Entscheidungsdatum: 29.01.2019
Umstrukturierungsmaßnahme
1. Die Genehmigung einer Investition nach § 23 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV setzt voraus, dass es sich um eine Umstrukturierungsmaßnahme handelt.
2. Eine Maßnahme, die sich im Wesentlichen in einer Vergrößerung von Umfang oder Übertragungskapazität eines Verteilernetzes erschöpft, kann nicht allein deshalb als Umstrukturierung qualifiziert werden, weil sich die Netzstruktur durch die Erweiterung in gewissen Beziehungen ändert.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.351.000 Euro festgesetzt.
A. Die Antragstellerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz.
Mit Schreiben vom 31. März 2014 beantragte sie die Genehmigung einer Investitionsmaßnahme zum Neubau eines Schalthauses, zweier mit 20 Kilovolt betriebener Speisekabeltrassen und mehrerer ebenfalls mit 20 Kilovolt betriebener Leitungen zur Anbindung des Netzgebiets.
Die Bundesnetzagentur hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr auf Verpflichtung zur Genehmigung gerichtetes Begehren weiter. Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.
B. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung (OLG Düsseldorf RdE 2017, 377) im Wesentlichen wie folgt begründet:
Es könne offen bleiben, ob die Bundesnetzagentur die Genehmigung schon deshalb zu Recht versagt habe, weil die Maßnahme durch den Erweiterungsfaktor gemäß § 10 ARegV berücksichtigt werde. Jedenfalls sei die Maßnahme ausschließlich als Erweiterung anzusehen, nicht aber als Umstrukturierung im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV.
Durch den Neubau des Schalthauses und der Leitungen werde das Netz der Antragstellerin vergrößert. Die Zahl der Betriebsmittel und die Kapazität des Netzes würden erhöht. Eine relevante Veränderung von sonstigen technischen Parametern trete hingegen nicht ein. Dass die nachgefragte Leistung in den angeschlossenen Gebieten künftig durch zwei Schalthäuser statt bislang durch nur ein Schalthaus erfolge und dass ein vorhandenes Schalthaus manche dieser Gebiete in Zukunft nicht mehr und manche Gebiete nur noch in geringerem Umfang versorge, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Hierin liege eine reine Umorganisation. Der erhöhte Leistungsbedarf in einem dieser Gebiete begründe keine geänderte, sondern nur eine erhöhte Anforderung. Eine Umstrukturierung liege auch nicht deshalb vor, weil die Leistungsfähigkeit des neuen Schalthauses über das normale Maß hinaus dimensioniert sei und die geplanten Maßnahmen ein Maß an Versorgungssicherheit gewährleisteten, das über das (n-1)-Kriterium hinausgehe.
Das Vorbringen der Antragstellerin, wonach die Maßnahme lediglich den Auftakt für eine weitergehende Umstrukturierung des Netzes bilde, sei unerheblich. Für die Einordnung als Erweiterung oder Umstrukturierung seien nur diejenigen Maßnahmen von Bedeutung, die vom gestellten Antrag umfasst seien.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der Unterscheidung zwischen Erweiterungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit § 23 Abs. 6 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV ausschlaggebende Bedeutung zukommt.
a) Nach der unmittelbar nur für Übertragungs- und Fernleitungsnetze geltenden Regelung in § 23 Abs. 1 ARegV sind, wie die Rechtsbeschwerde im Ansatz zutreffend darlegt, Erweiterungs- und Umstrukturierungsinvestitionen allerdings grundsätzlich gleichermaßen genehmigungsfähig.
Die Aufzählung in § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV unterscheidet zwar zwischen unterschiedlichen Ausbau-, Erweiterungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen. Diese Aufzählung ist aber, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht abschließend. Sie bildet lediglich eine Orientierungshilfe für die Auslegung der in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV normierten Grundregel (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 16 f. - 50Hertz Transmission GmbH).
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich daraus nicht die Schlussfolgerung, dass die Unterscheidung zwischen Erweiterungs- und Umstrukturierungsinvestitionen auch im Zusammenhang mit der für Verteilernetze maßgeblichen Regelung in § 23 Abs. 6 ARegV unerheblich ist.
§ 23 Abs. 6 Satz 1 ARegV sieht zwar ebenfalls die Genehmigung von Erweiterungs- und Umstrukturierungsinvestitionen vor. Voraussetzung für eine Genehmigung ist danach aber, dass die Investitionen die Integration bestimmter Erzeugungsanlagen oder Maßnahmen im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 8 ARegV betreffen. Anders als im Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV bildet die in Bezug genommene Aufzählung damit nicht nur eine Orientierungshilfe, sondern eine abschließende Festlegung der genehmigungsfähigen Tatbestände.
c) Dieses Verständnis deckt sich mit dem Zweck der Vorschriften.
§ 23 Abs. 1 ARegV trägt dem Umstand Rechnung, dass Übertragungs- und Fernleitungsnetze aufgrund technischer Gegebenheiten und gesetzlicher Vorgaben eine Sonderrolle einnehmen, weil ihnen zusätzliche Aufgaben zukommen, die erhöhte Kosten verursachen (BR-Drucks. 417/07, S. 66). § 23 Abs. 6 ARegV knüpft an diese Zielsetzung an und ermöglicht die Genehmigung von Investitionsmaßnahmen auch für die Betreiber von Verteilernetzen, soweit sich diese in einer vergleichbaren Rolle befinden. Diese Voraussetzung liegt nach der Einschätzung des Verordnungsgebers nur in den von § 23 Abs. 6 Satz 1 ARegV erfassten Konstellationen vor (BR-Drucks. 417/07, S. 68).
Für die seit 22. März 2012 geltende Fassung von § 23 Abs. 6 ARegV gilt insoweit nichts anderes. Die Streichung der Wörter "Im Einzelfall" dient der Klarstellung, dass die Genehmigung von Investitionsmaßnahmen nach dieser Vorschrift nicht auf extreme Ausnahmefälle beschränkt ist (BR-Drucks. 860/11, S. 10). Die Beschränkung auf einzelne der in § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV aufgezählten Tatbestände ist damit nicht aufgehoben worden.
d) Wenn eine Genehmigung gemäß § 23 Abs. 6 ARegV auf der Grundlage einer der in Bezug genommenen Tatbestände aus § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV begehrt wird, müssen folglich alle dort normierten Tatbestandsmerkmale erfüllt sein. Fehlt es daran, kommt eine Genehmigung - anders als nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV - nicht unter Rückgriff auf eine Generalklausel in Betracht.
Eine Genehmigung nach § 23 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV setzt mithin voraus, dass es sich um eine Umstrukturierungsmaßnahme handelt. Die Genehmigung von Investitionen für Erweiterungsmaßnahmen ist in dieser Bestimmung nicht vorgesehen.
2. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die im Streitfall zu beurteilende Maßnahme als reine Erweiterungsmaßnahme angesehen.
a) Der Senat hat sich, wie die Rechtsbeschwerde im Ansatz zutreffend aufzeigt, mit der Abgrenzung zwischen Erweiterungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen bislang noch nicht befasst.
In den bisher ergangenen Entscheidungen war lediglich von Bedeutung, ob es sich um bloße Ersatzmaßnahmen handelt (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 19 ff. - 50Hertz Transmission GmbH; Beschluss vom 12. April 2016 - EnVR 3/15, RdE 2016, 353 Rn. 10 - Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH). Die Abgrenzung zwischen Umstrukturierung und Erweiterung war hingegen nicht relevant.
In der ersten Entscheidung ging es um eine Investition in ein Höchstspannungsnetz, für die § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV maßgeblich war. Im zweiten Fall stand außer Streit, dass es nicht um eine Erweiterung ging, sondern allenfalls um eine Umstrukturierung.
b) Dennoch ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass die in diesen Entscheidungen zugrunde gelegte Definition der beiden Begriffe auch für die Binnenabgrenzung maßgeblich ist.
Unter den Begriff der Erweiterungsmaßnahme ist, wie der Senat in Übereinstimmung mit dem von der Bundesnetzagentur im Jahr 2012 überarbeiteten Leitfaden entschieden hat, grundsätzlich jede Maßnahme zu subsumieren, mit der das Netz vergrößert wird - sei es durch Erhöhung der Leitungslänge, sei es durch Steigerung der Übertragungskapazität. Als Umstrukturierungsmaßnahme ist demgegenüber eine Maßnahme anzusehen, mit der technische Parameter geändert werden, die für den Netzbetrieb erheblich sind. Hierunter fallen zum Beispiel qualitative Verbesserungen der Netzbeschaffenheit (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 13 f. - 50Hertz Transmission GmbH).
Mit dieser Definition sind die wesentlichen Gesichtspunkte für die Abgrenzung der beiden Begriffe vorgegeben. Eine Erweiterung liegt danach vor, wenn sich die Maßnahme im Wesentlichen darin erschöpft, den Umfang oder die Übertragungskapazität zu vergrößern. Bei einer Umstrukturierung steht demgegenüber eine Veränderung anderer technischer Parameter im Vordergrund, etwa der Qualität, der Verfügbarkeit oder sonstiger Aspekte der Versorgungssicherheit.
Dies schließt nicht aus, dass eine Maßnahme im Einzelfall beide Kriterien erfüllt, so dass (nur) derjenige Teil der Investitionen genehmigungsfähig ist, der einer Umstrukturierung dient, wie dies nach der Rechtsprechung des Senats auch im Verhältnis zwischen Erweiterung oder Umstrukturierung und Ersatzbeschaffung der Fall sein kann (dazu BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 32 - 50Hertz Transmission GmbH; Beschluss vom 12. April 2016 - EnVR 3/15, RdE 2016, 353 Rn. 30 - Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH). Eine Ersatzbeschaffung kann nach dieser Rechtsprechung aber nicht schon deshalb als Umstrukturierung angesehen werden, weil sie aufgrund des eingetretenen technischen Fortschritts zwangsläufig mit einer Verbesserung einhergeht (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 41 - 50Hertz Transmission GmbH). Konsequenterweise kann eine Maßnahme, die sich im Wesentlichen in einer Vergrößerung von Umfang oder Übertragungskapazität erschöpft, nicht allein deshalb als Umstrukturierung qualifiziert werden, weil sich die Netzstruktur durch die Erweiterung in gewissen Beziehungen ändert.
3. Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht die im Streitfall zu beurteilende Maßnahme zutreffend eingeordnet.
a) Die Antragstellerin stützt ihr Begehren auf § 23 Abs. 6 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV. Andere Rechtsgrundlagen, die für eine Genehmigung in Frage kämen, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Folglich kann eine Genehmigung nur ergehen, wenn es sich um eine Umstrukturierungsmaßnahme handelt.
b) Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts besteht die Maßnahme im Wesentlichen aus der Errichtung neuer Schaltanlagen und Leitungen. Damit werden die Leitungslänge des Netzes und dessen Übertragungskapazität vergrößert. Dies stellt eine Erweiterung dar.
c) Dem von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Vorbringen der Antragstellerin zur Verbesserung der Versorgungssicherheit durch Verfügbarkeit zusätzlicher Komponenten und Änderung der Lastflüsse hat das Beschwerdegericht demgegenüber zu Recht keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.
Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssicherheit können zwar, wie oben dargelegt wurde, unter bestimmten Voraussetzungen als Umstrukturierungsmaßnahme zu qualifizieren sein. Im Streitfall ergibt sich die geltend gemachte Verbesserung der Versorgungssicherheit aber daraus, dass das Netz um zusätzliche Leitungen und Schaltanlagen ergänzt wird. Sie ist mithin eine Folge der Erweiterung und genügt deshalb nicht für eine Qualifikation als Umstrukturierungsmaßnahme.
Der zwischen den Beteiligten in unterschiedlichem Zusammenhang umstrittenen Frage, ob die Maßnahmen zu einer Überdimensionierung des Netzes führen, kommt ebenfalls keine Bedeutung zu. Auch insoweit handelt es sich lediglich um eine Folgewirkung der in Rede stehenden Erweiterung des Netzes.
d) Ob es für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit von Bedeutung sein kann, dass die geplante Maßnahme einen Teil eines umfassenderen Projekts darstellt, und welchen Grad an Konkretisierung das Gesamtprojekt hierzu gegebenenfalls erreicht haben muss, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.
Selbst wenn das umfassendere Vorhaben der Antragstellerin in Teilen als Umstrukturierungsmaßnahme zu qualifizieren wäre, änderte dies nichts daran, dass sich die Maßnahmen, die Gegenstand des im Streitfall zu beurteilenden Genehmigungsantrags sind, in einer Erweiterung des Netzes erschöpfen. Wenn das Netz im Gegenzug an anderer Stelle verkleinert würde, führte dies grundsätzlich nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Investitionen für die Erweiterungsmaßnahmen wären auch im Zusammenhang eines solchen umfassenderen Vorhabens nicht genehmigungsfähig.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
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