Entscheidungsdatum: 11.11.2010
1. Die Vorruhestandsbeihilfe des Freistaates Sachsen gehört zum Veräußerungserlös, wenn sie dem Gesellschafter einer landwirtschaftlichen GbR im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus der GbR bewilligt wurde .
2. Ein Wahlrecht zur Besteuerung der Vorruhestandsbeihilfe als nachträgliche Betriebseinnahme mit dem Zufluss der jeweiligen Zahlungen steht dem ausgeschiedenen Gesellschafter nicht zu .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR, die Landwirtschaft betreibt. Mit Vertrag vom 19. Dezember des Streitjahres (2001) schied der Beigeladene als Gesellschafter gegen eine Abfindung zum 31. Dezember des Streitjahres aus.
Das zuständige Amt bewilligte dem Beigeladenen nach einer Richtlinie des Freistaates Sachsen eine Zuwendung in Höhe von ... € in monatlichen Raten für den Berechtigungszeitraum 1. Januar 2002 bis ... Die Beihilfe soll den vorzeitigen Ruhestand älterer Landwirte fördern, um als flankierende Maßnahme den Strukturwandel im Agrarbereich in den ländlichen Regionen zu stützen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste den "Barwert Vorruhestandsbeihilfe" im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr zusätzlich zu der Abfindung als Veräußerungsgewinn des Beigeladenen.
Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Sie machte geltend, die Vorruhestandsbeihilfe sei nach Sinn und Zweck der sog. Produktionsaufgaberente vergleichbar, die --soweit nicht steuerbefreit-- den nachträglichen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sei. Zu beachten sei auch, dass die Zahlungen bei einem vorzeitigen Tod des Beigeladenen geendet hätten und der Anspruch nicht vererbbar gewesen sei.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die Vorruhestandsbeihilfe mit dem Rentenbarwert zum Veräußerungserlös i.S. der §§ 14, 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zähle. Ein Wahlrecht zur laufenden Versteuerung der Bezüge als nachträgliche Betriebseinnahme bestehe nicht.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 166 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin nur noch gegen die sofortige Versteuerung des Barwerts der Vorruhestandsbeihilfe im Streitjahr.
Das FG verkenne die "Mehrschichtigkeit" der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn es annehme, dass nur Zahlungen über einen außergewöhnlich langen Zeitraum von zehn bzw. 25 Jahren dem Berechtigten ein Wahlrecht einräumten, weil nur diese Zahlungen wagnisbehaftet seien. Der "längere Zeitraum" diene daher letztlich nur der Beurteilung der Frage, ob die laufende Zahlung tatsächlich Versorgungscharakter habe, wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 1968 IV 254/62 (BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653) ergebe.
Die Vorruhestandsbeihilfe habe der Überbrückung des Zeitraums zwischen dem Ausscheiden des Beigeladenen aus der Klägerin und dem Einsetzen seiner Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres gedient. Die Zahlung sei auch wagnisbehaftet, weil sie nicht vererblich sei. Soweit dazu in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten worden sei, die Möglichkeit eines vorzeitigen Versterbens des Beigeladenen stehe einer Sofortbesteuerung nicht entgegen, weil in diesem Fall der Veräußerungsgewinn rückwirkend nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung reduziert werden könne, stehe dem das BFH-Urteil vom 19. August 1999 IV R 67/98 (BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179) entgegen.
Eine Sofortversteuerung nehme der monatlichen Zahlung jedweden Sinn. Man würde die Berechtigten zwingen, Zahlungen, die ersichtlich der Versorgung dienen sollten, aber erst später geleistet würden, vorab zu versteuern. Das widerspreche eklatant dem Förderungszweck. Denn die Vorruhestandsbeihilfe solle es den Begünstigten ermöglichen, bereits vor Erreichen der für das Einsetzen von Altersruhegeld geltenden Altersgrenze die eigene unternehmerische Tätigkeit einzustellen, indem sie die dadurch eintretende Versorgungslücke bis zum Einsetzen des Altersruhegelds abdecke.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. September 2004 dahingehend zu ändern, dass der vom Beigeladenen bezogene Veräußerungserlös in der ursprünglich erklärten Höhe festgesetzt und die dem Beigeladenen vom Freistaat Sachsen gewährte Vorruhestandsbeihilfe als nachträgliche Betriebseinnahme lediglich mit den ihm im Jahr 2001 zugeflossenen Beträgen erfasst wird.
Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Bereits nach dem grundlegenden BFH-Urteil in BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653 könne nur in drei Ausnahmefällen von der Sofortversteuerung abgesehen werden. In den vorliegend maßgeblichen Fallgruppen (1a und 1b) stelle der BFH strikt auf die Laufzeit der jeweiligen Zahlungen ab. Der im hiesigen Fall unstreitige Zahlungszeitraum von ... Jahren und ... Monaten stelle keinen längeren Zeitraum in diesem Sinne dar. Die Klägerin verkenne auch, dass allein die fehlende Vererblichkeit des Zahlungsanspruchs nicht zu einem Wagnis führe, das eine laufende Versteuerung rechtfertigen könne, wie sich bereits aus dem BFH-Urteil in BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653 ergebe, in dem von nicht vererblichen Leibrenten die Rede sei.
Der Beigeladene beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. September 2004 dahingehend zu ändern, dass der vom Beigeladenen bezogene Veräußerungserlös in der ursprünglich erklärten Höhe festgesetzt und die dem Beigeladenen vom Freistaat Sachsen gewährte Vorruhestandsbeihilfe als nachträgliche Betriebseinnahme lediglich mit den ihm im Jahr 2001 zugeflossenen Beträgen erfasst wird.
Der BFH habe in der grundlegenden Entscheidung vom 20. Januar 1959 I 200/58 U (BFHE 68, 500, BStBl III 1959, 192) für die Abgrenzung zwischen Kaufpreisraten und laufenden (Versorgungs-)Bezügen maßgeblich auf die Frage abgestellt, ob für die Vereinbarung der laufenden Bezüge das Interesse des Erwerbers an einer langfristigen Kaufpreisstundung oder aber der Wunsch des Veräußerers nach der Sicherung seiner finanziellen Versorgung den Anlass gegeben habe. Für die Vorruhestandsbeihilfe scheide ein Stundungsinteresse des Erwerbers aus, weil sie von dritter Seite gezahlt werde. Sie diene schon nach den maßgeblichen Richtlinien der Versorgung des Veräußerers bis zum Einsetzen der Regelaltersrente.
II. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom Freistaat Sachsen gezahlte Vorruhestandsbeihilfe gehörte zum Veräußerungserlös des Beigeladenen und war --wie FA und FG zutreffend angenommen haben-- im Streitjahr mit dem Barwert zu erfassen.
1. Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören nach § 14 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch Gewinne, die bei der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters erzielt werden, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 13 Abs. 7 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG).
a) Unter Veräußerungspreis i.S. des § 16 EStG ist der tatsächlich erzielte Erlös zu verstehen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.2. der Gründe). Zum Veräußerungspreis gehören die Gegenleistung, die der Veräußerer vom Erwerber für die Übertragung erhält, und Leistungen, die der Veräußerer zwar nicht als Gegenleistung, aber im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung vom Erwerber oder --ohne dass dies der Erwerber veranlasst hat-- von einem Dritten erlangt (Senatsurteil vom 25. Juni 2009 IV R 3/07, BFHE 226, 62, BStBl II 2010, 182, unter II.2.a bb der Gründe, m.w.N.). Dazu gehören Entschädigungen für entfallende Gewinnaussichten oder Prämien, die dem Veräußerer dafür gezahlt werden, dass der Betrieb an einen bestimmten Dritten veräußert wird (Senatsurteil vom 7. November 1991 IV R 14/90, BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457, unter 2.a der Gründe, m.w.N.). Es kann sich dabei auch um wiederkehrende Leistungen in Form von monatlichen Zahlungen handeln, die nicht als Gegenleistung für den Betrieb, sondern von dritter Seite erbracht werden (Senatsurteil in BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457, unter 3. der Gründe, zu einer monatlichen Ausscheidungsprämie für den Verzicht auf die Zulassung als Kassenarzt).
b) Der Veräußerungsgewinn entsteht mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber. Es kommt nicht darauf an, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt (vgl. u.a. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.2.b der Gründe, m.w.N.).
c) Ausnahmsweise hat der Veräußerer nach ständiger Rechtsprechung ein Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung des Veräußerungsgewinns nach den §§ 16, 34 EStG und einer nicht tarifbegünstigten Besteuerung der nachträglichen Betriebseinnahmen im Jahr des Zuflusses (§ 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG), wenn er einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gegen langfristig wiederkehrende, wagnisbehaftete Bezüge veräußert (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 18. März 2009 I R 9/08, BFHE 225, 151, BStBl II 2010, 560, unter II.3.b bb der Gründe; vom 14. Mai 2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532, unter II.2.a der Gründe; Senatsurteil vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, unter 1. der Gründe, jeweils m.w.N.). Um solche Bezüge handelt es sich, wenn sie lebenslang zu zahlen sind oder bei fester Laufzeit von mehr als zehn Jahren primär der Versorgung oder bei besonders langer Laufzeit mindestens auch der Versorgung des Berechtigten dienen (BFH-Urteil in BFHE 225, 151, BStBl II 2010, 560, unter II.3.b bb der Gründe; Senatsurteil in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, unter 1. der Gründe). Das Wahlrecht besteht auch dann, wenn die langfristig wiederkehrenden Bezüge zusätzlich zu einem festen Entgelt gezahlt werden (Senatsurteil in BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457, unter 3. der Gründe).
Dieses Wahlrecht beruht auf einer teleologischen Reduktion des (zwingenden) Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG i.V.m. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung (Senatsurteil in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829, unter 1. der Gründe). Es trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass einerseits die Leibrentenforderung mit ihrem Gegenwartswert zu bewerten ist und damit der Veräußerungsgewinn bereits im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen verwirklicht wird, andererseits jedoch ein --gemessen an der statistischen Wahrscheinlichkeit-- vorzeitiges Versterben des (oder der) Rentenberechtigten nicht zu einer (rückwirkenden) Korrektur des Veräußerungsgewinns führen würde und deshalb die sofortige Versteuerung mit der Folge verbunden sein kann, dass der Veräußerer Gewinne zu versteuern hat, die er tatsächlich niemals erzielt (BFH-Urteil in BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532, unter II.2.a der Gründe, m.w.N.).
2. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen und ist daher nicht zu beanstanden.
a) Die Vorruhestandsbeihilfe gehört zum Veräußerungserlös des Beigeladenen. Denn sie stand im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dessen Ausscheiden bei der Klägerin. Daran ändert der Umstand nichts, dass sie vom Freistaat Sachsen gezahlt wurde und nicht Gegenleistung für die Anteilsübertragung war. Von dieser Beurteilung geht zu Recht nunmehr auch die Klägerin aus.
b) Ein Wahlrecht zur nicht tarifbegünstigten Besteuerung der Vorruhestandsbeihilfe als nachträgliche Betriebseinnahme mit dem Zufluss der jeweiligen Zahlungen stand dem Beigeladenen nicht zu. Denn es handelte sich nicht um langfristig wiederkehrende Bezüge, wie das FG zutreffend entschieden hat. Die Leistungen verteilten sich nur über einen Zeitraum von ... Jahren und ... Monaten und blieben damit unter der zur Begründung des Wahlrechts bei primär der Versorgung dienenden Leistungen maßgeblichen Grenze von zehn Jahren.
c) Soweit die Klägerin und der Beigeladene meinen, das Wahlrecht müsse diesem trotz der kürzeren Laufzeit zustehen, weil die Vorruhestandsbeihilfe der Versorgung diene und als abgekürzte Leibrente wagnisbehaftet sei, ist das FG dem zu Recht nicht gefolgt. Das FG hat bereits nicht festgestellt, ob die Laufzeit der Vorruhestandsbeihilfe nicht nur durch den vorgesehenen Zeitraum von ... Jahren und ... Monaten, sondern auch durch die Lebenszeit des Beigeladenen begrenzt war, wie die Klägerin geltend gemacht hat. Darüber hinaus berücksichtigen die Klägerin und der Beigeladene den Ausnahmecharakter des Wahlrechts nicht (s. vorstehend unter II.1.c), das bei primär der Versorgung dienenden Leistungen eine mindestens zehnjährige Laufzeit erfordert. Von dieser Beurteilung ist der BFH bereits in dem Senatsurteil in BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653 ausgegangen (unter 1.b der Gründe). Dass (eindeutig) der Versorgung dienende Zahlungen auch bei kürzerer Laufzeit ein Wahlrecht zur Besteuerung im Zuflusszeitpunkt begründen könnten, lässt sich diesem Urteil --anders als die Klägerin meint-- nicht entnehmen. Nichts anderes gilt für das vom Beigeladenen angeführte Senatsurteil in BFHE 68, 500, BStBl III 1959, 192. Auch darin hat der BFH verlangt, dass die monatlichen Zahlungen nicht nur der Versorgung des Veräußerers dienen, sondern auch für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre getätigt werden müssen. Im Übrigen läge ein die Einräumung des Wahlrechts rechtfertigendes Wagnis im Hinblick auf die nur kurze Laufzeit der Vorruhestandsbeihilfe auch nicht vor, wenn man ein Risiko des vorzeitigen Versterbens des Berechtigten berücksichtigte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Dem Beigeladenen waren Kosten nicht nach § 135 Abs. 3 FGO aufzuerlegen, weil sein Antrag mit dem der unterlegenen Klägerin übereinstimmt und nicht zu Mehrkosten geführt hat. Aus demselben Grund waren andererseits auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht aus Billigkeitsgründen nach § 139 Abs. 4 FGO zu erstatten (BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 II R 2/83, BFHE 143, 119, BStBl II 1985, 368).