Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 29.11.2013


BGH 29.11.2013 - BLw 2/12

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union: Vereinbarkeit eines nationalen Verbots des Verkaufs eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch die BVVG zum Höchstgebot bei einem groben Missverhältnis zum Grundstückswert mit Gemeinschaftsrecht für staatliche Beihilfen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Landwirtschaftssachen
Entscheidungsdatum:
29.11.2013
Aktenzeichen:
BLw 2/12
Dokumenttyp:
EuGH-Vorlage
Vorinstanz:
vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 31. Juli 2012, Az: 2 Ww 12/10, Beschlussvorgehend AG Stendal, 26. Oktober 2010, Az: 4 Lw 4/09nachgehend EuGH, 16. Juli 2015, Az: C-39/14, Urteilnachgehend BGH, 29. April 2016, Az: BLw 2/12, Beschlussnachgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 16. Januar 2019, Az: 2 Ww 12/10, Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 107 Abs 1 AEUV
Art 267 AEUV

Leitsätze

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:

Steht Art. 107 Abs. 1 AEUV einer nationalen Regelung wie § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG entgegen, welche es zur Verbesserung der Agrarstruktur einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung wie der BVVG im Ergebnis verbietet, ein zum Verkauf stehendes landwirtschaftliches Grundstück an den Höchstbietenden einer öffentlichen Ausschreibung zu verkaufen, wenn das Höchstgebot in einem groben Missverhältnis zu dem Wert des Grundstücks steht?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:

Steht Art. 107 Abs. 1 AEUV einer nationalen Regelung wie § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG entgegen, welche es zur Verbesserung der Agrarstruktur einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung wie der BVVG im Ergebnis verbietet, ein zum Verkauf stehendes landwirtschaftliches Grundstück an den Höchstbietenden einer öffentlichen Ausschreibung zu verkaufen, wenn das Höchstgebot in einem groben Missverhältnis zu dem Wert des Grundstücks steht?

Gründe

I.

1

Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG, Antragstellerin zu 1) ist eine juristische Person des Privatrechts, deren Geschäftsanteile der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) zustehen. Diese ist eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, die als Trägerin mittelbarer Staatsverwaltung staatliche Aufgaben wahrnimmt (Senat, Beschluss vom 27. November 2009 - BLw 4/09, NJW-RR 2010, 886 Rn. 13). Die BVVG erfüllt unter anderem den gesetzlichen Auftrag, in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (neue Bundesländer) ehemals volkseigene land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen und Gebäude zu privatisieren. Dabei handelt sie als zivilrechtliche Eigentümerin im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung der BvS, die wirtschaftliche Eigentümerin der Flächen ist. Im Jahr 2011 hat die BVVG ca. 42.760 Hektar landwirtschaftliche Fläche verkauft, im Jahr 2012 ca. 40.400 Hektar.

2

Mit notariellem Vertrag vom 31. März 2008 verkaufte die BVVG eine ca. 2,6 Hektar große Landwirtschaftsfläche für 29.000 € an T.    und U. E.   (Antragsteller zu 2 und 3). Der Verkauf erfolgte nach Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung, bei welcher die Käufer das Höchstgebot abgegeben hatten.

3

Mit Bescheid vom 5. Juni 2008 verweigerte die Beteiligte zu 4 als zuständige Behörde die Genehmigung des Kaufvertrags nach dem Grundstücksverkehrsgesetz mit der Begründung, der vereinbarte Kaufpreis stehe in einem groben Missverhältnis zu dem Wert des verkauften Grundstücks.

4

Die BVVG und die Eheleute E.   haben eine gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel beantragt, den Versagungsbescheid aufzuheben und die Genehmigung zu erteilen. Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat die Anträge zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller ist erfolgslos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die BVVG den Genehmigungsantrag weiter.

II.

5

Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der vereinbarte Kaufpreis von 29.000,00 € stehe in einem groben Missverhältnis zu dem Wert des verkauften Grundstücks. Das eingeholte Sachverständigengutachten ergebe, dass der landwirtschaftliche Verkehrswert des Grundstücks bei Einbeziehung anderer BVVG-Verkäufe in den Vergleich 14.168,61 € betrage, ohne Einbeziehung 13.648,19 €. Der vereinbarte Preis übersteige diese Werte um mehr als 50 %. Ein Verkauf zu diesem Preis habe ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur. Der als Zeuge vernommene Landwirt B.   sei bereit gewesen, das Grundstück zu einem Preis, der bis zu 50 % über dem landwirtschaftlichen Verkehrswert liege, zu erwerben. Die Eheleute E.   seien überdies nur Hobbylandwirte.

III.

6

Zu der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland:

7

1. Die hier anzuwendenden Vorschriften des Grundstücksverkehrsgesetzes lauten auszugsweise:

8

§ 1 Abs. 1: Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten für landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Grundstücke (…)

9

§ 2 Abs. 1: Die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber bedürfen der Genehmigung. (…)

10

§ 4: Die Genehmigung ist nicht notwendig, wenn

11

1. der Bund oder ein Land als Vertragsteil an der Veräußerung beteiligt ist (…)

12

§ 9:

13

(1) Die Genehmigung darf nur versagt oder durch Auflagen (§ 10) oder Bedingungen (§ 11) eingeschränkt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß

14

1. die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet oder

15

2. durch die Veräußerung das Grundstück oder eine Mehrheit von Grundstücken, die räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängen und dem Veräußerer gehören, unwirtschaftlich verkleinert oder aufgeteilt würde oder

16

3. der Gegenwert in einem groben Mißverhältnis zum Wert des Grundstücks steht.

17

(2) Eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 liegt in der Regel dann vor, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

18

(3) Eine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 liegt in der Regel dann vor, wenn durch Erbauseinandersetzung, Übergabevertrag oder eine sonstige rechtsgeschäftliche Veräußerung

19

1. ein selbständiger landwirtschaftlicher Betrieb seine Lebensfähigkeit verlieren würde;

20

2. ein landwirtschaftliches Grundstück kleiner als ein Hektar wird;

21

3. ein forstwirtschaftliches Grundstück kleiner als dreieinhalb Hektar wird, es sei denn, daß seine ordnungsgemäße forstliche Bewirtschaftung gewährleistet erscheint;

22

4. in einem Flurbereinigungsverfahren zugeteilte oder anläßlich einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Aufstockung oder Aussiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebes erworbene Grundstücke in der Weise geteilt werden, daß die Teilung diesen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht.

23

(4) Wird das Grundstück für andere als land- oder forstwirtschaftliche Zwecke veräußert, so darf die Genehmigung aus Absatz 1 Nr. 3 nicht versagt werden.

24

(5) Liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz ausgeübt werden kann, so darf, wenn das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird, die Genehmigung aus Absatz 1 Nr. 1 nur versagt oder durch Auflagen oder Bedingungen eingeschränkt werden, falls es sich um die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes handelt.

25

(6) Bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag muß auch allgemeinen volkswirtschaftlichen Belangen Rechnung getragen werden, insbesondere wenn Grundstücke zur unmittelbaren Gewinnung von Roh- und Grundstoffen (Bodenbestandteile) veräußert werden.

26

(7) Die Genehmigung soll, auch wenn ihr Bedenken aus den in Absatz 1 aufgeführten Gründen entgegenstehen, nicht versagt werden, wenn dies eine unzumutbare Härte für den Veräußerer bedeuten würde.

27

2. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt die Befreiungsklausel des § 4 Nr. 1 GrdstVG nicht für die BVVG. Verkäufe von landwirtschaftlichen Grundstücken durch die BVVG bedürfen somit der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (Senat, Beschluss vom 27. November 2009 - BLw 4/09, NJW-RR 2010, 886 Rn. 12 ff.).

28

3. Ziel des Grundstücksverkehrsgesetzes ist es, zur Verbesserung der Agrarstruktur beizutragen (Senat, Beschluss vom 27. April 2001 - BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1021 f. mwN; BVerfGE 21, 73, 80). § 9 Abs. 1 GrdstVG enthält dazu drei Tatbestände, bei deren Vorliegen die Genehmigung des Erwerbs eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks versagt werden kann.

29

a) § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG gilt für Veräußerungen, welche zu einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden führen. Eine solche liegt nach § 9 Abs. 2 GrdstVG vor, wenn die Veräußerung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht. Diese Maßnahmen zielen in erster Linie auf die Schaffung und die Erhaltung selbständiger und lebensfähiger landwirtschaftlicher Betriebe ab. Da Grund und Boden in der Land- und Forstwirtschaft der maßgebende Produktionsfaktor ist, aber nicht in unbeschränktem Umfang zur Verfügung steht, soll der vorhandene landwirtschaftliche Grundbesitz in erster Linie den Landwirten zugutekommen und vorbehalten bleiben, die ihn selbst bewirtschaften. Dementsprechend liegt eine ungesunde Bodenverteilung in der Regel dann vor, wenn landwirtschaftlich genutzter Boden an einen Nichtlandwirt veräußert werden soll und ein Landwirt das Grundstück zur Aufstockung seines Betriebes dringend benötigt und zum Erwerb bereit und in der Lage ist, die Fläche zu den Bedingungen des Kaufvertrages zu erwerben (siehe insgesamt Senat, Beschluss vom 26. November 2010 - BLw 14/09, NJW-RR 2011, 521 Rn. 10 mit zahlreichen Nachweisen).

30

b) § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG soll die unwirtschaftliche Aufteilung oder Verkleinerung von land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken verhindern. Wann eine solche anzunehmen ist, wird in § 9 Abs. 3 GrdstVG näher bestimmt.

31

c) Sinn der im vorliegenden Fall einschlägigen Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG ist es, Spekulationsgeschäfte mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken zu unterbinden. Es soll verhindert werden, dass die auf den Betriebsertrag angewiesenen Berufslandwirte mit so hohen Anschaffungskosten belastet werden, dass der Bestand und die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe bedroht wären. Der Erwerb der zur Verbesserung der Agrarstruktur dringend erforderlichen Flächen durch interessierte Landwirte würde erschwert, wenn überhöhte Preise gefordert werden könnten (Senat, Beschlüsse vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 299; vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, WM 1976, 849, 851 und vom 27. April 2001 - BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1021 f.; BVerGE 21, 87, 90). Es handelt sich um eine preisrechtliche Regelung, welche eine zulässige Eigentumsbindung enthält (BVerfGE 21, 87, 90).

32

Ein grobes Missverhältnis im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG wird angenommen, wenn der vereinbarte Kaufpreis den landwirtschaftlichen Verkehrswert des Grundstücks um mehr als 50 % übersteigt (Senat, Beschlüsse vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 303 f. und vom 27. April 2001 - BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1021 f.). Der landwirtschaftliche Verkehrswert ist der Preis, der für Grundstücke gleicher Art und Lage im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags im freien rechtsgeschäftlichen Verkehr unter Landwirten, also im sogenannten innerlandwirtschaftlichen Grundstücksverkehr, zu erzielen ist, wobei auch Veräußerungen an Nichtlandwirte zu berücksichtigen sind, sofern die Veräußerung zwecks weiterer landwirtschaftlicher Nutzung des Grundstücks erfolgt, (Senat, Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 300).

33

4. Da § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG nicht anzuwenden ist, wenn ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur nicht zu erwarten sind (Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, WM 1976, 849, 851), kann nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die Genehmigung nur versagt werden, wenn ein erwerbsbereiter Landwirt vorhanden ist (OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, 1385, 1387 mwN; OLG Jena, NJOZ 2012, 1400 f. und RdL 2007, 301 f., OLG Dresden, NL-BzAR 2008, 129, 131 f. mwN; OLG Frankfurt, RdL 2005, 274, 276; OLG Karlsruhe, AgrarR 1979, 172 f., siehe auch Netz, Grundstücksverkehrsgesetz, 6. Aufl., S. 524 f., 608; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 3987).

IV.

34

1. Die Beteiligte zu 1 vertritt die Auffassung, sie sei europarechtlich gehalten, das Grundstück zu dem in der Ausschreibung erzielten Höchstpreis zu verkaufen. Ein Verkauf zu einem niedrigeren Preis sei eine nach Art. 107 Abs. 1 AEUV unzulässige Beihilfe. Dies führt zu der Vorlagefrage, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV einer nationalen Regelung wie in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG entgegensteht, wenn sie es zur Verbesserung der Agrarstruktur einer dem Staat zuzurechnenden Einrichtung wie der BVVG verbietet, ein zum Verkauf stehendes landwirtschaftliches Grundstück an den Höchstbietenden einer öffentlichen Ausschreibung zu verkaufen, wenn das Höchstgebot in einem groben Missverhältnis zu dem Wert des Grundstücks steht.

35

Diese Frage umfasst drei Problemkreise:

36

a) Erstens geht es darum, ob der Verkauf von öffentlichem Grundeigentum durch die BVVG zu einem Preis, der unter dem durch eine öffentliche Ausschreibung ermittelten Preis liegt, zu einer Begünstigung des Käufers führt, wenn der Verkauf zu dem durch die Ausschreibung ermittelten Preis durch ein allgemeines Gesetz, welches auch für alle privaten Verkäufer gilt, verhindert wird (nachfolgend 2.).

37

b) Wenn man eine solche Begünstigung annimmt, stellt sich die weitere Frage, ob sie durch den Zweck des Gesetzes, die Verbesserung der Agrarstruktur, gerechtfertigt sein kann (nachfolgend 3.).

38

c) Schließlich ist zu entscheiden, ob bereits die Versagung des Verkaufs zu dem durch eine öffentliche Ausschreibung ermittelten Preis nach Art. 107 Abs. 1 AEUV unzulässig ist, auch wenn in dieser Versagung noch keine Beihilfe liegt (nachfolgend 4.).

39

2. Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche Beihilfen grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar, wenn sie durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Dieses Verbot gilt über Art. 42 Satz 1 AEUV in Verbindung mit den jeweils einschlägigen Regelungen des Sekundärrechts auch für Beihilfen für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Bittner in Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 42 AEUV Rn. 3 f., 10 ff.; Busse in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6. Aufl., Art. 42 AEUV Rn. 13 ff.). Für staatliche Beihilfen für Investitionen und zur Entwicklung des ländlichen Raums gelten insbesondere Art. 51 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 und Art. 88 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005.

40

Der Gerichtshof prüft das Vorliegen einer unzulässigen Beihilfe in vier Schritten (siehe zuletzt EuGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - Rs. C-197/11, C 203/11, BeckRS 2013, 80928, Rn. 74):

41

a) Erstens muss es sich um eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln (EuGH, Urteil vom 13. März 2001 - Rs. C-379/98, Slg. 2001, I-02099 Rn. 58 mwN). Dies umfasst auch Vorteile, welche der Staat über eine von ihm errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt (EuGH, Urteil vom 13. März 2001 - Rs. C-379/98, Slg. 2001, I-02099 Rn. 58). Dementsprechend wird die BVVG in der Rechtsprechung des Gerichtshofs und in der Kommissionspraxis als möglicher Beihilfegeber angesehen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - Rs. C-239/09, Slg. 2010 I-13083 Rn. 30 f., 34; Entscheidung der Kommission vom 20. Januar 1999, 1999/268/EG, Amtsblatt L 107 vom 24. April 1999 S. 21 ff.; Schreiben der Kommission vom 19. Dezember 2012, C(2012) 9457, auszugsweise abgedruckt in NL-BzAR 2012, 93).

42

b) Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt bei Begünstigungen für landwirtschaftliche Betriebe regelmäßig vor. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs genügt es bereits, wenn eine Maßnahme die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel stärkt, auch wenn das begünstigte Unternehmen selbst nicht im Export tätig ist. Gewährt nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe, kann die inländische Erzeugung dadurch beibehalten oder erhöht werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, ihre Erzeugnisse auf den Markt dieses Mitgliedstaats auszuführen, verringern (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - Rs. C-197/11, C-203/11, BeckRS 2013, 80928, Rn. 78 und Urteil vom 17. Juni 1999 - Rs. C-75/97, Slg. 1999, 9 I-03671 Rn. 47 jeweils mwN). Zudem bedarf es nicht des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten; es genügt bereits, wenn die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - Rs. C-197/11, C 203/11, BeckRS 2013, 80928, Rn. 76 mwN).

43

c) Drittens muss die Maßnahme zu einer Begünstigung für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige führen.

44

aa) Damit ist zunächst das Erfordernis der „Selektivität“ gemeint. Allgemeinwirtschaftliche Maßnahmen werden von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht erfasst (EuGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - Rs. C-66/02, Slg. 2005 I-10901, Rn. 94 ff. und Urteil vom 17. Juni 1999 - Rs. C-75/97, Slg. 1999, 9 I-03671 Rn. 26 mwN). Das Grundstücksverkehrsgesetz gilt nur für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke; der Verkauf solcher Grundstücke unter dem Marktpreis kommt regelmäßig nur dem Produktionszweig der Land- und Forstwirtschaft zugute. Somit ist die Selektivität zu bejahen (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - Rs. C-239/09, Slg. 2010 I-13083, Rn. 34).

45

bb) Zum anderen ist zu prüfen, ob eine Begünstigung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt. Erfasst werden nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen, welche die Lasten verringern, die ein Unternehmen sonst zu tragen hätte. Ein Verkauf von öffentlichem Grundeigentum zu einem geringeren Preis als dem Marktpreis kann somit eine staatliche Beihilfe sein (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - Rs. C-239/09, Slg. 2010 I-13083, Rn. 30 f., 34). Marktpreis ist dabei der Preis, den ein unter Marktbedingungen handelnder privater Investor hätte festsetzen können (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - Rs. C-239/09, Slg. 2010 I-13083, Rn. 34; Urteil vom 2. September 2010 - Rs. C-290/07, Slg. 2010, I-07763, Rn. 68). Fraglich ist, ob zu den „Bedingungen“, welche den Marktpreis bestimmen, auch die Regelungen des Grundstücksverkehrsgesetzes gehören. Diese Auffassung liegt der Entscheidung des Beschwerdegerichts zugrunde. Sie wird auch in der Literatur vertreten (Netz, Grundstücksverkehrsgesetz, 6. Aufl., S. 600 f.; vgl. auch Schramm, WF 2009, 1, 5). Zur Begründung wird angeführt, die BVVG wickle die Verkäufe privatrechtlich ab und sei deswegen an die für jedermann geltenden Gesetze gebunden. In der Anwendung dieser Gesetze könne keine Beihilfe liegen. Für diese Auffassung spricht die Überlegung, dass ein marktwirtschaftlich handelnder privater Grundstücksverkäufer ebenfalls den Begrenzungen des Grundstücksverkehrsgesetzes unterläge und das Grundstück somit nicht in jedem Fall zum Höchstgebot verkaufen könnte.

46

cc) Nach Auffassung der BVVG ist der Marktpreis hingegen der durch die öffentliche Ausschreibung ermittelte Preis. Sie beruft sich dabei unter anderem auf die Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfen bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (Mitteilung (EG) 1997/710, Abl. C 209 vom 10. Juli 1997, S. 3). Der so ermittelte Preis könne nicht in einem anschließenden Genehmigungs- bzw. Gerichtsverfahren aufgrund eines Sachverständigengutachtens für unzulässig erklärt werden. Ein solches Gutachten sei gegenüber der Ermittlung durch öffentliche Ausschreibung nachrangig. Ein Verkauf zu einem geringeren Preis als dem durch die Ausschreibung ermittelten sei eine Begünstigung des Käufers und damit eine unzulässige Beihilfe.

47

dd) Die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs erlaubt es nicht, hier die Frage nach dem Vorliegen einer Begünstigung zu beantworten. Zwar geht der Senat davon aus, dass der „Marktpreis“ grundsätzlich unter Beachtung der allgemeinen Gesetze zu bestimmen ist. Diese hätte ein marktwirtschaftlich handelnder privater Verkäufer ebenfalls zu beachten (vgl. zum Fehlen einer staatlichen Genehmigung: Kommission, Entscheidung vom 30. April 2008 - 2008/719/EG, Abl. L 239 vom 6. September 2008, Seite 32 Rn. 121, 125). Problematisch erscheint es jedoch, wenn sich die Gesetze speziell gegen die Höhe des Preises richten, obwohl dieser in der von der Kommission empfohlenen Art und Weise, nämlich durch die Durchführung eines Bietverfahrens, ermittelt wurde. Dies könnte bei Verkäufen durch die öffentliche Hand mit Art. 107 Abs. 1 AEUV unvereinbar sein. Zu beachten ist insbesondere, dass die BVVG in großem Umfang land- und forstwirtschaftliche Grundstücke verkauft und dass somit die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG dazu führen könnte, dass in zahlreichen Fällen öffentliches Grundeigentum nicht zu dem durch öffentliche Ausschreibung ermittelten Preis verkauft wird. Dies könnte dem Effektivitätsgrundsatz widersprechen, welcher auch die nationalen Gerichte verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, um die volle Geltung des Unionsrechts zu erleichtern (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - Rs. C-239/09, Slg. 2010 I-13083, Rn. 53 mwN). Die Kommission und ihr folgend das Gericht der Europäischen Union haben zudem bereits entschieden, dass ein verbindliches Angebot, welches aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung eingegangen ist, den Marktwert besser abbilde als ein Sachverständigengutachten. Der Marktwert dürfe deswegen nicht aufgrund eines Sachverständigengutachtens unterhalb eines solchen Angebots festgesetzt werden (Kommission, Entscheidung vom 30. April 2008 - 2008/719/EG, Abl. L 239 vom 6. September 2008, Seite 32 Rn. 112; EuGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - Rs. T-268/08, juris Rn. 72). Nach Auffassung der Kommission ist die Mitteilung (EG) 1997/710 so zu verstehen, dass ein Mitgliedstaat den Verkauf von öffentlichem Grundbesitz an eine andere Person als den Meistbietenden nicht durch ein Gutachten rechtfertigen könne (Kommission, Entscheidung vom 30. April 2008 - 2008/719/EG, Abl. L 239 vom 6. September 2008, Seite 32 Rn. 109). Anderseits geht die Kommission davon aus, dass die Verweigerung einer behördlichen Genehmigung unter Beihilfegesichtspunkten eine Rechtfertigung dafür bieten kann, nicht an den Meistbietenden zu verkaufen (Entscheidung vom 30. April 2008 - 2008/719/EG, Abl. L 239 vom 6. September 2008, Seite 32 Rn. 121, 125).

48

d) Die vierte Voraussetzung für das Vorliegen einer unzulässigen Beihilfe, die Verfälschung des Wettbewerbs, wäre zu bejahen. Beihilfen, welche ein Unternehmen von den Kosten befreien, die es normalerweise im Rahmen seiner üblichen Tätigkeit zu tragen gehabt hätte, verfälschen grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen (EuGH, Urteil vom 19. September 2000 - Rs. C-156/98, Slg. 2000 I-06857 Rn. 30 mwN).

49

3. Sollte eine Beihilfe zu bejahen sein, stellt sich die weitere Frage, ob diese durch den Zweck des Gesetzes, die Verbesserung der Agrarstruktur, gerechtfertigt sein kann.

50

Der Gerichtshof hat sich bereits mit nationalen Vorschriften befasst, welche den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen (EuGH, Urteil vom 23. September 2003 - Rs. C-452/01, Slg. 2003, I-09743; Urteil vom 25. Januar 2007 - Rs. C-370/05, Slg. 2007, I-01129). Er hat festgestellt, dass die Verbesserung der Agrarstruktur ein anerkennenswertes Ziel sei und Eingriffe in die Grundfreiheiten rechtfertigen könne (EuGH, Urteil vom 23. September 2003 - Rs. C-452/01, Slg. 2003, I-09743 Rn. 39; Urteil vom 25. Januar 2007 - Rs. C-370/05, Slg. 2007, I-01129 Rn. 27 f., 33). Eine Prüfung im Hinblick auf Art. 107 AEUV bei Grundstücksverkäufen durch die öffentliche Hand ist jedoch bislang nicht erfolgt.

51

Der Gerichtshof hat ferner darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang der gemeinsamen Agrarpolitik nicht jeder Verkauf öffentlichen Grundeigentums zu einem geringeren Preis als dem Marktpreis unzulässig sei, weil der Unionsgesetzgeber im Rahmen des ihm im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik zustehenden weiten Ermessens verschiedene sekundärrechtliche Regelungen erlassen habe, welche die Gewährung von Beihilfen zuließen (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - Rs. C-239/09, Slg. 2010 I-13083 Rn. 32 f.).

52

Ob eine dieser Regelungen im vorliegenden Fall eingreift, kann noch nicht geprüft werden: Der BVVG wurde gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG lediglich die Genehmigung des Verkaufs zu dem durch die öffentliche Ausschreibung ermittelten Preis versagt. Eine Entscheidung, an wen und zu welchem Preis ein Verkauf erfolgen wird, ist damit noch nicht gefallen und wird auch durch die Versagungsentscheidung nicht unmittelbar vorgegeben. Insbesondere entsteht durch die Genehmigungsversagung keine Verpflichtung der BVVG, an den im Genehmigungsverfahren ermittelten erwerbsbereiten Landwirt zu verkaufen.

53

4. Daran anknüpfend stellt sich die weitere Frage, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV eine Vorwirkung dahingehend entnommen werden kann, dass bereits die Versagung der Genehmigung eines beihilferechtlich unbedenklichen Verkaufs unzulässig ist, auch wenn nicht feststeht, ob diese Versagung letztlich zu einer unzulässigen Beihilfe führen wird. Für die Annahme, Art. 107 Abs. 1 AEUV (in Verbindung mit Art. 42 S. 1 AEUV und dem einschlägigen Sekundärrecht) gebiete es auch, einen beihilfekonform ermittelten Verkaufspreis nicht als zu hoch einzustufen, spricht wiederum der Effektivitätsgrundsatz. Es dient der praktischen Wirksamkeit des Beihilfeverbots, wenn es der BVVG nicht versagt wird, den öffentlichen Grundbesitz in einem beihilferechtlich unbedenklichen Verfahren zu veräußern.

V.

54

Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.

55

1. Wenn sie bejaht wird, ist die Rechtsbeschwerde begründet. Die Beteiligte zu 4 hätte die Genehmigung des Grundstückskaufvertrags nicht mit der Begründung versagen dürfen, der vereinbarte Kaufpreis stehe in einem groben Missverhältnis zu dem Wert des verkauften Grundstücks.

56

2. Anderenfalls ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.

57

a) Ohne Erfolg macht die Beteiligte zu 1 geltend, der Versagungsbescheid der Beteiligten zu 4 sei wegen ursprünglich fehlender Begründung rechtswidrig. Denn eine möglicherweise zunächst unzureichende Begründung ist gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 des bundesdeutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), welches nach § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (VwVfG LSA) anwendbar ist, unbeachtlich (Netz, aaO, S. 847 f.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 23. November 2012  BLw 13/11, NJW 2013, 607 Rn. 12). Nach den genannten Vorschriften kann die erforderliche Begründung nachträglich bis zum Schluss eines gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Das ist hier geschehen.

58

b) Ebenfalls erfolglos macht die Beteiligte zu 1 weiter geltend, die Rechtsprechung des Senats zum „innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert“ (siehe vorstehend unter III. 3. c) sei überholt und auf die neuen Bundesländer nicht anwendbar. Denn den besonderen Marktverhältnissen in den neuen Bundesländern kann auf sachverständiger Ebene bei der Ermittlung des „innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts“ Rechnung getragen werden. Eine abweichende Auslegung des Grundstücksverkehrsgesetzes für Grundstücksverkäufe in den neuen Bundesländern dient zudem nicht der Rechtsklarheit. Im Übrigen hat der Sachverständige in dem vorliegenden Fall festgestellt, dass sich keine Unterschiede zwischen Kaufverträgen mit und ohne Beteiligung von Landwirten feststellen lassen, und somit alle Kauffälle in seine Berechnung einbezogen.

59

c) Erfolglos bleibt auch die weitere Rüge der Beteiligten zu 1, das Beschwerdegericht habe zu Unrecht für die Wertermittlung auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, welcher bei dem Erlass der Beschwerdeentscheidung bereits vier Jahre zurücklag, anstatt auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht abgestellt. Denn das Abstellen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 300; offen gelassen im Beschluss vom 27. April 2001 - BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1021 f.) und der in der Literatur vertretenen Ansicht (Netz, aaO, S. 607; Booth in Dombert/Witt, Agrarrecht, § 8 Rn. 267). Eine Ausnahme hat der Senat (Beschluss vom 27. April 2001 - BLw 14/00, NJW-RR 2001, 1021 f.) für den Fall zugelassen, dass die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erst knapp drei Jahre nach dem Vertragsschluss beantragt worden und der Wert des verkauften Grundstücks zwischenzeitlich gesunken war. Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.

60

d) Die Angriffe der Beteiligten zu 1 gegen das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen und damit gegen die Wertermittlung durch das Beschwerdegericht bleiben ebenfalls ohne Erfolg. Denn die Ermittlung des Grundstückswerts ist Sache des Tatrichters und im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbar (Senat, Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 301). In diesem Rahmen ist die Beschwerdeentscheidung insoweit nicht zu beanstanden.

61

aa) Dass der Sachverständige entgegen § 7 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) einen Fall mit einem auffallend geringen Kaufpreis nicht aus dem Vergleichswertverfahren ausgeschlossen hat, ist unschädlich. Zum einen enthält die ImmoWertV zwar anerkannte Grundsätze der Immobilienwertermittlung, aber sie bindet die Gerichte nicht (BGH, Urteil vom 25. Januar 2013 - V ZR 222/12, MDR 2013, 457 Rn. 15). Zum anderen hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass das Vorgehen des Sachverständigen, besonders hohe und besonders niedrigere Kaufpreise nicht aus der Bewertung auszuschließen, im vorliegenden Fall zu einem höheren, also für die Antragsteller günstigeren Wert führt. Das greift die Beteiligte zu 1 nicht an.

62

bb) Ebenso unschädlich ist es, dass der Sachverständige nicht zwischen verpachteten und nicht verpachteten Flächen unterschieden hat. Die Beteiligte zu 1 zeigt schon nicht auf, inwieweit eine Unterscheidung zu einem für sie günstigeren Ergebnis geführt hätte. Zudem obliegt es grundsätzlich dem Sachverständigen, aufgrund seiner Sachkunde zu entscheiden, ob im konkreten Fall eine Unterscheidung vorzunehmen ist.

63

cc) Die Rüge, der von dem Sachverständigen aufgrund der angrenzenden Wohnbebauung vorgenommene Aufschlag auf den im Vergleichswertverfahren ermittelten Grundstückswert sei fälschlich ohne Berücksichtigung der BVVG-Verkäufe erfolgt, bleibt erfolglos. Es handelt sich um einen geschätzten Wert. Dass er falsch sei, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar.

64

e) Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 liegen keine besonderen Umstände vor, welche es rechtfertigen, die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG hier nicht anzuwenden.

65

aa) Das in den neuen Bundesländern im Vergleich zu den alten Bundesländern niedrigere Preisniveau kann bei der Wertermittlung keine Beachtung finden. Denn ob eine Gefahr für die Agrarstruktur aufgrund überhöhter Flächenpreise, die durch die Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG abgewendet werden soll (siehe vorstehend unter III. 3. c)), besteht, kann nur für die Region bestimmt werden, in der die verkauften Flächen liegen.

66

bb) Zu Unrecht wirft die Beteiligte zu 1 dem Beschwerdegericht vor, es habe übersehen, dass die Nähe des verkauften Grundstücks zu dem Wohngrundstück der Beteiligten zu 2 und 3 den erhöhten Preis rechtfertige. Die räumliche Lage des Grundstücks ist hier kein die Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG ausschließender besonderer Umstand im Sinne der Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 304), weil die Beteiligten zu 2 und 3 keinen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten.

67

f) Erfolglos bleiben die Angriffe gegen die Würdigung der Aussage des Zeugen B.      . Die Beteiligte zu 1 setzt lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle der Würdigung des Beschwerdegerichts, indem sie aus den Bekundungen des Zeugen andere Schlüsse zieht.

68

g) Schließlich rügt die Beteiligte zu 1, das Beschwerdegericht habe nicht berücksichtigt, dass das Grundstück künftig nicht mehr für landwirtschaftliche Zwecke, sondern allein zur Freizeitgestaltung genutzt werden solle, und deshalb die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG gemäß § 9 Abs. 4 GrdstVG nicht zur Anwendung komme. Auch damit hat sie keinen Erfolg. Denn die Anwendung von § 9 Abs. 4 GrdstVG setzt voraus, dass das Grundstück endgültig aus der landwirtschaftlichen Nutzung ausscheidet, was sich aus objektiven Merkmalen ergeben muss (Netz, aaO, S. 614 f. mwN). Hier soll das verkaufte Grundstück jedoch auch künftig landwirtschaftlich genutzt werden. Dies ist im Kaufvertrag festgehalten und von dem Beschwerdegericht so festgestellt. „Hobbylandwirt“ bedeutet lediglich, dass die landwirtschaftliche Nutzung nicht der Sicherung der Existenzgrundlage der Beteiligten zu 1 und 2 dient.

Stresemann                       Lemke                        Czub