Entscheidungsdatum: 27.03.2017
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. August 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse im Rahmen der Auftragsverwaltung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) für die Weitergewährung psychotherapeutischer Behandlung der Beigeladenen zuständig ist.
Der Kläger, das Land Baden-Württemberg, hat bei der Beigeladenen wegen eines sexuellen Missbrauchs in der Kindheit einen Grad der Schädigung (GdS) von 90 unter Berücksichtigung besonderer beruflicher Betroffenheit anerkannt und ihr Heilbehandlung nach den Vorschriften der §§ 10 bis 24 BVG gewährt (Bescheid vom 19.4.2005). In diesem Rahmen bewilligte der Kläger der Beigeladenen mehrfach Psychotherapie jeweils ausdrücklich anstelle der Beklagten, der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen (ua Bescheide vom 22.3.2006, 16.8.2006, 13.2.2007, 22.10.2009).
Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, sie lehne eine Kostenübernahme über den bereits bewilligten Behandlungsumfang von 240 Stunden hinaus ab, hat sich der Kläger an das SG gewandt. Dieses hat auf seinen Antrag festgestellt, dass die Beklagte für die Beigeladene weiterhin die medizinisch psychotherapeutische Behandlung im Rahmen der Auftragsverwaltung nach § 18c Abs 1 S 3 und Abs 2 BVG über die 300 Stunden-Grenze hinaus zu erbringen habe (Urteil vom 21.10.2014).
Das von der Beklagten angerufene LSG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.8.2016). Die Klage sei unzulässig sowohl hinsichtlich der begehrten Feststellung der Leistungspflicht für die Vergangenheit als auch für die Zukunft. Der Kläger habe kein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, weil er der Beklagten auf der Grundlage von § 89 Abs 5 SGB X bindende Weisungen erteilen könne. Zwischen ihnen bestehe ein gesetzliches Auftragsverhältnis. Außerhalb der tragenden Entscheidungsgründe weise der Senat darauf hin, dass die Klage auch unbegründet gewesen wäre. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, nach Erschöpfung der krankenversicherungsrechtlich geschuldeten Regelfallkontingente im Rahmen der Auftragsverwaltung weitere Psychotherapie an die Beigeladene zu erbringen.
Gegen das ihr am 1.9.2016 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 26.9.2016 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Die Begründung ist erst am 25.11.2016 beim BSG eingegangen. Zur Begründung ihres deshalb gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist hat die Bevollmächtigte der Beigeladenen an Eides statt versichert, sie habe die Beschwerdebegründung am 18.10.2016 diktiert, schreiben lassen, unterzeichnet und in den Postumlauf gegeben. Ihre Mitarbeiterin habe sämtliche Schreiben bis 17.00 Uhr kuvertiert, frankiert und zur Abholung durch den privaten Postdienstleister A. bereit gelegt. Die Abholung sei um 17.00 Uhr erfolgt.
In der Sache macht die Beigeladene geltend, das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die Beigeladene hat die zweimonatige Frist zur Beschwerdebegründung des § 160a Abs 2 S 1 SGG versäumt. Die Begründung ihrer Beschwerde gegen das am 1.9.2016 zugestellte Urteil datiert auf den 18.10.2016, ist aber erst am 25.11.2016 beim BSG eingegangen. Es kann dahinstehen, ob der Beigeladenen auf ihren Antrag nach § 67 SGG Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren wäre. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 2 S 2 SGG).
Es erscheint zweifelhaft, ob die Bevollmächtigte mit ihrer Versicherung an Eides statt, ihre Mitarbeiterin habe die Beschwerdeschrift rechtzeitig zur Abholung durch einen privaten Post-dienstleister bereit gelegt, die Voraussetzungen für eine schuldlose Fristversäumnis ausreichend glaubhaft gemacht hat.
Eine Fristversäumnis ist unverschuldet, wenn der Beteiligte die ihm nach seinen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt beachtet, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls nach allgemeiner Verkehrsanschauung zur gewissenhaften Prozessführung vernünftigerweise erforderlich ist (Jung in Roos/Wahrendorf, SGG, § 67 RdNr 12 mwN). Bedient sich ein Beteiligter der Deutschen Post AG, so darf er regelmäßig darauf vertrauen, dass diese die von ihr für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten einhält (BFH Beschluss vom 4.9.2008 - I R 41/08 - BeckRS 2008, 25014042). Wird dagegen ein privates Unternehmen mit der Briefbeförderung beauftragt, das kein Universaldienstleister ist (vgl § 2 Post-Universaldienstleistungsverordnung) so hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Absender sich trotzdem unbesehen auf den rechtzeitigen Zugang des Schriftstücks verlassen durfte und ihm bei einer Verspätung deshalb kein Verschuldensvorwurf trifft (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 67 RdNr 6a mwN). Befördert ein nur regional tätiger privater Postdienstleister das Schreiben in seinem regionalen Auslieferungsgebiet, kann dies ein Vertrauen auf normale Postlaufzeiten rechtfertigen, wenn im Einzelfall keine Anhaltspunkte für längere Postlaufzeiten sprechen (vgl BGH Beschluss vom 23.1.2008 - XII ZB 155/07 - NJW-RR 2008, 930). Übergibt der private Dienstleister dagegen Postsendungen, die außerhalb seines Verbreitungsgebietes zugehen sollen, der Deutschen Post AG oder anderen Kooperationspartnern zur Weiterbeförderung, kommt es darauf an, ob diese eine zeitnahe Zustellung zusichern (BFH Beschluss vom 4.9.2008 - I R 41/08 - BeckRS 2008, 25014042; vgl auch LAG Baden-Württemberg Urteil vom 21.12.2016 - 6 Sa 35/16 - Juris RdNr 37 ff).
Zu diesen verschuldensrelevanten Umständen des Einzelfalls hat die Bevollmächtigte der Beigeladenen in ihrer Versicherung an Eides statt keine Angaben gemacht. Sie hat weder mitgeteilt, ob K. im Verbreitungsgebiet des in F. ansässigen Dienstleisters A. liegt, den sie mit der Beförderung der Beschwerdeschrift beauftragt hatte, noch, ob sie sich im Fall einer Weiterleitung zur Beförderung an Dritte nach den Postlaufzeiten erkundigt hatte und deswegen oder aus anderen Gründen auf normale Laufzeiten vertrauen durfte (vgl BFH aaO).
Die Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und damit der Fristversäumnis kann indes dahinstehen, weil die Beschwerde jedenfalls aus anderen Gründen unzulässig ist (dazu 2.).
2. Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht ordnungsgemäß dargetan worden (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn sie
- höchstrichterlich bisher weder tragend entschieden noch präjudiziert ist
- die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder so gut wie unbestritten ist
- diese sich auch nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher mit dem fraglichen Gesetz, also zuerst mit dem Wortlaut der Norm, mit ihrem gesetzlichen Kontext und den Gesetzesmaterialien, der vorinstanzlichen Entscheidung sowie der übrigen Rechtsprechung, der einschlägigen rechtswissenschaftlichen Literatur und der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzen (vgl Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, § 160a RdNr 50 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht einmal ansatzweise gerecht. Sie formuliert keine klar erkennbare Rechtsfrage zu eindeutig bezeichneten gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen und setzt sich auch nicht nachvollziehbar mit dem Wortlaut einschlägiger Normen auseinander. Soweit die Beschwerde - ohne Angabe gesetzlicher Tatbestandsmerkmale - danach fragt, wie im Fall einer Überschreitung der Therapie-Höchstgrenze zu verfahren sei, fehlt es unabhängig davon vor allem an der Darlegung, warum diese Frage für eine Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein sollte. Das Berufungsgericht hat die Klage des Klägers bereits als unzulässig angesehen, weil diesem ein einfacherer Weg zu seinem Rechtsschutzziel offenstehe: Der Kläger könne der Beklagten im Rahmen des zwischen den Beteiligten bestehenden gesetzlichen Auftragsverhältnisses Weisungen erteilen. Seine Ausführungen zur Begründetheit hat das LSG selber ausdrücklich als nicht tragend bezeichnet. Die Beigeladene führt nicht aus, weshalb es trotzdem auf die von ihr aufgeworfene Frage im Zusammenhang mit der Höchstgrenze für psychotherapeutische Leistungen ankommen könnte, obwohl sie die vom LSG nicht tragend entschiedene Begründetheit der Klage betrifft.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG. § 197a SGG greift nicht ein, wenn - wie hier - ein ursprünglich beigeladener Leistungsempfänger in einem kostenpflichtigen Verfahren Rechtsmittel einlegt (vgl BSG SozR 4-1500 § 193 Nr 3).