Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 12.11.2013


BGH 12.11.2013 - EnVR 33/12

Energiewirtschaftliche Verwaltungssache: Gerichtliche Überprüfbarkeit der Festlegung der Bundesnetzagentur über die im Entgeltgenehmigungsverfahren für Gasversorgungsunternehmen anwendbaren Preisindizes für die Ermittlung der Tagesneuwerte - Festlegung Tagesneuwerte


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
12.11.2013
Aktenzeichen:
EnVR 33/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 6. Juni 2012, Az: VI-3 Kart 269/07 (V)
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Festlegung Tagesneuwerte

Zur gerichtlichen Überprüfung der Festlegung der Bundesnetzagentur vom 17. Oktober 2007 (BK9-07/602-1) über die nach § 6 Abs. 3 GasNEV aF bei der Ermittlung der Tagesneuwerte anwendbaren Preisindizes.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Bundesnetzagentur hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen.

Der Wert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Betroffene betreibt unter anderem ein Gasnetz. Sie wendet sich gegen die von der Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 17. Oktober 2007 (BK9-07/602-1; abrufbar unter: www.bundesnetzagentur.de) getroffene Festlegung über die zur Ermittlung der Tagesneuwerte nach § 6 Abs. 3 GasNEV in der bis zum 22. August 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Anwendung zu bringenden anlagengruppenspezifischen Preisindizes. Die Preisindizes sind in Anlage 1 zur Festlegung im Einzelnen aufgeführt; die weitere Anlage 2 enthält eine Tabelle der in Bezug auf die einzelnen Anlagengruppen verwendeten Indexreihen des Statistischen Bundesamtes. Gemäß Ziffer 2 des Tenors der Festlegung finden die Preisindizes auf alle Entgeltgenehmigungsverfahren nach § 23a EnWG oder Verfahren im Rahmen der Anreizregulierung Anwendung, die das im Jahr 2006 abgelaufene oder ein früheres Geschäftsjahr zur Grundlage haben.

2

Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht die Festlegung aufgehoben. Hiergegen wendet sich die Bundesnetzagentur mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die von der Betroffenen in formeller Hinsicht gegen die Festlegung vorgebrachten Rügen durchgriffen. Zu Recht wende sie sich inhaltlich gegen die von der Bundesnetzagentur gebildeten Mischindizes. Mit ihnen sei eine sachgerechte Ermittlung von Tagesneuwerten schon deshalb nicht gewährleistet, weil weder die Einbindungs- und Montageleistungen für die Anlagen und Anlagenteile mit Lohnindizes des Wirtschaftszweigs "Produzierendes Gewerbe" der Fachserie 16 noch die in diesem Wirtschaftszweig erzielten Produktivitätsfortschritte repräsentativ abgebildet würden. Bei diesem Wirtschaftszweig handele es sich um einen hochaggregierten Wirtschaftszweig, bei dem 67% der darin eingehenden Wirtschaftsbereiche keine Sachnähe zu den Einbindungs- und Montageleistungen im Netzanlagenbau aufwiesen. Zudem hätten zahlreiche Netzbetreiber in ihren Stellungnahmen zu dem Festlegungsentwurf darauf hingewiesen, dass die Einbindungs- und Montageleistungen typischerweise dem Baugewerbe zuzuordnen seien und ganz überwiegend von Unternehmen dieses Gewerbes durchgeführt würden. Dieser Wirtschaftszweig gehe indessen nur mit ca. 10% in den vom Verarbeitenden Gewerbe dominierten Index der "Löhne und Gehälter des Produzierenden Gewerbes" ein.

5

Dass die Bundesnetzagentur aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und Verwaltungspraktikabilität von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts abgesehen habe, rechtfertige den Rückgriff auf die Lohnentwicklung des Wirtschaftszweigs des Produzierenden Gewerbes nicht. Zwar empfehle das Statistische Bundesamt einen Rückgriff auf höher aggregierte Reihen, wenn ein Tarifindex nicht alle relevanten Unternehmen abdecke. Diese Empfehlung betreffe aber andere, nicht vergleichbare Sachverhalte. Im Rahmen einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte die Bundesnetzagentur unter Umständen den Versuch einer stichprobenartigen Datenerhebung unternehmen können. Dafür, dass derartige Ermittlungen nicht von vornherein aussichtslos gewesen wären, sprächen die Recherchen des Instituts für Wirtschaftsstudien Basel GmbH im Rahmen seiner Studie "Preisindizes für das schweizerische elektrische Netz" von April 2010 (abrufbar unter www.wirtschaftsstudien.ch, dort unter "Publikationen/Studien").

6

Indes könne offenbleiben, ob das Unterlassen einer weiteren Aufklärung zu beanstanden sei und einen Verfahrensfehler begründe. In der Sache hätte die unterbliebene Aufklärung zur Folge haben müssen, dass die Bundesnetzagentur auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen hätte abwägen müssen, mit Hilfe welches der in Betracht kommenden Lohnindizes die Lohnentwicklung bestmöglich hätte abgebildet werden können. Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass die unterbliebene Aufklärung nicht ohne weiteres zu Lasten der Netzbetreiber gehen dürfe, weil die Regulierungsbehörde im Bereich der Eingriffsverwaltung die materielle Beweislast trage. Aufgrund dessen hätte es nahegelegen, den Lohnindex für das Baugewerbe zugrundezulegen. Dafür spreche, dass die Installations- und Montagearbeiten typischerweise dem Baugewerbe zuzuordnen seien. Die Bundesnetzagentur habe auch im Übrigen - soweit vorhanden - auf Indizes für Bauleistungen abgestellt, weshalb es bewertungskonsistent gewesen sei, auch bei den Einbindungs- und Montageleistungen auf das Baugewerbe abzustellen. Entsprechend sei etwa auch in der Schweizer Studie verfahren worden.

7

Die Betroffene wende sich mit Erfolg auch dagegen, dass die Bundesnetzagentur einen Produktivitätsfortschritt bei den Einbindungs- und Montageleistungen berücksichtigt habe, indem sie die Lohnkosten um den Produktivitätsfortschritt des Produzierenden Gewerbes bereinigt habe. Zwar habe die Bundesnetzagentur insoweit auf die Fachserie 18 des Statistischen Bundesamtes zurückgreifen dürfen, weil die Fachserie 16 den Produktivitätsfortschritt nicht berücksichtige. Indessen sei der Rückgriff auf die Daten zum Produktivitätsfortschritt des Produzierenden Gewerbes nicht sachgerecht, weil dieser für Einbindungs- und Montageleistungen im Netzanlagenbau nicht repräsentativ sei. Er betrage 2,2% p.a., während - was der Sachverständige Dr. R.  erläutert habe - der Produktivitätsfortschritt im Baugewerbe mit 0,1% p.a. deutlich darunter liege. Auch in der Schweizer Studie sei ein Rückgriff auf den Produktivitätsfortschritt des Produzierenden Gewerbes abgelehnt worden. Mit der höheren Produktivitätssteigerung von 3,1% p.a. in der Branche der Energie- und Wasserversorgung lasse sich der von der Bundesnetzagentur angenommene Produktivitätsfortschritt von 2,2% p.a. nicht stützen, weil dieser Wachstumssatz den gesamten Bereich von der Energiegewinnung bis zum Vertrieb betreffe. Vielmehr hätte die Bundesnetzagentur bei der Bemessung des Produktivitätsfortschritts bei den Einbindungs- und Montageleistungen mangels besserer Datengrundlage auf die Daten zum Produktivitätsfortschritt im Baugewerbe zurückgreifen müssen. Die Löhne im Produzierenden Gewerbe seien zwar im Zeitverlauf stärker gestiegen als im Baugewerbe. Die deutlich höhere Produktivitätsentwicklung im Produzierenden Gewerbe führe aber dazu, dass - wie der Sachverständige Dr. R.  in der mündlichen Verhandlung aufgrund einer überschlägigen Rechnung bekundet habe und in einer von dem Sachverständigen B.  nachträglich zu den Akten gereichten Berechnung bestätigt worden sei - die um sie bereinigte Lohnentwicklung deutlich, nämlich etwa zwei Prozentpunkte, unter der entsprechenden des Baugewerbes liege.

8

Schließlich sei auch zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur die von ihr gebildeten Mischindizes keiner Plausibilitätskontrolle unterzogen habe. Bei einer Verkettung von Indizes sei es - wie auch die Sachverständigen Dr. R.  und V.   bekundet hätten - unerlässlich, die gefundenen Indizes überschlägig daraufhin zu überprüfen, ob sie überhaupt plausibel seien. Dass Möglichkeiten der Plausibilisierung für vergleichbare Sachverhalte zur Verfügung stünden und angewandt würden, sei auch der Schweizer Studie zu entnehmen.

9

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

10

a) Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

11

aa) Unbegründet ist die Rüge, das Beschwerdegericht habe gegen den Mündlichkeitsgrundsatz (§ 81 Abs. 1 Halbs. 1 EnWG) verstoßen, indem es die nach Schluss der mündlichen Verhandlung von dem Sachverständigen B.  zu den Gerichtsakten gereichte Vergleichsrechnung zur längerfristigen Entwicklung der Tariflöhne im Baugewerbe und im Produzierenden Gewerbe verwertet habe.

12

Allerdings darf der Tatrichter gemäß § 81 Abs. 1 Halbs. 1, § 83 Abs. 1 Satz 1 EnWG nur solche Umstände zur Grundlage seiner Entscheidung machen, die - zumindest konkludent - Gegenstand der mündlichen Verhandlung oder einer Beweisaufnahme waren (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2006 - VI ZR 335/04, NJW 2006, 2482 Rn. 23 mwN zu § 128 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsätze oder nachträglich zu den Akten gelangte Urkunden werden grundsätzlich nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

13

Ob nach diesen Maßgaben der Mündlichkeitsgrundsatz hier verletzt worden ist, kann indes dahinstehen. Die Beschwerdeentscheidung beruht nicht auf einem eventuellen Verfahrensfehler (§ 88 Abs. 2 EnWG). Die Möglichkeit, dass das Beschwerdegericht ohne diesen Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, kann ausgeschlossen werden. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung in diesem Punkt maßgeblich auf die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gestützt und die nachträgliche Berechnung lediglich zur Abrundung erwähnt. Diese Berechnung stellt lediglich eine - rechnerisch genaue - Bestätigung der Bekundung im Rahmen der Beweisaufnahme dar, wonach die um den Produktivitätsfortschritt bereinigte Entwicklung der Tariflöhne im Bereich des Baugewerbes deutlich oberhalb derer im Bereich des Produzierenden Gewerbes liege.

14

bb) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, in der Verwertung der nachträglichen Berechnung des Sachverständigen liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, bleibt ebenfalls ohne Erfolg, weil sie bereits nicht ordnungsgemäß erhoben ist. Die Rechtsbeschwerdebegründung zeigt nicht im Einzelnen auf, was die Bundesnetzagentur bei einer Erstellung der Berechnung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte; der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt werden (vgl. zu § 70 Abs. 2, § 76 Abs. 2 Satz 1 GWB BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - KVR 27/04, BGHZ 163, 296, 301 mwN - Arealnetz und zu § 82 Abs. 2 EnWG BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - EnVR 16/10, RdE 2012, 203 Rn. 46 - Gemeindewerke Schutterwald). Soweit die Rechtsbeschwerde vorbringt, aufgrund der unsicheren Datengrundlage sei für die Produktivitätsentwicklung der Einbindungs- und Montageleistungen allein auf das Produzierende Gewerbe und nicht auf das Baugewerbe abzustellen, betrifft dieser Einwand nicht die nachträgliche Berechnung des Sachverständigen als solche.

15

cc) Soweit die Rechtsbeschwerde des Weiteren beanstandet, das Beschwerdegericht habe den Anspruch der Bundesnetzagentur auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass es dieser keine hinreichende Gelegenheit gegeben habe, zu der Schweizer Studie Stellung zu nehmen, liegt eine Gehörsverletzung nicht vor.

16

Das Beschwerdegericht hat in seinem vor der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2012 ergangenen Hinweisbeschluss vom 14. März 2012, der der Bundesnetzagentur vorab per Telefax am 15. März 2012 zugegangen ist, ausdrücklich auf die Schweizer Studie Bezug genommen. Auch wenn dies nur im Rahmen des ergänzenden Fragenkatalogs an die Sachverständigen erfolgt ist, bestand hierdurch für die Bundesnetzagentur hinreichender Anlass, auf die Studie im Rahmen der Terminsvorbereitung näher einzugehen. Tatsächlich hat die Bundesnetzagentur zu der Studie auch in einem dem Beschwerdegericht in der mündlichen Verhandlung überreichten Anlagenkonvolut den Wortlaut des Art. 13 der Stromversorgungsverordnung der Schweiz zu den Akten gegeben und dies in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Schweizer Studie im Kontext des dortigen Rechtsrahmens zu sehen sei.

17

Soweit das Beschwerdegericht der Bundesnetzagentur keine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, ist ein Verfahrensfehler nicht erkennbar. Ein solcher wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht dargelegt. In der Rechtsbeschwerdebegründung führt sie lediglich - im Anschluss an die Ausführungen der Bundesnetzagentur in der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht - näher aus, dass zum einen die Studie keine Aussagen für den Gasmarkt treffe und zum anderen die regulierungssystematischen Maßstäbe der Schweizer Studie auf die streitgegenständliche Festlegung wegen der andersartigen gesetzlichen Grundlagen nicht übertragbar seien. Davon ist indes auch das Beschwerdegericht ausgegangen.

18

dd) Ohne Erfolg bleibt schließlich die ebenfalls auf eine angebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützte Rüge der Rechtsbeschwerde, der Bundesnetzagentur sei im Beschwerdeverfahren keine Gelegenheit gegeben worden, zu neuem Vortrag der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung substantiiert Stellung zu nehmen. Die Verfahrensrüge aus § 83 Abs. 1 Satz 2 EnWG ist bereits nicht ordnungsgemäß erhoben. Die Rechtsbeschwerdebegründung zeigt nicht im Einzelnen auf, was die Bundesnetzagentur im Rahmen einer Stellungnahme zu den vermeintlich neuen Bekundungen der Sachverständigen vorgebracht hätte; der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt werden. Daran fehlt es hier. Die Rechtsbeschwerde beschränkt sich auf den pauschalen Vortrag, dass die Aussagen der Sachverständigen der Annahme der Sachgerechtigkeit der streitgegenständlichen Festlegung nicht entgegenstünden, sondern im Gegenteil das Rechtsverständnis der Bundesnetzagentur bestätigten.

19

b) Entgegen der Rechtsbeschwerde kommt der Regulierungsbehörde - was der Senat für die kostenbasierte Entgeltgenehmigung nach § 23a EnWG bereits mit Beschluss vom 5. Oktober 2010 (EnVR 49/09, RdE 2011, 263 Rn. 8 mwN) entschieden und im Einzelnen begründet hat - bei der Bestimmung der Preisindizes, die nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GasNEV aF aus den Index-Reihen des Statistischen Bundesamtes entwickelt werden müssen, kein einer gerichtlichen Überprüfung nur begrenzt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu. Allein die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe eröffnet der Regulierungsbehörde einen solchen Beurteilungsspielraum nicht. Die von der Rechtsprechung hierfür verlangten engen Voraussetzungen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. August 2008 - KVR 42/07, WuW/E DE-R 2395, Rn. 50 ff. - Rheinhessische Energie) liegen nicht vor. Vielmehr sind Preisindizes für die Ermittlung der Tagesneuwerte hinreichend bestimmbar und können in ihren tatsächlichen Voraussetzungen gegebenenfalls - was auch die vom Beschwerdegericht durchgeführte Beweisaufnahme gezeigt hat - durch Sachverständige geklärt werden.

20

Etwas anderes gilt auch nicht in Bezug auf von der Regulierungsbehörde nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 GasNEV aF getroffene Festlegungen zur Gewährleistung einer sachgerechten Ermittlung der Tagesneuwerte nach § 6 Abs. 3 GasNEV aF. Das Merkmal der Sachgerechtigkeit ist ebenfalls ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist und ohnehin in § 6 Abs. 3 GasNEV aF auch ohne ausdrückliche Erwähnung enthalten ist. Die Rechtsbeschwerde zeigt keine Gründe für die Annahme eines Beurteilungsspielraums in dem Sinne auf, dass Festlegungen nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 GasNEV aF generell einer gerichtlichen Überprüfung entzogen sein sollen. Der Umstand, dass in die Festlegung von Preisindizes auch Schätzungen und Bewertungen einfließen, genügt dafür nicht. Dies entzieht die Festlegung nicht der gerichtlichen Überprüfung, ob die von der Regulierungsbehörde konkret ermittelten Preisindizes und deren Grundlagen geeignet, angemessen, schlüssig und nachvollziehbar, d.h. sachgerecht sind. Ob der Regulierungsbehörde zur Vermeidung eines unverhältnismäßig hohen Ermittlungsaufwands gegebenenfalls die Möglichkeit einer Schätzung zusteht, bedarf keiner Entscheidung.

21

c) Die Rechtsbeschwerde bleibt auch ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Beurteilung des Beschwerdegerichts wendet, die Bundesnetzagentur habe bei der Bildung der Mischindizes für die Einbindungs- und Montageleistungen nicht die Lohnindizes des Wirtschaftszweiges "Produzierendes Gewerbe" und die in der Fachserie 18 enthaltenen statistischen Daten für den dortigen Produktivitätsfortschritt verwenden dürfen.

22

aa) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Beschwerdegericht habe die Beweislast verkannt, trifft dies nicht zu.

23

Das Beschwerdegericht hat die Bundesnetzagentur für verpflichtet gehalten, auf Grundlage der ihr vorliegenden Informationen abzuwägen, mit Hilfe welches der in Betracht kommenden Lohnindizes die Lohnentwicklung bestmöglich abgebildet werden könne. Insoweit hätte es nahegelegen, den Index der Löhne und Gehälter des Baugewerbes zugrundezulegen. In diesem Zusammenhang hat das Beschwerdegericht ausgeführt, es sei auch zu berücksichtigen, dass die unterbliebene weitere Aufklärung nicht ohne weiteres zu Lasten der Netzbetreiber gehen dürfe, weil die Regulierungsbehörde im Bereich der Eingriffsverwaltung die materielle Beweislast und damit das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trage. Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann offenbleiben. Das Beschwerdegericht hat nämlich keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern aufgrund seiner Feststellungen die von der Bundesnetzagentur angewendeten Indexreihen für nicht sachgerecht gehalten. Seine Ausführungen dazu, wer das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts zu tragen habe, sind nicht tragend.

24

bb) Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die Ausführungen des Beschwerdegerichts zur mangelnden Sachgerechtigkeit des Rückgriffs auf die Indizes und statistischen Daten des Wirtschaftszweigs des Produzierenden Gewerbes bei der Bildung der Mischindizes für die Einbindungs- und Montageleistungen.

25

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegt es der Beurteilung des Tatrichters, welche Indexreihen bei der Ermittlung der Tagesneuwerte nach § 6 Abs. 3 GasNEV aF zu berücksichtigen sind und mit welchem Gewicht dies gegebenenfalls zu erfolgen hat, um eine sachgerechte Indizierung zu gewährleisten. Seine Entscheidung kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur eingeschränkt überprüft werden. Lediglich wenn die ihr zugrunde liegende Würdigung unvollständig oder widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, darf das Rechtsbeschwerdegericht eine solche Wertung beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - EnVR 49/09, RdE 2011, 263 Rn. 10 mwN).

26

(2) Ein solcher Fehler wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch im Übrigen nicht erkennbar.

27

(a) Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, das Beschwerdegericht habe die Bekundungen der Sachverständigen nur rudimentär berücksichtigt, trifft dies nicht zu. Insbesondere hat es nicht die Aussage der Sachverständigen übergangen, das Statistische Bundesamt empfehle regelmäßig einen Rückgriff auf Tarifindizes für höher aggregierte Wirtschaftszweige, wenn der Index des niedriger aggregierten Wirtschaftszweiges - hier: des Baugewerbes - nicht alle relevanten Unternehmen abdecke und es deshalb zu einer Untererfassung der relevanten Unternehmen kommen würde. Hiermit hat sich das Beschwerdegericht ausdrücklich auseinandergesetzt, die Empfehlung des Statistischen Bundesamtes aber - unter anderem auch aufgrund der mündlichen Bekundung des Sachverständigen B.  - im vorliegenden Fall aus tat-sächlichen Gründen nicht für einschlägig gehalten. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

28

Ebenfalls unbehelflich sind die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die Ausführungen des Beschwerdegerichts, aufgrund der Unsicherheit der Datengrundlage hätte es nahegelegen, den Index der Löhne und Gehälter des Baugewerbes zugrundezulegen. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen. Entscheidend ist nämlich, dass - wie das Beschwerdegericht aufgrund sachverständiger Beratung schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat - die Verwendung der Indizes und statistischen Daten für das Produzierende Gewerbe nicht sachgerecht gewesen sei, weil in diese zu 67% Daten aus Wirtschaftsbereichen einflössen, bei denen eine Sachnähe zu den streitgegenständlichen Einbindungs- und Montageleistungen nicht ersichtlich sei, so dass in erheblichem Maße sachfremde Lohnentwicklungen und Produktivitätsfortschritte bestimmend seien. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Vorbringen der Bundesnetzagentur erschöpft sich im Wesentlichen in einer eigenen Würdigung des Sachverhalts, ohne einen Rechtsfehler der tatrichterlichen Würdigung aufzuzeigen.

29

(b) Unbegründet ist auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, die verschiedenen Bezugnahmen des Beschwerdegerichts auf die Schweizer Studie seien rechtsfehlerhaft, weil die Studie sich nur auf den Strommarkt beziehe und die ihr zugrundeliegenden Maßstäbe auf die streitgegenständliche Festlegung für Gas nicht übertragbar seien. Das Beschwerdegericht hat ausdrücklich die - im Vergleich zu Deutschland andere - Ausgangslage in der Schweiz, insbesondere auch die dortige Rückindexierung, vor Augen gehabt und nicht etwa die Ergebnisse der Studie auf das deutsche Regulierungssystem pauschal übertragen. Allein maßgeblich für das Beschwerdegericht war die Frage, ob im Hinblick auf die Einbindungs- und Montageleistungen ein Abstellen auf den Lohnindex des Baugewerbes sachgerecht war. Nur zur Beantwortung dieser Frage hat es die Ergebnisse der Schweizer Studie - losgelöst von dem zugrundeliegenden Indexierungsmodell - herangezogen. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ein solcher wird von der Rechtsbeschwerde nicht dadurch aufgezeigt, dass sie die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem schweizerischen Regulierungsmodell darstellt. Für die vom Beschwerdegericht zu beantwortende Frage ist dies ohne Belang.

30

Nichts anderes gilt für den - in der Sache zutreffenden - Einwand der Rechtsbeschwerde, dass die Schweizer Studie nur den Strommarkt und nicht den Gasmarkt betrifft. Dies hat das Beschwerdegericht erkannt, dem aber für die von ihm untersuchte Sachgerechtigkeit der in Betracht kommenden Indizes zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Für die hier maßgeblichen Fragen kommt es nicht darauf an, ob es sich um Strom- oder Gasleitungen handelt. Für eine solche Gleichbehandlung sprechen auch die insoweit ähnlichen Regelungen in der streitgegenständlichen Festlegung und in der für den Strommarkt geltenden Festlegung der Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur vom 17. Oktober 2007 (BK8-07/272).

31

(c) Schließlich kann die Rechtsbeschwerde auch keinen Erfolg haben, soweit sie sich gegen die Annahme des Beschwerdegerichts wendet, die Bundesnetzagentur sei zu einer Plausibilitätskontrolle der von ihr gebildeten Mischindizes verpflichtet gewesen. Das Beschwerdegericht hat an das Unterlassen einer solchen Verprobung, deren Zweckmäßigkeit es - sachverständig beraten - mit beachtlichen Gründen bejaht hat, keine eigenständige Rechtsfolge in dem Sinne geknüpft, dass die angefochtene Festlegung allein aus diesem Grund als rechtwidrig aufzuheben gewesen wäre. Vielmehr hat es die Aufhebung der Festlegung zu Recht mit der fehlenden Sachgerechtigkeit der gebildeten Mischindizes für die Einbindungs- und Montageleistungen des Netzanlagenbaus begründet.

III.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 1 EnWG.

Tolksdorf                         Strohn                        Kirchhoff

                  Grüneberg                    Deichfuß