Entscheidungsdatum: 06.03.2012
Der Anspruch eines Apothekers gegen eine Krankenkasse auf Vergütung für die Abgabe eines Arzneimittels an einen ihrer Versicherten geht in Höhe des jeweiligen Apothekenrabatts rückwirkend ohne weiteren Rechtsakt aufgrund Bedingungseintritts unter, wenn die Krankenkasse die Forderung abzüglich des Rabatts binnen zehn Tagen nach Rechnungseingang vollständig erfüllt.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juli 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 165 152,83 Euro festgesetzt.
Die Beteiligten streiten über die Bezahlung von als Apothekenrabatt einbehaltener Arzneimittelvergütung.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er bezweckt nach § 1 Abs 2 seiner Satzung die Wahrnehmung und Förderung gemeinsamer Interessen von Apothekern in Hamburg, die sich in ihm zusammengeschlossen haben. Ihm angehörende Apotheker und andere Apotheker in Norddeutschland gaben im Monat August 2003 Arzneimittel an Versicherte der beklagten Krankenkasse (KK) ab. Sie forderten hierfür Vergütung, berechnet in einer Sammelrechnung (9.9.2003) des Norddeutschen Apotheken-Rechenzentrums eV (NARZ), gerichtet an die "Deutsches Dienstleistungszentrum für das Gesundheitswesen GmbH" (DDG), welche die Beklagte im Apothekenabrechnungsverkehr vertritt. Die Sammelrechnung wies eine Brutto-Rechnungssumme von 2 452 578,54 Euro aus, abzuziehende Zuzahlungen von 160 128,20 Euro, einen Apothekenrabatt von 197 642,41 Euro, weitere Abzugsposten von insgesamt 111 092,73 Euro, die geleistete Vorauszahlung von 1 682 720,65 Euro und daraus folgend eine Restforderung von 303 532,95 Euro. Die DDG setzte von der Restforderung einen nicht näher spezifizierten Berichtigungsbetrag von 3212,34 Euro ab und einen wegen Abrechnungsproblemen zu Beginn des Jahres 2003 nacherhobenen Apothekenrabattbetrag von 52 262,45 Euro. Die Beklagte überwies deshalb zur Tilgung der Restforderung lediglich 248 058,16 Euro, die am 24.9.2003 dem Konto des NARZ gutgeschrieben wurden. Die DDG hielt die Einbehaltung später teilweise für rechtsgrundlos. Sie zahlte deshalb am 25.1.2005 von dem nacherhobenen Apothekenrabatt 48 478,73 Euro an die betroffenen Apotheker aus. Daraufhin trat die Mehrheit der Apotheker, deren Forderungen in der Sammelrechnung vom 9.9.2003 enthalten waren, ihre Ansprüche auf restliche Vergütung in Höhe des einbehaltenen Apothekenrabatts für ihre im August 2003 erbrachten und abgerechneten Leistungen an den Kläger ab, geleitet von der Rechtsauffassung, der Rabatt sei nicht angefallen. Die Beklagte habe die Sammelrechnung nicht fristgerecht iS von § 130 Abs 3 S 1 SGB V beglichen, sondern die Forderungen rechtsgrundlos länger als zehn Tage um einen Betrag von 48 478,73 Euro gekürzt.
Das SG hat der auf Zahlung von insgesamt 169 370,14 Euro gerichteten Klage nur hinsichtlich eines Betrages von 4217,31 Euro stattgegeben, entsprechend 2,49 vH der eingeklagten Summe. Der Anteil der nicht binnen zehn Tagen nach Eingang der Sammelrechnung geleisteten Vergütung habe sich nämlich auf 2,49 vH belaufen (Urteil vom 9.6.2009). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: § 130 Abs 3 S 1 SGB V ordne bei einer geringfügigen ungerechtfertigten Kürzung des Rechnungsbetrags keinen vollständigen Verlust des Rabattanspruchs an. Zudem habe die Beklagte die nach § 2 Abs 1 Buchst a des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden "Vertrag(es) über die elektronische Rezeptabrechnung gemäß § 10 des Arznei-Liefervertrages vom 1. Dezember 1982" vereinbarte Abschlagszahlung (80 % der Monatsrechnung des letzten abgerechneten Monats bis zum Vierten des laufenden Monats) fristgemäß geleistet. Die Apotheker hätten sich deshalb hier an der Kostendämpfung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in dem Umfang, in dem die Beklagte die Sammelrechnung bezahlt habe, zu beteiligen (Urteil vom 12.7.2011).
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung des § 130 Abs 3 S 1 SGB V. Die Skontoregelung verlange von der KK die vollständige Begleichung der Rechnung binnen zehn Tagen nach deren Eingang, um einen Anspruch auf Apothekenrabatt zu begründen. Der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V sehe keine abweichende Regelung vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juli 2011 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juni 2009 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, weitere 165 152,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15. Juni 2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung des § 130 Abs 3 S 1 SGB V beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der Senat kann wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht in der Sache selbst abschließend über den Erfolg der Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil entscheiden, soweit dieses die zulässig erhobene echte Leistungsklage abgewiesen hat.
Streitgegenstand sind an den Kläger abgetretene Restvergütungsansprüche von Apothekern für im August 2003 an Versicherte der beklagten KK gelieferte und unter dem 9.9.2003 in Rechnung gestellte Arzneimittel. Die auf einen Gesamtzahlbetrag gerichtete Klage ist hinreichend bestimmt, denn der Kläger hat jeden Teilvergütungsanspruch jedes Zedenten in Höhe des von ihm geltend gemachten Rabattanteils einzeln aufgeführt und beziffert.
Entgegen der Auffassung des LSG sind die streitigen Vergütungsansprüche der Apotheker zunächst uneingeschränkt entstanden (dazu 1.). Vergütungsansprüche der Apotheker für an GKV-Versicherte abgegebene Arzneimittel gehen in Höhe des jeweiligen Apothekenrabatts nur insoweit nachträglich unter, als die KK die Forderungen der einzelnen Apotheker binnen zehn Tagen nach Rechnungseingang vollständig erfüllt (dazu 2.). Der Senat kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aber nicht entscheiden, ob und inwieweit danach die streitigen Vergütungsansprüche bestehen (dazu 3.).
1. Der Kläger ist aufgrund wirksamer Abtretung Rechtsinhaber der streitbefangenen Restvergütungsansprüche der Apotheker. Ansprüche auf Vergütung erwuchsen den Apothekern zunächst in voller Höhe für die von ihnen an Versicherte der Beklagten abgegebenen Arzneimittel (dazu a). Die Ansprüche verminderten sich um die unangegriffen festgestellten Abzugsposten wie Zuzahlungen der Versicherten und Teilzahlungen der Beklagten bis auf einen Restbetrag, der die streitbefangene Forderung umfasst, weil die Beklagte die Forderungen in Höhe der einbehaltenen Apothekenrabatte nicht erfüllte (dazu b).
a) Die streitbefangenen Ansprüche der Apotheker für die von ihnen an Versicherte der Beklagten abgegebenen Arzneimittel ergeben sich aus § 129 SGB V (idF durch Art 1 Nr 4 Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15.2.2002, BGBl I 684) in Verbindung mit den hierfür geltenden vertraglichen Regelungen des Leistungserbringungsrechts (dazu aa). Die Vergütungsansprüche - einschließlich des vom Kläger geltend gemachten, noch offenen Restbetrags von insgesamt 165 152,42 Euro - erfüllten die dort geregelten Voraussetzungen (dazu bb).
aa) Nach § 129 SGB V geben die Apotheker nach Maßgabe der ergänzenden Rahmenvereinbarungen und Landesverträge (§ 129 Abs 2 und Abs 5 S 1 SGB V, vgl auch § 2 Abs 2 S 3 SGB V) vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte der GKV ab. Diese Vorschrift begründet im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheker, vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an die Versicherten abzugeben. Die Apotheker erwerben im Gegenzug für ihre öffentlich-rechtliche Leistungspflicht einen durch Normenverträge näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die KKn, der schon in § 129 SGB V vorausgesetzt wird (ausführlich dazu BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6, RdNr 12 f; zur Aufgabe der Rspr zum privatrechtlichen Vergütungsanspruch der durch öffentlich-rechtliche Verträge in das System eingebundenen Leistungserbringer vgl BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5, RdNr 15).
Die im hier betroffenen Zeitraum August 2003 für das Bestehen eines Vergütungsanspruchs in Verbindung mit § 129 SGB V maßgeblichen ergänzenden Vereinbarungen sind der auf Bundesebene zwischen den Spitzenverbänden der KKn einschließlich der Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband eV auf der Grundlage des § 129 Abs 2 SGB V geschlossene "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V" idF der Schiedsstellenentscheidung vom 6.8.2001 (RahmenV) sowie die den Rahmenvertrag ergänzenden Verträge nach § 129 Abs 5 S 1 SGB V. Nach § 129 Abs 5 S 1 SGB V können die Landesverbände der KKn und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Das ist insbesondere geschehen mit dem ua zwischen dem BKK-Landesverband Nord (handelnd für die Beklagte) und dem Kläger (handelnd für die in ihm zusammengeschlossenen Apotheker Hamburgs) am 24.10.1997 geschlossenen "Arznei-Liefervertrag" (ALV), sowie mit dem "Vertrag über die elektronische Rezeptabrechnung gemäß § 10 des Arznei-Liefervertrages vom 1. Dezember 1982" (Rezeptabrechnungsvertrag/RezeptAbrV), der gemäß § 7 ALV weiterhin Gültigkeit besitzt. Die Verträge konkretisieren, wann Apotheker ordnungsgemäß Vergütung für die Abgabe welcher Arzneimittel an Versicherte aufgrund vertragsärztlicher Verordnung erhalten.
bb) Die streitigen Vergütungsansprüche der Apotheker erfüllten die Voraussetzungen der dargelegten gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Insbesondere gaben die Apotheker im Monat August 2003 aufgrund ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung hierfür vorgesehene Arzneimittel an Versicherte der Beklagten ab und berechneten ihre Vergütung ordnungsgemäß. Dies ergibt sich aus den dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe des LSG zu entnehmenden unangegriffenen und deswegen den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG).
b) Die danach zunächst gegebenen Ansprüche minderten sich um die unangegriffen festgestellten Abzugsposten wie die Zuzahlungen der Versicherten. Hiernach betrug die Gesamtforderung im Sinne der Brutto-Rechnungssumme im Ausgangspunkt 2 452 578,54 Euro. Dieser Betrag bildet zugleich die Grundlage für die Berechnung des Apothekenrabatts (vgl dazu unter 2.), der sich nach dem Apothekenabgabepreis bestimmt. Der auf die Gesamtforderung entfallende Apothekenrabatt beträgt 197 642,41 Euro, von dem der Kläger insgesamt 169 370,14 Euro geltend macht und von dem nach dem Inhalt des von der Beklagten nicht angegriffenen SG-Urteils noch 165 152,42 Euro im Streit stehen.
Der erkennende Senat kann im Revisionsverfahren vom genannten Betrag und von den unstreitigen Abzugsposten (Zuzahlungen, geleistete Vorauszahlungen, weitere Abzugsposten) ausgehen. Der vom LSG zugrunde gelegte übereinstimmende Beteiligtenvortrag genügt insoweit als ausreichende Tatsachengrundlage für die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen und Gegenrechte. Auch wenn amtliche Sachaufklärung nicht von Beteiligtenvorbringen (Tatsachenbehauptungen, Beweisanregungen, Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Amtsermittlungsgrundsatz keine Pflicht von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. In diesem Sinne findet die amtliche Sachaufklärungspflicht ihre Grenze an der Mitwirkungslast der Verfahrensbeteiligten (vgl BSGE 78, 207, 213 = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 24; BSG Urteil vom 7.5.1998 - B 11 AL 81/97 R - juris RdNr 20; vgl auch Hauck in Zeihe, SGG, Stand November 2010, Vor § 103 Anm 1. A. II.; Hauck in Hennig, SGG, Stand Dezember 2011, § 103 RdNr 19; Roller in Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2009, § 103 RdNr 8; Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand August 2011, § 103 Anm 2 c). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - beide Beteiligten, für die jeweils spezialisierte Abrechnungsunternehmen handeln, eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen. Schließlich hat die Beklagte auch nicht innerhalb der nach § 9 Abs 2 ALV vorgesehenen Ausschlussfrist von 18 Monaten (weitere) Rechnungs- und innerhalb von 12 Monaten (weitere) Taxbeanstandungen vorgebracht.
2. Vergütungsansprüche der Apotheker für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte einer KK vermindern sich in Höhe des jeweiligen Apothekenrabatts rückwirkend ohne weiteren Rechtsakt aufgrund Bedingungseintritts, wenn die KK die Voraussetzungen für das Entstehen des Rabatts erfüllt (dazu a). Bedingung für das Entstehen des Rabatts ist die vollständige Begleichung der Rechnung innerhalb der Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 S 1 SGB V (dazu b).
a) Das Gesetz umschreibt lediglich den äußeren Vorgang der Rabattierung, ohne ihn ausdrücklich rechtstechnisch zu qualifizieren. Nach dem Wortlaut der Normen "erhalten" die KKn von den Apotheken auf den für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis einen "Abschlag" (§ 130 Abs 1 S 1 SGB V, hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 7 Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung
Die Rabattierung ist in das System der Arzneimittelvergütung für die Apotheken durch die KKn integriert. Sie soll einfach und sicher das gesetzliche Ziel umsetzen, bei - im Interesse der Apotheken - kurzfristiger, zeitgerechter Erfüllung den Vergütungsanspruch um einen bestimmten Betrag im Interesse der KKn zu mindern. Der Apothekenrabatt dient heute (zur historischen Entwicklung vgl BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 25 f mwN) allein dazu, bei sich weiterhin dynamisch entwickelnden Arzneimittelkosten (vgl nur BT-Drucks 17/3116 S 1) einen Einspareffekt bei pünktlicher Bezahlung zu bewirken und dem gesetzgeberischen Ziel der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) Rechnung zu tragen. Der Apothekenrabatt als - geringfügige - Kürzung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs des Apothekers gegen die KK erhält durch die Bindung an die Zehntagesfrist nach Rechnungseingang (§ 130 Abs 3 S 1 SGB V) den Charakter eines Skontos für die alsbaldige Zahlung (ähnlich BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 26 und 28).
Dem aufgezeigten Regelungssystem und -zweck entspricht es, den KKn zur fristgerechten Erfüllung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs der Apotheker für an Versicherte abgegebene Arzneimittel zu ermöglichen, unter Hinweis auf den "Abzug" unmittelbar den um den Rabatt geminderten Preis zu zahlen, und keine weiteren Rechtsakte der Beteiligten - Apotheken und KKn - zu verlangen. In diesem Sinne handelt es sich bei dem Zwangsrabatt um eine bereits das gesetzlich geregelte Grundgeschäft betreffende gesetzlich angeordnete auflösende Bedingung (vgl zur rechtsgeschäftlich geregelten auflösenden Bedingung § 158 Abs 2 BGB). Der zunächst entstandene ungekürzte Vergütungsanspruch des Apothekers aus der Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte steht in Höhe des Apothekenrabatts unter der auflösenden Bedingung, dass der Vergütungsanspruch (abzüglich des Rabatts) innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen nach Rechnungseingang beglichen wird.
Der Konstruktion einer aufschiebend bedingten selbstständigen Verfügung kraft Gesetzes, die ihren Rechtsgrund in eben dieser gesetzlichen Anordnung findet und nachträglich den entstandenen Vergütungsanspruch dinglich entfallen lässt, bedarf es nicht. Auf den im Zivilrecht bestehenden Streit, ob es sich bei vorab vereinbarter Skontoabrede, soweit kein Schuldänderungsvertrag vorliegt, um einen aufschiebend bedingten Teilerlass der Forderung nach § 397 BGB für den Fall fristgerechter Zahlung handelt (vgl BGH Urteil vom 11.2.1998 - VIII ZR 287/97 - NJW 1998, 1302; Nehls, WM 1995, 1657 mwN) oder um eine Preisermäßigungsbedingung als Bestandteil des Grundgeschäftes (so Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 2. Aufl 1994, S 384; Rieble in Staudinger, BGB, §§ 397 - 432, Neubearbeitung 2005, § 397 RdNr 51), kommt es nicht an.
b) § 130 Abs 3 S 1 und 2 SGB V regelt, unter welchen Voraussetzungen die Bedingung eintritt. Danach setzt die Gewährung des Abschlags voraus, dass die Rechnung des Apothekers innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der KK beglichen wird. Das Nähere regelt der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V.
Bedingung für den Wegfall des ungekürzten Vergütungsanspruchs ist zunächst, dass der Apotheker - ggf nach Maßgabe des RahmenV - eine ordnungsgemäße Rechnung über seine berechtigten Forderungen erstellt und der KK zugehen lässt. Sodann muss die KK die mit der Rechnung geltend gemachten Forderungen innerhalb der Zehntagesfrist ab Rechnungseingang - ggf nach näherer Maßgabe des RahmenV - erfüllen. Die Erfüllung kann nur durch die vollständige Zahlung oder ihr gleichgestellte Erfüllungssurrogate abzüglich des zutreffend berechneten Rabatts erfolgen. Eine bloße Teilzahlung genügt dagegen nicht, um den Eintritt der Bedingung zu bewirken (anders bei abweichender Vertragsgestaltung OLG Hamm Urteil vom 7.2.1995 - 21 U 73/94 - NJW-RR 1995, 856).
Die gesetzliche Regelung des Apothekenrabatts unterliegt keiner vertraglichen Disposition. Hingegen haben die Parteien des RahmenV und die des ergänzenden Vertrags auf Landesebene die Befugnis, die Apothekenrabattregelung zu konkretisieren. In diesem Sinne regelt etwa § 2 Abs 4 S 2 RezeptAbrV, in welchem Umfang welcher Vertragsseite das Risiko einer durch die Bank verspätet ausgeführten Überweisung zuzurechnen ist, wann also eine tatsächlich verspätet dem Konto des NARZ gutgeschriebene Überweisung nicht als verspätet gilt.
3. Der Senat kann auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob und in welchem Umfang die an den Kläger abgetretenen, von der Beklagten nicht innerhalb der Zehntagesfrist erfüllten Vergütungsansprüche der Apotheker bestehen, namentlich ob sie über den vom SG ausgeurteilten - von der Beklagten nicht angegriffenen - Betrag hinausgehen. Er kann unter Beachtung der dargelegten Anforderungen mangels hinreichender Feststellungen insbesondere nicht entscheiden, inwieweit sich die streitigen Vergütungsansprüche der Apotheker jeweils um den Apothekenrabatt minderten (dazu a). Das LSG-Urteil ist im Ergebnis nicht deshalb aufrechtzuerhalten, weil andere Einwendungen der Beklagten durchgreifen (dazu b). Das LSG wird die danach erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben (dazu c).
a) Der Senat kann nach dem Inhalt der Feststellungen des LSG zwar davon ausgehen (§ 163 SGG), dass Apotheker im August 2003 an Versicherte der Beklagten abgegebene Arzneimittel unter dem 9.9.2003 ordnungsgemäß in Rechnung stellten. Er kann aber schon nicht darüber entscheiden, wann für jeden der geltend gemachten Ansprüche die Frist des § 130 Abs 3 S 1 SGB V zu laufen begann, weil Feststellungen zum Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung fehlen.
An der Notwendigkeit, jeden Einzelanspruch zu überprüfen, ändert sich nichts dadurch, dass die Apotheker in formularmäßig gestalteten Verträgen die noch streitigen Vergütungsansprüche an den Kläger abtraten. Durch die Zusammenfassung der einzelnen Restvergütungsansprüche zu einem Betrag, der Klageforderung, verloren die einzelnen Forderungen der Apotheker nämlich nicht ihr jeweils eigenes rechtliches Schicksal. Es entstand keine Gesamtforderung im Rechtssinne, denn es wurde die bisherige Gläubigerstellung der einzelnen Apotheker übertragen.
Der Senat kann zudem auch unabhängig von der genauen Beachtung der Zahlungsfrist nicht entscheiden, inwieweit bei jedem der Ansprüche Rabatte angefallen sind. Es fehlt an weiteren hinreichenden Feststellungen des LSG dazu, dass die Bedingung der fristgerechten vollständigen Begleichung der Rechnung, unter der jeder einzelne Vergütungsanspruch steht, hinsichtlich sämtlicher in der Sammelrechnung enthaltener Vergütungsansprüche eintrat. Der Umfang der Rabatte ist vielmehr offen. Das gilt auch dann, wenn man nach den dargelegten Grundsätzen (vgl oben, II.1.b) ohne weitere Untermauerung durch eine Prüfung von Amts wegen davon ausgeht, dass die Beklagte die Rechnung vom 9.9.2003 zumindest um einen Betrag von 48 478,73 Euro unberechtigt kürzte. Sie bewirkte bei unberechtigter Kürzung zumindest teilweise keinen Eintritt der Bedingung, die den Apothekenrabatt auslöst, denn sie erfüllte insoweit die in Rechnung gestellten Ansprüche nicht vollständig innerhalb der Zehntagesfrist. Es ist indes unklar, ob und inwieweit die auflösende Bedingung, unter der jeder zunächst entstandene Vergütungsanspruch der Apotheker in Höhe des Rabatts steht, hinsichtlich der Forderungen aus der Sammelrechnung vom 9.9.2003 eintrat.
Unerheblich ist demgegenüber, dass die Beklagte schon vorab 1 682 720,65 Euro als Abschlag an die Apotheker bezahlte. § 2 Abs 4 S 1 RezeptAbrV sieht zwar vor, dass bei Nichteinhaltung der in § 2 Abs 1 Buchst a) und b) RezeptAbrV genannten Zahlungsfristen der Abschlag hinsichtlich des nicht fristgerecht geleisteten Teilbetrages entfällt. Weder folgt daraus im Umkehrschluss - wie die Beklagte meint -, dass der auf die - wie hier - fristgerecht geleistete Abschlagszahlung einbehaltene Apothekenrabatt der KK in jedem Fall erhalten bleibt noch folgt daraus - wie der Kläger meint -, dass bei nicht fristgerecht geleisteter Abschlagszahlung die Zehntagesfrist des § 130 Abs 3 S 1 SGB V in keinem Fall mehr erfüllt werden kann. § 130 Abs 3 S 1 SGB V kann - wie oben dargelegt (vgl II.2.b) - weder durch den RahmenV nach § 129 Abs 2 SGB V noch durch einen ergänzenden Vertrag auf Landesebene nach § 129 Abs 5 SGB V geändert werden. Der Apothekenrabatt fällt an, wenn die (endgültige) Rechnung von der KK binnen zehn Tagen nach Rechnungseingang abzüglich des Rabatts vollständig beglichen worden ist, ansonsten nicht. Ist einem Apotheker durch eine rechtswidrig nicht erfüllte Abschlagszahlung ein Schaden entstanden, bleibt es ihm unbenommen, einen Schadenersatzanspruch gegen die KK geltend zu machen. Der Schaden kann jedoch nicht im Wegfall des Apothekenrabatts bestehen.
b) Anspruchsvernichtende oder dauerhaft anspruchshemmende Umstände, die dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere unterliegen fristgerecht geltend gemachte Vergütungsansprüche - wie hier - keiner von Amts wegen zu beachtenden Ausschlussfrist. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob § 6 Abs 1 ALV eine Ausschlussfrist enthält, weil die Frist jedenfalls Beachtung fand. § 6 Abs 1 ALV bestimmt, dass alle in einem Kalendermonat belieferten Verordnungen spätestens bis zum 15. des Folgemonats den KKn in Rechnung zu stellen sind. Das für die Apotheker handelnde NARZ schickte die August-Sammelrechnung am 9.9.2003 der für die Beklagte handelnden DDG. Die Beklagte machte keinen Zugang nach dem 15.9.2003 geltend.
c) Das LSG wird danach (zusammenfassend) zunächst den Zeitpunkt des Rechnungseingangs bei der Beklagten festzustellen haben. Es wird sodann für jeden einzelnen abgetretenen Restvergütungsanspruch zu prüfen haben, ob die Beklagte dort jeweils einen unberechtigten Einbehalt aus der Gesamtsumme von 48 478,73 Euro vornahm. Die erforderliche Prüfung setzt in einem ersten Schritt voraus, zunächst diejenigen Einzelansprüche der Apotheker zu identifizieren, die von dem Gesamteinbehalt von 52 262,45 Euro erfasst wurden. In einem zweiten Schritt hat das LSG zu prüfen, welche dieser Ansprüche die Beklagte zeitgerecht vollständig beglich. Hierzu sind den Vergütungsansprüchen der einzelnen Apotheker die Zahlungen der Beklagten, die von ihr wirksam geltend gemachten Erfüllungssurrogate (der auch nicht nachträglich ausgezahlte Einbehalt von 3783,72 Euro) und die von den Apothekern akzeptierten sachlich-rechnerischen Richtigstellungen (der nicht näher spezifizierte Berichtigungsbetrag von 3212,34 Euro) zuzuordnen. Hierbei muss das LSG für die Ansprüche, die Apotheker mit Sitz außerhalb Hamburgs dem Kläger zedierten, die weiteren einschlägigen Verträge auf Landesebene berücksichtigen, die für diese streitgegenständlichen Forderungen galten.
Alle Vergütungsansprüche, die die Beklagte hiernach in vollem Umfang abzüglich des Rabatts zeitgerecht durch Zahlung und Erfüllungssurrogate beglich, sind auszuscheiden, weil die Klage insoweit unbegründet ist. Nicht in die Klage einbezogen sind die von unberechtigten Kürzungen betroffenen Forderungen derjenigen Apotheker, die ihre Ansprüche nicht an den Kläger abgetreten haben. Es verbleiben danach die berechtigten Einzelansprüche derjenigen Apotheker, die ihre Forderungen an den Kläger abgetreten haben. Die Summe dieser Forderungen ergibt den Betrag, den die Beklagte dem Kläger noch zu zahlen hat. Soweit die Summe den bereits vom SG zuerkannten Betrag übersteigt, hat die auf weitere Zahlung gerichtete Berufung des Klägers Erfolg. Das LSG wird im Übrigen auch über die vom Kläger geltend gemachten Zinsansprüche zu befinden haben.
Das LSG kann die Beteiligten für die aufgezeigten notwendigen Ermittlungen heranziehen. Es kann ihnen hierbei aufgeben, dem LSG die einzelnen Forderungen zu bezeichnen, die die Voraussetzung der nicht vollständigen Begleichung innerhalb der Zehntagesfrist erfüllen, und dem LSG im Einzelnen darzulegen, in welchem Umfang Kürzungen berechtigt oder unberechtigt erfolgten. Denn der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet das Gericht nicht dazu, Sachverhalte zu ermitteln, über die die Beteiligten ein besonderes, ihrer eigenen Sphäre verhaftetes Wissen verfügen, das erst die Möglichkeit zu einer sachgerechten Ermittlung eröffnet. Sollte ein Beteiligter seinen Mitwirkungslasten nicht genügen, können sich die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht verringern (vgl zum Ganzen BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 f mwN zu Rspr und Literatur).
Kann das LSG nach Ausschöpfung der gebotenen Beweiserhebung nicht feststellen, dass der Vergütungsanspruch eines Zedenten innerhalb der Zehntagesfrist beglichen wurde, trägt die Beklagte die objektive Beweislast für diese ihr vorteilhafte Tatsache in ihrer Sphäre nach allgemeinen Grundsätzen (vgl hierzu zB BSGE 71, 256 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7; BSGE 108, 251 = SozR 4-2500 § 137g Nr 1, RdNr 24 mwN; Hauck in: Hennig, SGG, Stand Dezember 2011, § 103 RdNr 71 mwN). Die Beklagte kann dem Kläger hierbei nicht entgegenhalten, er verhalte sich treuwidrig, weil er jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung selbst die Zahlungsvorgänge für jede einzelne Forderung hätte konkret darstellen können. Insoweit hat der Kläger gerade die - wenngleich unzutreffende - Auffassung vertreten, dass die Sammelrechnung eine einzige Rechnung sei, die es fristgemäß zu begleichen gelte. Hingegen hat die Beklagte schon im Schriftsatz vom 24.10.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich jedes einzelnen Vergütungsanspruchs zu prüfen sei, ob er innerhalb der Frist beglichen worden sei. Ihr war es auch zuzumuten, die die Zahlungsvorgänge betreffenden Daten zu sichern.
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.