Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 21.08.2013


BSG 21.08.2013 - B 6 KA 23/13 B

Wirtschaftlichkeitsprüfung - zahnprothetische, parodontologische und kieferchirurgische Ausrichtung der Praxistätigkeit - Praxisbesonderheit - Nichtzulassungsbeschwerde - Begründung - Verletzung - rechtliches Gehör


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
21.08.2013
Aktenzeichen:
B 6 KA 23/13 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Gotha, 13. Februar 2008, Az: S 7 KA 451/03, Urteilvorgehend Thüringer Landessozialgericht, 13. Dezember 2012, Az: L 11 KA 809/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 13. Dezember 2012 wird verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2051 Euro festgesetzt.

Gründe

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I. Der Prüfungs- und der Beschwerdeausschuss setzten gegen den Kläger, einen Zahnarzt, aufgrund einer Überprüfung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise in den Quartalen I und II/1999 Honorarkürzungen fest. Die Kürzung für das Quartal I/1999 erfolgte auf der Grundlage einer sog Durchschnittsprüfung; der beklagte Beschwerdeausschuss ermäßigte den vom Prüfungsausschuss festgesetzten Regressbetrag - nach Widerspruch des Klägers - auf 778,19 Euro (Bescheid des Beklagten vom 23.1.2003); für das Quartal II/1999 kürzte der Beklagte, den Bescheid des Prüfungsausschusses bestätigend, das Honorar des Klägers für zwei zahnärztliche Behandlungsfälle auf der Grundlage einer sog Einzelfallprüfung wegen Nichtbeachtung der PAR-Richtlinien um 1272,68 Euro (Bescheid des Beklagten vom 22.1.2003). Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 13.2.2008 und des LSG vom 13.12.2012).

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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmangels (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.

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1. Eine Verfahrensrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG setzt voraus, dass ein Verfahrensmangel entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG "bezeichnet" wird. Dies erfordert, dass die Ausführungen in der Beschwerdebegründung schlüssig das Vorliegen eines Verfahrensmangels ergeben. Soweit die Verfahrensrüge auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt wird, muss gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG ihm ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei. Der Beweisantrag muss weiterhin im Berufungsverfahren bis zuletzt, wenigstens hilfsweise, aufrechterhalten worden sein; ist der Kläger im Berufungsverfahren von einem berufsmäßigen Rechtsvertreter, insbesondere einem Rechtsanwalt, vertreten worden, so muss der Beweisantrag noch in der letzten mündlichen Verhandlung zusammen mit den Sachanträgen gestellt worden sein (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5). Der Beweisantrag muss ferner - sonst kann das Urteil des LSG nicht im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auf dem Verfahrensmangel "beruhen" - auf ein Beweisergebnis ausgerichtet gewesen sein, das die LSG-Entscheidung in ihrem Ergebnis hätte in Frage stellen können (vgl zB BSG vom 29.11.2007 - B 6 KA 52/07 B - Juris RdNr 7 am Ende; BSG vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - Juris RdNr 41 am Ende); dies ist in der Beschwerdebegründung auszuführen, andernfalls fehlt es an der schlüssigen Darlegung eines Verfahrensmangels im Sinne des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

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Bei Zugrundlegung dieser Kriterien ergeben die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht schlüssig das Vorliegen eines Verfahrensmangels. Keiner der vom Kläger angeführten Gesichtspunkte - (a) Sachverhaltsermittlung, (b) rechtliches Gehör und richterliche Beweiswürdigung - stellt eine zulässige Verfahrensrüge dar.

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a) Unter dem Gesichtspunkt unzureichender Sachverhaltsermittlung beanstandet der Kläger gegenüber dem Verfahren des LSG, (aa) dieses hätte für die Entscheidung über die Kürzung des Honorars für das Quartal I/1999 - wegen des Vorhalts nicht richtlinienkonformer Behandlungen der Patienten D. und H. - diese als Zeugen vernehmen müssen, und, (bb) das LSG hätte für die Entscheidung über die Kürzung des Honorars für das Quartal II/1999, wegen der Nichtanerkennung einer Praxisbesonderheit, die beim Kläger angestellte Praxishelferin S. als Zeugin vernehmen müssen. Er beruft sich dabei auf seine Ausführungen im nicht-anwaltlichen Schriftsatz vom 10.12.2012, in dem die anvisierten Beweisergebnisse und die Dringlichkeit der Vernehmung dargestellt seien. Aus den Ausführungen in der Beschwerdebegründung iVm diesem Schriftsatz ergibt sich indessen keine schlüssige Verfahrensrüge. Auch wenn man anerkennt, dass der Kläger damit dargelegt hat, Beweisanträge gestellt und im Berufungsverfahren - er ist nicht anwaltlich vertreten gewesen - bis zuletzt aufrechterhalten zu haben, so ergibt sich nicht, dass die mit diesen Anträgen anvisierten Beweisergebnisse, wie sie sich aus der Beschwerdebegründung und dem Schriftsatz ergeben, die LSG-Entscheidung in ihrem Ergebnis hätten in Frage stellen können:

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aa) Nach den Angaben des Klägers - im Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2012 an das LSG und ebenso in der Beschwerdebegründung (S 3 unten) - hätte die Vernehmung der Zeugen H. und D. den Beweis dafür erbracht, dass deren Behandlungen zum Erhalt ihrer Zähne und der sie umgebenden Strukturen notwendig waren sowie dass sie zweckmäßig für die Funktion der Zähne und ausreichend für ihr Erscheinungsbild waren (betr Quartal II/1999). Solche Angaben wären aber nicht geeignet gewesen, den dem Kläger gemachten Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit seiner Behandlungen zu entkräften. Vorgeworfen wurde dem Kläger, er habe Belege entsprechend Nr 22 der damals geltenden PAR-Richtlinien (Befunderhebung durch Parodontalstatus, Röntgenaufnahmen und Kiefermodelle) nicht vorgelegt und somit die Erfüllung der Anforderungen dieser Bestimmung nicht dargetan; Gründe, die die Nichtvorlage rechtfertigen könnten, habe er, wie im LSG-Urteil ausgeführt, nicht anzuführen vermocht. Gegenüber diesen Vorhaltungen, auf die der Regress gestützt wurde, vermöchte es nichts auszurichten, wenn es durch die Aussagen von H. und D. belegt wäre, dass deren Behandlungen zum Erhalt ihrer Zähne und für deren Funktion notwendig und zweckmäßig waren sowie auch den Anforderungen an ein angemessenes Erscheinungsbild Rechnung trugen. Dies könnte das Fehlen der Vorlage von Röntgenaufnahmen und Kiefermodellen nicht unbeachtlich machen; die vom Kläger in seiner Beschwerdebegründung angeführten Beweisangebote betrafen somit nicht den Punkt, der für die Regressfestsetzung des Beklagten und die Entscheidung des LSG maßgeblich war. Insofern fehlt es an schlüssigen Ausführungen im Sinne des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dazu, dass die Entscheidung des LSG im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darauf beruhen könnte, dass das LSG die Patienten D. und H. nicht vernommen hat.

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bb) Nichts anderes gilt für die Rüge des Klägers, das LSG hätte seinem Beweisantrag auf Vernehmung der Praxishelferin S. Folge leisten müssen (betr Quartal I/1999). In der Beschwerdebegründung wird angegeben, deren Aussage hätte ergeben, dass die Tätigkeit des Klägers überwiegend zahnprothetisch, parodontologisch und kieferchirurgisch geprägt gewesen sei und dass er dadurch ein besonderes Leistungsspektrum gehabt habe (so wohl sinngemäß Beschwerdebegründung S 7); der Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2012 lautet dahin, die Aussage würde die rechtmäßige Abrechnung der Leistungen ergeben. Auch wenn diese Diskrepanz der Angaben über das anvisierte Beweisergebnis als irrelevant angesehen wird, hat es sich dennoch nicht um ein Beweisbegehren gehandelt, auf dessen Nichtbeachtung die Entscheidung des LSG im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG beruhen könnte. Der Bescheid des Beklagten und das ihn bestätigende Urteil des LSG gründen sich auf den sog statistischen Kostenvergleich im Verhältnis zum Durchschnitt der Fachgruppe. Eine zahnprothetische, parodontologische und kieferchirurgische Ausrichtung der Praxistätigkeit des Klägers könnte eine Praxisbesonderheit nur dann begründen - oder Anlass zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe nur dann geben -, wenn sich daraus eine signifikante Abweichung vom durchschnittlichen Zuschnitt einer zahnärztlichen Praxis ergäbe. Das Bild der anderen Praxen ergibt sich aber vor allem anhand der Abrechnungsübersichten der Fachkollegen und der daraus resultierenden Vergleichsstatistik. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der Praxishelferin des Klägers hierzu Erkenntnisse ergeben könnten, sind weder ersichtlich noch werden sie in der Beschwerdebegründung entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG aufgezeigt.

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Der Senat hat im Übrigen bereits wiederholt ausgeführt, dass im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens einer Praxisbesonderheit der Antrag, ein Sachverständigengutachten einzuholen, grundsätzlich kein geeigneter Beweisantrag ist bzw dass die Beschwerdebegründung sich jedenfalls inhaltlich mit der gefestigten Rechtsprechung des Senats auseinandersetzen müsste, wonach die Frage der Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht Gegenstand einer Beweiserhebung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens sein kann (vgl BSG vom 12.10.2012 - B 6 KA 21/12 B - RdNr 7 am Ende; vgl auch BSG vom 29.11.2006 - B 6 KA 49/06 B - Juris RdNr 6 am Ende). Die entsprechende Anwendung dieser Rechtsprechung auf den Fall eines Zeugenbeweises spricht ebenfalls dagegen, dass die Entscheidung des LSG im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auf dem Unterlassen der Beweiserhebung beruhen könnte, und damit zugleich dagegen, dass in der Beschwerdebegründung ein Verfahrensmangel entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet worden ist.

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Hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung mithin schon kein einschlägiges Beweisbegehren aufgezeigt und fehlt es mithin an einer schlüssigen Verfahrensrüge, so bedarf es keines Eingehens mehr auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, der Kläger habe die Einreichung der Unterlagen (Kiefermodelle und Röntgenaufnahmen) aus nachvollziehbaren Gründen verweigert - er habe sie nur unter Aufsicht zur Verfügung stellen wollen - und deshalb sei die Vernehmung der Patienten umso dringlicher gewesen (vgl Beschwerdebegründung S 5 unten).

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b) Ebenso wenig zulässig ist die vom Kläger erhobene Rüge von Verfahrensfehlern, soweit er sich auf Mängel der Gewährung rechtlichen Gehörs und der richterlichen Beweiswürdigung beruft. Dies ergibt sich für den Gesichtspunkt richterlicher Beweiswürdigung unmittelbar aus der Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG: Gemäß dem Halbsatz 2 kann eine Verfahrensrüge nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet.

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Auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 62 SGG kann zwar eine Verfahrensrüge gestützt werden; diese erfordert aber, dass das Gericht das Vorbringen des Betroffenen nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht in seine Erwägungen einbezogen hat. Der Kläger macht insoweit geltend, die Vorinstanzen hätten sein Vorbringen übergangen, dass er überwiegend zahnprothetisch, parodontologisch und kieferchirurgisch tätig sei - was zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe oder zur weitergehenden Anerkennung von Praxisbesonderheiten hätte führen müssen (zur bereits erfolgten Anerkennung von Praxisbesonderheiten vgl Bescheid des Beklagten vom 23.1.2003) -. Er rügt, das LSG habe dieses Vorbringen "mit der kurzen Begründung abgetan", dass es die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe nicht rechtfertigen könne und er kein besonderes Leistungsspektrum vorzuweisen habe (vgl hierzu LSG-Urteil S 10). Hiermit räumt der Kläger selbst ein, dass das LSG sich mit seinem Vorbringen befasst hat, sodass eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vorliegt. Der Kläger hält die Befassung des LSG lediglich für inhaltlich unzureichend bzw falsch. Darin liegt die Rüge eines Inhaltsfehlers, der nur im Zusammenhang mit der Geltendmachung klärungsbedürftiger grundsätzlicher Rechtsfragen oder einer Abweichung von der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Revisionszulassung führen, was vom Kläger in seiner Beschwerdebegründung aber nicht geltend gemacht worden ist und im Übrigen auch ersichtlich nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Die bloße Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung im Einzelfall kann nicht zur Revisionszulassung führen, wie aus der Konzentration der Revisionsgerichte auf die ihnen vorrangig zugewiesene Aufgabe folgt, sich mit grundsätzlichen Rechtsfragen zu befassen und das Recht zu vereinheitlichen und fortzubilden (vgl zB BSG vom 27.6.2012 - B 6 KA 65/11 B - Juris RdNr 23; BSG vom 31.1.2013 - B 6 KA 49/12 B - Juris RdNr 6; BSG vom 5.2.2013 - B 6 KA 46/12 B - RdNr 12; BSG vom 5.6.2013 - B 6 KA 1/13 B - RdNr 11) .

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2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten Beigeladener ist nicht veranlasst; sie haben im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

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Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Dessen Bemessung erfolgt entsprechend den Honorarkürzungsbeträgen.