Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 13.12.2016


BGH 13.12.2016 - EnVR 38/15

Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen: Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts – Individuelles Netzentgelt II


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
13.12.2016
Aktenzeichen:
EnVR 38/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:131216BENVR38.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 15. Juli 2015, Az: VI-3 Kart 108/14 (V)
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Individuelles Netzentgelt II

Für die Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV ist nicht der tatsächlich-physikalische, sondern der kaufmännisch-bilanzielle Strombezug maßgebend.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 2015 in der Fassung des Beschlusses vom 9. September 2015 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Ausspruch zu Nummern 1 und 3 des Beschlusses der Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur vom 10. März 2014 in der Fassung vom 1. April 2014, BK4-11-441, aufgehoben.

Die Bundesnetzagentur wird verpflichtet, die Anträge der Antragstellerin auf Genehmigung der zwischen ihr und der Beteiligten am 30. Juni/6. Juli 2011 getroffenen Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für die Abnahmestelle "Werk W.  " für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 und der zwischen ihr und der Beteiligten am 31. Januar 2014 getroffenen Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für die Abnahmestelle "Werk W.  " für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die weitergehenden Rechtsmittel der Antragstellerin werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin werden der Bundesnetzagentur auferlegt. Die weitere Beteiligte trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.863.687 € festgesetzt.

Gründe

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I. Die Antragstellerin betreibt ein holzverarbeitendes Unternehmen und außerdem am Standort W.  ein Biomasseheizkraftwerk. Dieser Standort wird als Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a und 24b EnWG betrieben und ist - zum Teil über singulär genutzte Betriebsmittel - im Umspannwerk H.   in der Umspannebene Hoch-/Mittelspannung an das Netz der Beteiligten angeschlossen. Das Biomasseheizkraftwerk war bis Ende 2012 nur über die Mittelspannungsschaltanlage der Antragstellerin an das Netz der Beteiligten angeschlossen; den in dem Biomasseheizkraftwerk erzeugten Strom speiste die Antragstellerin ausschließlich in ihre Kundenanlage ein. Dafür erhielt sie gemäß Einspeisevertrag vom 14. November 2005 von der Beteiligten eine Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Im Gegenzug entrichtete die Antragstellerin in den Jahren 2011 und 2012 Netzentgelte nach ihrem gesamten Strombezug, d.h. einschließlich der kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung. Seit Ende 2012 ist das Biomasseheizkraftwerk über eine Direktleitung an die unterspannungsseitige Sammelschiene des Umspannwerks H.   angeschlossen; innerhalb der Kundenanlage besteht keine Verbindung mehr zwischen den Produktionsanlagen der Antragstellerin und dem Biomasseheizkraftwerk.

2

Die Antragstellerin und die Beteiligte schlossen am 30. Juni/6. Juli 2011 eine individuelle Netzentgeltvereinbarung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV für das Jahr 2011 und am 31. Januar 2014 eine solche für das Jahr 2012, die die Antragstellerin der Bundesnetzagentur zur Genehmigung vorlegte. In diesen beiden Jahren überschritten die Jahresbenutzungsstunden an der Abnahmestelle der Antragstellerin den Grenzwert von 7.000 Stunden nur unter Zugrundelegung des kaufmännisch-bilanziell abgerechneten, netzentgeltpflichtigen Strombezugs aus dem Netz der Beteiligten. Mit Bescheid vom 10. März 2014, berichtigt durch Bescheid vom 1. April 2014, lehnte die Bundesnetzagentur die Genehmigung der Anträge ab. Sie begründete dies damit, dass die Benutzungsstundenzahl von 7.000 nicht erreicht sei, weil hierfür der physikalische Bezug von Strom aus dem Netz der Beteiligten maßgeblich sei. Die von der Antragstellerin und der Beteiligten für das Jahr 2013 getroffene Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts wurde von ihr dagegen genehmigt.

3

Mit der gegen den ablehnenden Teil des Bescheids gerichteten Beschwerde hat die Antragstellerin beantragt, die Bundesnetzagentur zu verpflichten, die zwischen ihr und der Beteiligten getroffene Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für die Abnahmestelle "W.  " für das Jahr 2012 zu genehmigen, hilfsweise für den Fall einer Stattgabe dieses Antrags die Bundesnetzagentur zu verpflichten, die zwischen ihr und der Beteiligten getroffene Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für die Abnahmestelle "W.  " für das Jahr 2011 unter Zugrundelegung der Auffassung des Senats neu zu bescheiden, höchst hilfsweise ihren Antrag auf ein individuelles Netzentgelt in Höhe von 20% des allgemeinen Netzentgelts für diese Abnahmestelle für das Jahr 2011 nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV in der Fassung vom 14. August 2013 zu genehmigen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren mit der Maßgabe weiter, dass sie den Hauptantrag für das Jahr 2011 unbedingt stellt.

4

II. Die Rechtsbeschwerde ist im Wesentlichen begründet.

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1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung der Bundesnetzagentur gebilligt, dass im Rahmen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV - gleich in welcher Fassung - allein auf den physikalischen Strombezug aus dem Netz der allgemeinen Versorgung abzustellen sei, während die kaufmännisch-bilanziell entnommenen Strommengen nicht zu berücksichtigen seien. Dafür spreche bereits der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV, der als maßgeblichen Ort der Stromentnahme ausdrücklich das Netz der allgemeinen Versorgung nenne. In den Gesetzesmaterialien stehe ebenfalls die rein technische Betrachtungsweise und damit die tatsächlich-physikalische Stromabnahme im Vordergrund, weil die vom Verordnungsgeber dargelegten Effekte einer dauerhaften Stromentnahme im Netz der allgemeinen Versorgung nur dann entstünden, wenn die Stromentnahme auch tatsächlich stattfinde. Aufgrund dessen spreche auch der Sinn und Zweck der Vorschrift für eine Nichtberücksichtigung des kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs. Die vom Bundesgerichtshof festgestellte Ausnahme von der Betrachtung des physikalischen Strombezugs bei der Berechnung der Netzentgelte nach § 17 StromNEV im Fall des kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs sei nicht übertragbar, weil es bei § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV nicht um eine möglichst effektive und gleichzeitig diskriminierungsfreie EEG-Förderung gehe, sondern um eine tatsächlich netzstabilisierende Stromentnahme.

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2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht den kaufmännisch-bilanziellen Strombezug der Antragstellerin bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV unberücksichtigt gelassen. Das Gegenteil ist richtig.

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a) Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV in der für das Jahr 2012 maßgeblichen Fassung vom 14. August 2013 wie auch in der für das Jahr 2011 maßgeblichen Fassung vom 21. August 2009 ist für die weiteren Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts auf die Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung für den eigenen Verbrauch an einer Abnahmestelle abzustellen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts wird damit aber nicht zwingend nur die tatsächlich entnommene (physikalische) Stromentnahme erfasst.

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Dafür könnte zwar sprechen, dass der Verordnungsgeber den Begriff der Abnahmestelle i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV in § 2 Nr. 1 StromNEV in der Fassung vom 14. August 2013 als "die Summe aller räumlich und physikalisch zusammenhängenden elektrischen Einrichtungen eines Letztverbrauchers, die sich auf einem in sich abgeschlossenen Betriebsgelände befinden und über einen oder mehrere Entnahmepunkte mit dem Netz des Netzbetreibers verbunden sind" definiert hat. Damit hat er auf eine "physikalische" Betrachtungsweise abgestellt. Dagegen lässt sich aber einwenden, dass § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV im Kern nicht auf die Abnahmestelle, sondern auf die dort erfolgende "Stromabnahme aus dem Netz der allgemeinen Versorgung" abstellt und dieser Begriff - ähnlich wie der Begriff der "Entnahmestelle" in § 17 StromNEV (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. März 2012 - EnVR 8/11, RdE 2012, 387 Rn. 14 ff.) - sowohl physikalisch als auch kaufmännisch-bilanziell verstanden werden kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV die Stromabnahme "für den eigenen Verbrauch" erfolgen muss. Diese Formulierung stellt lediglich klar, dass solche Strommengen nicht berücksichtigt werden, die der Netznutzer an Dritte weiterleitet.

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b) Entscheidend für ein kaufmännisch-bilanzielles Verständnis des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV spricht eine systematische Auslegung der Stromnetzentgeltverordnung.

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Nach der Rechtsprechung des Senats stellt bei einer - wie hier - kaufmännisch-bilanziellen Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien in ein Netz der allgemeinen Versorgung im Sinne des § 3 Abs. 6 EEG 2004 (danach § 3 Nr. 7 EEG 2009; jetzt § 5 Nr. 26 EEG 2014) die Strommenge, die vom Erzeuger selbst oder in einem vorgelagerten Arealnetz verbraucht wird, eine netzentgeltpflichtige Entnahme im Sinne des § 17 StromNEV dar. Maßgeblich für die Berechnung der Netzentgelte ist zwar grundsätzlich die tatsächliche (physikalische) Entnahme von Strom aus dem Netz, wobei das Netzentgelt die Nutzung aller vorgelagerten Netz- und Umspannebenen einschließt (§ 3 Abs. 2 StromNEV). Der Senat hat aber eine Ausnahme von dem Erfordernis der gemessenen physikalischen Entnahme dann bejaht, wenn der Netznutzer aus Erneuerbaren Energien gewonnenen Strom in das Netz der allgemeinen Versorgung (§ 3 Abs. 6 EEG 2004; § 3 Nr. 7 EEG 2009; § 5 Nr. 26 EEG 2014) "einspeist" und gemäß § 4 Abs. 5 EEG 2004 (danach § 8 Abs. 2 EEG 2009; jetzt § 11 Abs. 2 EEG 2014) kaufmännisch-bilanziell abrechnet. In diesem Fall ist ein Eigenverbrauch des Erzeugers oder der Verbrauch in einem vorgelagerten Arealnetz, in das der aus Erneuerbaren Energien gewonnene Strom vor der Weitergabe an ein Netz im Sinne der § 3 Abs. 6 EEG 2004, § 3 Nr. 7 EEG 2009, § 5 Nr. 26 EEG 2014 zunächst eingespeist wurde, als Nutzung des Netzes im Sinne dieser Vorschriften anzusehen, an das er kaufmännisch-bilanziell abgegeben wird (Senatsbeschluss vom 27. März 2012 - EnVR 8/11, RdE 2012, 387 Rn. 11 f.). Durch die Maßgeblichkeit der kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe - wobei mit der Ersetzung des Begriffs der Durchleitung (§ 4 Abs. 5 EEG 2004) durch den Begriff "Weitergabe" in § 8 Abs. 2 EEG 2009 (jetzt: § 11 Abs. 2 EEG 2014) keine inhaltliche Änderung verbunden sein sollte (BT-Drucks. 16/8148 S. 44) - wird bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich der Erfassungszeitpunkt vorverlegt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. März 2012 - EnVR 8/11, aaO Rn. 17 und vom 12. Juli 2013 - EnZR 73/12, RdE 2013, 433 Rn. 7).

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Dieses Normverständnis des § 17 StromNEV muss für § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV gleichermaßen gelten. Die Netzentgeltreduzierung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV als Sondervorschrift baut auf der allgemeinen Vorschrift über die Ermittlung der Netzentgelte nach § 17 StromNEV auf. Dies zeigt sich insbesondere an § 17 Abs. 1 Satz 2 StromNEV, wonach sich die Netzentgelte unter anderem nach der jeweiligen Benutzungsstundenzahl der Entnahmestelle richten, deren Höhe wiederum eine maßgebliche Voraussetzung für den Anspruch auf ein individuelles Netzentgelt nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV bildet.

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Soweit der Senat den kaufmännisch-bilanziellen Ansatz für die Berechnung der Netzentgelte nach § 17 StromNEV vor allem auch damit begründet hat, dass dadurch zum einen volkswirtschaftlich unsinnige Aufwendungen in Form der Herstellung von Direktleitungen in das Netz vermieden werden und zum anderen in den Fällen des § 4 Abs. 5 EEG 2004 (§ 8 Abs. 2 EEG 2009, § 11 Abs. 2 EEG 2014) eine Gleichstellung des nicht direkt einspeisenden Anlagenbetreibers mit einem direkt einspeisenden und für den Eigenverbrauch zugleich entnehmenden Anlagenbetreiber erreicht wird, gilt dies auch im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV. Durch den Bau einer Direktleitung kommt der Anlagenbetreiber - wie im Fall der Antragstellerin für das Jahr 2013 - in den Genuss eines individuellen Netzentgelts, ohne dass sich der Rechtslage ein sachlicher Grund für eine solche unterschiedliche Behandlung entnehmen lässt.

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Es wäre widersprüchlich, auf der einen Seite bei der Ermittlung der Netzentgelte die kaufmännisch-bilanzielle Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien in ein Netz der allgemeinen Versorgung als netzentgeltpflichtige Entnahme anzusehen, dem Anlagenbetreiber aber auf der anderen Seite eine Berücksichtigung dieser Entnahme im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV zu versagen. Vielmehr wird durch den kaufmännisch-bilanziellen Berechnungsansatz der Anlagenbetreiber in jeder Beziehung so gestellt, wie wenn er die von ihm erzeugte Energie unmittelbar in ein Netz nach § 3 Nr. 7 EEG 2009 geleitet hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2012 - EnVR 8/11, RdE 2012, 387 Rn. 16).

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c) Gegen diese Auslegung des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV sprechen auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift.

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Nach der Verordnungsbegründung soll die Regelung einen nachhaltigen Beitrag der Großverbraucher zu den Netzentgelten gewährleisten und den Beitrag dieser Großverbraucher zur Dämpfung der Netzkosten berücksichtigen. Soweit die Regelung an eine Mindestbenutzungsstundenzahl von 7.000 Stunden im Jahr anknüpft, beruht dies nach den Materialien darauf, dass erst ab einer derart hohen Benutzungsstundenzahl technisch von einer dauerhaften Stromentnahme (Bandlast) ausgegangen werden könne, der eine entsprechende Grundlast auf der Erzeugungsseite gegenüber stehen müsse. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Grundlast und Bandlast sei für die Netzstabilität unerlässlich (vgl. BR-Drucks. 447/13, S. 15 f.).

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Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV hat damit zwei Zielrichtungen. Zum einen soll sie - was das Beschwerdegericht zu Recht hervorgehoben hat - die Großverbraucher im Hinblick auf ihren Beitrag zur Netzstabilität belohnen. Zum anderen soll sie aber auch einen nachhaltigen Beitrag der Großverbraucher zu den Netzentgelten gewährleisten. Dieses Ziel wird nur dadurch erreicht, dass Großverbraucher am Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossen sind und bleiben und etwa auf die Herstellung einer Direktleitung zu einer höheren Netzebene oder zu dem dortigen Umspannwerk verzichten, weil letzteres für sie - wegen der Möglichkeit der Vereinbarung eines (niedrigeren) individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV - wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.

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Aufgrund dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob - was die Rechtsbeschwerde mit der Verfahrensrüge geltend macht - entgegen der vom Beschwerdegericht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellung der kaufmännisch-bilanzielle Ansatz auch unter dem Gesichtspunkt der Netzstabilität zum Tragen kommt, weil die netzstabilisierende Wirkung stromintensiver Letztverbraucher unabhängig davon eintrete, ob sie den Strom physikalisch in einer dem Netz der allgemeinen Versorgung nachgelagerten Kundenanlage verbrauchen oder direkt aus einem Netz der allgemeinen Versorgung entnehmen.

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III. Der Senat verweist die Sache nicht an das Beschwerdegericht zurück. Die noch offenen Fragen des angefochtenen Bescheids vom 10. März 2014 in der Fassung vom 1. April 2014 können durch die Bundesnetzagentur in dem neu eröffneten Verwaltungsverfahren entschieden werden. Für die Neubescheidung ist der rechtliche Rahmen durch die Entscheidung des Senats vorgegeben.

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Entgegen dem Antrag der Rechtsbeschwerde ist im Hinblick auf den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 lediglich die Verpflichtung der Bundesnetzagentur zur Neubescheidung auszusprechen, weil es insoweit an der erforderlichen Spruchreife fehlt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO analog). In dem angefochtenen Bescheid hat die Bundesnetzagentur die Anträge für die Jahre 2011 und 2012 bereits deshalb für unbegründet gehalten, weil die erforderliche Mindestvoraussetzung des Erreichens einer Betriebsstundenzahl von 7.000 Benutzungsstunden nicht gegeben sei. Dagegen lässt sich dem Bescheid nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Abs. 2 StromNEV gegeben sind. Auch das Beschwerdegericht hat dazu keine Feststellungen getroffen.

21

Für das neu eröffnete Verwaltungsverfahren weist der Senat darauf hin, das für den Genehmigungszeitraum 2012 § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 StromNEV in der ab dem 22. August 2013 geltenden Fassung anwendbar ist (§ 32 Abs. 7 Satz 1 StromNEV). Für den Genehmigungszeitraum 2011 ist dagegen § 19 Abs. 2 StromNEV in der Fassung vom 21. August 2009 anzuwenden. Da § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV in der Fassung von Art. 7 des am 4. August 2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 (BGBl. I S. 1554, 1594) nichtig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2015 - EnVR 32/13, RdE 2016, 65 - Netzentgeltbefreiung), gilt insoweit die alte Rechtsnorm unverändert fort (vgl. BVerwG, NVwZ 1991, 673, 674). § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 StromNEV in der ab dem 22. August 2013 geltenden Fassung ist erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 anzuwenden (§ 32 Abs. 7 Satz 1 StromNEV).

22

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG. Es entspricht der Billigkeit, dass die weitere Beteiligte ihre notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.

Meier-Beck      

        

Raum      

        

Kirchhoff

        

Grüneberg      

        

Bacher