Entscheidungsdatum: 11.05.2011
Ein Vorverfahren vor dem Beschwerdeausschuss ist nur bei Verordnungsregressen ausgeschlossen, denen ein Verordnungsausschluss zugrunde liegt, der sich unmittelbar und eindeutig aus spezifischen gesetzlichen Regelungen des SGB 5 bzw aus den Richtlinien des GBA ergibt.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 abgewiesen wurde. Der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2. wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5. September 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.
Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung eines Medikaments im Quartal II/2005.
Die Klägerin ist Trägerin des Universitätsklinikums C. sowie der gemäß § 311 Abs 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in B. zugelassenen Fachambulanz für Nephrologie mit Dispensaire-Auftrag. In dieser Fachambulanz wurde der bei der zu 2. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patientin K am 10.6.2005 das Medikament CellCept verordnet. Dieses zur Gruppe der Immunsuppressiva gehörende Medikament ist zur Prophylaxe von akuten Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen zugelassen, nicht aber zur Behandlung der bei der Patientin vorliegenden Wegenerschen Granulomatose mit Nierenbeteiligung. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte die zu 1. beklagte Prüfungsstelle (als "Funktionsnachfolgerin" des Prüfungsausschusses) wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung von CellCept gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 458,09 Euro fest (Bescheid aus der Sitzung vom 5.9.2008, ausgefertigt am 31.10.2008).
Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Klage erhoben, dass die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Verordnung von CellCept erfüllt seien. Nach einem Hinweis des SG, dass zunächst das Vorverfahren vor dem zu 2. beklagten Beschwerdeausschuss durchzuführen sei, hat die Klägerin erklärt, dass die Klage auch als Widerspruch verstanden werden solle. Der vom SG zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgeforderte Beklagte zu 2. wies den Widerspruch mit Bescheid aus der Sitzung vom 25.8.2009 (ausgefertigt am 16.10.2009) als unzulässig zurück. Die Klägerin könne ihr Klageziel mit dem Rechtsbehelf nicht erreichen, weil die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten zu 1. schon Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits sei und deshalb eine neue Klage gegen seine - des Beklagten zu 2. - Entscheidung wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit unzulässig sei. Nachfolgend hat die Klägerin ihre Klage dahingehend erweitert, dass sich diese auch gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. richtet.
Das SG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 17.3.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage sei unzulässig, da sie der unzutreffende Rechtsbehelf sei; gegen die Entscheidung sei vielmehr der Beklagte zu 2. anzurufen. § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei nicht einschlägig, da er voraussetze, dass die Verordnung der Leistungen durch das Gesetz oder durch Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber gehe von leicht überprüfbaren Sachverhalten und gleichartig zu bewertenden Einzelvorgängen aus; es solle für die Regressentscheidung gerade nicht auf eine medizinische Bewertung des Einzelfalls ankommen. Mithin sei immer dann, wenn dies nicht der Fall sei, weiterhin ein Vorverfahren durchzuführen. Zwar beruhe auch die Unzulässigkeit einer Verordnung im Wege des Off-Label-Use auf dem Gesetz (§ 12 Abs 1 SGB V sowie § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V), doch gehe ein namentlicher, genereller und ausnahmsloser Ausschluss damit gerade nicht einher. Im Gegenteil sei hier das Arzneimittel - im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete - grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Im Übrigen sei die Klage auch deswegen unzulässig, weil der Bescheid des Beklagten zu 2. den Bescheid der Beklagten zu 1. ersetzt habe und alleiniger Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung geworden sei.
Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 sei wegen dessen Bestandskraft unzulässig. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2. zu Unrecht von der Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Widerspruchs ausgegangen sei, sei durch seinen Bescheid zwar das erforderliche Vorverfahren nachgeholt worden, doch sei dieser Bescheid nicht nach § 96 SGG automatisch Gegenstand des zwischen der Klägerin und der zu 1. beklagten Prüfungsstelle anhängigen Rechtsstreits geworden, da nach der Neufassung des § 96 Abs 1 SGG nur ein nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangener Bescheid Verfahrensgegenstand werden könne; der Bescheid des Beklagten zu 2. sei jedoch der Widerspruchsbescheid selbst. Die daher notwendige ausdrückliche Klageänderung (Klageerweiterung) sei zwar sachdienlich und damit (als solche) zulässig, doch habe die Klägerin diese erst nach Ablauf der Klagefrist erklärt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V fehlerhaft ausgelegt. Regresse wegen eines Off-Label-Use seien von dieser Ausnahmevorschrift erfasst, so dass die sofortige Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vorliegend der richtige Rechtsbehelf gewesen sei. Die Auffassung des SG, die Regelung erfasse nur Leistungen, die "ausdrücklich, also namentlich unmittelbar und ausnahmslos durch gesetzliche Regelungen" ausgeschlossen seien, stelle eine unzulässige Auslegung über die Grenzen des Wortlauts des Gesetzes dar. Dieser setze lediglich voraus, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse durch das Gesetz ausgeschlossen sei, wobei der grundsätzliche Ausschluss von Gesetzes wegen genüge. Wenn ein Arzneimittel in einem Anwendungsgebiet eingesetzt werde, für das es nicht zugelassen sei, bestehe ein Anspruch des Versicherten und damit eine Leistungspflicht wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nicht, sondern nur ausnahmsweise nach bestimmten Kriterien des BSG. Damit sei in derartigen Fällen die Leistung grundsätzlich durch Gesetz ausgeschlossen und die Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V anwendbar.
Auch aus der Gesetzesbegründung lasse sich die Schlussfolgerung des SG nicht herleiten. Dem Gesetzgeber sei es offenbar um die Entlastung des Beschwerdeausschusses gegangen. Aufgrund dieser Intention verbiete es sich, die Ausnahmeregelung so weit einzuschränken, dass nur namentliche, ausnahmslose Leistungsausschlüsse davon umfasst seien. Andernfalls stellte sich die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich, da die vom SG genannten Fallgestaltungen in der Praxis eher selten seien. Mit der Prüfungsstelle sei eine professionelle Fachbehörde geschaffen worden, die auch die nötige Sachkompetenz besitze, Fälle des Off-Label-Use abschließend zu klären. In der Sache sei die Festsetzung einer Ausgleichspflicht rechtswidrig, da das Medikament im vorliegenden Fall verordnungsfähig gewesen sei; die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17.3.2010 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5.9.2008 und den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 aufzuheben.
Die Beklagte zu 1. stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage schließt sie sich den Ausführungen der Klägerin an und verweist ergänzend auf die Anlage zur Tagesordnung eines Gesprächs mit den Leitern und Leiterinnen der Prüfungsstellen und der Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, in der der Off-Label-Use als Anwendungsfall des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V genannt werde. Materiell-rechtlich habe im streitgegenständlichen Verordnungszeitpunkt aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht bestanden, dass mit dem verordneten Präparat CellCept ein Behandlungserfolg bei der Wegenerschen Granulomatose habe erzielt werden können.
Der Beklagte zu 2. stellt keinen Antrag. Er habe allein auf die als Erhebung eines Widerspruchs zu wertende Erklärung der Klägerin vom 2.7.2009 ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Damit sei für ihn keine Verpflichtung vorgegeben, über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten zu 1. zu entscheiden.
Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung, die ebenfalls keinen Antrag stellt, hält die Revision für unbegründet. Die Auslegung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung sei eng auszulegen, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handele, und nach der Gesetzesbegründung der Beschwerdeausschuss nur bei vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalten von der Durchführung des Vorverfahrens habe entlastet werden sollen; dies sei bei den einen Off-Label-Use betreffenden Prüfverfahren regelmäßig nicht der Fall.
Die Beigeladene zu 2. hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Inhaltlich schließt sie sich dem Vortrag der Beigeladenen zu 1. an.
Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Ihre Klage gegen den Bescheid der zu 1. beklagten Prüfungsstelle hat das SG zu Recht als unzulässig abgewiesen (1.). Die Abweisung der gegen den Bescheid des zu 2. beklagten Beschwerdeausschusses erhobenen Klage ist jedoch zu Unrecht erfolgt, denn insoweit war die Klage zulässig und im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses zur Neubescheidung begründet (2.).
1. Das SG hat die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage zu Recht als unzulässig beurteilt. Dies folgt daraus, dass Klagen gegen Bescheide der nach § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V errichteten Prüfungsstellen wegen der Besonderheiten des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens grundsätzlich unzulässig sind (a), und auch kein Ausnahmefall vorliegt, in dem ein Vorverfahren - dh eine Überprüfung des Bescheides der Prüfungsstelle durch den Beschwerdeausschuss - ausgeschlossen ist (b).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG (vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 S 61). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; kritisch hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 282). Eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle ist daher in der Regel - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - unzulässig (stRspr des BSG, vgl BSGE 74, 59, 61 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 119; BSGE 75, 220, 221 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 132; BSGE 76, 53, 53 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145; BSGE 76, 149, 153 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 160; BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f).
b) Vorliegend wäre eine Klage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle somit nur dann zulässig, wenn eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu erfolgen hätte und es nicht zu einer Ersetzung des Bescheides der Prüfungsstelle kommen kann. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
aa) Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren (§ 78 Abs 1 SGG). Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt.
bb) Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V (in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes
(1) Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind".
Durch das Gesetz von der Versorgung ausgeschlossen - also nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig - sind insbesondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V), sogenannte "Bagatellarzneimittel" (§ 34 Abs 1 Satz 6 SGB V) und Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität (§ 34 Abs 1 Satz 7 SGB V). Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Arzneimittel, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (vgl § 34 Abs 4 SGB V) durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Die Arzneimittelrichtlinie (AMR) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V setzt diese gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisiert (vgl § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V) oder im ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag (vgl § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V) Fallgruppen benennt, in denen ausgeschlossene Arzneimittel ausnahmsweise verordnet werden können. Originäre Verordnungsausschlüsse enthält sie in Bezug auf Arzneimittel, die in der früheren Anlage 2 Nr 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV aufgeführt sind, welche jetzt gemäß § 34 Abs 3 Satz 1 SGB V (in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung) Teil der AMR ist.
In den genannten Fallgruppen beantwortet sich die Frage, ob ein Arzneimittel einem Verordnungsausschluss unterfällt, unmittelbar aus dem Gesetz bzw aus der AMR. Dass § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V nur die Leistungen erfassen soll, deren Verordnung durch spezifische - explizite - gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen ausgeschlossen ist, wird durch die Formulierung "durch das Gesetz oder durch die Richtlinien" belegt. Wenn jedwede nicht im Einklang mit dem Gesetz stehende Verordnung hätte erfasst werden sollen, hätte es zum einen der gesonderten Erwähnung der Richtlinien nicht bedurft. Für die Erforderlichkeit eines expliziten gesetzlichen Ausschlusses spricht zum anderen auch die Verwendung des Wortes "durch". "Durch" das Gesetz ausgeschlossen sind Verordnungen dann, wenn dies auf eine eindeutige Regelung in einem spezifischen Gesetz zurückzuführen ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, pauschal von einem "gesetzlichen" Ausschluss oder gar nur von "ausgeschlossenen" oder "nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegenden" Leistungen zu sprechen.
Lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze - wie etwa durch das Arzneimittelgesetz (AMG) im Wege einer "Transformation" über die §§ 2, 12 SGB V (s hierzu unter cc <3>) genügen daher nicht.
(2) Dieses Verständnis des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S 138 zu § 106 Abs 5 SGB V, Zu Doppelbuchstabe cc) bewirkt "der Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss in Prüfungssachen Verordnungen von Arzneimitteln betreffend, die durch Gesetz oder die Richtlinien aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind, … dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet wird. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden". Der Gesetzgeber wollte ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw Anwendungssachverhalten entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, schließt es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "ja" oder "nein" - aus normativen Vorgaben ergibt, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dies wird durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben.
Schließlich soll die Ausnahmeregelung nach der Gesetzesbegründung nur Sachverhalte erfassen, in denen zu prüfen ist, ob ein Arzneimittel "grundsätzlich" Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist. Zwar könnte dies auch in dem Sinne verstanden werden, dass nur Fälle gemeint sind, in denen ein "genereller" Ausschluss der Verordnungsfähigkeit besteht (so offenbar Clemens aaO), oder aber, dass ein unspezifischer, "grundsätzlicher" Ausschluss der Leistungspflicht ("von Gesetzes wegen") für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung ausreiche und eine ausnahmsweise Zulässigkeit unschädlich sei. Würdigt man die Aussage des Gesetzgebers allerdings in ihrem Zusammenhang - nämlich, dass die Frage des grundsätzlichen Ausschlusses einen vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt darstellen soll -, bestätigt auch dies die Annahme, dass sich der Gesetzgeber auf Fallgestaltungen bezogen hat, in denen sich der Ausschluss der Leistungspflicht ohne Weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lässt, weil sich die Antwort unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz bzw den Richtlinien ergibt.
Dass sich der Ausschluss zudem unmittelbar aus spezifischen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben muss, legt schon die Erwähnung des "Leistungskatalogs" in der Gesetzesbegründung (aaO) nahe. Danach soll die Ausnahmeregelung nur Verordnungen erfassen, die durch Gesetz oder die Richtlinien "aus dem Leistungskatalog" der GKV ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Ausschlüsse damit nicht den Charakter eines "Negativkatalogs" haben müssen, legt der Begriff "Katalog" eine detaillierte, spezifische Regelung nahe und steht einer Heranziehung allgemeiner Regelungen entgegen.
(3) Die Argumentation der Klägerin, dass es für einen sich "aus dem Gesetz" ergebenden Verordnungsausschluss genügen soll, dass die Verordnung allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts, nämlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2, 12 SGB V, zuwiderläuft, überzeugt schon aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht. Insbesondere aber steht ihr entgegen, dass sie zur Konsequenz hätte, dass im Verordnungsbereich die Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss generell ausgeschlossen wäre. Denn die Aufgabe der Prüfgremien besteht gerade darin, die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen - und damit die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots - zu überprüfen. Wenn es für die Anwendung der Ausschlussregelung genügte, dass eine Arzneimittelverordnung allgemeinen Grundaussagen des SGB V - namentlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) - zuwiderläuft, würde § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V alle unwirtschaftlichen Verordnungen erfassen.
Dass der Gesetzgeber derart weitreichende Konsequenzen beabsichtigt hat, ist nicht erkennbar. Dies stünde im Übrigen nicht im Einklang mit dem Zweck eines Vorverfahrens. Dieses soll die Verwaltung in die Lage versetzen, ihre Verwaltungsakte im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen, den Rechtsschutz der betroffenen Bürger verbessern und die Gerichte vor Überlastung schützen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 77 RdNr 1a). Auch der erkennende Senat hat betont, dass eine Überprüfung in einem Vorverfahren, insbesondere der Verwaltung die Gelegenheit bieten soll, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich im Sinne einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dient (BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Gerade dann, wenn medizinische Fragen zu beurteilen sind, kommt dem mit Vertretern von Ärzten und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschuss bei der Erreichung dieser Ziele große Bedeutung zu. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung des Beschwerdeausschusses steht dem nicht entgegen, da dieser zwar von gleichförmigen Verfahren entlastet werden sollte, nicht aber von seiner originären Aufgabe einer Überprüfung der Entscheidungen der Prüfungsstelle in allen übrigen Fällen.
cc) Bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe ergibt sich, dass die vorliegend strittigen Regresse wegen der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung - sogenannter "Off-Label-Use" - grundsätzlich nicht zu den Sachverhalten gehören, in denen die Ausnahmeregelung nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung findet.
(1) Schon die Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, wird bei Regressen wegen einer zulassungsüberschreitenden Verordnung von Arzneimitteln nicht erfüllt. Denn in derartigen Fällen ist eine Verordnung - von den hier nicht einschlägigen Fällen einer expliziten Regelung in der AMR (s hierzu unter cc <2>) abgesehen - nur ausnahmsweise bei Erfüllung der in der Rechtsprechung des BSG entwickelten (engen) Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln ist danach, dass eine schwerwiegende - dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende - Erkrankung vorliegt, keine andere zugelassene Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (zuletzt BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daher bedarf es hier regelmäßig einer einzelfallbezogenen Prüfung.
Auch die Erwartung des Gesetzgebers, dass es sich um einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" handeln soll, ist - wie schon die vorstehenden dargestellten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung verdeutlichen - in derartigen Fällen nicht ansatzweise erfüllt. Nicht zuletzt die Ausführungen der Beteiligten zur Validität medizinischer Meinungsäußerungen beim Nachweis der Wirksamkeit des hier regressierten Arzneimittels im konkreten Fall belegen vielmehr, dass schwierige medizinische Fragestellungen im Raum stehen.
(2) Keine andere Beurteilung rechtfertigt vorliegend der Umstand, dass Abschnitt K § 30 iVm Anlage VI zum Abschnitt K der AMR (zuletzt geändert durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.2.2011 - DÄ 2011, A 1251 f) Regelungen zur Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten enthält. Denn diese Bestimmung trifft hierzu keine abschließende Regelung, sondern erfasst nur Teilbereiche des Off-Label-Use. Insbesondere lässt sie - ausweislich der Fußnote zu Abschnitt K der AMR - für die nicht ausdrücklich geregelten Fälle eines Off-Label-Use die Rechtsprechung des BSG zur Verordnungsfähigkeit im Einzelfall unberührt. Ein die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ermöglichender Verordnungsausschluss kann daher allein in Bezug auf die dort ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen angenommen werden. Das Arzneimittel, dessen Verordnung im Streit steht, ist jedoch weder in Anlage VI zum Abschnitt K der AMR im dortigen Teil A positiv noch in Teil B negativ aufgeführt.
(3) Ein "gesetzlicher" Ausschluss des Off-Label-Use iS des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V lässt sich auch nicht aus dem AMG herleiten. Das AMG selbst verbietet die zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln nicht; jeder Arzt kann derartige Verordnungen auf Privatrezept vornehmen. Der sich nach dem Recht der GKV ergebende Verordnungsausschluss beruht lediglich mittelbar auf dem AMG: Zwar kann ein Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV in einem Anwendungsbereich verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (vgl schon BSGE 89, 184, 186 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30). Nach der Rechtsprechung der BSG-Senate ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen Arzneimittelrecht und Leistungsrecht der GKV allerdings erst unter dem Gesichtspunkt, dass das GKV-Recht bei Arzneimitteln in Bezug auf die Qualitätssicherung weitgehend auf eigene Vorschriften verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft (vgl schon BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Nach dem Recht der GKV - § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V - beschränkt sich der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit Arzneimitteln, die sich als wirtschaftlich und zweckmäßig erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung wird davon ausgegangen, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des GKV-Rechts erfüllt sind (BSG aaO). Bei einem Off-Label-Use entfällt diese Annahme.
2. Soweit das SG hingegen die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. als unzulässig zurückgewiesen hat, ist die Revision im Sinne einer Aufhebung des Urteils des SG sowie des Bescheides des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 und einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden.
a) Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Dies ist nicht der Fall, da dieser Bescheid nach § 95 SGG Gegenstand des bereits anhängigen, gegen den Bescheid der Prüfungsstelle gerichteten Verfahrens geworden ist.
Nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Prüfungsstelle Klage erhoben hat, denn der Umstand, dass vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde, obwohl dies erforderlich war, führt im Regelfall nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 15 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3a). Vielmehr ist in derartigen Fällen den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (BSG aaO S 11; Leitherer aaO § 78 RdNr 3a mwN); dabei liegt in der Klage zugleich die Einlegung des Widerspruchs (BSG aaO S 12; Leitherer aaO § 78 RdNr 3b mwN). § 95 SGG gilt daher auch in den Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren während des Klageverfahrens nachgeholt wird (BSGE 71, 42, 44 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 11; Leitherer aaO § 95 RdNr 2).
Auch die oben (unter 1. a) dargestellten vertragsarztrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss stehen der Anwendung des § 95 SGG auf einen nachfolgenden Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht entgegen. Die Aussage des § 95 SGG, dass bei Durchführung eines Vorverfahrens (auch) der Widerspruchsbescheid Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, wird durch die Senatsrechtsprechung als solches nicht in Frage gestellt; § 95 SGG wird durch sie nur in dem Sinne modifiziert, dass der Bescheid der Prüfungsstelle nicht Gegenstand des Verfahrens wird (vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194). Einer gesonderten Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. bedurfte es somit nicht, so dass es auf die Frage einer rechtzeitigen Klageerhebung (bzw -erweiterung) nicht ankommt.
b) Die somit zulässige Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses ist auch im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden. Der Beklagte zu 2. hat den Widerspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen und damit unter Ablehnung einer Sachentscheidung die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden Feststellungen insgesamt nicht getroffen. Die gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhobene Klage stand einer Bescheidung des Widerspruches in der Sache schon deswegen nicht entgegen, weil Sinn und Zweck der Nachholung des Vorverfahrens durch den Beklagten zu 2. gerade darin bestehen, die zunächst noch fehlende Zulässigkeit der Klage herbeizuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und der Beklagte zu 2. die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG je zur Hälfte zu tragen, da sie jeweils zum Teil unterlegen sind (§§ 154 Abs 1, 159 Satz 1 VwGO). Für den Beklagten zu 2. gilt, dass er im Revisionsverfahren in der Weise unterlegen ist, dass der von ihm erlassene Bescheid, der (auch) Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, vom Senat aufgehoben worden ist; dies ist auch dann, wenn er - wie hier - im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ein Unterliegen iS des § 154 Abs 1 VwGO (so schon BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - RdNr 35 mwN, in BSGE 104, 116 und SozR 4-2500 § 101 Nr 7 nicht abgedruckt).
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) bzw ihre Äußerung keine eindeutige Zuordnung in Bezug auf ein Obsiegen oder Unterliegen zulässt.