Entscheidungsdatum: 08.07.2015
Die zum Einbehalt des Apothekenabschlags berechtigende Zahlung der Apothekervergütung innerhalb einer Frist von zehn Tagen ab Eingang der Rechnung bei der Krankenkasse gilt nur für die monatlichen Abrechnungen der Apotheker über die Arzneimittelabgaben an Versicherte im Vormonat, nicht aber für spätere Ausgleichszahlungen der Krankenkassen wegen nachträglich reduzierter Abschlagsbeträge.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19. August 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 45 823,75 Euro festgesetzt.
Streitig ist eine restliche Arzneimittelvergütung aus dem Jahre 2009.
Der Kläger ist selbstständiger Apotheker und betreibt in H. die "Haag Apotheke" (Hauptapotheke -) und in H. die "Apotheke an der Westpromenade" (Filialapotheke -). Er gab im Jahre 2009 insgesamt 26 185 Packungen mit verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Versicherte der beklagten Krankenkasse ab. Die Lieferungen wurden über das Rechenzentrum "AvP WEST GmbH" in D. monatlich abgerechnet. Die Beklagte beglich die Vergütungsforderungen jeweils binnen zehn Tagen nach Eingang der Rechnungen unter Abzug des gesetzlichen Apothekenabschlags (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGB V) in Höhe von 2,30 Euro pro verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel, woraus sich für das Jahr 2009 ein Rabatt von insgesamt 60 225,50 Euro ergab (26 185 Packungen x 2,30 Euro = 60 225,50 Euro).
Nachdem der Abschlagsbetrag durch Schiedsspruch der gemeinsamen Schiedsstelle des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und des Deutschen Apothekerverbandes eV (DAV) vom 21.12.2009 (§ 129 Abs 8 und 9 SGB V) rückwirkend für das gesamte Jahr 2009 auf 1,75 Euro je Packung herabgesetzt und diese Entscheidung am 5.5.2010 für sofort vollziehbar erklärt worden war (Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 5.5.2010 - L 1 KR 51/10 B ER), überwies die Beklagte für 854 beteiligte Apotheken den Differenzbetrag von 0,55 Euro je Packung in zwei Teilbeträgen am 8. und 13.7.2010 an das Rechenzentrum, woraus für den Kläger eine Nachzahlung von 14 401,75 Euro (26 185 Packungen x 0,55 Euro = 14 401,75 Euro, davon 11 006,60 Euro für die Hauptapotheke und 3395,15 Euro für die Filialapotheke) resultierte. Der Schiedsspruch ist seit dem 20.6.2013 bestandskräftig.
Mit der am 19.12.2013 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung weiterer 45 823,75 Euro, weil die Beklagte für das Jahr 2009 keinen Apothekenabschlag habe in Ansatz bringen dürfen; denn sie habe es versäumt, den aus der Reduzierung des Rabattbetrages resultierenden Nachzahlungsbetrag von 14 401,75 Euro innerhalb der auch insoweit maßgeblichen Frist von zehn Tagen (§ 130 Abs 3 SGB V) zu überweisen, sodass es an der fristgerechten Zahlung der Vergütungsforderung fehle, die Voraussetzung für die Berechtigung zum Einbehalt des Abschlags sei. Die Sammelrechnung des Rechenzentrums vom 5.5.2010 sei am 19.5.2010 bei der Beklagten eingegangen, sodass die Nachzahlung bis Ende Mai 2010 hätte erfolgen müssen. Damit habe die Beklagte ihren Anspruch auf den Rabatt vollständig verloren.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.8.2014). Nach Sinn und Zweck finde die Regelung zum Apothekenabschlag (§ 130 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGB V) nur auf die standardisierten monatlichen Abrechnungen der Arzneimittelabgaben und deren Bezahlung Anwendung, nicht aber auf die Abwicklung der Nachberechnung der Vergütung aufgrund eines rückwirkend geänderten Berechnungselements. Eine Fristversäumung nach § 130 Abs 3 SGB V scheide auch deshalb aus, weil die Zehntagesfrist mit dem Eingang einer gesetzlich erforderlichen Rechnung des Apothekers bei der Krankenkasse verknüpft sein müsse. Für die Nachzahlung des Differenzbetrages von 0,55 Euro je Packung aufgrund des Schiedsspruchs sei die Erteilung einer (neuen) Rechnung zwar zulässig, aber rechtlich nicht erforderlich gewesen.
Mit der Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung des § 130 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 SGB V. Die Vorschriften über die Berechtigung der Krankenkassen zum Abzug eines Apothekenabschlags seien auf das gesamte Abrechnungsverfahren für die Arzneimittellieferungen im Jahre 2009 anzuwenden. Dementsprechend sei die endgültige Erlangung des Abschlags davon abhängig, dass die Zehntagesfrist sowohl bei der Begleichung der Monatsrechnungen als auch bei der Nachzahlung des Differenzbetrages von 14 401,75 Euro gewahrt worden sei. Die Nachzahlung sei aber außerhalb dieser Frist erfolgt. Die Beklagte könne sich zur Abwehr des geltend gemachten Restvergütungsanspruchs auch nicht auf eine den Nachzahlungen vom 8. und 13.7.2010 zugrunde liegende Vereinbarung mit dem Apothekerverband Nordrhein eV sowie dem Apothekerverein Hamburg vom 18.6.2010 über die praktische Umsetzung des LSG-Beschlusses vom 5.5.2010 berufen, weil die Vereinbarung für ihn nicht verbindlich sei; der Apothekerverband Nordrhein eV sei dazu weder nach der Satzung ermächtigt noch von ihm bevollmächtigt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19. August 2014 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 45 823,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 19. Dezember 2013 zu zahlen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 45 823,75 Euro als Vergütung für die Abgabe von 26 185 Packungen verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel an Versicherte der Beklagten im Jahre 2009. Die Beklagte hat den Vergütungsanspruch rechtzeitig und vollständig erfüllt, sodass sie berechtigt war, den durch Schiedsspruch festgesetzten Apothekenabschlag von 1,75 Euro je Packung in Abzug zu bringen.
A. Das Klagebegehren ist vom Kläger als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG anhängig gemacht worden. Die Klage ist zulässig, weil sich die Beteiligten in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen, in dem auf Seiten der Krankenkassen eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 18, 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 10). Eines Vorverfahrens bedurfte es daher nicht; eine Klagefrist war nicht einzuhalten.
B. In der Sache konnte das Klagebegehren keinen Erfolg haben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zahlungsforderung als restlicher Vergütungsanspruch für die Abgabe von Arzneimitteln an die Versicherten der Beklagten qualifiziert wird oder ob ihr ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zugrunde liegt, der aus der nachträglichen Reduzierung des bereits einbehaltenen Apothekenabschlags von 2,30 Euro auf 1,75 Euro je Packung resultiert.
1. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung der von ihm im Jahre 2009 an Versicherte der Beklagten abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel bestimmt sich nach § 129 SGB V (idF durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Die Apotheken sind gemäß § 129 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V iVm § 8 Satz 1 Rahmenvertrag 2008 bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte verpflichtet, den für den Tag der Abgabe geltenden Apothekenabgabepreis zu berechnen und grundsätzlich anzugeben. Für Fertigarzneimittel, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind, errechnet sich der Apothekenabgabepreis aus den bei Belieferung des Großhandels geltenden Abgabepreisen des pharmazeutischen Unternehmens ohne die Umsatzsteuer (Herstellerabgabepreis) zuzüglich des darauf entfallenden Großhandelszuschlags (Netto-Einkaufspreis) sowie den Apothekenzuschlägen und der Umsatzsteuer (§ 3 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Nr 1 Arzneimittelpreisverordnung <AMPreisV>). Fertigarzneimittel sind nach § 1 Abs 1 AMPreisV "Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmen Packung in den Verkehr gebracht werden". Da die Apothekenzuschläge nach § 3 AMPreisV für Fertigarzneimittel erhoben werden, erhöhen sie den Preis für jede abgegebene Packung.
Die Abrechnung der abgegebenen Fertigarzneimittel gegenüber den Krankenkassen erfolgt mittels elektronischer Datenübertragung (§ 300 Abs 1 SGB V). Dazu können die Apotheken Rechenzentren in Anspruch nehmen (§ 300 Abs 2 Satz 1 SGB V). Das Nähere ist in der zwischen den Rechtsvorgängern des GKV-Spitzenverbandes und dem DAV nach § 300 Abs 3 Nr 1 und 2 SGB V geschlossenen "Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V" (Datenübermittlungsvereinbarung) vom 4.11.1994 geregelt.
2. Für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels steht den Apothekern grundsätzlich eine Vergütung in Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreises zu. Auf diesen Preis erhalten die Krankenkassen von den Apothekern allerdings einen Abschlag, der allgemein als "Apothekenrabatt" bezeichnet wird (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGB V). Der durch das Gesetz angeordnete Apothekenrabatt knüpft daran an, dass die Arzneimittelpreise ohne Einfluss der Krankenkassen festgelegt werden. Dies nimmt den Krankenkassen die Möglichkeit, besondere Konditionen mit den Apotheken für ihre Versicherten auszuhandeln, obwohl die Krankenkassen auch bei den Arzneimitteln die stärkste Nachfragegruppe auf dem Gesundheitsmarkt in Deutschland sind. Als Ausgleich gewährt § 130 SGB V den Krankenkassen einen gesetzlichen Rabatt, den die Apotheker einräumen müssen. Die Gewährung des Abschlags setzt allerdings voraus, dass die Rechnung des Apothekers innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse beglichen wird (§ 130 Abs 3 Satz 1 SGB V).
a) § 130 SGB V bestimmt, in welcher Höhe die Krankenkassen Rabatt auf die Arzneimittelpreise erhalten. Die Vorschrift unterscheidet in Abs 1 zwischen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln und sonstigen Arzneimitteln. Bei den verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln ist der Abschlag ein fester Betrag je Packung, dessen Höhe sich im Laufe der Zeit mehrfach geändert hat (vgl zur Entwicklung dieses Abschlags Schneider in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 130 RdNr 6, 9 und 10), bei den sonstigen Arzneimitteln ist er variabel und beträgt 5 % des für den Versicherten maßgeblichen Abgabepreises. Sonderregeln gelten bei Arzneimitteln, für die ein Festbetrag festgelegt worden ist (§ 130 Abs 2 SGB V).
b) Nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGB V (idF durch Art 1 Nr 96 Buchst a GKV-WSG) betrug der gesetzliche Abschlag für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel in der Zeit vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2010 einheitlich 2,30 Euro je Packung. Allerdings hat der Gesetzgeber schon durch das GKV-WSG für die Zeit ab 1.1.2009 eine davon abweichende Regelung getroffen (§ 130 Abs 1 Satz 2 SGB V): "Der Abschlag nach Satz 1 erster Halbsatz ist erstmalig mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 von den Vertragspartnern in der Vereinbarung nach § 129 Abs. 2 so anzupassen, dass die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel leistungsgerecht ist unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung." Aufgrund dieser Anordnung des Gesetzgebers ist der Apothekenabschlag für das Jahr 2009 auf 1,75 Euro festgesetzt worden. Dieser reduzierte Wert konnte jedoch weder von den Apotheken noch von den Krankenkassen vor dem 5.5.2010 berücksichtigt werden.
aa) Bereits im September 2008 hatten die nach § 129 Abs 2 SGB V zuständigen Verbände, dh der GKV-Spitzenverband und der DAV, Verhandlungen über die vom Gesetzgeber angeordnete vertragliche Anpassung des Apothekenabschlags für das Kalenderjahr 2009 aufgenommen. Nachdem eine im Oktober 2008 erzielte Einigung der Verhandlungskommissionen auf 1,70 Euro Abschlag je Packung von den zuständigen Gremien des GKV-Spitzenverbandes als unangemessen niedrig abgelehnt worden war und weitere Verhandlungen erfolglos geblieben waren, beantragte der DAV am 14.7.2009 die Einleitung eines Schiedsverfahrens, in dem der DAV eine Absenkung des Abschlags auf 0,48 Euro je Packung anstrebte, während der GKV-Spitzenverband eine Anhebung des Abschlags auf 2,49 Euro zum Ziel hatte. Am 21.12.2009 entschied die nach § 129 Abs 8 SGB V gebildete gemeinsame Schiedsstelle: "Der Apothekenabschlag nach § 130 Abs. 1 SGB V wird mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 Euro festgesetzt."
bb) Gegen diesen Schiedsspruch hat der GKV-Spitzenverband Klage erhoben. Das SG Berlin hat die Festsetzung aufgehoben und die Schiedsstelle zur Neubescheidung verurteilt (Urteil vom 27.4.2011 - S 73 KR 135/10). Im Berufungsrechtszug vor dem LSG Berlin-Brandenburg (L 1 KR 150/11) wurde die Klage aufgrund einer am 20.6.2013 zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV getroffenen Vereinbarung zurückgenommen, sodass der Schiedsspruch seit diesem Tage bestandskräftig war. In einem vom DAV parallel anhängig gemachten Verfahren nach § 86b SGG hatte das LSG Berlin-Brandenburg bereits zuvor durch Beschluss vom 5.5.2010 - L 1 KR 51/10 B ER - die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Schiedsstelle vom 21.12.2009 angeordnet. Der vom DAV angefochtene Schiedsspruch der Schiedsstelle zur Höhe des Abschlags für das Kalenderjahr 2010 ist ebenfalls am 20.6.2013 bestandskräftig geworden, nachdem der DAV aufgrund der vorgenannten Vereinbarung seine diesbezügliche Klage vom 22.12.2011 ebenfalls zurückgenommen hatte (LSG Berlin-Brandenburg - L 1 KR 375/11 KL).
c) Aufgrund dieser rechtlichen Entwicklung galt für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2008 ein gesetzlicher Apothekenabschlag von 2,30 Euro je Packung und für die - hier allein interessierende - Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2009 ein "vertraglicher" Abschlag von 1,75 Euro. Dieser reduzierte Abschlag konnte allerdings ab 5.5.2010 nur für noch nicht abgerechnete Abgabefälle aus dem Jahr 2009 (dazu BSGE 97, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr 3) unmittelbar bei den Abrechnungen in Abzug gebracht werden, weil der Schiedsspruch erst seit diesem Zeitpunkt durch die Entscheidung des LSG im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vollziehbar war. Erst durch das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der GKV vom 22.12.2010 (BGBI I 2262) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2011 bestimmt, dass der Apothekenabschlag nunmehr 2,05 Euro betrug (mit Verpflichtung zur vertraglichen Festlegung des Abschlags ab dem Jahr 2013, was durch die bereits erwähnte Vereinbarung vom 20.6.2013 geschehen ist: Abschlag 2013 1,80 Euro, 2014 ebenfalls 1,80 Euro und 2015 1,77 Euro) und dass Klagen gegen Festsetzungen der Schiedsstelle jetzt keine aufschiebende Wirkung mehr haben (§ 129 Abs 9 Satz 7 SGB V). Für die Übergangszeit vom 1.1.2009 bis zum 4.5.2010, in der es zunächst keine Einigung des GKV-Spitzenverbandes und des DAV auf einen vertraglichen Apothekenabschlag für das Jahr 2009 gab (1.1.2009 bis 20.12.2009) und sodann der Schiedsspruch der Schiedsstelle vom 21.12.2009 wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 86a Abs 1 SGG) zunächst nicht anwendbar war (21.12.2009 bis 4.5.2010), blieb der gesetzliche Abschlag von 2,30 Euro je Packung für die Abrechnung der Arzneimittelabgaben einstweilen weiter maßgeblich, wobei die Höhe dieses Abschlags und die darauf beruhenden Abzüge für den Apothekenrabatt allerdings nur vorläufigen Charakter haben konnten. Dies war den Beteiligten auch bewusst, sodass es zur Wahrung der Vorläufigkeit der Abrechnungen keines entsprechenden Vorbehalts durch die Apotheken und/oder die Krankenkassen bedurfte. Die in der Zeit ab 5.5.2010 erfolgten Neuberechnungen der Arzneimittelabgaben des Jahres 2009 auf Basis eines Abschlags von nunmehr 1,75 Euro hatten ihrerseits wiederum nur vorläufigen Charakter, bis durch die Klagerücknahme vom 20.6.2013 die Bestandskraft des Schiedsspruches vom 21.12.2009 feststand. Diese Abrechnungen erlangten dann ohne Weiteres endgültigen Charakter.
Eine vorläufige Abrechnung der Leistungen des Jahres 2009 auf Basis des gesetzlichen Abschlags von 2,30 Euro wäre den Krankenkassen nur dann verwehrt gewesen, wenn der Gesetzgeber in § 130 Abs 1 Satz 1 SGB V oder an anderer Stelle im Gesetz angeordnet hätte, dass dieser Abschlag nur für die Zeit bis zum 31.12.2008 in Ansatz gebracht werden durfte. Dann hätten die Krankenkassen für die Arzneimittelabgaben aus der Zeit ab 1.1.2009 mangels bis dahin erfolgter vertraglicher Regelung des Abschlags (§ 130 Abs 1 Satz 2 SGB V) zunächst den vollen Arzneimittelabgabepreis an die Apotheken bzw an das jeweils beauftragte Rechenzentrum überweisen müssen, und zwar im Falle der Zahlung innerhalb der Zehntagesfrist (§ 130 Abs 3 Satz 1 SGB V) unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Rückforderung des gegenwärtig in der Höhe noch nicht festgelegten und daher nicht berechenbaren Apothekenabschlags. Da aber der Gesetzgeber auf eine solche ausdrückliche zeitliche Begrenzung des gesetzlichen Abschlags von 2,30 Euro verzichtet hatte, war dieser Wert bis zum 4.5.2010, dem Tag vor Erlass des Beschlusses des LSG Berlin-Brandenburg zur sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs vom 21.12.2009, einstweilen weiter maßgeblich.
Wäre der ab 1.4.2007 geltende gesetzliche Abschlag von 2,30 Euro von den Vertragspartnern bzw der Schiedsstelle in derselben Höhe für das Jahr 2009 übernommen worden, was ihnen freigestanden hätte, wären die vorläufigen Abrechnungen der Vergütungen auf Basis des Abschlags von 2,30 Euro ohne weitere rechtliche Schritte verbindlich geworden. Hätte sich dagegen - wie vom GKV-Spitzenverband gewünscht - ein Abschlag oberhalb des Wertes von 2,30 Euro ergeben, wären die Krankenkassen zu einer Nachberechnung des Abschlags in Höhe des Differenzbetrages berechtigt gewesen. Da aber der vertragliche Wert - wie vom DAV gewünscht - letztlich unterhalb des Werts von 2,30 Euro festgelegt worden ist, nämlich auf 1,75 Euro, waren die Apotheken zur Nachforderung der Vergütungen in Höhe des Differenzbetrages von 0,55 Euro je Packung berechtigt. Der Kläger konnte folglich für die im Jahr 2009 an die Versicherten der Beklagten abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel eine zusätzliche Vergütung von 14 401,75 Euro geltend machen (26 185 Packungen x 0,55 Euro); dieser Betrag ist von der Beklagten im Juli 2010 an das vom Kläger beauftragte Rechenzentrum überwiesen worden.
3. Mit dieser Zahlung hat die Beklagte den Vergütungsanspruch des Klägers vollständig erfüllt. Sie war zum Abzug eines Abschlags von 1,75 Euro je Packung berechtigt. Die eingeklagte weitere Vergütungsforderung von 45 823,75 Euro (26 185 Packungen x 1,75 Euro) steht dem Kläger nicht zu. Die Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V gilt nur für die unmittelbare Abrechnung der im jeweiligen Vormonat erfolgten Arzneimittelabgaben, nicht aber für die Nachberechnung der Vergütungen wegen des Ersatzes des vorläufigen Abschlags von 2,30 Euro durch den endgültigen Abschlag von 1,75 Euro. Dass die monatlichen Abrechnungen der Arzneimittelabgaben des Jahres 2009 wegen des nur einstweiligen fortgeltenden gesetzlichen Abschlags von 2,30 Euro hinsichtlich des Apothekenrabatts jeweils nur vorläufigen Charakter hatten, steht der Beschränkung des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V auf diese Abrechnungen nicht entgegen. Diese Vorschrift ist auf die Nachberechnung der Vergütungsdifferenz von 0,55 Euro je Packung auch deshalb nicht anwendbar, weil es hierfür einer erneuten Rechnungstellung durch die Apotheken bzw das Rechenzentrum nicht bedurfte. Das Recht zum Einbehalt des Apothekenabschlags ist verknüpft mit dem Eingang einer gesetzlich erforderlichen Rechnung einer Apotheke bei der Krankenkasse, gilt also nicht für "entbehrliche" Rechnungen.
a) Vergütungsansprüche der Apotheker für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte einer Krankenkasse vermindern sich in Höhe des jeweiligen Apothekenabschlags rückwirkend ohne weiteren Rechtsakt aufgrund Bedingungseintritts, wenn die Krankenkasse die Voraussetzungen für das Entstehen des Rabatts erfüllt (zur Verfassungsmäßigkeit des Apothekenrabatts vgl BVerfGE 114, 196, 242 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 123 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 24 ff, zur Vorgängervorschrift § 376 RVO vgl BGHZ 54, 115, 119 ff = USK 7068). Bedingung für dessen Entstehen ist die vollständige Begleichung des Rechnungsbetrages innerhalb der Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V. Die Rabattierung ist in das System der Arzneimittelvergütung für die Apotheken durch die Krankenkassen integriert. Sie soll einfach und sicher das gesetzliche Ziel umsetzen, bei der im Interesse der Apotheken liegenden kurzfristigen, zeitgerechten Zahlung (als schnellen Ausgleich für die Vorfinanzierungskosten) den Vergütungsanspruch um einen bestimmten Betrag im Interesse der Krankenkasse zu mindern. Der Apothekenabschlag dient heute allein dazu, bei sich weiterhin dynamisch entwickelnden Arzneimittelkosten einen Einspareffekt bei pünktlicher Bezahlung zu bewirken und auf diese Weise das gesetzgeberische Ziel der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) zu unterstützen. Der Apothekenabschlag als geringfügige Kürzung des Vergütungsanspruchs der Apotheker gegen die Krankenkassen erhält durch die Bindung an die Zehntagesfrist nach Rechnungseingang (§ 130 Abs 3 Satz 1 SGB V) den Charakter eines Skontos für die alsbaldige Zahlung (BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 14/11 R - SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 20). In diesem Sinne handelt es sich bei dem "Zwangsrabatt" um eine bereits das gesetzlich geregelte Grundgeschäft betreffende gesetzlich angeordnete auflösende Bedingung (vgl zur rechtsgeschäftlich geregelten auflösenden Bedingung § 158 Abs 2 BGB). Der zunächst entstandene ungekürzte Vergütungsanspruch des Apothekers aus der Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte steht in Höhe des Apothekenrabatts unter der auflösenden Bedingung, dass der Vergütungsanspruch (abzüglich des Abschlags) innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen nach Rechnungseingang beglichen wird. Eine bloße Teilzahlung genügt dagegen nicht, den Eintritt der Bedingung zu bewirken (BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 21).
b) Bei der Beurteilung der Frage, ob durch eine Vergütungszahlung der Krankenkasse die auflösende Bedingung eingetreten ist und deshalb der Apothekenabschlag in Abzug gebracht werden darf, ist indes stets auf die zum Zeitpunkt der Abgabe des Arzneimittels geltende Rechtslage abzustellen. Die Zahlungsfrist des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V hat den Zweck, die monatlichen Abrechnungen der Arzneimittelabgaben möglichst schnell abzuwickeln und die Finanzierungskosten der Apotheken für die Warenbeschaffung und den Personaleinsatz möglichst kurzfristig auszugleichen. Diesem Zweck ist gedient, wenn die berechnete Vergütung für die monatlichen Leistungen unter Abzug des insoweit einschlägigen Apothekenabschlags binnen zehn Tagen nach Rechnungseingang gezahlt wird, mag der Abschlag seiner Höhe nach zum Zeitpunkt der Zahlung auch nur vorläufigen Charakter haben. Es muss nach Sinn und Zweck der Regelung bei Ablauf der Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V für alle Beteiligten eindeutig feststehen, ob eine innerhalb dieser Frist erfolgte Zahlung der Krankenkasse jedenfalls dem Grunde nach zum Abzug des Abschlags berechtigt, mag die Höhe des Abschlags auch unter dem Vorbehalt einer späteren vertraglichen Neufestsetzung stehen. Die Frist des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V kann immer nur einmal und nicht, wie der Kläger annimmt, zweimal laufen.
aa) Da hier - wie bereits ausgeführt - für alle monatlichen Abrechnungen des Jahres 2009 ein Abschlag von 2,30 Euro je Packung vorläufig von den Arzneimittelabgabepreisen abgezogen werden durfte und alle Vergütungszahlungen der Beklagten nach Feststellung des SG fristgerecht und unter Berücksichtigung dieses vorläufigen Abschlags auch "vollständig" erbracht worden sind, stand mit den jeweiligen Zahlungen dem Grunde nach endgültig fest, dass der Abschlag von der Beklagten in Anspruch genommen werden durfte, und zwar in Höhe von vorläufig 2,30 Euro je Packung.
bb) Der Umstand, dass erst ab 5.5.2010 kein Abschlag von 2,30 Euro mehr in Ansatz gebracht werden durfte, sondern entsprechend dem Schiedsspruch einstweilen nur noch 1,75 Euro berechtigt waren und darüber hinaus erst ab 20.6.2013 endgültig feststand, dass der Abschlag für das Jahr 2009 lediglich 1,75 Euro betrug, führt nicht zum nachträglichen Wegfall der bereits eingetretenen auflösenden Bedingung sowie zum Lauf einer erneuten Zehntagesfrist nach § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V hinsichtlich der nachzuentrichtenden Vergütung von 0,55 Euro je Packung. Der Nachvergütungsanspruch steht außerhalb des Regelungsbereichs des § 130 SGB V. Diese Vorschrift betrifft nur die standardisierten monatlichen Abrechnungen der im jeweiligen Vormonat abgegebenen Arzneimittel, und zwar unabhängig davon, dass die Höhe des Apothekenabschlags nur vorläufigen Charakter besaß.
4. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die rechtliche Entbehrlichkeit einer neuen Vergütungsabrechnung durch den Kläger bzw das Rechenzentrum nach Eintritt der vorläufigen Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs am 5.5.2010. Die Erteilung einer neuen Rechnung durch das Rechenzentrum noch am 5.5.2010 war zwar zulässig, rechtlich aber nicht erforderlich. Die Beklagte wusste bei Erhalt aller - nach Feststellung des SG jeweils ordnungsgemäß und vollständig erstellten - monatlichen Abrechnungen für das Jahr 2009, dass der Abschlag von 2,30 Euro nur vorläufigen Charakter besaß und es angesichts der im Oktober 2008 letztlich nicht zustande gekommenen Einigung der Vertragspartner auf einen abgesenkten Abschlag von 1,70 Euro wahrscheinlich war, dass am Ende ein mit dem bisherigen Wert von 2,30 Euro nicht übereinstimmender Abschlag vereinbart bzw durch einen Schiedsspruch festgelegt werden würde. Dabei musste die Beklagte angesichts der auch ihr bekannten Vorgeschichte damit rechnen, dass ein Abschlagswert von weniger als 2,30 Euro festgelegt werden würde - wie es dann durch den Schiedsspruch vom 21.12.2009 auch geschehen ist. Sie hatte deshalb die Pflicht, die Monatsabrechnungen des Jahres 2009 zu speichern, die erhaltenen Daten zu sichern und sodann von sich aus die dem Kläger zustehende Nachvergütung zu berechnen und zu überweisen, sobald der neue Abschlagswert feststand. Zu dieser Berechnung war die Beklagte schon allein auf Grundlage der Monatsabrechnungen des Rechenzentrums imstande (hätte dazu jedenfalls aber imstande sein müssen), weil nach Feststellung des SG aus diesen Abrechnungen die notwendigen Daten hervorgingen. Das Rechenzentrum hätte sich damit begnügen können, die Nachvergütungsansprüche der von ihm vertretenen Apotheken (hier: 26 185 Packungen x 0,55 Euro = 14 401,75 Euro) in einer schlichten Forderungsübersicht zu beziffern, um der Beklagten zu verdeutlichen, welche Nachzahlungsbeträge nunmehr erwartet wurden. Diese Nachzahlungsbeträge waren auch mit der Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs am 5.5.2010 unmittelbar fällig geworden. Auf eine rechtlich nicht erforderliche neue "Rechnung", die lediglich einen Nachvergütungsanspruch beziffert und nicht der standarisierten Abrechnung der im Vormonat erbrachten Leistungen dient, ist die Rabattregelung des § 130 SGB V - wie ausgeführt - aber nicht anwendbar.
Wäre die Klage gegen den Schiedsspruch vom 21.12.2009 nicht zurückgenommen worden und hätte die Schiedsstelle im Neubescheidungsverfahren den Apothekenabschlag nunmehr zB auf 2,00 Euro je Packung festgelegt, hätten die Apotheken den vorläufig erhaltenen Differenzbetrag von 0,55 Euro zu einem Teilbetrag von 0,25 Euro wieder erstatten müssen, um einen entsprechenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkassen zu erfüllen. Wäre der Rabatt im Neubescheidungsverfahren bei 2,30 Euro belassen worden, hätten die Apotheken die Differenz von 0,55 Euro in voller Höhe an die Krankenkassen zurückzahlen müssen. Wäre hingegen der Rabatt am Ende noch niedriger als 1,75 Euro festgesetzt worden, hätten die Krankenkassen eine weitere Nachzahlung an die Apotheken leisten müssen.
Auch bei diesen Konstellationen hätte es keiner neuen "Rechnungserteilung" durch den Kläger bedurft, und allein durch eine gesetzlich vorgesehene Rechnungserteilung wird die Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V ausgelöst. Für den Ausgleich nachträglich geänderter Rabattbeträge gibt es keine gesetzliche Zahlungsfrist.
5. Es ist nicht zu verkennen, dass bei diesem Ergebnis der Beklagten durch die späte Verringerung des Abschlags sowie durch die erst nach rund zwei Monaten erfolgte Nachzahlung des Differenzbetrages ein Zinsvorteil entstanden ist. Ein solcher Zinsvorteil wäre im umgekehrten Fall, nämlich der nachträglichen Anhebung des Abschlags, allerdings bei den Apothekern angefallen.
Ein Ausgleich dieses Zinsvorteils ist für den einen wie für den anderen Fall bisher nicht vorgesehen. Es ist Sache des GKV-Spitzenverbandes und des DAV, hierfür im Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V einen Ausgleich zu vereinbaren, wenn dazu ein Bedürfnis gesehen wird; auch die Vertragspartner auf Landesebene könnten hierzu eine entsprechende Vereinbarung abschließen (§ 129 Abs 5 Satz 1 SGB V). Die gesetzliche Regelung des Apothekenrabatts unterliegt zwar keiner vertraglichen Disposition. Dies hat zur Folge, dass die Vertragsparteien zB nicht befugt sind, eine Regelung darüber zu treffen, ob die Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 SGB V auf einen Sachverhalt wie den vorliegenden anzuwenden ist oder nicht. Die Parteien des Rahmenvertrags (§ 129 Abs 5 Satz 1 SGB V) haben jedoch die Befugnis, die Apothekenrabattregelung zu konkretisieren (BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 25). Dazu gehören zB auch Regelungen zum finanziellen Ausgleich von Zinsvorteilen bzw Zinsnachteilen im Falle nachträglicher Änderung der Höhe des Apothekenabschlags bei bereits abgerechneten Arzneimittelabgaben. Eine solche Regelung zum Ausgleich des Zinsvorteils der Beklagten ist weder auf Bundesebene noch auf Landesebene getroffen worden, und ein derartiges Zahlungsbegehren ist auch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
6. Die Klage hätte auch dann abgewiesen werden müssen, wenn die Zahlungsforderung des Klägers nicht als restlicher Vergütungsanspruch, sondern als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch eingestuft würde, wie es der Rechtsauffassung der vom GKV-Spitzenverband in Parallelverfahren (ua B 3 KR 13/15 R - erledigt durch Rücknahme der Revision am 8.7.2015) vertretenen Krankenkassen entspricht. Geht man davon aus, dass die monatlichen Abrechnungen für die Arzneimittelabgaben aus dem Jahr 2009 auf Basis des damals weiterhin gültigen gesetzlichen Apothekenabschlags von 2,30 Euro je Packung aus damaliger Perspektive endgültig, also nicht nur vorläufig oder unter Vorbehalt erfolgt sind, stellt sich die notwendige Rückzahlung des Differenzbetrages von 0,55 Euro durch die Krankenkasse wegen des nachträglich auf 1,75 Euro reduzierten Apothekenabschlags als Abrechnung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs des Apothekers dar, weil bei der fristgemäßen Begleichung des monatlichen Rechnungsbetrages der Vergütungsanspruch nach damaliger Rechtslage in voller Höhe erfüllt worden ist (§ 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 362 BGB). Durch die Verringerung des Abschlags auf 1,75 Euro ändert sich unter diesem Blickwinkel nichts an der eingetretenen Erfüllung des Vergütungsanspruchs; vielmehr ist der Ausgleich der zu viel einbehaltenen Differenz von 0,55 Euro im Wege einer öffentlich-rechtlichen Erstattung vorzunehmen. Ein solcher Erstattungsanspruch fällt weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Regelung unter die Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 Satz 1 SGB V.
7. Da die Klage mangels Anwendbarkeit des § 130 Abs 3 SGB V ohnehin unbegründet ist, kommt es auf die Frage, ob dem Klagebegehren die für den Fall der prinzipiellen Begründetheit des Anspruchs von der Beklagten hilfsweise geltend gemachten Einwände der Erfüllung einer Zusatzvereinbarung (§ 362 BGB) und des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegenstehen, nicht an. Die Beklagte beruft sich dazu auf eine zwischen ihr und dem Apothekerverband Nordrhein eV sowie dem Apothekerverein Hamburg getroffene "Vereinbarung" vom 18.6.2010, wonach die Nachzahlung der Differenzbeträge von 0,55 Euro je Packung kurzfristig in zwei Raten erfolgen sollte, sobald sich das jeweilige Rechenzentrum für die betroffenen Apotheken als Geldempfangsbevollmächtigte legitimiert habe. Nachdem dies am 7.7.2010 geschehen sei, habe sie die Zahlungen am 8. und 13.7.2010 veranlasst. Dadurch sei die "Vereinbarung" eingehalten und der Restvergütungsanspruch des Klägers erfüllt worden. Die "Vereinbarung" sei zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als der Kläger das Nachzahlungsbegehren bereits erhoben habe (vgl die am 19.5.2010 eingegangene Rechnung des Rechenzentrums vom 5.5.2010), und habe das Ziel gehabt, den LSG-Beschluss vom 5.5.2010 über die sofortige Vollziehung des Schiedsspruchs vom 21.12.2009 pragmatisch umzusetzen. Der Kläger sei an die "Vereinbarung" gebunden (§ 129 Abs 3 SGB V). Seine Klage verletze das Gebot von Treu und Glauben.
Da es auf die Berechtigung dieser Einwände nicht ankommt, bedarf es auch keiner konkreten Feststellungen zu Form und Inhalt der von der Beklagten behaupteten "Vereinbarung" vom 18.6.2010. Ein von den Beteiligten unterschriebener Vertragstext ist jedenfalls nicht vorgelegt worden. Das SG hat insoweit lediglich den Vortrag der Beklagten wiedergegeben, aber auf eigene Feststellungen dazu verzichtet, weil es nach seiner Lösung auf diese - vom Kläger bis zuletzt auch bestrittene (vgl Schriftsatz vom 26.5.2014, Umdruck S 24) - "Vereinbarung" nicht ankam. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die "Vereinbarung" einen öffentlich-rechtlichen Vertrag iS des § 53 SGB X darstellt und daher der Schriftform bedurft hätte (§ 56 SGB X) bzw ob und unter welchen Voraussetzungen ein in Vollzug gesetzter bzw bereits durchgeführter Vertrag wirksam bleibt, auch wenn er dem Erfordernis des § 56 SGB X nicht entspricht (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl 2014, § 56 RdNr 3 und 11). Auch die Frage der Bindungswirkung einer solchen "Vereinbarung" gegenüber dem Kläger kann letztlich offen bleiben (vgl dazu § 129 Abs 3 SGB V iVm § 2 der Satzung des Apothekerverbandes Nordrhein eV: Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder).