Entscheidungsdatum: 08.05.2015
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 4. November 2014 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Urteil vom 4.11.2014 hat das Sächsische LSG einen von der Klägerin im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer höheren Altersrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 9.3.2015 genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) aufzeigen (vgl zum Ganzen BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Die Klägerin hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam: |
||
"Ist das mit dem Rentenüberleitungsgesetz geschaffene, für die Versicherten nun offenbar lebenslang wirkende Sonderrecht Ost auf dem Gebiet der Alterssicherung einschließlich des Gebietes des pflichtversicherten Rentenrechtes, wie auch die abweichend von § 260 SGB VI mit §§ 228a und 256a SGB VI durch das RÜG geschaffene besondere Beitragsbemessungsgrenze (Ost), auch noch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung weiterhin zulässig." |
Offenbleiben kann, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage im vorgenannten Sinne zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert hat (vgl hierzu allgemein BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Selbst wenn man eine solche unter Heranziehung und wohlwollender Auslegung des weiteren Beschwerdevortrags bejahen wollte, hat die Klägerin jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargetan.
Soweit die Klägerin mit ihrer Grundsatzrüge die - vermeintliche - Verfassungswidrigkeit der Sonderregelungen über die Rentenfestsetzung für das Beitragsgebiet rügen will, erfüllt die Beschwerdebegründung die diesbezüglichen Darlegungsanforderungen nicht. Denn in einem solchen Fall darf sich die Beschwerdebegründung nicht auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl Senatsbeschluss vom 11.5.2010 - B 13 R 589/09 B - Juris RdNr 16
Die Klägerin trägt selbst vor, das BSG habe in seinem Urteil vom 14.3.2006 (B 4 RA 41/04 R - SozR 4-2600 § 255a Nr 1) festgestellt, "dass die unterschiedlichen Rentenregelungen im Juli 2000 im Hinblick auf die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung nicht verfassungswidrig" gewesen seien. Ihr weiteres Vorbringen genügt jedoch nicht, um schlüssig darzulegen, weshalb eine erneute höchstrichterliche Klärung für einen nicht näher benannten streitgegenständlichen Zeitraum erforderlich sein sollte. Hierfür reicht der Vortrag nicht aus, dass "zwischenzeitlich seit den Feststellungen für das Jahr 2000 weitere 15 Jahre, insgesamt also 25 Jahre nach der Wiedervereinigung verstrichen" seien.
Erforderlich wäre es vielmehr gewesen, maßgebende Stimmen in der Rechtsprechung und/oder im Schrifttum zu benennen, die die Ansicht der Klägerin stützen, dass die unterschiedliche Rentenfestsetzung in West und Ost verfassungswidrig sei. Entsprechenden substantiierten Vortrag enthält die Beschwerdebegründung aber nicht. An dieser Stelle versäumt es die Klägerin bereits, sich mit nachfolgender einschlägiger Rechtsprechung des BSG auseinanderzusetzen. So geht sie nicht auf das Urteil des BSG vom 20.12.2007 (B 4 RA 32/05 R - SozR 4-2600 § 255a Nr 2 RdNr 21) ein, in dem ausgeführt wird, dass die weiterhin bestehenden Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern im Jahre 2004 im Grunde immer noch durch die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung und die durch den Staatsbankrott der DDR verursachten außerordentlichen finanziellen Belastungen und schwierigen Gesamtaufgaben hervorgerufen sind. Ebenso wenig beschäftigt die Klägerin sich mit dem Urteil des Senats vom 13.11.2008 (B 13 R 129/08 R - BSGE 102, 36 = SozR 4-2600 § 93 Nr 12, RdNr 82). In dieser Entscheidung hat der Senat zwar eine fortschreitende Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet gesehen. Unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Besoldung von Beamten, Richtern und Soldaten in Ost und West vom 12.2.2003 (2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218, 248 ff, 250) ist er aber davon ausgegangen, "dass sich die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, darin eingeschlossen das allgemeine Preis- und Lohnniveau, nach wie vor in den neuen Ländern erheblich von denen in den alten Ländern unterscheiden. Es ist nicht ersichtlich, dass sich hieran seither wesentlich etwas geändert hätte, wie auch am verbliebenen Unterschied zwischen dem aktuellen Rentenwert und dem aktuellen Rentenwert (Ost) abzulesen ist (Berechnungsmethode: § 255a Abs. 1 SGB VI)". Schließlich zeigt die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht auf, dass (bzw seit wann) iS von §§ 254b, 254c und 255a SGB VI der Prozess der "Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland" bereits abgeschlossen sei.
Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus den von ihr zitierten "Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Sonderdruck) - Ostdeutsche Arbeitskräfte in Westdeutschland, 25. Jahrgang, 1992", dem vorgelegten Auszug aus der DGB-Schrift vom 3.5.2005 "Vorschlag zur Anpassung des aktuellen Rentenwertes Ost an West", den "Werten des statistischen Taschenbuches 2004", dem Artikel aus der Zeitschrift FOCUS 47/2014 (S 12) "Schäuble verhandelt Geld zurück" sowie dem von ihr wiedergegebenen Zitat von Roman Herzog aus 1996. Allein die Darstellung der eigenen (sozialpolitischen) Rechtsansicht zu einem ihrer Ansicht nach unausweichlichen "Rentenbeitragsausgleich" reicht zur Darlegung einer Grundsatzrüge nicht aus.
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Klägerin trägt vor, ihr jetziger Prozessbevollmächtigter habe dieses und zahlreiche andere Verfahren von ihren aus Altersgründen ausgeschiedenen vorherigen Prozessbevollmächtigten übernommen. Ihr Prozessbevollmächtigter sei "plötzlich" einer Masse von ca 150 Verfahren gegenüber gestanden, die zum großen Teil einer sofortigen Bearbeitung bedurft und insbesondere zahlreiche Terminsladungen enthalten hätten. In dieser speziellen Situation dürfe eine mündliche Verhandlung ohne Einverständnis nicht erfolgen, weil weder eine Einarbeitung noch ein Beitrag ihres neuen Prozessbevollmächtigten objektiv möglich gewesen sei.
Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG schlüssig bezeichnet. Sie hat bereits keine konkrete Verfahrensnorm benannt, gegen die das LSG verstoßen haben könnte. Selbst wenn die Klägerin sinngemäß eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) rügen wollte, hat sie in ihrer Beschwerdebegründung einen solchen Verfahrensverstoß nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 S 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung trotz Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - Juris RdNr 6 mwN). Die Klägerin behauptet nicht, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung die vorgenannten Hinweise nicht enthalten habe. Solange aber ein Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht nicht aufgehoben worden ist, dürfen und müssen die Beteiligten davon ausgehen, dass der Termin auch stattfindet (vgl BSG vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - Juris RdNr 8). Lediglich ein iS des § 227 Abs 1 S 1 ZPO (iVm § 202 S 1 SGG) ordnungsgemäß gestellter Antrag auf Terminsverlegung mit einem hinreichend substantiiert geltend gemachten Terminsverlegungsgrund begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts zur Terminsverlegung (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - Juris RdNr 16; BSG vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - Juris RdNr 11). Entsprechende Darlegungen fehlen jedoch. Die Klägerin trägt in ihrer Beschwerdebegründung schon nicht vor, ob, wann und in welcher Form ihr Prozessbevollmächtigter nach der Terminsmitteilung gegenüber dem LSG einen solchermaßen konkreten Terminsverlegungsantrag gestellt habe.
4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.