem FA die Kostenlast (vgl. Gräber/Ratschow, a.a.O., § 135 Rz 8). Die BFH-Rechtsprechung, nach der eine Kostentragung des Beigeladenen im Rahmen des § 135 Abs. 3 FGO ausscheidet, wenn dessen Antrag mit dem des unterlegenen Hauptbeteiligten übereinstimmt (BFH-Urteile vom 23. Januar 1985 II R 2/83, BFHE 143, 119, BStBl II 1985, 368; vom 8. November 2000 I R 1/00, BFHE 194, 227, BStBl II 2001, 769; vom 11. November 2010 IV R 17/08, BFHE 232, 28, BStBl II 2011, 716; BFH-Beschluss vom 25. Februar 2010 III S 7/10, BFH/NV 2010, 1285), ist hier nicht einschlägig, weil § 135 Abs. 3 FGO für die nach § 122 Abs. 2 FGO Beigetretenen nicht anwendbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Februar 2007 I B 88/05, BFH/NV 2007, 1148).