Entscheidungsdatum: 15.05.2017
Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Mai 2016 und der Beschluss der Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur vom 26. Januar 2015, BK4-12-1373, aufgehoben.
Die Bundesnetzagentur wird verpflichtet, den Antrag der Antragstellerin auf Genehmigung der zwischen ihr und der Beteiligten am 8./14. November 2013 getroffenen Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für die Abnahmestelle „S. “ mit der Zählpunktbezeichnung DE00 7300 7929 VS50 6005 8600 0067 7336 für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die weitergehenden Rechtsmittel der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin werden der Bundesnetzagentur auferlegt. Die weitere Beteiligte trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
I. Die Antragstellerin produziert an ihrem Standort S. Kunststoffteile und betreibt dort außerdem eine Photovoltaik-Anlage. Sie ist in Mittelspannung an das Elektrizitätsversorgungsnetz der Beteiligten angeschlossen. Den in der Photovoltaik-Anlage erzeugten Strom speist die Antragstellerin ausschließlich in ihr betriebseigenes Netz ein. Dafür erhielt sie für das Jahr 2012 von der Beteiligten eine Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Im Gegenzug entrichtete die Antragstellerin Netzentgelte nach ihrem gesamten Strombezug, d.h. einschließlich der kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung.
Die Antragstellerin und die Beteiligte schlossen am 8./14. November 2013 eine individuelle Netzentgeltvereinbarung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV für das Jahr 2012, die die Antragstellerin der Bundesnetzagentur zur Genehmigung vorlegte. In diesem Jahr überschritten die Jahresbenutzungsstunden an der Abnahmestelle der Antragstellerin den Grenzwert von 7.000 Stunden nur unter Zugrundelegung des kaufmännisch-bilanziell abgerechneten, netzentgeltpflichtigen Strombezugs aus dem Netz der Beteiligten. Mit Beschluss vom 26. Januar 2015 lehnte die Bundesnetz-agentur die Genehmigung des Antrags ab. Sie begründete dies damit, dass die Benutzungsstundenzahl von 7.000 nicht erreicht sei, weil hierfür der physikalische Bezug von Strom aus dem Netz der Beteiligten maßgeblich sei.
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde hat die Antragstellerin beantragt, die Bundesnetzagentur zu verpflichten, die zwischen ihr und der Beteiligten getroffene Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für die Abnahmestelle „S. “ für das Jahr 2012 zu genehmigen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechts-beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
II. Die Rechtsbeschwerde ist im Wesentlichen begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung der Bundesnetzagentur gebilligt, dass im Rahmen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV - gleich in welcher Fassung - allein auf den physikalischen Strombezug aus dem Netz der allgemeinen Versorgung abzustellen sei, während die kaufmännisch-bilanziell entnommenen Strommengen nicht zu berücksichtigen seien. Dafür spreche bereits der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV, der als maßgeblichen Ort der Stromentnahme ausdrücklich das Netz der allgemeinen Versorgung nenne. In den Gesetzesmaterialien stehe ebenfalls die rein technische Betrachtungsweise und damit die tatsächlich-physikalische Stromabnahme im Vordergrund, weil die vom Verordnungsgeber dargelegten Effekte einer dauerhaften Stromentnahme im Netz der allgemeinen Versorgung nur dann entstünden, wenn die Stromentnahme auch tatsächlich stattfinde. Aufgrund dessen spreche auch der Sinn und Zweck der Vorschrift für eine Nichtberücksichtigung des kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs. Die vom Bundesgerichtshof festgestellte Ausnahme von der Betrachtung des physikalischen Strombezugs bei der Berechnung der Netzentgelte nach § 17 StromNEV im Fall des kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs sei nicht übertragbar, weil es bei § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV nicht um eine möglichst effektive und gleichzeitig diskriminierungsfreie EEG-Förderung gehe, sondern um eine tatsächlich netzstabilisierende Stromentnahme.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht den kaufmännisch-bilanziellen Strombezug der Antragstellerin bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV in der hier maßgeblichen ab dem 22. August 2013 geltenden Fassung (§ 32 Abs. 7 Satz 1 StromNEV) unberücksichtigt gelassen. Wie der Senat - nach Erlass der Beschwerdeentscheidung - entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist für die Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV nicht der tatsächlich-physikalische, sondern der kaufmännisch-bilanzielle Strombezug maßgebend (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2016 - EnVR 38/15, Rn. 7 ff. - Individuelles Netzentgelt II).
III. Der Senat verweist die Sache nicht an das Beschwerdegericht zurück. Die noch offenen Fragen des angefochtenen Bescheids vom 26. Januar 2015 können durch die Bundesnetzagentur in dem neu eröffneten Verwaltungsverfahren entschieden werden. Für die Neubescheidung ist der rechtliche Rahmen durch die Entscheidung des Senats vorgegeben.
Entgegen dem Antrag der Rechtsbeschwerde ist lediglich die Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur Neubescheidung auszusprechen, weil es insoweit an der erforderlichen Spruchreife fehlt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO analog). In dem angefochtenen Bescheid hat die Bundesnetzagentur den Antrag bereits deshalb für unbegründet gehalten, weil die erforderliche Mindestvoraussetzung des Erreichens einer Betriebsstundenzahl von 7.000 Benutzungsstunden nicht gegeben sei. Dagegen lässt sich dem Bescheid nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 2 StromNEV gegeben sind. Auch das Beschwerdegericht hat dazu keine Feststellungen getroffen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG. Es entspricht der Billigkeit, dass die weitere Beteiligte ihre notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.
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