Entscheidungsdatum: 09.06.2010
Der Kläger wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 13.8.2009, mit dem dieses seine Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe zurückgewiesen hat. Außerdem hat der Kläger beantragt, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und über die Erstattung der gezahlten Alhi anzuordnen und insoweit Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen.
Mit seiner Beschwerde rügt der Kläger Verfahrensfehler und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Das LSG habe - so sein Vortrag - sein rechtliches Gehör verletzt (§ 62 Sozialgerichtsgesetz <SGG>; Art 103 Abs 1 Grundgesetz), indem es ihm nicht rechtzeitig und vollständig Akteneinsicht gewährt, einen "Sammeltermin" (mit mehreren Verfahren) durchgeführt und einem Vertagungsantrag nicht stattgegeben habe. Außerdem habe das LSG zu Unrecht die Gewährung von PKH abgelehnt und die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt, weil es einem beim SG gestellten Beweisantrag nicht nachgekommen sei. Von grundsätzlicher Bedeutung seien folgende Rechtsfragen: |
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"Kann eine persönliche Vorstellung bei der Bundesagentur für Arbeit, die nicht ausdrücklich als Arbeitslosmeldung bezeichnet wird, als diese bewertet werden? |
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Kann eine persönliche Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit als Arbeitslosmeldung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bewertet werden? |
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Kann die persönliche Arbeitslosmeldung im Falle einer Wiederholungsmeldung über den Sechs-Wochen-Zeitraum des § 122 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) erfolgen, wenn der Arbeitslose aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage ist, innerhalb des Sechs-Wochen-Zeitraums sich arbeitslos zu melden?" |
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Macht ein Beschwerdeführer das Vorliegen von Verfahrensmängeln geltend, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann, müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es würden absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung (ZPO) der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). Um derartige absolute Revisionsgründe handelt es sich bei dem Vorbringen des Klägers nicht.
Soweit der Kläger eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs durch die unzureichende Gewährung von Akteneinsicht, die Durchführung eines "Sammeltermins" und die Ablehnung eines Vertagungsantrags rügt, kann dahinstehen, ob er die diese begründenden Tatsachen überhaupt schlüssig (substantiiert) dargelegt hat. Jedenfalls genügt sein innerhalb der Nachholfrist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 67 Abs 2 Satz 1 SGG), die nach der PKH-Bewilligung und Zustellung des Wiedereinsetzungsbeschlusses wegen der Versäumung der Beschwerdefrist am 15.2.2010 abgelaufen ist (§ 64 SGG), eingegangener Vortrag den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung des Beruhens der Entscheidung auf dem Verfahrensmangel nicht. Erst mit dem am 22.2.2010 eingegangenen Schriftsatz zum Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat der Kläger den Streitstoff ansatzweise so geschildert, dass es dem Senat möglich ist, überhaupt den Streitgegenstand zu erfassen. Dies ist andererseits Mindestvoraussetzung dafür, sich ein Bild darüber machen zu können, ob die Entscheidung des LSG ohne die behaupteten Verfahrensfehler hätte anders ausfallen können.
Soweit der Kläger dem LSG vorwirft, beantragte Beweise nicht erhoben zu haben, verkennt er, dass dafür ein Beweisantrag beim SG nicht genügt. Er hätte also dartun müssen, dass er beim LSG den erstinstanzlichen Beweisantrag wiederholt oder ihn ausdrücklich aufrechterhalten hat. Auf eine angeblich fehlerhafte PKH-Ablehnung durch das LSG als Vorentscheidung zu seinem Urteil kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl dazu nur Leitherer in Meyer-Ladewig ua, SGG, 9. Aufl 2008, § 160 RdNr 17 mwN), weil eine solche Rechtsverletzung auch im Revisionsverfahren nicht geprüft werden dürfte (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Die Entscheidung des LSG ist nämlich unanfechtbar (§ 177 SGG).
Auch den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Fragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage aufzeigen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Zwar formuliert der Kläger Rechtsfragen; jedoch ist die Klärungsfähigkeit nicht in der erforderlichen Weise dargetan. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden können (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39). Dies erfordert, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Der Kläger hätte daher den Sachverhalt schildern müssen, woran es - wie oben dargelegt - mangelt. Er teilt noch nicht einmal den Gegenstand des Verfahrens mit. Zudem hätte er erläutern müssen, dass und an welcher Stelle die aufgeworfenen Rechtsfragen im angestrebten Revisionsverfahren hätten beantwortet werden müssen. Dass der Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt hat, ist nicht von Bedeutung.
Für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG iVm § 336a Satz 2 SGB III bestand und besteht damit keine Veranlassung. Mangels Erfolgsaussicht war auch der Antrag auf PKH-Bewilligung und Beiordnung von Rechtsanwältin G abzulehnen (§ 73a SGG iVm §§ 114, 121 ZPO).