Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 10.03.2011


BSG 10.03.2011 - B 3 KS 2/10 R

Künstlersozialversicherung - Arzt - publizistische Tätigkeit - Medizinjournalist - anderweitige Alterssicherung aufgrund einer bestehenden Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständische Versorgungswerk - Versicherungsfreiheit in Rentenversicherung nach KSVG - Revisibilität - Verletzung von Bundesrecht - Auslegung von Landesrecht


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
10.03.2011
Aktenzeichen:
B 3 KS 2/10 R
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG Hamburg, 29. April 2008, Az: S 22 KR 514/05, Urteilvorgehend Landessozialgericht Hamburg, 25. Februar 2010, Az: L 1 KR 42/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Für Publizisten, die aufgrund ihrer publizistischen Tätigkeit einem berufsständischen Versorgungswerk angehören, besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG in entsprechender Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rentenversicherungspflicht der Klägerin als Medizinjournalistin in der Künstlersozialversicherung (KSV).

2

Die 1973 geborene Klägerin ist approbierte Ärztin. Nach Tätigkeiten als Frauenärztin, bei einer Healthcare-Werbeagentur sowie als Vorstandsreferentin bei der D. AG () in Köln hat sie sich im September 2004 in Hamburg als Medizinjournalistin selbstständig gemacht. Während der Beschäftigung bei der war sie Pflichtmitglied der Ärztekammer Nordrhein sowie der zu 2. beigeladenen Nordrheinischen Ärzteversorgung. Von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wurde sie im Hinblick hierauf antragsgemäß ab dem 13.9.2000 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit (Bescheid vom 21.11.2000). Seit dem Umzug nach Hamburg im Jahr 2001 ist sie Pflichtmitglied der zu 1. beigeladenen Ärztekammer Hamburg. Von der Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg wurde sie mit Wirkung zum 1.7.2001 zugunsten der Beigeladenen zu 2. befreit, der sie weiterhin angehört.

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Die Beklagte stellte fest, dass die Klägerin aufgrund ihrer selbstständigen publizistischen Tätigkeit versicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ist. Die Versicherungspflicht gelte auch für Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI befreit worden seien, wenn der Kammerberuf nicht mehr ausgeübt werde. Dass die Versorgungskammern medizinische Fachjournalisten wegen ihrer berufsspezifischen Tätigkeit weiterhin zu Pflichtbeiträgen heranzögen, schließe die Versicherungspflicht nach dem KSVG insoweit nicht aus (Bescheid vom 7.1.2005; Widerspruchsbescheid vom 25.4.2005).

4

Die Klägerin hat Klage erhoben, soweit sie auch in die Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG einbezogen worden ist. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.4.2008): Als selbstständige Publizistin unterliege sie der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach dem KSVG. Die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit nach § 4 Nr 1 KSVG lägen nicht vor, da sie neben ihrer Tätigkeit als Medizinjournalistin keine weitere Beschäftigung oder Tätigkeit ausübe. Das LSG hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei ist (Urteil vom 25.2.2010). In Auslegung hamburgischen Landes-Berufsrechts hat es ausgeführt, dass die Klägerin Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1. und damit grundsätzlich auch Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Kammer sei, hier nur befreit aufgrund und zu Gunsten der Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2. Davon könne zwar nach dem hamburgischen Landesrecht sowie der Satzung der Beigeladenen zu 2. grundsätzlich auch eine Befreiung erteilt werden. Hier bestehe jedoch eine solche Befreiungsmöglichkeit nicht, da die Tätigkeit der Klägerin als Medizinjournalistin eine ärztliche Tätigkeit im Sinne der landesrechtlichen Regelungen über die Zugehörigkeit zur Ärztekammer Hamburg und zu deren Versorgungswerk darstelle. Hiervon ausgehend sei die Klägerin zwar bei wörtlicher Auslegung auch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig nach dem KSVG. Unter Berücksichtigung der in § 4 Nr 1 KSVG geregelten Ausnahmen von der grundsätzlichen Versicherungspflicht widerspreche dies aber dem Sinn und Zweck der Künstlersozialversicherung. Dass der Gesetzgeber die hier vorliegende Fallkonstellation nicht berücksichtigt habe, stelle eine planwidrige Lücke des Gesetzes dar, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen sei.

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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Der vom LSG zutreffend ausgelegte Ausschlusstatbestand des § 4 Nr 1 KSVG sei abschließend. Hiernach sei die Klägerin nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG frei. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift sei Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung. Darüber hinaus sei die publizistische Tätigkeit der Klägerin nicht als Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit anzusehen. Soweit hier überhaupt die Problematik einer "doppelten" Beitragspflicht bestehe, betreffe dies eher die weite Auslegung des Begriffs der ärztlichen Tätigkeit in § 3 Abs 2 der Beitragsverordnung der Beigeladenen zu 1.

6

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Hamburg vom 25.2.2010 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hamburg vom 29.4.2008 zurückzuweisen.

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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Sofern der Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bereits der Befreiungsbescheid der BfA vom 21.11.2000 entgegensteht (dazu unter 2.), besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG (dazu unter 3.). Letzteres hat das LSG auf der Grundlage seiner nicht zu beanstandenden Auslegung hamburgischen Landesrechts zutreffend entschieden.

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1. Grundsätzlich allerdings unterliegt die Klägerin als Journalistin der Versicherungspflicht (auch) in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das gebietet § 1 iVm § 2 Satz 2 KSVG (hier § 1 KSVG anzuwenden idF des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242 und § 2 KSVG idF des 2. KSVG-Änderungsgesetzes vom 13.6.2001, BGBl I 1027). Hiernach werden selbstständige Künstler und Publizisten nach § 1 KSVG in der allgemeinen Rentenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig iS des § 8 SGB IV. Nach § 2 Satz 2 KSVG ist Publizist im Sinne dieses Gesetzes, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt. Eine solche Tätigkeit übt die Klägerin als Medizinjournalistin aus, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht und weshalb die Beklagte grundsätzlich zutreffend eine Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG festgestellt hat.

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2. Ob dieser Feststellung hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung bereits der Befreiungsbescheid der BfA vom 21.11.2000 entgegensteht, kann letztlich offenbleiben.

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a) Mit dem Befreiungsbescheid vom 21.11.2000 hat die BfA die Klägerin im Hinblick auf deren Mitgliedschaft in der Nordrheinischen Ärzteversorgung mit Wirkung vom 13.9.2000 "von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit" und hinsichtlich der Befreiungsdauer ausgeführt: "Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären. Die Wirkung der Befreiung ist grundsätzlich auf die jeweilige berufsständische Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt."

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b) Welche Regelungswirkungen dies gegenwärtig noch hat, muss der Senat nicht entscheiden. Insbesondere kann offenbleiben, ob sich die Regelung auf die Befreiung von der Versicherungspflicht und der Bestimmung ihres Beginns beschränkt hat, wie es der 12. und ihm folgend der 5. Senat des BSG in ähnlichen Konstellationen angenommen haben (vgl BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17; BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 58). Dagegen könnte sprechen, dass aus der für die Auslegung maßgeblichen Empfängerperspektive auch unter Berücksichtigung der für die Behörde maßgeblichen Umstände (vgl BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; BSGE 100, 1 = SozR 4-3250 § 33 Nr 1, RdNr 11 jeweils mwN) die Angaben über die Dauer der Befreiung jedenfalls in der hier verwandten Formulierung als eigenständige Regelung zu verstehen und nicht erkennbar war, dass damit nur eine unverbindliche Erläuterung der Rechtslage bezweckt gewesen sein soll (so für ähnliche Formulierungen BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17; BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 58). Insoweit könnte die Inbezugnahme des in der maßgebenden Norm des § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI nicht verwandten Merkmals der Befreiungsdauer aus Sicht der Klägerin so zu deuten sein, dass hier zusätzlich eine selbstständige Regelung auch zur Dauer der Befreiung getroffen und sie somit für die gesamte Dauer der - hier noch fortbestehenden - Pflichtmitgliedschaft im ärztlichen Versorgungswerk von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit worden ist. Dies kann letztlich aber ebenso offenbleiben wie die weitere Frage, ob die Befreiung auch ohne förmliche Aufhebung nach § 48 Abs 1 SGB X gegenstandslos geworden ist, wie es der 5. Senat des BSG in einer vergleichbaren Konstellation angenommen hat (vgl BSGE 83, 74, 78 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59 f). Diese Rechtsauffassung mag fraglich erscheinen, weil durch den Befreiungsbescheid mit Dauerwirkung entschieden wird, dass eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht besteht und demzufolge seine Aufhebung oder Änderung aus Gründen sowohl der Rechtsklarheit als auch des Vertrauensschutzes den allgemeinen Vorschriften der §§ 45 ff SGB X und damit hier des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X unterworfen sein könnte (hiervon ausgehend wohl auch der 12. Senat des BSG, vgl BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 12). Abschließend zu entscheiden ist diese Frage hier jedoch nicht, weil die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG frei ist.

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3. Falls die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bereits durch den Befreiungsbescheid vom 21.11.2000 freigestellt ist, besteht Versicherungsfreiheit jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG.

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a) Unmittelbar greift der Tatbestand von § 4 Nr 1 KSVG allerdings nicht ein. Hiernach ist in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei, wer aufgrund einer Beschäftigung oder einer nicht unter § 2 KSVG fallenden selbstständigen Tätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist, es sei denn, die Versicherungsfreiheit beruht auf einer geringfügigen Beschäftigung oder einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit iS von § 8 SGB IV. Die Vorschrift soll diejenigen selbstständigen Künstler und Publizisten von der besonderen Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG ausnehmen, die dieses Schutzes nicht bedürftig erscheinen, weil sie bereits anderweitig kraft Gesetzes für das Alter gesichert sind. Dabei hat der Gesetzgeber neben Beamten, Richtern und Soldaten an Personen gedacht, die bereits wegen einer anderweitigen Beschäftigung oder Tätigkeit zumindest in einem am Durchschnitt ausgerichteten Umfang in die soziale Sicherung einbezogen sind (vgl BT-Drucks 9/26 S 18). Damit ist grundsätzlich zwar auch die Situation der Klägerin erfasst. Jedoch fällt sie nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift, weil ihre Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht auf einem Beschäftigungsverhältnis, sondern auf ihrer selbstständigen Tätigkeit als Medizinjournalistin beruht und dies dem Wortlaut nach für den Ausschlusstatbestand des § 4 Nr 1 KSVG unbeachtlich ist. Demnach besteht Versicherungsfreiheit nach dem KSVG für Selbstständige grundsätzlich nur, soweit der betreffende Künstler oder Publizist wegen "einer nicht unter § 2 fallenden selbständigen Tätigkeit" in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist, die Freistellung in der gesetzlichen Rentenversicherung also auf einer zusätzlichen, weiteren selbstständigen Tätigkeit neben seiner künstlerischen oder publizistischen Betätigung beruht.

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b) Ungeachtet dessen genießt die Klägerin allerdings kraft ihrer Zugehörigkeit zum Versorgungswerk der Ärzte eine Alterssicherung, wie es für den Ausschlusstatbestand des § 4 Nr 1 KSVG vom Gesetzgeber gerade vorausgesetzt ist. Rechtsgrundlage hierfür ist § 2 Abs 1 Satz 1 des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HmbKGH) iVm § 6 Abs 1 Satz 1 der Satzung der Nordrheinischen Ärzteversorgung. Danach gehören zunächst der zu 1. beigeladenen Ärztekammer als Pflichtmitglieder alle auf Grund einer Berufserlaubnis oder Approbation zur Berufsausübung berechtigten Ärztinnen und Ärzte an, die in der Freien und Hansestadt Hamburg entweder ihren Beruf ausüben (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 HmbKGH) oder, falls sie ihren Beruf nicht oder nicht in der Freien und Hansestadt Hamburg ausüben, dort ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts haben, es sei denn, dass sie Mitglied einer anderen Ärztekammer im Bundesgebiet sind (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 HmbKGH). Hieran anknüpfend sind nach den Satzungsregelungen sowohl der Hamburger Ärzteversorgung als auch der Beigeladenen zu 2., deren Mitglied die Klägerin trotz ihres Umzugs geblieben ist, alle verkammerten Ärzte Pflichtmitglieder des jeweiligen Ärzte-Versorgungswerks (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 der Satzung der Beigeladenen zu 2.). Zu befreien hiervon nach § 6 Abs 5 Buchstabe f der Satzung der Beigeladenen zu 2. sind nur diejenigen "Ärzte und Ärztinnen, die keine ärztliche Tätigkeit ausüben".

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Eine solche Pflichtmitgliedschaft ohne Befreiungsmöglichkeit besteht wegen der Tätigkeit als Medizinjournalistin auch für die Klägerin. Das hat das LSG in Auslegung der genannten landesrechtlichen Vorschriften ohne Verstoß gegen Bundesrecht und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) entschieden. Nach seiner im angefochtenen Urteil niedergelegten und begründeten Rechtsauffassung ist die Tätigkeit als Medizinjournalistin als ärztliche Tätigkeit im Sinne der landesrechtlichen Regelungen über die Zugehörigkeit zur Berufskammer und zum Versorgungswerk zu qualifizieren. Insoweit sei nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht anschließe, eine weite Auslegung des Begriffs der Berufsausübung vorzunehmen, da die berufsständischen Kammern die Belange der Gesamtheit der von ihr vertretenen Berufsangehörigen wahrnähmen und dafür die Erfahrungen von Berufsangehörigen aus allen Tätigkeitsbereichen nutzen sollen (Verweis auf BVerwG, NJW 1997, 814 ff und BVerwGE 92, 24). Eine ärztliche Tätigkeit sei deshalb immer dann anzunehmen, wenn die Anwendung oder Mitverwendung von ärztlichem Wissen der Tätigkeit ihr Gepräge gebe (Verweis auf VG Karlsruhe, MedR 2008, 751 ff).

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Diese Auslegung des Landesrechts durch das LSG ist für den erkennenden Senat bindend, weil sie nicht gegen Vorschriften des Bundesrechts verstößt (§ 162 SGG). Ein Verstoß gegen Bundesrecht liegt nicht bereits dann vor, wenn das Revisionsgericht aus seiner Sicht möglicherweise zu einer anderen Gesetzesauslegung kommen würde. Bundesrecht ist vielmehr erst dann verletzt, wenn das Berufungsgericht den Rahmen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten und damit die Bindung an Gesetz und Recht (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) missachtet (Willkürverbot) oder wenn es bei der Gesetzesauslegung bundesrechtliche Normen herangezogen hat, die den ihnen beigelegten Regelungsgehalt nicht aufweisen (BSGE 88, 215, 219 = SozR 3-3300 § 9 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-6935 Allg Nr 1 S 3). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist eine Verletzung von Bundesrecht nicht ersichtlich. Wie die Beklagte zu Recht darlegt, könnte der Begriff der ärztlichen Tätigkeit zwar auch enger verstanden werden. Nicht zu verkennen ist jedoch, dass eine medizin-journalistische Tätigkeit wie hier von der Klägerin ausgeübt auf ärztliches Wissen aufbaut und ihr zum Teil Aufgaben der medizinischen Aufklärung zukommen, wie sie vergleichbar auch von ambulant oder stationär praktizierenden Ärzten erbracht werden. Anhaltspunkte für eine willkürliche und deshalb vom BSG zu korrigierende Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Landesrechts bestehen deshalb nicht.

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c) Diese bereits bestehende Alterssicherung über das Versorgungswerk der Ärzte begründet entgegen der Auffassung der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG die Versicherungsfreiheit der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG; das hat das LSG zutreffend dargelegt. Insoweit besteht eine planwidrige Regelungslücke, die durch die analoge Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG zu schließen ist. Ein solcher Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, so dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt. Dieser beruht - in Anlehnung an Art 3 Abs 1 GG - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (vgl BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 4 RdNr 15; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 36 RdNr 25; vgl auch BGHZ 155, 380, 389, jeweils mwN).

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So liegen die Verhältnisse hier: Mit § 4 Nr 1 KSVG ist eine Vorkehrung für diejenigen nach dem KSVG versicherungspflichtigen Künstler und Publizisten getroffen worden, die einen anderweitigen Versicherungsschutz für das Alter durch eine Alterssicherung aufgrund einer weiteren Tätigkeit oder Beschäftigung neben ihrer künstlerischen oder publizistischen selbstständigen Tätigkeit erworben haben. Soweit dadurch ein ausreichender Schutz für das Alter bereits besteht, soll nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Intention keine zusätzliche Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen (vgl BT-Drucks 9/26 S 18; ebenso Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 4 RdNr 1). Keine Regelung hat der Gesetzgeber dagegen für die Gruppe getroffen, deren künstlerische oder publizistische Tätigkeit selbst - wie hier bei der Klägerin - die Zugehörigkeit zu einem weiteren Alterssicherungssystem begründet und die dadurch eine doppelte Altersversorgung erlangt. Diese Möglichkeit ist im Gesetzgebungsverfahren offenkundig nicht gesehen worden, so dass die analoge Anwendung des § 4 Nr 1 KSVG geboten erscheint. Denn einerseits entspricht dieser Fall genau der Situation, auf die der Gesetzgeber mit der Befreiungsregelung zu reagieren suchte. Andererseits besteht aber auch kein Anhaltspunkt dafür, dass für diese Gruppe die von der Grundregel des § 4 Nr 1 KSVG abweichende Heranziehung zu zwei Alterssicherungssystemen bewusst angestrebt worden sein könnte. Das entspricht schon nicht der Intention des Gesetzgebers, wie sie - oben bereits dargestellt - mit § 4 Nr 1 KSVG verfolgt worden ist. Im Übrigen ist auch kein Grund erkennbar, der eine solche unterschiedliche Behandlung vor dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG rechtfertigen könnte. Von daher ist die hier betroffene Gruppe von KSVG-Versicherten zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung in analoger Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG ebenso von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG freizustellen wie die Gruppe derjenigen, die zusätzlich zu ihrer selbstständigen Tätigkeit iS von § 1 KSVG einer weiteren unselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit nachgehen und hierdurch eine zur Befreiung nach § 4 Nr 1 KSVG führende Alterssicherung erlangen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.