Entscheidungsdatum: 13.02.2019
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. April 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2017 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.
Die Beteiligten streiten um den Umfang der Teilnahme des Klägers am ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst).
Der Kläger ist als Arzt für Orthopädie in M zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Auf seinen Antrag erteilte ihm die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Genehmigung zur vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Zweigpraxis in E . Der Genehmigung war ein Hinweis beigefügt, nach dem der Kläger als Folge der erteilten Genehmigung verpflichtet sei, auch im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis am Bereitschaftsdienst teilzunehmen, sofern sich diese in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als der Vertragsarztsitz befinde.
Mit Bescheid vom 17.4.2014 ordnete die Beklagte den Kläger mit einem Anrechnungsfaktor von 0,5 der Bereitschaftsdienstgruppe S zu. Der Umfang der Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst am Vertragsarztsitz ("Praxishauptsitz") und die Frequenz der Heranziehung werde dadurch nicht eingeschränkt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass Betreiber einer Zweigpraxis nach den in der Bereitschaftsdienstordnung (BDO-KVB; hier in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 23.11.2012, im Folgenden: aF) getroffenen Regelungen verpflichtet seien, zusätzlich auch im Bereich der Filiale am Bereitschaftsdienst teilzunehmen, sofern sich diese in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als der Praxishauptsitz befinde. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 24.2.2016).
Mit Urteil vom 27.10.2016 hat das SG München die angefochtenen Bescheide zur zusätzlichen Heranziehung des Klägers mit einem Anrechnungsfaktor von 0,5 am Ort der Zweigpraxis aufgehoben. Da der Kläger nur über einen vollen Versorgungsauftrag verfüge, fehle es an einer Grundlage für dessen Heranziehung mit einem Anrechnungsfaktor von insgesamt 1,5 zum Bereitschaftsdienst.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische LSG das Urteil des SG München vom 27.10.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.4.2017). § 2 Abs 4 BDO-KVB aF sei dahin auszulegen, dass ein Arzt, der eine Zweigpraxis in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als dem des Vertragsarztsitzes betreibt, insgesamt mit einem Anrechnungsfaktor von 1,5 am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen habe, nämlich mit 1,0 am Vertragsarztsitz und zusätzlich mit 0,5 am Ort der Filialpraxis. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Eine Heranziehung zum Bereitschaftsdienst in beiden Bereitschaftsdienstbereichen sei vom weiten Gestaltungsspielraum der KÄV in Bezug auf die Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes gedeckt. Eine willkürliche Benachteiligung des Klägers liege nicht vor. Aus der in § 95 Abs 3 SGB V getroffenen Regelung, nach der die Zulassung bewirke, dass der Vertragsarzt im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrags zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet sei, könne nicht gefolgert werden, dass eine Heranziehung zum Notfalldienst mit einem höheren Faktor als 1,0 ausgeschlossen sei. Entgegen der Auffassung des Klägers verstoße die Addition der Anrechnungsfaktoren auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Aus Art 3 Abs 1 GG folge die Verpflichtung der Beklagten, alle Ärzte gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen. Die Unterscheidung zwischen Ärzten ohne Zweigpraxis oder von Ärzten mit einer Zweigpraxis im selben Bereitschaftsdienstbereich auf der einen Seite und von Ärzten mit einer Zweigpraxis in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich auf der anderen Seite beruhe jedoch auf sachlichen Gründen. Infolge der Lage der Zweigpraxis in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich betreue der Kläger weitere Patienten. Selbst wenn die Zweigpraxis - auch wirtschaftlich betrachtet - nur einen Annex zur Hauptpraxis darstelle und der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Praxis bei der Genehmigung von Zweigpraxen keine Berücksichtigung finde, sei es der Beklagten als Normgeberin nicht verwehrt, den in der Zweigpraxis versorgten Patientenstamm als Argument für eine zusätzliche Heranziehung zum Bereitschaftsdienst zu werten. Dem stehe auch die Entscheidung des BSG vom 23.3.2016 (B 6 KA 7/15 R, Juris RdNr 17) nicht entgegen, nach der die Doppelzulassung eines MKG-Chirurgen als Arzt und als Zahnarzt nicht zu einer doppelten Inpflichtnahme für den Bereitschaftsdienst führen dürfe. Im Unterschied zum dortigen MKG-Chirurgen betreibe der Kläger eine Filialpraxis in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich mit entsprechend erweitertem Patientenstamm. Wenn ein mehrere Praxen betreibender Arzt nur einmal zum Bereitschaftsdienst herangezogen würde, würde seinen Berufskollegen die Notdienstversorgung von Patienten auferlegt, die der die Zweigpraxis betreibende Arzt - mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteilen - behandele. Die mehrfache Heranziehung eines Arztes zum Bereitschaftsdienst, der eine Zweigpraxis betreibe, verstoße deshalb nicht gegen den Gleichheitssatz, sondern sei vielmehr geboten.
Zur Begründung seiner Revision bezieht sich der Kläger auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils. Die von der Beklagten getroffene Regelung zum Bereitschaftsdienst werde nicht mehr von sachbezogenen Erwägungen getragen. Durch die vom Umfang des Versorgungsauftrags abgekoppelte Heranziehung zum Bereitschaftsdienst mit einem Anrechnungsfaktor von 1,5 werde er willkürlich benachteiligt. Die Verteilung der vertragsärztlichen Tätigkeit auf mehrere Bereitschaftsdienstbereiche dürfe nicht mit einer Steigerung des Umfangs der Bereitschaftsdienstverpflichtung insgesamt einhergehen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Bereitschaftsdienstbereiche in Bayern eine ganz unterschiedliche Größe hätten und dass ein Zusammenhang mit Marktgegebenheiten oder typischen Patienten-Einzugsbereichen nicht bestehe. Damit hänge es letztlich allein vom Zufall ab, ob die Beklagte Betreiber einer Zweigpraxis zum erweiterten Bereitschaftsdienst heranziehe oder nicht.
Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte die Entscheidung aus den angefochtenen Bescheiden mit Bescheid vom 2.11.2017 insofern geändert, als sie den Kläger im Hinblick auf die Tätigkeit am Ort der Zweigpraxis nicht mehr dem Bereitschaftsdienstbereich S -
, sondern dem neu gebildeten Bereitschaftsdienstbereich L
zugeordnet hat. Sie hat damit dem geänderten Zuschnitt der Bereitschaftsdienstbereiche Rechnung getragen. Bezogen auf die Heranziehung mit einem Anrechnungsfaktor von zusätzlich 0,5 ist keine Änderung eingetreten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5.4.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2.11.2017 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.10.2016 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Verpflichtung des Vertragsarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst resultiere aus seinem Zulassungsstatus. Die weiteren Modalitäten zur Organisation des Bereitschaftsdienstes, insbesondere zu Umfang und Ort der Teilnahme und zur Möglichkeit des Diensttausches sowie zu Befreiungsgründen regele die KÄV als Inhaberin des Sicherstellungsauftrags in eigener Zuständigkeit. Rechtsgrundlage für die Einbindung von Vertragsärzten in den Bereitschaftsdienstbereich am Ort einer Zweigpraxis sei § 2 Abs 4 BDO-KVB aF. Danach sei ein Vertragsarzt mit einer Zweigpraxis verpflichtet, neben dem Bereitschaftsdienst am Ort des Vertragsarztsitzes auch im Bereitschaftsdienstbereich am Ort der Zweigpraxis anteilig Dienst zu leisten. Diese Regelung sei vom weiten Gestaltungsspielraum der KÄV bei der Organisation des Bereitschaftsdienstes gedeckt. Der "Grundsatz der gleichwertigen Teilnahme am Bereitschaftsdienst" bedeute nicht, dass der Umfang der Teilnahme am Bereitschaftsdienst nicht vom Umfang des Versorgungsauftrags abweichen dürfe. Die Zweigpraxisgenehmigung eröffne dem Kläger die vertragsärztliche Tätigkeit an einem weiteren Ort. Damit sei er im Grundsatz verpflichtet, auch den Patienten an diesem Ort rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Von dieser Verpflichtung werde er nur frei, wenn er anteilig auch am Ort der Zweigpraxis am Bereitschaftsdienst mitwirke. Da der Vertragsarzt die finanziellen Vorteile aus seiner Tätigkeit an einem weiteren genehmigten Ort ziehe, müsse er auch die an diesem Ort bestehenden Verpflichtungen mittragen. Der Kläger werde auch nicht gegenüber Vertragsärzten benachteiligt, deren Zweigpraxis in demselben Bereitschaftsdienstbereich wie der Vertragsarztsitz liege. Es treffe zwar zu, dass ein Arzt mit einer Zweigpraxis im selben Bereitschaftsdienstbereich nicht zusätzlich zum Bereitschaftsdienst für den Ort der Filiale herangezogen werde. Allerdings sei diese Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Soweit Vertragsarztsitz und Zweigpraxis in demselben Bereitschaftsdienstbereich liegen, erfolge für alle Patienten in diesem Bereich eine gemeinsame Planung und damit solidarische Mittragung der Belastung des Bereitschaftsdienstbereiches durch alle in diesem Bereich verpflichteten Vertragsärzte. Liege die Zweigpraxis indessen außerhalb des Bereitschaftsdienstbereiches der Vertragsarztpraxis, würde die Teilnahme im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis zu einer Reduzierung der Verpflichtung am Vertragsarztsitz führen. Damit käme es zu einer Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Vertragsärzten, die keine Zweigpraxis außerhalb ihres Bereitschaftsdienstbereiches betrieben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Zweigpraxisgenehmigung auf Antrag des Vertragsarztes erteilt werde. Wenn die Bereitschaftsdienstverpflichtung am Sitz der Zweigpraxis zu einer Reduzierung der Pflichten am Vertragsarztsitz führen würde, läge es in der Gestaltungsmacht des Vertragsarztes, seine Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst am Vertragsarztsitz zu reduzieren.
Der Kläger werde auch nicht gegenüber Vertragsärzten in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (üöBAG) oder gegenüber Vertragsärzten mit ausgelagerten Praxisräumen benachteiligt. Patienten von üöBAGen würden von mindestens einem Partner der BAG im Bereitschaftsdienst versorgt. Die Einteilung zum Bereitschaftsdienst erfolge nach dem Ort des jeweiligen Vertragsarztsitzes. Ausgelagerte Praxisräume dienten nicht dem Erstkontakt mit den Patienten. Dieser finde am Vertragsarztsitz statt. Dementsprechend richte sich die Zuordnung zum Bereitschaftsdienst hier nach dem Ort des Vertragsarztsitzes. Eine Begrenzung auf einen Anrechnungsfaktor von 1,0 sei der Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen. Zweigpraxen seien in erster Linie ein Instrument der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in schlecht oder unterversorgten Gebieten. Dass in solchen Gebieten die Belastung der dort ansässigen Ärzte unverhältnismäßig hoch sein könne, bedürfe keiner weiteren Erläuterung. Gerade für die schlechter versorgten Regionen sei die Unterstützung der am Ort ansässigen Ärzte im Bereitschaftsdienst durch diejenigen Ärzte, die dort eine Zweigpraxis betrieben, aus Sicherstellungsgründen dringend erforderlich.
Eine zusätzliche Heranziehung am Ort der Zweigpraxis sei weder unverhältnismäßig noch unzumutbar. Außerdem könne aus dem Umstand, dass der Kläger mit einem Anrechnungsfaktor von 1,5 zum Bereitschaftsdienst herangezogen werde, nicht auf die reale Belastung geschlossen werden. Tatsächlich werde der Kläger maximal fünfmal im Jahr zum Bereitschaftsdienst eingeteilt, nämlich zwei- bis viermal pro Jahr am Vertragsarztsitz und ca einmal pro Jahr am Ort der Filiale. Gegen die Auffassung des SG, nach der die Einteilung zum Bereitschaftsdienst am Ort der Zweigpraxis zu einer Reduzierung der Teilnahmeverpflichtung im Bereitschaftsdienstbereich der Hauptpraxis führen müsse, spreche auch, dass die Versorgung der Patienten nach § 24 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) durch die Filialtätigkeit nicht beeinträchtigt werden dürfe. Eine Reduzierung des Anrechnungsfaktors zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst sei danach nicht sachgerecht.
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des LSG war aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, weil die Beklagte den Kläger im Hinblick auf dessen Zweigpraxis nicht in höherem Maße zum Bereitschaftsdienst heranziehen durfte als andere Ärzte mit voller Zulassung.
A. Die erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Die Entscheidung der Beklagten über die Zuordnung des Klägers zu zwei Bereitschaftsdienstbereichen - hier sowohl im Bereitschaftsdienstbereich des Praxissitzes ("Anrechnungsfaktor 1,0") als auch im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis ("Anrechnungsfaktor 0,5") - stellt einen Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X dar (vgl BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 23/10 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 12). Der Kläger ist durch diese allgemeine Zuordnung, die sich nicht in der Einteilung zu einem konkreten Bereitschaftsdienst erschöpft, weiterhin beschwert.
Der Senat konnte auch über die beantragte Aufhebung des erst während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheids der Beklagten vom 2.11.2017 entscheiden. Zwar gilt ein während des Revisionsverfahrens ergangener Verwaltungsakt, der einen angefochtenen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gemäß § 171 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Dies bedeutet allerdings nicht, dass dem BSG stets die Entscheidungsbefugnis über die anhängige Revision durch den Erlass eines neuen, ersetzenden oder verändernden Verwaltungsakts entzogen wird (Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 171 RdNr 12). Ein neuer Verwaltungsakt gilt ua dann nicht als durch Klage beim erstinstanzlich zuständigen Gericht angefochten, wenn es sich um einen nur wiederholenden Verwaltungsakt mit neuer Begründung handelt oder wenn eine bereits getroffene rechtliche Regelung durch den neuen Verwaltungsakt lediglich "fortgeschrieben" wird (BSG Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 19/11 R - BSGE 112, 201 = SozR 4-2500 § 36 Nr 3, RdNr 31 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 171 RdNr 3b). Letzteres war hier der Fall, weil der Verwaltungsakt vom 2.11.2017 die Entscheidung über die zusätzliche Heranziehung des Klägers mit einem Anrechnungsfaktor von 0,5 am Ort der Zweigpraxis nicht geändert, sondern die mit den angefochtenen Bescheiden getroffene Regelung lediglich an den geänderten Zuschnitt und die daraus folgende Neubezeichnung des maßgebenden Bereitschaftsdienstbereichs angepasst hat. Mit der Entscheidung des Senats, dass die Beklagte den Kläger nicht zusätzlich zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstgruppe am Ort der Zweigpraxis verpflichten darf, wird auch dem Bescheid der Beklagten vom 2.11.2017 die Grundlage entzogen, sodass in der Sache kein Spielraum für eine eigenständige Entscheidung des SG verbliebe.
B. Die Klage ist auch begründet. Zwar stehen die angefochtenen Bescheide zur zusätzlichen Heranziehung des Klägers zum Bereitschaftsdienst im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis im Einklang mit den Regelungen der BDO-KVB. Diese ist jedoch insoweit mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.
1. Nach § 75 Abs 1b S 1 SGB V in der seit dem 23.7.2015 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211; zuvor § 75 Abs 1 S 2 SGB V) umfasst der Sicherstellungsauftrag der KÄVen auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten ("Notdienst" oder "Bereitschaftsdienst"). Zur Umsetzung dieser Verpflichtung hat die Beklagte die BDO-KVB erlassen, die Einzelheiten zur Heranziehung der Vertragsärzte zum Bereitschaftsdienst regelt. Nach § 2 Abs 2 S 1 Nr 2 BDO-KVB in der am 20.4.2013 in Kraft getretenen Neufassung (Beschluss der Vertreterversammlung vom 23.11.2012; im Folgenden: aF) richtet sich der Umfang der Heranziehung nach dem jeweiligen "Anrechnungsfaktor". Dieser Anrechnungsfaktor beträgt bei Vertragsärzten mit vollem Versorgungsauftrag, auch bei der Zulassung für zwei Fachgebiete, 1,0 und bei Vertragsärzten mit halbem Versorgungsauftrag (§ 19a Abs 2 Ärzte-ZV) 0,5. Bei angestellten Ärzten beträgt der Anrechnungsfaktor 0,25 bei einer Anstellung im Umfang von bis zu 10 Stunden, 0,5 bei über 10 bis 20 Stunden, 0,75 bei über 20 bis 30 Stunden und 1,0 bei über 30 Stunden pro Woche (§ 2 Abs 2 S 3 BDO-KVB aF, inhaltlich übereinstimmend mit § 2 Abs 3 BDO-KVB in der Fassung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 10.3.2018, nachfolgend: nF). Der Anrechnungsfaktor des angestellten Arztes wird dem anstellenden Vertragsarzt hinzugezählt (§ 2 Abs 2 S 4 BDO-KVB aF, entsprechend § 2 Abs 4 S 1 nF). Der Anrechnungsfaktor, der den Umfang der Teilnahme am Bereitschaftsdienst bestimmt, entspricht damit der Berücksichtigung zugelassener oder angestellter Ärzte im Rahmen der Bedarfsplanung (vgl § 58 Abs 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie). Abweichend von diesem Grundsatz verpflichtet § 2 Abs 4 S 1 BDO-KVB aF Ärzte mit einer Zweigpraxis ("Filiale gem. § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV") in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich, im Bereitschaftsdienstbereich dieser Zweigpraxis am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG zum Landesrecht (zu Bereitschaftsdienstordnungen vgl BSG Urteil vom 28.9.2005 - B 6 KA 73/04 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 18 f; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 23/10 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 17; BSG Urteil vom 12.12.2018 - B 6 KA 50/17 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) folgt aus dieser Regelung, dass ein Vertragsarzt mit voller Zulassung, der eine Zweigpraxis an einem Ort betreibt, der einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als der Vertragsarztsitz ("Hauptsitz") zugeordnet ist, im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis - zusätzlich - mit einem "Anrechnungsfaktor" von 0,5 zum Bereitschaftsdienst herangezogen wird (so jetzt auch ausdrücklich § 2 Abs 7 BDO-KVB nF). Er wird also ebenso wie andere Ärzte mit voller Zulassung am Ort des Vertragsarztsitzes zum Bereitschaftsdienst ("Anrechnungsfaktor" 1,0) und ohne Anrechnung auf diese Bereitschaftsdienstverpflichtung am Vertragsarztsitz auch im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis herangezogen, dort jedoch nur in reduziertem Umfang ("Anrechnungsfaktor" 0,5), sodass sich insgesamt eine Heranziehung mit einem "Anrechnungsfaktor" von 1,5 ergibt.
2. Die genannte Regelung in § 2 Abs 4 BDO-KVB aF bzw § 2 Abs 7 BDO-KVB nF berechtigt die Beklagte nicht, den Kläger zusätzlich und ohne Anrechnung auf die Bereitschaftsdienstverpflichtung am Vertragsarztsitz auch im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen. Zwar ist der Kläger grundsätzlich zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst verpflichtet (a). Der Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst darf sich jedoch in der Summe nicht an der Zahl der Tätigkeitsorte orientieren. Vielmehr sind Vertragsärzte unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG entsprechend dem Umfang der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen (b). Die in § 2 Abs 4 BDO-KVB aF getroffene Regelung ist damit nicht vereinbar und deshalb unwirksam (c).
a) Die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst folgt aus seinem Zulassungsstatus (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 23/10 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 14; BSG Urteil vom 6.2.2008 - B 6 KA 13/16 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 7 RdNr 13; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 10; BSG Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 29/93 - Juris RdNr 10; BSG Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, 124 = Juris RdNr 13, 14; BSG Urteil vom 15.9.1977 - 6 RKa 8/77 - BSGE 44, 252, 256 = SozR 2200 § 368n Nr 12 S 34 = Juris RdNr 28; BSG Urteil vom 12.12.2018 - B 6 KA 50/17 R - RdNr 29, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Aufgrund seiner Zulassung ist der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet (§ 95 Abs 3 SGB V). Mit der Einbeziehung des Vertragsarztes in ein öffentlich-rechtliches Versorgungssystem ist eine Reihe von Einschränkungen seiner ärztlichen Berufsausübung notwendig verbunden. Dazu gehört auch die Pflicht zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst, ohne den eine ausreichende Versorgung der Versicherten nicht gewährleistet ist (BSG Urteil vom 15.9.1977 - 6 RKa 8/77 - BSGE 44, 252, 256 = SozR 2200 § 368n Nr 12 S 34 = Juris RdNr 28). Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst hat der Gesetzgeber als Annex zur Niederlassung in freier Praxis ausgestaltet (BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 23; BSG Urteil vom 28.9.2005 - B 6 KA 73/04 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 22; BSG Urteil vom 12.12.2018 - B 6 KA 50/17 R - RdNr 30, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Der auf Antrag verliehene Status der Zulassung bedingt grundsätzlich, dass der Arzt in zeitlicher Hinsicht umfassend - dh auch in den Zeiten außerhalb der Sprechstunden - für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen hat. Durch den von der KÄV organisierten Bereitschaftsdienst wird der Arzt in die Lage versetzt, dieser Verpflichtung nachzukommen, ohne "rund um die Uhr" persönlich verfügbar zu sein. Mit der Ausgestaltung und Organisation dieses Bereitschaftsdienstes wird die KÄV ihrer Verpflichtung nach § 75 Abs 1 S 2 SGB V aF zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch zu den sprechstundenfreien Zeiten gerecht. Dem entspricht die Pflicht der Vertragsärzte zur Teilnahme an diesem Bereitschaftsdienst.
b) Bei Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art 3 Abs 1 GG sind die KÄVen verpflichtet, Vertragsärzte grundsätzlich entsprechend dem Umfang ihrer Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen (ständige Rspr, vgl BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 39/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 23; BSG Urteil vom 6.2.2008 - B 6 KA 13/06 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 7 RdNr 14 f; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 18; BSG Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, 124 = Juris RdNr 14; BSG Urteil vom 15.4.1980 - 6 RKa 8/78 - Juris RdNr 15).
Art 3 Abs 1 GG schreibt vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches dementsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl BVerfG Beschluss vom 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 ua - BVerfGE 98, 365, 385; stRspr). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG Beschluss vom 14.10.2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1, 23; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 ua - BVerfGE 126, 400, 416; BSG Urteil vom 28.6.2017 - B 6 KA 12/16 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 19 RdNr 15). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art 3 Abs 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl BVerfG Beschluss vom 7.7.2009 - 1 BvR 1164/07 - BVerfGE 124, 199, 220; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68, jeweils mwN). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr des BVerfG, vgl hierzu zB BVerfG Urteil vom 28.1.2003 - 1 BvR 487/01 - BVerfGE 107, 133, 141; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 69, jeweils mwN; BSG Urteil vom 28.6.2017 - B 6 KA 12/16 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 19 RdNr 15).
Bezogen auf die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst ist zu berücksichtigen, dass damit die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung des Arztes - in verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässiger Weise - beschränkt wird (vgl BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 39/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 22; BSG Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 29/93 - Juris RdNr 12). Auf der anderen Seite ist die Intensität des Eingriffs im Hinblick auf die aus der Zulassung ohnehin folgende Verpflichtung des Vertragsarztes, seinen Patienten auch außerhalb der Sprechstunden zur Verfügung zu stehen, eher gering.
Danach kommt der KÄV bei der Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Von diesem Spielraum sind etwa Regelungen zu der Frage umfasst, ob der Bereitschaftsdienst flächendeckend einheitlich oder aber als fachärztlicher Bereitschaftsdienst organisiert wird (BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 12, 14; BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 41/14 R - BSGE 119, 248 = SozR 4-2500 § 75 Nr 15, RdNr 15) und ob der Bereitschaftsdienst in eigener Praxis oder in einer zentralen Notdienstpraxis durchgeführt wird (BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 23/10 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 17; vgl BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 39/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 21). Der Gestaltungsspielraum umfasst grundsätzlich auch Regelungen zur Verteilung der Bereitschaftsdienstverpflichtung von Vertragsärzten mit Tätigkeitsorten in mehreren Bereitschaftsdienstbereichen. Dieser wird jedoch nach stRspr durch die Verpflichtung begrenzt, Ärzte entsprechend dem Umfang ihrer Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung möglichst gleichmäßig zum Bereitschaftsdienst heranzuziehen (stRspr: BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 39/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 23; BSG Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, 124 = Juris RdNr 13; BSG Urteil vom 12.12.2018 - B 6 KA 50/17 R - RdNr 49, 51, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; BSG Urteil vom 15.4.1980 - 6 RKa 8/78 - Juris RdNr 15; BSG Urteil vom 19.10.1971 - 6 RKa 24/70 - BSGE 33, 165 = SozR Nr 3 zu BMV-Ärzte = Juris RdNr 13). Dabei sind sachgerechte Differenzierungen nicht ausgeschlossen (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 41/14 R - BSGE 119, 248 = SozR 4-2500 § 75 Nr 15, RdNr 15; BSG Urteil vom 23.3.2016 - B 6 KA 7/15 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 16 RdNr 17), sodass zB Regelungen zulässig sind, wonach bestimmte Arztgruppen wegen ihrer besonderen Behandlungsausrichtung vom Notfalldienst befreit werden können. Der einzelne Arzt hat jedoch einen Anspruch darauf, dass er, soweit es die Umstände - insbesondere die Sicherstellung der Notfallversorgung unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse - erlauben, nicht in stärkerem Maße als andere Ärzte in gleicher Lage herangezogen wird (BSG Urteil vom 15.4.1980 - 6 RKa 8/78 - Juris RdNr 15 mwN). Deshalb darf ein Arzt mit einer Zulassung in zwei Fachgebieten oder ein MKG-Chirurg, der über eine Doppelzulassung als Vertragsarzt und -zahnarzt, aber nur über insgesamt einen vollen Versorgungsauftrag verfügt, nicht doppelt zum Bereitschaftsdienst herangezogen werden (BSG Urteil vom 23.3.2016 - B 6 KA 7/15 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 16 RdNr 17).
c) Die in § 2 Abs 4 BDO-KVB enthaltene Differenzierung zwischen Ärzten, die ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit ausschließlich am Vertragsarztsitz nachgehen oder deren Zweigpraxis in demselben Bereitschaftsdienstbereich wie der Praxissitz liegt, und Ärzten, deren Zweigpraxis an einem Ort liegt, der einem anderen Bereitschaftsdienstbereich zugeordnet ist als der Praxissitz, ist mit den genannten, aus Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Anforderungen an die gleichmäßige Heranziehung zum Bereitschaftsdienst nicht vereinbar. § 2 Abs 2 BDO-KVB aF bzw § 2 Abs 3 BDO-KVB nF legt den Anrechnungsfaktor, der den Umfang der Teilnahme des Arztes am Bereitschaftsdienst bestimmt, grundsätzlich entsprechend dem Versorgungsauftrag fest. Es kommt danach zB nicht auf die Zahl der behandelten Patienten, auf den erzielten Umsatz oder den Gewinn aus vertragsärztlicher Tätigkeit an. Auch die Zahl der Tätigkeitsorte zB einer üöBAG ist nach der BDO-KVB für den Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst ohne Belang. Dieses Regelungskonzept steht im Einklang mit der stRspr des Senats, nach der die Verpflichtung des Arztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst seine Grundlage in der Zulassung und der Pflicht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang des daraus folgenden Versorgungsauftrags hat. Eine Abweichung von dieser Konzeption regelt § 2 Abs 4 BDO-KVB aF bzw § 2 Abs 7 BDO-KVB nF allein für Ärzte, deren Zweigpraxen in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als der Vertragsarztsitz liegen. Die Zahl der Orte, an denen ein Arzt bei gleichem Versorgungsauftrag seine Tätigkeit ausübt, ist jedoch kein sachgerechtes Differenzierungskriterium (so auch bereits: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.11.2014 - L 5 KA 3306/12 - Juris RdNr 54 f, 59 f; aA LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.6.2016 - L 11 KA 5/15 - Juris; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.6.2016 - L 11 KA 4/15 - Juris; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 23.12.2009 - L 11 B 19/09 KA ER - GesR 2010, 144; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 27.2.2013 - 13 A 602/10 - GesR 2013, 435, mwN; vgl auch OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 3.9.1982 - 13 A 2524/81 - NJW 1983, 1388). Erst recht gibt es keinen sachlichen Grund dafür, bezogen auf den Umfang des Bereitschaftsdienstes danach zu unterscheiden, ob der Ort der Zweigpraxis demselben Bereitschaftsdienstbereich wie der Vertragsarztsitz oder aber einem anderen Bereitschaftsdienstbereich zugeordnet wird.
aa) Dagegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, dass ein Arzt, der Patienten nicht nur an seinem Praxissitz, sondern zusätzlich in einer Zweigpraxis betreut, auch den Patienten am weiteren Ort im Grundsatz "rund um die Uhr" zur Verfügung stehen müsse und dass er zur Ablösung dieser doppelten Verpflichtung auch in höherem Maße zum Bereitschaftsdienst herangezogen werden dürfe. Zwar ist es richtig, dass der Arzt nach stRspr des Senats durch den von der KÄV zu organisierenden Bereitschaftsdienst von der Pflicht zur Dienstbereitschaft "rund um die Uhr" entlastet wird (BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 23/10 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 14; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 5 RdNr 10). Daraus folgt aber nicht, dass ein Arzt mit mehreren Tätigkeitsorten den gesetzlich Versicherten mehrfach "rund um die Uhr" zur Verfügung zu stehen hätte und deshalb zur Ablösung dieser umfassenderen Verpflichtung in höherem Umfang Bereitschaftsdienst leisten müsste als ein Arzt mit nur einem Tätigkeitsort. Wenn die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung davon abhängen würde, dass der Arzt den Versicherten an beiden Orten "rund um die Uhr" zur Verfügung steht, könnte die erforderliche Genehmigung (§ 24 Abs 3 S 5 Ärzte-ZV) bzw Ermächtigung (§ 24 Abs 3 S 6 Ärzte-ZV) nie erteilt werden. Tatsächlich ist die vertragsärztliche Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes an einem weiteren Ort gemäß § 24 Abs 3 S 1 Ärzte-ZV bereits zulässig, wenn dies die Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort verbessert (§ 24 Abs 3 S 1 Nr 1 Ärzte-ZV) und wenn die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Dabei sind geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des Vertragsarztsitzes unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden. Vor diesem Hintergrund kann es keinen Bedenken begegnen, wenn ein Vertragsarzt mit einer Zweigpraxis verpflichtet wird, einen Teil der ihm obliegenden Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst im Bereitschaftsdienstbereich der Zweigpraxis zu erfüllen. Eine Rechtfertigung dafür, den Umfang der Teilnahme am Bereitschaftsdienst im Hinblick auf die Zweigpraxis insgesamt zu erweitern, folgt daraus indes nicht.
Maßgebend für den Umfang der Teilnahme am Bereitschaftsdienst ist auch bei mehreren Tätigkeitsorten der Umfang des Versorgungsauftrags. Auch für Ärzte mit mehreren Tätigkeitsorten gilt, dass einem Arzt nicht mehr als eine Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag erteilt werden kann (vgl BSG Beschluss vom 9.2.2011 - B 6 KA 44/10 B - Juris RdNr 10 f; BSG Urteil vom 28.9.2016 - B 6 KA 1/16 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 30 RdNr 28; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 19/15 R - BSGE 120, 197 = SozR 4-5520 § 20 Nr 4, RdNr 35; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 11/14 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 29 RdNr 19 f; BSG Urteil vom 17.10. 2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26 = GesR 2013, 289, RdNr 55). Mit der Zweigpraxisgenehmigung wird kein neuer eigenständiger Status vermittelt. Die Genehmigung ist akzessorisch und untrennbar mit dem Versorgungsauftrag für den Praxissitz verbunden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 29; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 32; BSG Urteil vom 15.3.2017 - B 6 KA 35/16 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 12, RdNr 21, 33). Auch wirtschaftlich betrachtet ist die Zweigpraxis nur "Annex" zur Hauptpraxis (BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 37/14 R - SozR 4-5520 § 24 Nr 12 RdNr 19).
bb) Die Beklagte kann die um den Faktor von 0,5 auf insgesamt 1,5 erhöhte Inanspruchnahme des Klägers (sog Anrechnungsfaktor) auch nicht damit rechtfertigen, dass anderenfalls bei einer anteiligen Verlagerung der Bereitschaftsdienstpflichten des Klägers an den Ort der Zweigpraxis die Vertragsärzte im Bereitschaftsdienstbereich des Praxissitzes ungerechtfertigt belastet würden und dass man dem Kläger auf der anderen Seite auch nicht gestatten könne, an einem weiteren Ort gesetzlich Versicherte zu behandeln, ohne dass er dort die damit verbundenen Pflichten in Gestalt der Teilnahme am Bereitschaftsdienst mittragen müsse. Der Umfang der insgesamt erforderlichen Teilnahme am Bereitschaftsdienst hängt in der Summe nicht davon ab, ob Vertragsärzte die vertragsärztliche Tätigkeit auf den Vertragsarztsitz beschränken oder ob sie an weiteren Orten vertragsärztlich tätig werden. Wenn zB ein Arzt mit Vertragsarztsitz im Bereitschaftsdienstbereich A eine Zweigpraxis im Bereitschaftsdienstbereich B eröffnet und gleichzeitig ein Arzt mit Vertragsarztsitz im Bereitschaftsdienstbereich B eine Zweigpraxis im Bereitschaftsdienstbereich A eröffnet, dann ändert sich an dem Bedarf von Leistungen im Bereitschaftsdienst und an der Zahl der zur Deckung dieses Bedarfs zur Verfügung stehenden Ärzte nichts. Dem Umstand, dass die Eröffnung von Zweigpraxen nicht immer zu einem solchen Ausgleich führen muss, kann die Beklagte durch die anteilige Verlagerung der Bereitschaftsdienstverpflichtung an den Ort der Zweigpraxis Rechnung tragen. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Erhöhung des Umfangs der Pflicht zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst allein im Hinblick auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort folgt daraus jedoch nicht.
cc) Soweit die Beklagte und das LSG davon ausgehen, dass mit der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort eine Erweiterung des Patientenstamms und damit auch wirtschaftliche Vorteile verbunden sind, stellt das keinen sachgerechten Anknüpfungspunkt für eine Erweiterung des Umfangs der Pflichten im Bereitschaftsdienst dar. Die Größe des Patientenstamms und die mit der vertragsärztlichen Tätigkeit erzielten Gewinne werden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Neben dem Standort der Praxis und dem Fachgebiet hat auch Attraktivität der Praxis für die Patienten zB in Gestalt von Lage und Zahl der angebotenen Sprechstunden und die Organisation des Praxisbetriebs Einfluss auf die Patientenzahlen und auf die Verdienstmöglichkeiten des einzelnen Arztes. Diese Faktoren sind nach der BDO-KVB für den Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst ohne Bedeutung. Ärzte, die allein am Vertragsarztsitz und ohne einen weiteren Tätigkeitsort eine besonders hohe Zahl gesetzlich Versicherter behandeln und einen besonders hohen Gewinn erzielen, werden von der Beklagten nicht in höherem Maße zum Bereitschaftsdienst herangezogen als andere Vertragsärzte, die am Vertragsarztsitz oder auch mit der Tätigkeit an weiteren Orten einen geringeren Gewinn erzielen. Einziger Anknüpfungspunkt ist nach § 2 Abs 2 BDO-KVB aF bzw § 2 Abs 3 BDO-KVB nF der Umfang des Versorgungsauftrags (voll oder halb) oder - bei Angestellten - der Umfang der Beschäftigung (viertel, halb, dreiviertel oder voll). Unter diesen Umständen ist die Beklagte auch unter Berücksichtigung des in Art 3 Abs 1 GG verankerten Gebots der Folgerichtigkeit, das das BVerfG (BVerfG Beschluss vom 15.1.2008 - 1 BvL 2/04 - BVerfGE 120, 1, 29 = Juris RdNr 82 ff) für den Bereich des Steuerrechts entwickelt hat, daran gehindert, den Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst allein mit Blick auf einen der Faktoren, die Einfluss auf die Patientenzahlen und auf den wirtschaftlichen Erfolg der Arztpraxis haben können - die Tätigkeit an einem weiteren Ort - zu erhöhen.
Zudem hängt die mit einer Zweigpraxis erreichbare Erweiterung des Patientenstamms und der damit verbundene wirtschaftliche Vorteil nicht davon ab, ob die Zweigpraxis in einem anderen Bereitschaftsdienstbereich als die Hauptpraxis liegt. Gerade daran knüpft jedoch § 2 Abs 4 BDO-KVB aF die erweiterte Heranziehung zum Bereitschaftsdienst mit einem Faktor von 1,5. Der Kläger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Bereitschaftsdienstbereiche im Bezirk der Beklagten bezogen auf Zuschnitt, Fläche und Versichertenzahlen ganz erheblich voneinander unterscheiden. Das ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, solange dadurch die gleichmäßige Heranziehung der Vertragsärzte zum Bereitschaftsdienst nicht in Frage gestellt wird. Im Zusammenspiel mit der in § 2 Abs 4 BDO-KVB aF getroffenen Regelung bewirken die ganz unterschiedlichen Größen der Bereitschaftsdienstbereiche jedoch, dass es von Zufälligkeiten abhängt, ob sich die Zweigpraxis in demselben oder in einem anderen Bereich als die Hauptpraxis befindet und ob sich der Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst durch die Zweigpraxis tatsächlich erhöht. Auch dies steht einer Vereinbarkeit der in § 2 Abs 4 BDO-KVB aF getroffenen Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG entgegen.
dd) Im Übrigen führt die zusätzliche Heranziehung zum Bereitschaftsdienst am Ort der Zweigpraxis zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von Ärzten mit einer Zweigpraxis gegenüber den in einer üöBAG tätigen Ärzten (aA OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 27.2.2013 - 13 A 602/10 - GesR 2013, 435 = Juris RdNr 49 ff). Die in einer üöBAG tätigen Ärzte haben ebenso wie Ärzte mit einer Zweigpraxis die Möglichkeit, an mehreren Standorten tätig zu sein. Die Heranziehung in einem den Versorgungsauftrag übersteigenden Maß sieht auch die BDO-KVB für Ärzte in einer üöBAG jedoch nicht vor.
ee) Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht daraus, dass der Anrechnungsfaktor noch keine Aussage zum Umfang der realen Heranziehung des Klägers zum Bereitschaftsdienst treffen würde oder dass der Umfang der Heranziehung und damit die durch den Faktor tatsächlich bewirkte Belastung des Klägers hier gering wäre. Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte gerade eine Festlegung bezogen auf einen Faktor vornehmen wollen, der den Umfang der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst maßgeblich beeinflusst. Die Möglichkeit, eine solche gesonderte Klärung von Berechnungsfaktoren herbeizuführen, hat der Senat bereits im Zusammenhang mit Regelungen zum Honoraranspruch in weitem Umfang bejaht (stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 28/17 R - RdNr 11, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Das Wesen einer solchen Klärung liegt gerade darin, dass sie auch unabhängig davon Bestand hat, in welchem Umfang sie sich künftig in den darauf aufbauenden Folgebescheiden auswirkt. Deshalb kann auch die Rechtmäßigkeit des hier streitigen Anrechnungsfaktors nicht davon abhängen, zu welcher - idR nicht genau vorhersehbaren und im Laufe der Zeit sich ändernden - konkreten Einteilung zum Bereitschaftsdienst die Anwendung dieses Faktors später führt. Etwas Anderes könnte nur gelten, wenn feststehen würde, dass der Anrechnungsfaktor ohne jede praktische Bedeutung wäre, weil es dann an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlen würde. Das ist hier jedoch nicht der Fall und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.