Entscheidungsdatum: 08.12.2010
NV: Es ist nicht klärungsbedürftig, dass sich bei einem ausländischen Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmer nicht auf den "Auslandstätigkeitserlass" der Finanzverwaltung berufen können und dass dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2006) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war im Streitjahr als Arbeitnehmer der S in Libyen eingesetzt. S ist die Tochtergesellschaft eines inländischen Unternehmens; ihr Sitz und ihre Geschäftsleitung befinden sich auf den Virgin Islands.
Die Kläger hatten zunächst keine Einkommensteuererklärung abgegeben, weshalb der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auf 20.000 € geschätzt hat. Während des daraufhin angestrengten Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG) wurde eine Einkommensteuererklärung eingereicht, aus der sich höhere als die genannten Einkünfte ergeben.
Mit seiner Klage beantragte der Kläger, die für die Tätigkeit in Libyen erzielten Einkünfte nicht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einzubeziehen. Die Klage hatte insoweit keinen Erfolg. Das FG führte u.a. aus, der Kläger könne sich insbesondere nicht auf den Auslandstätigkeitserlass (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 31. Oktober 1983, BStBl I 1983, 470) berufen, da er nicht bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18. Mai 2010 2 K 116/09). Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im Interesse der Allgemeinheit der Klärung bedarf. Der hiernach notwendige Klärungsbedarf besteht zum einen nur dann, wenn die Beantwortung der Frage sich auf eine Vielzahl von Einzelfällen auswirken kann. Zum anderen setzt er voraus, dass über die Antwort Unklarheit bestehen kann. Daran wiederum fehlt es, wenn die Frage schon aus den einschlägigen Vorschriften heraus eindeutig beantwortet werden kann.
2. Im Streitfall ist die Rechtslage zunächst insoweit eindeutig, als der vom Kläger in Anspruch genommene Auslandstätigkeitserlass sich nur auf Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers bezieht. Das ergibt sich unmittelbar aus dem zweiten Satz des Erlasses und wird von den Klägern nicht angezweifelt. Die Kläger halten vielmehr lediglich die Frage für klärungsbedürftig, ob diese Einschränkung mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und letztlich mit dem in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) niedergelegten Gleichheitssatz vereinbar ist. Es bedarf jedoch keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, dass diese Frage zu bejahen ist und dass insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken gegen die insoweit im Erlass getroffene Regelung nicht bestehen.
a) Der Auslandstätigkeitserlass beruht, soweit hier von Interesse, auf § 34c des Einkommensteuergesetzes (EStG) in dessen Fassung vom 6. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1250, BStBl I 1981, 667). Nach dieser Vorschrift (Abs. 5) dürfen die Obersten Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende Einkommensteuer u.a. dann ganz oder zum Teil erlassen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist. Die hiernach erforderliche "volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit" liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur dann vor, wenn die Steuerbegünstigung der deutschen Außenwirtschaft dient (BVerfG-Beschluss vom 19. April 1978 2 BvL 2/75, BStBl II 1978, 548, 552).
Vor diesem Hintergrund dient der Auslandstätigkeitserlass, soweit er die Möglichkeit eines Erlasses von Einkommensteuer schafft, in erster Linie der Förderung der deutschen Exportwirtschaft (ebenso Blümich/Wagner, § 34c EStG Rz 123; Kuhn in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 34c EStG Rz 191). Dieses Regelungsziel rechtfertigt die Beschränkung der Steuerbegünstigung auf Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers; eine Erstreckung auf Arbeitnehmer, die für ausländische Arbeitgeber tätig sind, könnte sogar zu nachteiligen Folgen für die deutsche Außenwirtschaft führen und würde jedenfalls durch die in § 34c Abs. 5 EStG enthaltene Vorgabe nicht abgedeckt. Dementsprechend ist denn auch in Rechtsprechung und Schrifttum die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der genannten Beschränkung bisher nicht in Frage gestellt worden (vgl. z.B. FG Köln, Urteil vom 22. März 2001 7 K 1709/99, Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 974; Kirchhof/Gosch, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 34c Rz 36). Auch insoweit besteht daher in diesem Punkt kein Klärungsbedarf.
b) Der Hinweis der Kläger auf das Leistungsfähigkeitsprinzip und auf Art. 3 Abs. 1 GG führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Rechtslage. Denn es mag zwar richtig sein, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers nicht davon abhängt, ob er --unter ansonsten gleichen Umständen-- für einen inländischen oder einen ausländischen Arbeitgeber tätig ist. Doch wird die in § 34c Abs. 5 EStG angelegte und im Auslandstätigkeitserlass umgesetzte steuerliche Bevorzugung bestimmter Auslandstätigkeiten von einem Gesichtspunkt --der Förderung bestimmter Bereiche der Volkswirtschaft-- getragen, der auch aus verfassungsrechtlicher Sicht neben die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze tritt und insbesondere gegenüber dem Grundsatz der Gleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmer nicht zurücktreten muss. Das ist schon deshalb nicht klärungsbedürftig, weil das BVerfG --zu der mit § 34c Abs. 5 EStG inhaltlich übereinstimmenden Vorgängerregelung-- eine Eingrenzung der steuerlichen Begünstigung auf Maßnahmen zur Förderung der Außenwirtschaft nicht nur nicht beanstandet, sondern sogar für geboten erachtet hat (BVerfG-Beschluss in BStBl II 1978, 548). Allein der Umstand, dass der Bundesfinanzhof speziell die von den Klägern aufgeworfene Frage noch nicht entschieden hat, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.