Entscheidungsdatum: 15.08.2012
1. Ein weder gesetzlich noch gesamtvertraglich vorgeschriebener Prüfantrag hemmt die vierjährige Ausschlussfrist für die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht.
2. Stehen Rechtsgründe der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung entgegen, hat dies hemmende Wirkung, wenn der Hemmungsgrund den betroffenen Ärzten rechtzeitig und hinreichend präzise bekanntgegeben worden ist.
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.3.2011 sowie der Bescheid des Beklagten vom 13.2.2008 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 11.5.2005, 27.12.2005 und 27.12.2006 zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Klage- und Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Regressen wegen der Verordnungsweise von Heilmitteln - Physikalische Therapie - in den Quartalen I/2000 bis III/2001.
Die Beigeladene zu 1., eine aus Ärzten für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis, wurde aufgrund eines Prüfantrages der klagenden AOK und der zu 2. bis 5. beigeladenen Krankenkassenverbände vom 30.3.2001 zunächst für das Quartal I/2000 hinsichtlich der Verordnungsweise von Heilmitteln aus dem Bereich physikalische Therapie einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten unterzogen. Für die Quartale II/2000 bis III/2001 wurden von Amts wegen aufgrund einer gemeinsamen Empfehlung der KKn und der zu 6. beigeladenen KÄV Prüfverfahren durchgeführt. Die Beigeladene zu 1. wurde für diese Quartale jeweils darüber informiert, dass aufgrund der festgestellten Überschreitungen der Vergleichswerte eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nach Durchschnittswerten erfolgen solle, wenn keine Prüfungen der Verordnungsweise nach Richtgrößen durchgeführt würden. Derzeit sei noch offen, ob Richtgrößenprüfungen erfolgen würden. Die Überprüfung nach Durchschnittswerten werde daher bis zur endgültigen Entscheidung über die anzuwendende Prüfmethode zurückgestellt.
Der Prüfungsausschuss lehnte mit Bescheid vom 11.5.2005 Maßnahmen für das Quartal I/2000 und mit weiterem Bescheid vom selben Tag auch für die Quartale II/2000 bis IV/2000 ab. Hinsichtlich des Quartals I/2001 setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 27.12.2005 einen Regress in Höhe von 3727,25 Euro fest, mit weiteren Bescheiden vom 27.12.2006 lehnte er Maßnahmen hinsichtlich des Quartals II/2001 "verjährungsbedingt" ab und setzte einen Regress in Höhe von 5567,69 Euro für das Quartal III/2001 fest. Die hiergegen gerichteten Widersprüche der Klägerin sowie einen Widerspruch der BKK-IKK-LKK Arbeitsgemeinschaft für das Quartal II/2001 wies der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 13.2.2008 zurück. Gleichzeitig hob er die Prüfbescheide betreffend die Quartale I/2000 bis I/2001 und III/2001 auf und bestätigte die Entscheidung betreffend das Quartal II/2001. Zur Begründung führte er aus, die Prüfbescheide des Prüfungsausschusses für die Quartale I/2000 bis III/2001 seien nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist nach Erlass der Honorarbescheide ergangen.
Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 2.3.2011 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht für sämtliche streitgegenständlichen Quartale die Einhaltung der vierjährigen Ausschlussfrist verneint. Das BSG habe klargestellt, dass den KKn, um eine Hemmung der vierjährigen Ausschlussfrist zu erreichen, nur zwei Möglichkeiten offen stünden, nämlich entweder entgegen den rechtlichen Vorgaben über den Wegfall des Erfordernisses zur Stellung eines Prüfungsantrages einen ausdrücklichen Prüfungsantrag zu stellen oder selbst eine Untätigkeitsklage zu erheben. Beide Aspekte hätten hier keine Rolle gespielt. Mit Beschluss vom 2.5.2011 hat das SG durch den Kammervorsitzenden die Sprungrevision zugelassen.
Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Revision aus, nach dem Wegfall des Antragsverfahrens zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen sei für die Hemmung der Ausschlussfrist der Umstand maßgeblich, dass der geprüfte Arzt von der Einleitung des Prüfverfahrens Kenntnis erlangt habe. So sei denn auch die Beigeladene zu 1. von der Durchführung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens in Kenntnis gesetzt worden und habe nicht mehr darauf vertrauen dürfen, dass kein Prüfverfahren mehr durchgeführt werde. Die vierjährige Ausschlussfrist für die Durchführung der Prüfverfahren sei damit gehemmt gewesen und die Prüfverfahren hätten in der Sache durchgeführt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 2.3.2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13.2.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 11.5.2005, 27.12.2005 und 27.12.2006 zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, weil die Prüfbescheide sämtlich nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise ergangen seien.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das SG hat zu Unrecht angenommen, dass die für Verordnungsregresse geltende vierjährige Ausschlussfrist im Zeitpunkt des Erlasses der Prüfbescheide bereits verstrichen war.
1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass das SG allein durch seinen Berufsrichter - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - die Revision unmittelbar gegen sein Urteil zugelassen hat. Dies ist zwar fehlerhaft; ungeachtet dieses Mangels ist der Zulassungsbeschluss aber wirksam und das Revisionsgericht an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (vgl zuletzt BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 13).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13.2.2008 (zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids des Beschwerdeausschusses vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN). Umstritten ist, ob gegen die zu 1. beigeladene Gemeinschaftspraxis ein Regress wegen Verordnungen von Heilmitteln im Bereich physikalischer Therapie bezogen auf die Quartale I/2000 bis III/2001 festgesetzt werden durfte oder ob dem die Vier-Jahres-Ausschlussfrist entgegenstand.
Da die KÄV Rheinland-Pfalz, der BKK-Landesverband, die IKK-Südwest, die Landwirtschaftliche Krankenkasse Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie der Verband der Ersatzkassen ihrer Beiladung im Revisionsverfahren zugestimmt haben, hat der Senat gemäß § 168 Satz 2 SGG ihre notwendige Beiladung nachholen können.
2. Rechtsgrundlage des Verordnungsregresses ist § 106 Abs 2 SGB V (hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die in den Jahren 2000 und 2001 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 3/08 R - MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 16). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft.
3. Die Fristen, die für den Erlass eines Regressbescheids wegen unzulässiger oder unwirtschaftlicher Verordnung von Heilmitteln gelten, sind gewahrt worden.
a) Der Senat hat in den Urteilen vom 5.5.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 28) und vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 29) für den Bereich von Arzneikostenregressen klargestellt, dass solche Regresse einer vierjährigen Ausschlussfrist unterliegen, dass weiterhin diese Ausschlussfrist mit Ablauf des Quartals beginnt, dem die (potenziell) in Regress genommenen Verordnungen zuzurechnen sind, und dass schließlich die Ausschlussfrist durch einen Prüfantrag der betroffenen KK gehemmt wird. Für den hier betroffenen Bereich von Heilmittelregressen gilt nichts anderes.
Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vier-Jahres-Frist beginnt, hat der Senat dahin beantwortet, dass diese Frist für Verordnungsregresse im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist (SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 28, 33 mwN). Für die Zuordnung einer Verordnung zu einem bestimmten Quartal ist der Zeitpunkt, in dem der Honorarbescheid erlassen wird, entgegen der Auffassung des Beklagten ohne Bedeutung. Der Honorarbescheid markiert den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nur insoweit, als die Versagung oder Kürzung von Honorar in Rede steht, dh in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung, degressionsbedingter Honorarminderung und der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 31 mwN). In gleicher Weise im Verordnungsbereich für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Erlass des Honorarbescheids abzustellen, hat der Senat als verfehlt angesehen, weil die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise und die Überprüfung der Behandlungsweise zwei unterschiedliche Bereiche betreffen und sachliche Gründe für einen "Gleichklang" des Fristlaufs im Honorar- und im Verordnungsbereich nicht bestehen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 30). Der Senat hat darauf hingewiesen, dass es zudem Fälle gibt, in denen das Abstellen auf den Erlass eines Honorarbescheids nicht möglich ist, weil für das Quartal, dem die Verordnung zugeordnet wird, nicht stets auch ein Honorarbescheid ergeht.
Die Vier-Jahres-Frist wurde danach im Fall der Beigeladenen zu 1. für keines der geprüften Quartale eingehalten. Sie endete für das Quartal IV/2000 am 31.12.2004, die Bescheide für die Quartale I/2000 bis IV/2000 ergingen aber erst am 11.5.2005. Die Ausschlussfrist für das Quartal I/2001 endete am 31.3.2005 (Bescheid 27.12.2005) und für das Quartal II/2001 am 30.6.2005 sowie für das Quartal III/2001 am 30.9.2005 (Bescheide 27.12.2006).
b) Der Lauf der Frist war jedoch in allen Quartalen gehemmt. Die Hemmung ist zwar nicht durch Prüfanträge ausgelöst worden (aa), wohl aber durch den Umstand, dass die Durchschnittsprüfung wegen einer vorrangigen Prüfung nach Richtgrößen aus rechtlichen Gründen zunächst nicht durchgeführt werden konnte und die zu 1. beigeladene Praxis darüber rechtzeitig informiert worden war (bb).
aa) Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen gehemmt werden können. Eine solche Wirkung hat der Senat Prüfanträgen der KKn beigemessen, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 40 ff; zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 33-35 iVm 40, 46).
Der Senat hat die hemmende Wirkung des Prüfantrags der KK in erster Linie damit begründet, dass die KK unmittelbar gegen den (möglicherweise) unwirtschaftlich verordnenden Arzt nicht vorgehen könne, sondern zur Realisierung ihres auf der Unwirtschaftlichkeit von Verordnungen beruhenden Schadensersatzanspruchs auf die Tätigkeit der Prüfgremien angewiesen sei. Nur die besondere Konstellation, dass die KKn ihren gegen den Vertragsarzt gerichteten Anspruch auf Ersatz für unwirtschaftlich verordnete Arzneimittel bzw unwirtschaftlich verordneten Sprechstundenbedarfs nicht unmittelbar, sondern nur durch Inanspruchnahme der Prüfgremien realisieren können, rechtfertigt es, unter bestimmten Voraussetzungen den KKn die Möglichkeit zu geben, den Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist zu hemmen. Dafür bedarf es aber eines konkreten, auf eine bestimmte Praxis gerichteten Begehrens einer KK oder von Krankenkassenverbänden. Das kann auch in der Weise formuliert werden, dass zwischen den Verbänden und der KÄV eine Abstimmung erfolgt, welche Praxen geprüft werden sollen. Unverzichtbar ist aber, dass die KKn von sich aus tätig geworden sind und die betroffene Praxis informiert ist, dass die KKn auf einer Prüfung der Verordnungsweise bestehen. Die bloße Mitteilung des Prüfungsausschusses über eine beabsichtigte Prüfung für sich genommen steht einem Prüfantrag der KKn nicht gleich.
Der mit der Ausschlussfrist verbundene Schutz des Arztes, nicht zeitlich unbegrenzt für seine Verordnungen in Regress genommen werden zu können, liefe weitgehend leer, wenn nicht erst der Bescheid über einen Arzneikostenregress oder über die Ablehnung eines Arzneikostenregresses, sondern allein die Mitteilung, das Verordnungsverhalten eines Arztes werde geprüft, bereits die zugunsten des Arztes bestehende vierjährige Ausschlussfrist hemmen würde. Der Prüfungsausschuss (nach bis zum 31.12.2007 geltendem alten Recht) bzw die Prüfungsstelle (nach neuem Recht) könnten dann routinemäßig allen Ärzten, deren Verordnungsverhalten in irgendeiner Hinsicht auffällig ist, kurz nach Eingang bestimmter, auf die Auffälligkeit hindeutender Unterlagen, eine Mitteilung zuleiten, es sei mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu rechnen, mit der Folge, dass die Vertragsärzte ohne zeitliche Begrenzung damit rechnen müssten, dass gegen sie Kostenregresse festgesetzt würden. Das wäre aus denselben Gründen, aus denen der Senat in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung von für die Vertragsärzte wirtschaftlich sehr einschneidenden Regressfestsetzungsverfahren abgeleitet hat, nicht akzeptabel.
Soweit - wie hier - Quartale ab dem 1.1.2000 betroffen sind, ist nicht mehr darüber hinaus generell jeder Prüfantrag einer KK geeignet, die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen. Infolge der Änderung des § 106 Abs 5 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 (vom 22.12.1999 BGBl I 2626) zum 1.1.2000 ist das antragsgebundene Prüfverfahren durch ein grundsätzlich von Amts wegen einzuleitendes und durchzuführendes Prüfungsverfahren ersetzt worden. Für die Verfahren, die nach den in § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V normierten Regelprüfmethoden oder ersatzweise nach der Methode des statistischen Kostenvergleichs durchgeführt werden, war ein Prüfantrag nicht mehr Voraussetzung für die Durchführung der Prüfung. Die Neuregelung des § 106 Abs 2 SGB V zum 1.1.2000 hat zwar nicht generell das Antragsrecht der KKn bzw ihrer Verbände beseitigt; soweit jedoch das Verfahren vom Prüfungsausschuss antragsunabhängig durchzuführen ist, kann ein gleichwohl gestellter Antrag keine besonderen Rechtspflichten der Prüfgremien mehr auslösen. Jedenfalls in dem Bereich der hier betroffenen statistischen Vergleichsprüfung hat allein ein von Gesetzes wegen nicht erforderlicher Prüfantrag der KKn nicht die Wirkung, die vierjährige Ausschlussfrist zu hemmen. Damit weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung ab, die den zitierten Urteilen vom 5.5. und 18.8.2010 zugrunde liegt. Beide Fälle betrafen Konstellationen, in denen ein Prüfantrag der KK ungeachtet der grundsätzlichen Umstellung des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens von einem antragsgebundenen auf ein von Amts wegen durchzuführendes Verfahren weiterhin erforderlich war.
Dem Urteil vom 5.5.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 28) lag ein einzelfallbezogener Prüfantrag einer KK im Hinblick auf die Verordnung eines bestimmten Medikamentes gegenüber einem konkreten Patienten zugrunde. Rechtsgrundlage der Einzelfallprüfung in diesem Fall war § 106 Abs 3 Satz 3 SGB V in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung. Danach war in Verträgen durch die Partner iS des Abs 2 Satz 4 auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen festgesetzt werden können. Für Einzelfallprüfungen im Hinblick auf die Verordnung bestimmter Medikamente kann jedenfalls auch nach der Neufassung des § 106 Abs 5 SGB V schon aus praktischen Gründen auf einen Prüfantrag der KK nicht verzichtet werden. Nur die einzelne KK hat die Möglichkeit, aufgrund der bei ihr vorliegenden Verordnungen und Diagnosen zu beurteilen, ob eine unzulässige Verordnung vorgenommen wurde oder nicht; der im Falle der Unzulässigkeit der Verordnung zu leistende Schadensersatz kommt in diesem Fall auch allein der antragstellenden KK zugute und nicht - wie im Fall von statistischen Vergleichsprüfungen - allen Krankenkassenverbänden nach einem bestimmten Schlüssel. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 106 Abs 3 SGB V durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) präzisiert. Dort ist nunmehr bestimmt, dass die Vertragspartner vereinbaren müssen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen auf Antrag ua einer KK oder der KÄV durchzuführen sind (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: August 2012, K § 106 RdNr 445).
Ähnliches gilt für die Konstellation, die dem Senatsurteil vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 106 Nr 29) zugrunde lag. Dort ging es um die Verordnung von Sprechstundenbedarf, die auf einer Vereinbarung der Vertragspartner über die Verordnung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Sprechstundenbedarf in der vertragsärztlichen Versorgung beruhte; deren gesetzliche Grundlage ist § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V. Auch insoweit sah die Prüfvereinbarung - nicht anders als die Prüfvereinbarung in dem am 5.5.2010 entschiedenen Fall hinsichtlich der Einzelfallprüfung - ein Antragsrecht der KK vor; bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf ist dies schon deshalb erforderlich, weil üblicherweise Sprechstundenbedarf zu Lasten einer bestimmten KK für alle Versicherten verordnet wird, die entsprechend auch berechtigt ist, Prüfanträge hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben der Sprechstundenbedarfsvereinbarung und der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf zu stellen.
Soweit ein Prüfantrag kraft Gesetzes Voraussetzung für die Durchführung eines Prüfverfahrens oder auf gesetzlicher Grundlage in der Prüfvereinbarung (neu) vereinbart worden oder von der Sache her unverzichtbar ist, kommt diesem Antrag auch für Quartale nach dem 1.1.2000 ua die Wirkung zu, den Ablauf der Ausschlussfrist für die Festsetzung eines Arzneikostenregresses zu hemmen. Soweit die Wirtschaftlichkeitsprüfung jedoch als Richtgrößenprüfung oder - wie hier - statistische Vergleichsprüfung durchgeführt wird und Quartale betroffen sind, in denen diese Prüfung von Amts wegen durchzuführen ist, gilt das grundsätzlich nicht. Der Senat hat die hemmende Wirkung des Prüfantrags vor allem mit einer entsprechenden Anwendung des Rechtsgedankens des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB begründet. Danach hemmt ein "Antrag bei einer Behörde" die Verjährung, "wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt". Der Heranziehung des in dieser Vorschrift enthaltenen Rechtsgedankens auf den Prüfantrag einer KK liegt die Erwägung zugrunde, dass dieser Antrag Voraussetzung dafür war, dass sich das zuständige Prüfgremium mit der Verordnungsweise einer Praxis befassen konnte. Die Basis für eine entsprechende Anwendung dieser Norm ist verlassen, wenn der "Antrag" nur noch eine unverbindliche Anregung an die Prüfgremien enthält, tätig zu werden. In Prüfverfahren, in denen ein Prüfantrag weder gesetzlich bzw gesamtvertraglich vorgeschrieben noch von der Sache her unverzichtbar ist, kann die betroffene Krankenkasse die Hemmung der Ausschlussfrist nur dadurch zu erreichen versuchen, dass sie Untätigkeitsklage erhebt und darauf dringt, dass der Arzt, dessen Verordnungen sie beanstandet, zum Verfahren beigeladen wird. Auf die tatsächliche Schwäche dieser rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung hingewiesen (vgl SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 37 und 45). An dieser Beurteilung hat sich nichts geändert, doch kann das nicht dazu führen, auch einem nicht erforderlichen "Antrag" zu Lasten des Arztes hemmende Wirkung zuzubilligen. Damit wäre nach Auffassung des Senats der Rahmen für richterliche Rechtsfortbildung verlassen.
Die bloße Mitteilung der für die Entscheidung über einen Arzneikostenregress zuständigen Behörde, nämlich des Prüfungsausschusses nach altem Recht bzw der Prüfungsstelle nach Inkrafttreten des GKV-WSG, über die Einleitung eines Prüfverfahrens wahrt die vierjährige Ausschlussfrist ebenfalls nicht und ist auch nicht geeignet, sie in entsprechender Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB bzw des § 45 Abs 3 SGB I zu hemmen, wie das in den vorerwähnten Urteilen des Senats vom 5.5. und 18.8.2010 für einen Prüfantrag der KKn angenommen worden ist.
bb) Der Senat misst aber dem Umstand, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung aus rechtlichen Gründen - nämlich wegen eines Streits zwischen KÄV und Krankenkassenverbänden über die Prüfvereinbarung oder die anzuwendende Prüfmethode - nicht durchgeführt werden kann, hemmende Wirkung bei. Weiterhin ist - wegen der Besonderheiten des Mehr-Personen-Verhältnisses - Voraussetzung für die Hemmung, dass der Hemmungsgrund den betroffenen Ärzten hinreichend präzise bekannt gegeben wird, damit sie wissen (können), warum die Durchschnittsprüfung derzeit ausgesetzt ist, und auch klären können, wann die Hemmung endet. Beide Voraussetzungen liegen hier vor.
Da für die Richtgrößenprüfung in § 106 Abs 2 Nr 2 Satz 6 SGB V aF ein Vorrang gegenüber der Prüfung nach Durchschnittswerten angeordnet war, waren die Prüfgremien bis zu einer Entscheidung darüber, ob eine Richtgrößenprüfung tatsächlich stattfinden sollte, aus Rechtsgründen an der Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten gehindert. Der Senat hat bereits in einem Verfahren zur nachträglichen Korrektur der vertrags(zahn)ärztlichen Vergütung für ein bestimmtes Quartal entschieden, dass die vierjährige Ausschlussfrist für den Erlass eines Bescheides zur Korrektur von Honorarbescheiden gehemmt ist, solange ein Schiedsverfahren bzw Klageverfahren gegen die Entscheidung des Schiedsamtes über die Höhe der Gesamtvergütung anhängig ist (Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 12). Er hat in diesem Zusammenhang auf den Rechtsgedanken des § 203 Satz 1 BGB Bezug genommen, wonach eine Verjährungsfrist gehemmt ist, solange Schuldner und Gläubiger über den Anspruch verhandeln. Anders als für die Handlungen des Arztes und der antragstellenden KK im Regressverfahren (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 39) kann diese Vorschrift in Bezug auf die besonderen zwischen den Vertrags(zahn)ärzten und der K(Z)ÄV einerseits sowie zwischen der K(Z)ÄV und den KKn andererseits bestehenden Rechtsbeziehungen herangezogen werden. Eine der dargestellten Konstellation vergleichbare Lage besteht, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte Prüfmethode vorgeschrieben hat, die aber erst umsetzbar ist, wenn die Partner der Gesamtverträge eine Vereinbarung - hier zu den Richtgrößen - geschlossen und sich über die Durchführung von Prüfungen auf dieser Grundlage verständigt haben. So wenig wie die KÄV endgültige Honorarbescheide erlassen kann, wenn sie nicht weiß, welches Honorarvolumen zur Verteilung ansteht, konnte der Prüfungsausschuss eine Prüfung nach Durchschnittswerten vornehmen, wenn nicht klar war, ob eine - gesetzlich ausdrücklich als vorrangig bezeichnete - Richtgrößenprüfung durchzuführen war. Das Fehlen einer rechtssicheren normativen Grundlage der Prüfung enthält dann die Rechtfertigung für die Hemmung der Ausschlussfrist.
Dem Vertrauensschutz der Vertragsärzte wurde dadurch Rechnung getragen, dass ihnen der Grund für die Aussetzung in der Prüfungsankündigung mitgeteilt wurde. Der Prüfungsausschuss hat jeweils der Beigeladenen zu 1. nicht nur mitgeteilt, dass eine Prüfung nach Durchschnittswerten durchgeführt werden solle; er hat auch darüber informiert, dass dieses Verfahren im Hinblick auf eine mögliche Richtgrößenprüfung nicht betrieben wird. Den jeweiligen Mitteilungen ab dem Quartal II/2000 war zu entnehmen, dass noch Verhandlungen der KÄV mit den KKn über eine Richtgrößenvereinbarung geführt wurden und das Ergebnis derzeit offen war. Für das Quartal I/2000 wurde die Beigeladene zu 1. zwar mit Schreiben vom 11.5.2001 zunächst lediglich darüber informiert, dass die KKn Anträge auf Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise nach Durchschnittswerten gestellt hatten. Bereits das Schreiben vom 26.7.2001 betreffend die Quartale II/2000 und III/2000 enthielt jedoch den Hinweis, dass für die - ausdrücklich benannten - Quartale I bis IV/2000 die Entscheidung über eine Richtgrößenprüfung noch ausstehe. Auf entsprechende Ausführungen in einem Rundschreiben der KÄV Koblenz wurde verwiesen. Damit war hier die Beigeladene zu 1. für alle streitbefangenen Quartale hinreichend darüber informiert, dass das Prüfverfahren nach der Methode der Durchschnittsprüfung wegen einer eventuell durchzuführenden, rechtlich vorrangigen Prüfung nach Richtgrößen zunächst nicht betrieben wurde.
Die wegen der möglichen Durchführung einer Richtgrößenprüfung bestehende Hemmung dauert so lange, bis eine Entscheidung dazu getroffen ist oder die Richtgrößenprüfung aus Rechtsgründen nicht mehr durchgeführt werden kann. Hier stand erst im November 2006 fest, dass für die Jahre 2000 und 2001 keine Richtgrößenprüfung durchgeführt würde. Die KKn in Rheinland-Pfalz verzichteten auf die Richtgrößenprüfung und die KÄV nahm im Gegenzug eine in diesem Zusammenhang noch anhängige Klage zurück.
Eine allein auf das Scheitern der Verhandlungen über eine Richtgrößenprüfung abstellende Betrachtung der Beendigung der Hemmung der Frist für die Prüfung nach Durchschnittswerten wird aber dem berechtigten Interesse der Vertragsärzte nicht gerecht, dass Prüfungen in angemessener Zeit abgeschlossen werden. Auch für die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm § 84 SGB V galt eine vierjährige Ausschlussfrist, die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378) auf zwei Jahre verkürzt worden ist (§ 106 Abs 2 Nr 2 Satz 7 SGB V). Für die Hemmung der Ausschlussfrist bei einer Richtgrößenprüfung gelten die og dargestellten Grundsätze, das heißt, der Prüfungsausschuss/die Prüfungsstelle muss die betroffenen Ärzte davon unterrichten, dass bei ihnen auf der Basis der im betroffenen Quartal geltenden Richtgrößenvereinbarung eine Prüfung konkret in Betracht kommt und aus welchen Rechtsgründen - etwa der Anhängigkeit eines Schiedsverfahrens zur Durchführung der Richtgrößenprüfung bzw eines dazu geführten Klageverfahrens - das entsprechende Verfahren nicht betrieben werden kann. Wenn das nicht geschehen ist, läuft die Frist für eine Richtgrößenprüfung nach vier bzw nunmehr zwei Jahren ab und damit endet dann auch die Hemmung der Ausschlussfrist für die Durchschnittswertprüfung. Dieser Zeitpunkt - Ende der Frist für eine Richtgrößenprüfung - ist für alle hier betroffenen Quartale in den Jahren 2004 bzw 2005 erreicht worden, sodass dann die Ausschlussfrist für die Prüfung nach Durchschnittswerten wieder zu laufen begonnen hat. Sie war aber in allen Quartalen bei Erlass der Bescheide des Prüfungsausschusses in den Jahren 2005 bzw 2006 noch nicht abgelaufen.
Da somit als Folge der Information der zu 1. beigeladenen Praxis durch den Prüfungsausschuss über die Zurückstellung der Durchschnittsprüfung im Hinblick auf eine eventuelle Richtgrößenprüfung die Ausschlussfrist gehemmt und die Frist unter Berücksichtigung der Zeit der Hemmung nach § 209 BGB bei Erlass der Bescheide des Prüfungsausschusses nicht abgelaufen war (zur Fristwahrung auch durch eine Ablehnung von Maßnahmen vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42), hätte der Beklagte die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise der zu 1. beigeladenen Praxis in der Sache nicht unterlassen dürfen. Diese Prüfung wird er nun nachholen müssen.
4. Der Beklagte wird bei seiner erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass er die Entscheidungen des Prüfungsausschusses vom 27.12.2005 hinsichtlich des Quartals I/2001 und vom 27.12.2006 hinsichtlich des Quartals III/2001 nicht "verbösern" durfte; dem stand das Verbot der reformatio in peius entgegen, weil allein die Klägerin den ihr zustehenden Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt hatte. Das Verbot der Schlechterstellung im Rechtsbehelfsverfahren ist ein allgemeiner, im Rechtsstaatsprinzip verankerter Grundsatz, der auch im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt (so auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: August 2012, K § 106 RdNr 612a). § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V, wonach das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren gilt, macht deutlich, dass ungeachtet seiner Eigenständigkeit Parallelen zum Widerspruchsverfahren bestehen. Auch insofern muss der Widerspruchsführer darauf vertrauen können, dass sich die Einlegung eines Widerspruchs, die das Verwaltungsverfahren vor dem Beschwerdeausschuss erst in Gang setzt, nicht zu seinen Lasten auswirkt. Anderes gilt nur, soweit noch weitere Verfahrensbeteiligte Widerspruch einlegen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des Klage- und des Revisionsverfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).