Entscheidungsdatum: 03.08.2016
Die Beschwerde der Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Dezember 2015 (L 1 KA 6/14) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 681 804 Euro festgesetzt.
I. Der Kläger wendet sich gegen die Zulassung des zu 8. beigeladenen Facharztes für Radiologie S. zur vertragsärztlichen Versorgung.
Der Kläger ist Facharzt für Radiologie. Er übte seine Tätigkeit bis 2010 gemeinsam mit weiteren Ärzten für Radiologie aus. Nach dem Inhalt des geschlossenen Beitritts- und Gründungsvertrages war der Kläger im Falle seines Ausscheidens aus der Gesellschaft verpflichtet, seinen Vertragsarztsitz "zugunsten der Gesellschaft" ausschreiben zu lassen. Für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag vereinbarten die Parteien unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts.
Am 30.6.2010 schloss der Kläger mit den anderen Gesellschaftern eine Vereinbarung, wonach er mit Ablauf des 30.9.2010 aus der Gesellschaft ausscheidet, sich verpflichtet, seine "vertragsärztliche Zulassung zugunsten der Berufsausübungsgemeinschaft zur Ausschreibung" zu bringen und diese "mit Wirkung zum 01.10.2010 auf einen von den verbleibenden Gesellschaftern zu benennenden Nachfolger zu übertragen". Die zunächst gegenüber der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) beantragte Ausschreibung zog der Kläger wieder zurück und übte seine vertragsärztliche Tätigkeit seit dem 1.10.2010 nicht mehr aus. Der Zulassungsausschuss brachte die Zulassung daraufhin von Amts wegen zum Ruhen. Die verbleibenden Gesellschafter erwirkten eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Stralsund vom 22.9.2010, die auf Widerspruch des Klägers (Beklagter des dortigen Verfahrens) mit Urteil des Landgerichts Stralsund vom 11.11.2010 (6 O 321/10) bestätigt wurde und mit dem der Kläger ua verpflichtet wurde, den Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes erneut zu stellen sowie "den Verzicht auf seine vertragsärztliche Zulassung" zugunsten der verbliebenen Gesellschafter "nach deren Weisung gegenüber dem Zulassungsausschuss" zu erklären. Die Berufung des Klägers wies das OLG Rostock mit Beschluss vom 29.3.2011 (1 U 189/10) zurück. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an (Beschluss vom 5.5.2011 - 1 BvR 1115/11).
Der beklagte Berufungsausschuss stellte auf Antrag der Berufsausübungsgemeinschaft, in der der Kläger zuvor tätig war, das Ende der Zulassung des Klägers zum 30.9.2011 fest (Beschluss vom 24.8.2011) und erteilte dem zu 8. beigeladenen Arzt für Radiologie S. die Zulassung als Nachfolger des Klägers ab dem 1.10.2011 (Beschluss vom 21.9.2011). Die Zulassung des Klägers, der sich auf seine eigene Nachfolge beworben hatte, wurde abgelehnt.
Gegen den die Zulassung des Beigeladenen zu 8. betreffenden Beschluss hat sich der Kläger mit der am 30.11.2011 erhobenen Klage (S 3 KA 178/11) gewandt. Durch Schiedsspruch vom 31.1.2013 hat ein Schiedsgericht den Kläger verurteilt, die Ausschreibung und Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes zu beantragen und auf seine Zulassung zu verzichten. Das OLG Rostock hat den Schiedsspruch durch Beschluss vom 3.5.2013 (1 Sch 2/13) für vollstreckbar erklärt.
Das SG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe wirksam auf seine Zulassung verzichtet. Dazu hat das SG auf die Begründung der am selben Tage unter dem Az S 3 KA 159/11 ergangenen Entscheidung Bezug genommen. Die zum Nachteil des Klägers und zugunsten des Beigeladenen zu 8. ergangene Auswahlentscheidung sei nicht zu beanstanden. Das LSG hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, zu deren Begründung er eine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend macht.
II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Soweit sein Vorbringen den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegt nicht vor.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f sowie BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Nichts anderes gilt, wenn kein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit der vom LSG dazu gegebenen Auslegung bestehen kann, weil sich die Beantwortung bereits ohne Weiteres aus der streitigen Norm selbst ergibt (vgl hierzu BSG Beschluss vom 2.4.2003 - B 6 KA 83/02 B - Juris RdNr 4). Die Bedeutung über den Einzelfall hinaus ist nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des vorliegenden Einzelfalls einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG
Der Kläger fragt: |
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"Wird der von den Zulassungsgremien der Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachtende Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB X durch eine aus dem zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsrecht stammende gesetzliche Fiktion durchbrochen, wenn diese Fiktion das Ergebnis eines summarischen Eilverfahrens ist?" |
Soweit der Kläger zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde die Auffassung vertritt, dass die Zulassungsgremien Entscheidungen der Zivilgerichte inhaltlich zu überprüfen hätten, weil die im Zivilprozess geltende Verhandlungs- und Beibringungsmaxime sowie die aus dem Zivilprozess stammende Fiktion des § 894 ZPO im Gegensatz zu dem Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB X stünden, trifft dies ersichtlich nicht zu. Der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es insoweit nicht. § 894 ZPO betrifft die Vollstreckung aus rechtskräftigen Urteilen und Beschlüssen (zur entsprechenden Anwendbarkeit auf rechtskräftige Beschlüsse vgl zB Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl 2012, § 894 RdNr 6 mwN). Statt des Zwangs iS des § 888 ZPO sieht § 894 ZPO bei Urteilen auf Abgabe einer Willenserklärung eine wesentlich einfachere und effektivere Form der Vollstreckung vor, indem die Erklärung als abgegeben gilt, sobald das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Die Bindungswirkung von Entscheidungen der Zivilgerichte wird nicht durch den im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz in Frage gestellt. Soweit es - wie hier - auf die Frage ankommt, ob der Verzicht auf die Zulassung erklärt wurde, hat das für das Verwaltungsverfahren geltende Amtsermittlungsprinzip nach § 20 SGB X allein für die Frage Bedeutung, ob eine solche Erklärung tatsächlich abgegeben wurde oder - wenn der Kläger zu deren Abgabe verurteilt worden ist - ob die Voraussetzungen des § 894 ZPO gegeben sind. Dazu haben die Zulassungsgremien jedoch nicht die materielle Richtigkeit rechtskräftiger Entscheidungen der Zivilgerichte zu prüfen. Zu prüfen haben die Zulassungsgremien allein, ob tatsächlich ein rechtskräftiges Urteil iS des § 894 ZPO vorliegt, das nach § 894 ZPO die dort geregelte Wirkung auslöst.
Die Frage, ob und ggfs unter welchen Voraussetzungen der Schuldner durch einstweilige Verfügung zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt werden kann, ist nicht klärungsbedürftig. Dass mit einer einstweiligen Anordnung nach herrschender Meinung jedenfalls im Regelfall nicht die Verpflichtung zur Abgabe einer endgültige Verhältnisse herbeiführenden Willenserklärung ausgesprochen werden kann, weil darin eine im vorläufigen Rechtsschutzverfahren unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache läge, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 28.11.2007 (B 6 KA 26/07 R - BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 32 mwN; vgl auch Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl 2012, § 894 RdNr 6; Lackmann in Musielak, ZPO, 12. Aufl 2015, § 894 RdNr 7; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl 2015, § 894 RdNr 13; Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 938 RdNr 5; zur ausnahmsweisen Zulässigkeit, wenn der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung eines Anspruchs dringend angewiesen ist und die Zurückweisung der einstweiligen Verfügung einer endgültigen Rechtsverweigerung gleichkäme vgl OLG Köln Urteil vom 7.12.1995 - 18 U 93/95 - NJW-RR 1997, 59, 60) dargelegt. Das ändert indes nichts daran, dass das Landgericht Stralsund die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend wegen des drohenden endgültigen Rechtsverlustes als gegeben angesehen hat und den Kläger deshalb im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet hat, gegenüber der KÄV die Ausschreibung des Praxissitzes zu beantragen und den Verzicht auf seine Zulassung zu erklären.
Klärungsbedürftig könnte daher allenfalls die Frage sein, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen eine einstweilige Anordnung nach § 894 ZPO vollstreckbar ist. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass § 894 ZPO für eine einstweilige Anordnung, die zur Abgabe einer Willenserklärung verpflichtet, unabhängig davon gilt, ob darin eine Vorwegnahme der Hauptsache gesehen werden kann (ebenso Lackmann in Musielak, ZPO, 12. Aufl 2015, § 894 RdNr 7; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl 2015, § 894 RdNr 13; OLG Köln Urteil vom 7.12.1995 - 18 U 93/95 - NJW-RR 1997, 59, 60, Juris RdNr 11 f mwN; wohl aA Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2002, vor § 935 RdNr 51). Auch einstweilige Verfügungen sind nach herrschender Meinung grundsätzlich der Rechtskraft fähig (vgl Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2002, vor § 935 RdNr 15) und gemäß § 929 Abs 1, § 936 ZPO mit Erlass des Beschlusses oder Verkündung des Urteils (vgl BGHZ 180, 72 RdNr 11 mwN) sofort vollstreckbar, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedarf. Deshalb kann die Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung nicht davon abhängen, ob die Entscheidung möglicherweise fehlerhaft ist. Einer Behörde kann unter diesen Umständen nicht das Recht zugestanden oder eine Verpflichtung auferlegt werden, Fehler der nicht mehr anfechtbaren gerichtlichen Entscheidung eigenständig zu überprüfen. Anderenfalls würde die gerichtliche Entscheidung jede Bindungswirkung verlieren.
Indes kommt es für die Entscheidung im angestrebten Revisionsverfahren auf die Frage der Bindungswirkung der im Wege der einstweiligen Verfügung ergangenen Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung nicht mehr an, nachdem auch ein Schiedsgericht den Kläger verurteilt hat, die Ausschreibung und Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes zu beantragen und auf seine Zulassung zu verzichten und nachdem das OLG Rostock den Schiedsspruch durch Beschluss vom 3.5.2013 (1 Sch 2/13) für vollstreckbar erklärt hat. Dass bei einem Schiedsspruch iS des § 1054 ZPO die Wirkung des § 894 ZPO eintritt, nachdem er gemäß § 1060 Abs 1 ZPO rechtskräftig für vollstreckbar erklärt worden ist, unterliegt keinem Zweifel (vgl zB Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl 2016, § 894 RdNr 1; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl 2012, § 894 RdNr 7 mwN; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl 2016, § 894 RdNr 4; Stöber in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 894 RdNr 3), sodass insoweit eine Klärungsbedürftigkeit nicht besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO). Auch die Kosten des Beigeladenen zu 8. sind nach § 162 Abs 3 VwGO nicht zu erstatten, weil dieser keinen förmlichen Antrag gestellt und damit das Kostenrisiko des § 154 Abs 3 VwGO vermieden hat.
Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanzen, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).